blog.fohrn.com

Bundestrojaner, die Zweite.

Was da gerade auf twitter abgeht, ist ja hochgradig spannend. Nachdem seitens des Regierungssprechers und seitens des BKA das Dementi kam, dass es sich bei der vom CCC analysierten Software um den Bundestrojaner handelt, kochte die Gerüchteküche hoch, wie selten. Dazu fällt mir eigentlich nur eines ein:

Qui s’excuse, s’accuse. (Stendhal)

Warum? Weil es im Prinzip völlig wurscht ist, ob das Ding nun vom Bund oder von den Ländern unters Volk geschmissen wurde. Dass es sich um eine nichtstaatliche Software handelt, bin ich nicht bereit zu glauben, denn die Kriminellen™ haben in der Regel andere Software mit anderen Funktionen die anderen Zielen dient, am laufen. Wie ein klassischer Verbrecher-Trojaner funktioniert, kann man sich in den Blogs und anderen Publikationen quasi jedes Antivirensoftwareherstellers ansehen. Sie sind ungleich besser gestrickt und dienen in der Regel anderen Zielstellungen. Dort geht es um das möglichst automatisierte Ausspähen von Passwörtern, Log-Ins, TANs, anderen Onlinebankingdaten oder um die Errichtung eines Botnetzes. Was hätten Kriminelle denn davon, eine Platte mit Screenshots vollaufen zu lassen. Oder mit Captures von Webcams oder Toninformationen, die aus dem Stream eines Webcammikrofons generiert werden? Richtig: Nüscht. Weil daraus lässt sich in den seltensten Fällen Geld generieren. Und dann noch was: Die vom CCC analysierte Schadsoftware war nur selten in freier Wildbahn anzutreffen – ein Kriminellentrojaner funktioniert nur in der Masse, denn erstens steht zu erwarten, dass ein Gutteil von Avira, Kaspersky und Co. einfach gelöscht wird und wenn nicht, dann ist auch nicht jeder verbleibende Schuss ein Treffer, denn nichtjeder nutzt eBanking oder andere für Kriminelle interessante Programme bzw. Dienste.

Also: Allein der Funktionsumfang spricht für eine Software zum Zwecke der Umsetzung der sog. „Quellen-TKÜ“, das dürfte auch Nicht-ITlern, die die Analyse des CCC mal grob überlesen haben, aufgehen.

Ich möchte noch etwas anderes erwähnen: Gestern wurde ja bereits festgestellt, dass sie das DLL auf dem Windowsrechner ziemlich regelwidrig verhält. Wäre der Schadcode von Kriminellen abgefasst worden, hätten diese genau das zu vermeiden gesucht, allein schon, um auszuschließen, dass die DLL im heuristischen Läusekamm der lokal installierten Antivirensoftware hängenbleibt. Soviel, liebes BKA, lieber Regierungssprecher, verstehe sogar ich, der ich nun bei Leibe kein ITler bin – ich habe mir ursprünglich mal Sozialpädagogik draufgeschafft.

Zur Entkräftung der dem Dementi inhärenten Argumente bedarf es keiner IT-Profession sondern nur einfachster Logik. Dumm, wenn sowas auffliegt.

Und ich wiederhole an dieser Stelle nochmal: Selbst wenn es sich nicht um den Bundestrojaner sondern einen Landestrojaner handelt, macht das die Sache nicht besser. Jetzt darauf zu spekulieren, die Schuld einem Zwillingsbruder in die Schuhe zu schieben oder einfach zu warten, ob der Urheber der Sauerei erwischt wird und dann zu sagen: „Wir wissen, dass da was schiefgelaufen ist, wir wissen aber nicht, wer es war“ – das ist die unterste Schublade.

Warum wird so gehandelt? Warum wird geleugnet? Es ist ein simples Spiel: Man disketiert den CCC, aber eben nur ein bisschen. Denn der Code ist da, die Aussagen im Kompendium beweisbar. Allerdings weiß der Staat wohl nicht, wer die Informanten des CCC sind. Würde der CCC sich hierüber äußern, wäre das Dementi-Spiel geplatzt, der CCC hätte aber seine Quellen offengelgt. Jeder kann sich ausrechnen, dass der CCC das nicht tun wird. In der öffentlichen Kommunikation ist also eine Art Patt entstanden: Politiker und Beamte sagen (in übertragenem Sinne) „Wir waren es nicht“, der CCC sagt: „Doch, ihr seid ertappt, aber zum Schutz der Quellen müssen wir die Beweise erst mal schuldig bleiben“. Wenn hier nun jemand eher den Beamten und Politikern glaubt als dem CCC, dann ist das nicht mehr mit Naivität zu erklären – sondern nur noch mit Dummheit oder bösem Willen.

Wir mussten indes auch nicht lange warten, bis ein Dummer aufsteht und dem CCC die Quelle zu entlocken. Der Dumme, von dem ich spreche, ist kein geringerer als Bosbach (Quelle: SZ). Nun, es ist schon bezeichnend, dass Herr Bosbach meint, er könne durch Spucken großer Töne den CCC aufs Glatteis führen. Wer seinem Widersacher so wenig Intelligenz zutraut, der darf mit Fug und Recht als Dumm bezeichnet werden.

Der Bosbachsche Trick ist dabei einfach zu billig: Er will einfach die Beweislast umkehren. Er sagt: Wir waren es nicht – der CCC soll doch erst mal beweisen, dass wir es waren. Das ist natürlich völliger Schwachsinn. Der Bürger misstraut ob des Rechtsbruchs mit der Spionagesoftware dem Staat. Daher muss der Staat und dessen Politiker, darunter auch Bosbach, beweisen, dass sie es NICHT waren. Nach dieser SZ-Meldung drängen sich mir ernsthafte Zweifel an der Intelligenz des Mannes auf…

Nun aber nochmal zu etwas ganz anderem: Viele werden sich fragen, wie man erkennen kann, ob der eigene Computer nun mit der Staatsspionagesoftware verseucht ist oder nicht. Das ist sehr sehr einfach, man braucht noch nichtmal einen Virenscanner dafür sondern nur die Windows-Suche (sic!).

Wie dem Kompendium zum Staatstrojaner zu entnehmen ist, liegen auf dem infizierten Rechner zwei Dateien: mfc42ul.dll und winsys32.sys.

Und nun aktiviert man einfach die Windows-Suche und gibt jeweils mfc42ul.dll und winsys32.sys ein. Wird was gefunden? Festplatte sicherst löschen (mehrfaches Überschreiben mit Nullen) und System neu aufsetzen. Wird nichts gefunden, ist mit größter Wahrscheinlichkeit nichts da. Auch den im Kompendium genannten Pfad (vgl. Seite 3) kann man händisch sichten – mehr braucht es aber nicht.

Ich war selbst zutiefst verunsichert, ob es wirklich so einfach sei. Und ich erfuhr aus mehreren berufenen Mündern, dass das Ding so schlecht gemacht ist, dass es in der Tat so einfach ist.

Ich bin gespannt, was sich dieser Tage noch entwickelt, klar ist aber schon jetzt: Der Staatstrojaner stellt einenklaren Rechtsbruch dar. Weder Politiker noch Beamte sind in der Lage, zu beweisen, dass die Schadsoftware nicht von Bund oder Ländern stammt. Das Ding ist leicht zu finden und schnell loszuwerden.

Update: Folgende Virenscaner erkennen den Staatstrojaner: http://mcblogs.craalse.de/sku/48h-spater-der-bundestrojaner-bei

Bundestrojaner geknackt, Funktionsumfang ein Skandal!

Das stand ja zu erwarten, dass der Bundestrojaner nix taugt- schließlich ist das ja ein staatliches IT-Projekt und mir ist kein staatliches IT-Projekt bekannt, das irgendwas geworden wäre. So reiht sich der Bundestrojaner ein in die Reihe der defekten, aber wider besseren Wissens weiterforcierten Projekte wie Toll Collect oder die sog. elektronische Gesundheitskarte (fränkisch: „Grangnkäddla“). Die Häme des ersten Augenblicks, der ich an dieser Stelle etwas Raum gegeben habe, weicht aber schell der Erschütterug und dem Entsetzen über die Umsetzung und die Möglichkeiten, die der Bundestrojaner beinhaltet.

Der CCC hat dazu ein kleines Kompemdium abgefasst, dass unter http://www.ccc.de/system/uploads/76/original/staatstrojaner-report23.pdf abgerufen werden kann. Ich habe das gelesen und fasse mal einige Punkte zusammen und kommentiere ein wenig:

  • es handelt sich um eine Windows-DLL (S. 2), diese dockt sich an den Explorer an und wickelt die Kommunikation darüber ab (S. 3). Das scheint  auf den ersten Blick noch nicht mal doof. Ich kann hier leider auch nur mit Halbwissen glänzen, zumal ich erst seit zwei Monaten einen Windows-PC mein Eigen nenne, aber soviel habe ich bereits mitgekriegt: Ohne explorer.exe läuft nichts – wenn man die abgeschossen hat, dann kann man den Rechner eigentlich nur neu starten. Die Programme im Hintergrund laufen in so einem Fall zwar weiter, richtig arbeiten kann man mit dem Computer dann aber nicht mehr. Der Staat darf also davon ausgehen, dass das Wirtstierprogramm, explorer.exe, immer läuft, nicht ganz doof, wie schon gesagt. Ebenfalls nicht doof ist, den Trojaner – und wir halten fest: Ein Trojaner ist immer eine Schadsoftware, da bildet die Bundesmalware keine Ausnahnme – als DLL auszufertigen. So lässt er sich angesichts der vielhundertfach auf jedem Rechner vorhandenen DLLs nicht einfach durch Sichtug ohne Weiteres ausmachen – getreu dem Motto, dass man einen Baum am besten im Wald versteckt. Das diese DLL ein regelwidriges Verhalten an den Tag legt (S. 2) ist da schon weniger schlau, umso mehr nimmt mich Wunder, dass bislang kein Anti-Virenprogramm das Ding zu finden vermag (S. 2). Eine Ausnahme scheint da aber F-Secure zu bilden, mal sehen.
  • Wie das Ding auf den eigenen Rechner kommt, weiß man beim CCC auch nicht mit Sicherheit zu sagen. Es kann sein, dass der Staat einfach bei einem einbricht und dann den Trojaner händisch einspielt, aber auch einige Möglichkeiten, den Trojaner remote auf den Rechner zu spielen, sind zumindest theoretisch gegeben (S. 3).
  • Derzeit wurden vom CCC nur 32-Bit-Versionen gesichtet. Die Installation auf einem 64-Bit-System scheint nicht ganz untrivial, weil hier Modifikationen am Kernel über eine Signatur verfügen müssen. Ich selbst hätte hier aber ein gerüttelt Maß an Paranoia, denn meines Wissens nach bekommt man heute kaum ohne Weiteres einen Windows-PC mit 32-Bit-Technik neu gekauft – und da muss der Staat ja irgendwie drauf reagieren… (S. 3).
  • „Der in den uns vorliegenden Trojanern hart einkodierte Command-and-Control-Server (C+C-Server) befindet sich auf der IP 207.158.22.134. Diese IP liegt im Rechenzentrum des kommerziellen Hosting-Anbieters Web Intellects in Columbus, Ohio, USA.“ (S. 3). Das hat ein besonderes Geschmäckle – erst einmal wird das Ding wertlos, wenn sich was an der IP ändern sollte. Ich würde weiterhin zumindest versuchen, Zugriffe von und auf diese IP zu sperren. Und dann stinkt die Sache ja gewaltig nach Scheiße, denn was fällt denen eigentlich ein, unsere Daten zu den Ammis zu transferieren, einem Land, das genau gar keinen Ansprüchen hinsichtlich des Datenschutzes gerecht wird.
  • Die Verschlüsselung der zu stehlenden Daten scheint nicht nur ungenügend sondern auch einseitig ausgeführt zu sein – was nicht nur generell schlecht ist, sondern auch den unverschlüsselten Zugriff auf den infizierten Rechner zulässt – double fuck! Der Horror: Der Staat, der den Rechner infizierte, kann dem Opfer, also dem Bürger einfach mal gefälschte Beweise unterschieben. Genau dies können auch andere Kriminelle tun (S. 5). Daher müsste – betrachtet man das mal von der rechtsstaatlichen Perspektive – jedes via Bundestrojaner gewonnene Material vor Gericht nicht verwertbar sein, denn die Chance, dass einem hier gefälschte Beweise untergeschoben werden, ist recht hoch. Das das mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nix mehr zu tun hat, sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
  • Diesen Pfusch am Bau lässt der CCC natürlich nicht unkommentiert: „Wir sind hocherfreut, daß sich für die moralisch fragwürdige Tätigkeit der Programmierung der Computerwanze keine fähiger Experte gewinnen ließ und die Aufgabe am Ende bei studentischen Hilfskräften mit noch nicht entwickeltem festen Moralfundament hängenblieb.“ (S. 5). You made my day, CCC! Es wird davon ausgegangen, dass es dem Staat schlicht und ergreifend misslungen ist, kompetentes Personal zur Programmierung des Schadcodes zu gewinnen. Blöd nur, dass damit die auf dem kompromittierten Rechner befindlichen Daten nicht nur außer Landes geschafft werden sondern auch noch völlig unsicher sind. Eine weitere Betrachtung folgt später.
  • Auf Seite 8 und 9 werden exemplarisch einige der Fernsteuerkommandos für die Schadsoftware beschrieben. Interessant ist unter anderem cmd 5 „Installation aller trojanerspezifischen Dateien im Dateisystem; noch ist nicht eindundertprozentig klar, woher die Daten genau kommen, möglicherweise gibt es noch eine Upload-Funktion ähnlich cmd 14“ in Verbindung mit cmd 6 „Löschen der Trojaner-Daten vom Dateisystem & Reboot“. Damit könnte der Staat kompromittierende Dateien oder Progranmme gut versteckt auf dem Rechner hinterlegen, den Trojaner entfernen, dann den Rechnerbesitzer, der von nichts weiß, anonym anzeigen, den Rechner beschlagnahmen lassen und so unbescholteme Leute aus dem Verkehr ziehen. Ein Tool, nach dem sich die übelsten Diktatoren dieser Welt die Finger schlecken, wird in der Bundesrepublik Deutschland Wirklichkeit – herzlichen Glückwunsch. Und dann gibt es da noch ein paar andere Funktionen wie z.B. besagtes cmd 14 – Upload eines Programms und dessen unmittelbare Ausführung. Screenshots u.ä. lassen sich auch in regelmäßigen Abständen machen…
  • Wer jetzt die ersten Ekelpickel bekommen hat, der lese nur mit Vorsicht weiter: „Wir fanden außerdem prompt eine Hintertür in der Hintertür – also einen Bundestrojaner- Funktionserweiterer, der vorbei an jeder Kontrolle etwaig involvierter Ermittlungsrichter nativ die Möglichkeit zur Verfügung stellt, die Schadsoftware mit weiteren Funktionalitäten anzureichern.“ (S. 11), d.h., dass im Prinzip jede noch nicht implementierte Schad- und Spionagefunktion einfach „hinterhergeschoben“ werden kann.

So gesehen ist der Bundestrojaner schon eine ausgemachte Schweinerei. Und dazu noch dilletantisch programmiert. Nun demonstriert der CCC, was sich mit dem Trojaner aus der Ferne alles Übles anstellen lässt: Schaut Euch hierzu einfach dieses Video an.

Dass der Bundestrojaner in der Tat gegen geltendes Recht verstößt, darüber klärt uns RA Udo Vetter im law-blog auf:

Der Bundestrojaner läuft seit längerem unter der unauffälligen Neusprech-Variante „Quellen-TKÜ“ (TKÜ = Telekommunikationsüberwachung. Diese Quellen-TKÜ darf nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtsw an sich ausschließlich für das Abhören von Internettelefonie verwendet werden. Dies ist an sich durch technische und rechtliche Maßnahmen sicherzustellen. Doch tatsächlich scheinen die Ermittler auch in den Fällen, wo sie eigentlich nur lauschen dürfen, eine regelrechte „Wunderwaffe“ einzusetzen, die viel mehr kann.

Dass es aber nicht allein um das Abschnorcheln von Skype-Telefonaten geht, haben wir oben schon ausführlich abgehandelt – mehr noch: Skype-Telefonate zu belauschen scheint angesichts der reichhaltigen Spionage-Funktionen eher ein Randfeature zu sein. Und so resümiert Vetter folgerichtig:

Eine Erweiterbarkeit auf die volle Funktionalität des Bundestrojaners – also das Durchsuchen, Schreiben, Lesen sowie Manipulieren von Dateien – ist von Anfang an vorgesehen. Sogar ein digitaler großer Lausch- und Spähangriff ist möglich, indem ferngesteuert auf das Mikrofon, die Kamera und die Tastatur des Computers zugegriffen wird.

Nun steht abzuwarten, ob der Bundestrojaner von Gerichten gleich wieder einkassiert wird und ob für diese Sauerei Politiker zurücktreten werden. In jedem Fall ist es zwingend notwendig, nun auf die Bundesregierung massiv publizistischen Druck auszuüben. In jedem Fall wird es spannend, denn es bedarf jetzt einer detaillierten rechtlichen Klärung, was der Staat darf – und was nicht. Derzeit ist mal wieder der Bürger der Angeschmierte.

Update: Mancher glaubt nicht, dass es sich bei der vom CCC analysierten Software wirklich um den Bundestrojaner handelt. Die Argumentation ist auf der einen Seite logisch, auf der anderen Seite traue ich den staatlichen Stellen exakt so viel Inkompetenz zu.

Update: Hier vertraue ich aber deutlich mehr fefe, der ganz eindeutig davon spricht, dass „Der CCC […] ja schon seit Jahren gegen den Bundestrojaner und die Trojaner der einzelnen Bundesländer [kämpft] und […] bei diversen Gelegenheiten angesagt [hat], dass wenn jemand bei sich einen Bundestrojaner findet, er den doch bitte bei uns abgeben möge, damit wir den sezieren können. Es ist mir eine besondere Freude, heute auf diese Presseerklärung des CCC zu verlinken. Denn dem CCC sind tatsächlich Trojaner zugespielt worden, von denen wir nach eingehender Analyse glauben, dass es sich um „Quellen-TKÜ“ handelt.“ Das ist dann ja schon ein wenig mehr als „irgendwelche Software von unzureichend gelöschten Platten irgendwelcher ollen Kisten halbstaatlicher Stellen gekratzt“.

Update: Schnarri sieht das Vertrauen der Büger in den Staat gefährdet. BWAHAHAHAHA!! Ich lach mich Schrott!! Btw.: Ich sehe Schnarris Posten gefährdet.

Alles nicht so wild. Kleine Nachbetrachtung zur Abgeordnetenhauswahl

Gestern habe ich mir ganz spontan einen Blog-Post geklemmt, weil die „Interaktion“ auf Twitter dann doch mehr Spaß gemacht hat, heute will ich, ohne bislang den Output der Leitartikler genossen zu haben, das gestrige AHW-Ergebnis doch kurz kommentieren.

Zuerst einmal zu Wowereit und der SPD. Wenn von vornherein feststeht, dass man gewinnt, ist man bei so einer Wahl ja trotzdem irgendwie in der „Verliererposition“, denn zum einen ist es schwierig, die siegessicheren eigenen Wähler an die Wahlurne zu bringen und zum anderen wird der Erfolg nur dann von der Presse goutiert, wenn noch ein paar Prozentpunkte dazugewonnen werden. Das das unter den gerade benannten Vorzeichen nur im Ausnahmefall gelingen kann und das dieser Ausnahmefall nicht eingetreten ist, das kann man Wowi ja schlecht anlasten. So gesehen – und unter der Konkurrenz der Piraten, zu denen ich später noch komme, sind die verlorenen zweieinhalb Prozent ja nicht nur erklär- sondern auch verkraftbar.

Der Linkspartei, dem ehemaligen Koalitionspartner, sind 1,7 Prozent der Wählerstimmen verloren gegangen. Im Kontext der Anwürfe der Medien, die nicht Wunder nehmen, wenn man die vorangegangenen innerparteilichen Debatten berücksichtigt (ein gefundenes Fressen für die Berichterstattung, die Medien haben dies auch weidlich ausgekostet) und im Kontext der Präsenz der Piraten hat sich die Linke stabilisiert. Das Glück der Linken: Allzuviel mussten sie ob ihrer eher älteren Wählerschaft nicht an die Piraten abtreten, das Pech dabei liegt aber ebenso auf der Hand: Die Linke überaltert zusehends und das macht natürlich eine Auafstellung in der Zukunft schwieriger. Wenn man sich die Tweets von Halina Wawzyniak und Bodo Ramelow besieht, ist der Warnschuss auch gehört worden – allein ob das genügt, ist fraglich.

Weiterhin Pech für die Linke: Mit den Stimmenverlusten der SPD und den eigenen Verlusten ist die rot-rote Koalition, eigentlich ein Erfolgsmodell, nicht mehr aufrechtzuerhalten. Bei der Linken wird nun gerne ins Feld geführt, dass der Spitzenkandidat Harald Wolf im Personenwahlkampf Wowi versus Künast zerrieben wurde. Da mag schon was dran sein, aber das ist für mich nicht ausschlaggebend. Ich denke, dass die Linke die Themen soziale Sicherheit und Netzpolitik (hier ist sie im Kleinen mindestens ähnlich kompetent wie die Piraten, muss das aber entwickeln und kann das nicht verkaufen) noch profilierter herausstellen muss. Und dann hats halt einfach nicht gereicht – Pech eben.

Die CDU. Gestern feierte man sich selbst wegen des Zugewinns von 2,1 Prozent ordentlich ab. Dass das kein wirklicher Erfolg ist ob der öffentlich zelebrierten Selbstzerfleischung der FDP, weiß eigentlich jeder – aber das Singen im dunklen Keller soll ja bekanntlich schon öfter gegen die Angst geholfen haben. Immerhin würde es zu einer Regierungsbeteiligung reichen – wenn Wowi will. Wofür die CDU in Berlin steht, weiß ich nicht, dazu bin ich zu weit weg. Ob es aber viele Berliner wissen, ist ebenso fraglich. Nun, die zwei Prozent werden für das erhoffte „Signal im Bund“ nicht ganz hinreichen. Mehr bleibt dazu eigentlich nicht zu sagen.

Und bei der FDP bleibt auch nicht viel zu sagen. Felix von Leitner stellte ja schon einmal ganz treffend fest, dass FDP-Bashing ist, wie behinderte Kinder zu hauen, das will man natürlich nicht. Daher in aller Kürze: Das sich die FDP nun unterhalb der Bagatellgrenze befindet, ist kein echtes Wunder. Konnten wir in den vergangenen Monaten der FDP beim Schrumpfen auf das Normalmaß zusehen, ereilt sie nun das unausweichliche Schicksal: Das Personal der FDP ist mindestens im Bund beschissen, in den Ländern sieht es in aller Regel nicht besser aus. Anbiedernderweise fuhr man einen Eurokritikerkurs, dieses populistische Aufbäumen war indes so platt, dass sich selbst FDP-Stammwähler in den Boden schämten und das mit der Stimme lieber sein ließen und nun ist sogar die NPD stärker, die anderen Feinde der Freiheit. Und selbst vom Sonneborn mussten sie sich gestern noch vorführen lassen. Und dann schwafelt der Lindner gestern im Ersten noch so saudumm daher… Da ist nichts mehr zu retten.  1,8 Prozent, diese Ernte fahren anderen Orts regelmäßig die Tierschutzpartei o.ä. ein. Was will man da noch groß kommentieren? Außer vielleicht: Ich könnte mich daran gewöhnen.

Dazugewonnen haben die Grünen, zweifelsohne. Aber Hochmut kommt eben vor dem Fall, und in Anbetracht der Tatsache, dass Frau Künast schon vorab postuliert hat, dass sie sich wieder in den Bund verpissen werde, wenn sie nicht regierende Bürgermeisterin werde, kann man den Berlinern nicht verdenbken, dass sie nicht in Scharen Leute wählen, die an Berlin gar kein Interesse haben. Mit etwas mehr als 17 Prozent stehen die Grünen zwar recht ordentlich da, bedenkt man aber, dass sich diese Ökopartei allen Ernstes aufschwingen wollte, den regierenden Bürgermeister zu stellen, haben sie dieses Ziel um mindestens mehrere Lichtjahre verfehlt. Fukushima liegt zu weit zurück, Stuttgart 21 werden die Grünen auch nicht zu verhindern wissen und so schrumpft auch diese Partei wieder auf das Normalmaß. Dass die Grünen den Zugewinn von viereinhalb Prozent (was für sich genommen schon ordentlich ist) halten können, glaube ich nicht, nun aber ist er im Berliner Abgeordnetenhaus erst einmal an die Tafel gesteckt und so hat Wowi immerhin die Chance, nicht mit der SPD koalieren zu müssen. Das ist ja schon mal was, obs aber auch was auf Dauer ist, weiß ich nicht.

Frau Künast sah gestern im TV trotz bekanntermaßen guter Ausleuchtung fertig aus ohne Ende. Wenn Sie wieder „in den Bund“ geht, dann ist das nicht nur für Berlin sondern auch für sie persönlich ein Glücksfall. Dass Frau Künast auch nicht wirklich Sympathieträgerin ist, ist nun auch keine Neuigkeit. Zu den Grünen bleibt eigentlich nur zu sagen, dass sie sich für eine etablierte politische Partei gnadenlos dämlich angestellt haben. Ich will noch nicht einmal auf deren verunglückte „Da müssen wir ran“-Kampagne zu sprechen kommen sondern nur auf den Umstand, dass sie in BaWü zufälligerweise das Ding gerissen haben. Was unter den Umständen des GAUS in Japan und der verkorksten Energiepolitik der Bundesregierung sowie dem Fakt, dass neben Mappus selbst der olle Oberlehrer noch gut ausschaut, auch kein größeres Kunststück ist. Das müssten diese Grünen eigentlich wissen – man soll das Schicksal nicht herausfordern. Getan haben sie es trotzdem, die Strafe folgt auf dem Fuß. Vor der Wahl das Maul zu voll genommen haben sie dennoch auf der abflauenden Welle reitend ein paar Prozent eintreiben können. Ist die Welle verebbt, ist wieder Ruhe und die Grünen dort, wo sie schon immer waren. Ein Widerschein des kurzen Glanzes der Grünen ist gestern erkennbar gewesen. Mögen sie diesen über die nächsten Jahre retten können – allein mir fehlt der Glaube.

Für eine Sensation mittlerer Größe sorgte die Piratenpartei und nicht nur für eine Sensation sondern auch für aufs erfrischendste unterhaltsame verdutzte bis ratlose Gesichter beim politischen Mitbewerb, den Journalisten und Kommentatoren. Und so recht konnten die Piraten ihren Erfolg ganz offensichtlich gestern selbst noch nicht fassen. Alles umkreiste die frage „How come?“, die Antwort kann nur lückenhaft ausfallen, daher in Stichworten mein Erklärungsversuch:

Dass es in Berlin unter den Wählern knappe 9 Prozent Nerds gibt, ist unwahrscheinlich. Dass die ganzen selbstständigen Grafikdesigner, Agentursklaven oder „Designer“, die Möchtegern-Medienleute und alles was sonst noch so um Prenzelberg, Friedrichshain und Kreuzberg herumtapert, alle Piraten gewählt haben, ist ebenso unwahrscheinlich. Man weiß aber, dass eine wachsende Gruppe mit den etablierten Parteien nichts mehr anzufangen wissen. Man kauft vielen das Anzuggetrage nicht mehr ab, sieht das Unseriöse in seriöser Verpackung und wird davon nicht nur satt sondern überdrüssig. Und dann kommt ein Haufen Jungspunde des Wegs daher – unverstellt, frech, frisch. Kein Anzug, dafür lieber mal einen rauchend, redet der Pirat, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Die Verschuldung Berlins nicht beziffern können – geschenkt – spricht er etwas ungelenk aber ehrlich über einen kostenlosen ÖPNV und die Freiheit des Netzes. Das kostet Geld – sollte irgendwie gegenfinanziert sein – geschenkt.

Jetzt also sind die Piraten in Parlament und Opposition. Schade, dass sie hier insbesondere mit ihrer netzpolitischen Kompetenz nur wenig brillieren können. Dazu müssten sie in den Bundestag – der Weg dahin ist weit. Man darf den Piraten Glück wünschen, dass sie nicht untergehen im Abgeorneten haus.

Wer aber hat die Piraten gewählt? Nichts genaues weiß man nicht. Jung, männlich und ostdeutsch ist der Piratenwähler, so raunt man über den Sender B5aktuell. Aber selbst unter den Älteren finden sich Piratenwähler. Sind es gar Protestwähler? Will man hier das hohe Haus ärgern? Oder sind die Piraten mit ihrem doch recht inhaltsarmen Wahlkampf („Warum hänge ich hier eigentlich? Ihr geht doch eh nicht wählen.“) ein Sammelbecken Inhaltsarmer? Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte. Frappant nur, dass sich der Eindruck aufdrängen könnte, dass zu viel Profil weniger förderlich sein könnte als zu wenig. Den Konjunktiv habe ich an dieser Stelle ganz bewusst gewählt. So groß die Überraschung am gestrigen Abend, so groß aber auch die Gefahr, dass über die Piraten bald niemand mehr redet. Einen Webwahlkampf werden sich nun auch die Etablierten draufschaffen, dazu bedarf es weniger der nativen Kompetenz im Umgang mit sozialen Medien sondern im Zweifelsfall einfach nur des Geldes und das ist vorhanden. Ein Einarbeiten in die Netzpolitik wird wohl auch den Etablierten gelingen – und wenn nicht, dann hab ich für alle Nicht-Piraten, die gerade suchend sind, die Geschäftsidee schlechthin: Netzpolitikberater.

Alles nicht so wild. Es hat sich – unterm Strich – nicht viel verändert. Die SPD trug, wie vorhergesehen das Ding heim. Die Linke blieb stabil, hatte halt Pech. Die CDU gewinnt ein wenig dazu, die FDP hat das Feld ja geräumt. Die Grünen haben sich verstiegen und die Piraten haben es nicht nur geschafft sondern ordentlich Boden gut gemacht – gut gemacht. Wesentliche Änderungen bleiben trotzdem ausgeschlossen. Alles nicht so wild.

Arte-Doku: Schwarze Kassen.

Wenn das heutige TV-Programm mal wieder nicht viel hergibt, kann man den Fernsehabend auch gerne ins Internet verlegen: Die Arte-Doku „Schwarze Kassen“, die am 1. Juni ausgestrahlt wurde und nun natürlich aus deren Mediathek geflogen ist, gibts nämlich auf YouTube.

Worum geht es?

Die Autoren erzählen eine Geschichte, die 1945 in den Trümmern von Berlin beginnt. Sie erzählen von Nazi-Agenten, die in die Schweiz transferierte Geldsummen nach Deutschland zurückgeholt haben und damit die Kassen der neu gegründeten CDU füllen. Und eine heimliche Parteienfinanzierung über Rüstungsgeschäfte der Bundeswehr schließt sich dann an. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss konnte die gesamte Geschichte nicht aufdecken. (Quelle)

Ein absolut sehenswerter Film, der einem die Augen öffnetüber die Geschichte der CDU, Konrad Adenauer… Und – wen nimmt es Wunder – FJS (auch wenn er nur „am Rande“ vorkommt) hatte natürlich auch wieder seine dreckigen Finger mit im Spiel…

Und hier noch ein „Mirror“, wenn die eingebettete Doku mal wieder urplötzlich verschwunden ist…

Update 2. Juli 2017: Leider ist sowohl das Video depubliziert, als auch das „Mirror-Blog“ down 🙁

Kein Sync mit Nazis oder: Schwachsinn in der Facebook-Debatte.

Ich weiß ja nicht warum, aber wenn man bestimmte Themen anfasst, kann man sich sicher sein, leidigen Nazi-Spam zu bekommen. Einen besonders dummdreisten will ich Euch an dieser Stelle nicht vorenthalten.

Aber zuerst zur Vorgeschichte: Was ich gestern über die Anachronismen im Umgang mit persönlicher Kommunikation – also mit dem Umgang mit nicht mehr ganz taufrischer ITK-Technik auf der einen Seite und der Reduktion des eigenen Kommunikationsverhaltens auf ein sinnvolles Maß auf der anderen Seite geschrieben habe, meine ich durchaus ernst. Ich bin mir vollends darüber bewusst, dass ich nicht diktieren kann, wie ich gerne kommunizieren würde – es sei denn, ich hätte die Absicht, mich sukzessive zu isolieren – aber ich wollte schon ein wenig den Stachel ins Fleisch bohren und zeigen, dass die „natives“ von den „visitors“ durchaus lernen können. Alles in einem gerüttelt Maß, versteht sich.

Scheinbar ist es mir aber gelungen, mich so missverständlich auszudrücken, dass ein Nazi-Verschwörungstheoretiker sich gestern bemüßigt fühlte, Nonsens zu posten.

Klar – in aller Regel lösche ich solche Kommentare kommentarlos – der hier ist aber so widerlich und so dumm – dabei aber gefährlich reizwoll formuliert, sich als intelligent tarnend, dass ich Euch zumindest Auszüge daraus zumuten möchte – selbstverständlich nicht unkommentiert.

Gestern also schrieb „asdf“ über den Host bluewin.ch (ich nehme mal an, hier hatte wer Thor o. ä. im Einsatz):

Hitler und Gaddafi hatten recht: das amerikanische Zins-Judentum hat schon längst die Weltherrschaft angetreten und scheint sogar (via Facebook und Mark Zuckerberg) die Aufstände in Nordafrika zu synchronisieren bzw. zu organisieren.

Aaarg! Dass sich dieser gedankliche Sondermüll nicht abstellen lässt!! Es ist grausam. Wenn ich spekulieren sollte, woher Menschen solchen Unsinn aufschnappen, dann würde ich ja spontan auf Jan Udo Holey aka. van Helsing tippen. Zu sagen bleibt zweierlei: Erstes gibt es kein amerikanisches Zins-Judentum – das ist nicht nur antisemitischer Bullshit sondern auch sachlich schlichtweg falsch. Damit bricht aber die Verschwörungstheorie schon zusammen. Pech für asdf. Wenn man es sich genauer betrachtet: Zuckerberg mag ja einem jüdischen Elternhaus entstammen, aber weder ein Zahnarzt noch eine Psychologin haben das Geld auf dem Stack, das nun Richtung Facebook fließt, weder er noch seine Eltern konnten Gelder einbringen, die zur rein technischen Realisierung der Verschwörung vonnöten gewesen wären. Zuckerberg hatte meines Erachtens mit dieser Facebook-Sache noch nicht einmal den richtigen Riecher sondern einfach nur unverschämtes Glück. Das hat er aber schnell erkannt und festgehalten. Peter Thiel, der Zuckerberg 2004 die ersten 500k US-Dollar gab, ist kein Jude, er ist Republikaner und unterstützt massiv die fundichristliche Tea-Party-Bewegung.

Das ist allgemein bekannt. Nur scheinbar wissen das dumme Nazis nicht. Der Link zwischen Hitler und Gaddafi ist so extrem schwachsinnig – dazu nun wirklich kein Kommentar.

Und so wundert es nicht, dass auf diesen Schwachsinn gleich der nächste Schwachsinn folgt:

Wie schon Hitler wusste: das grösste Kunstwerk ist ja nicht ein Gemälde, sondern die Synchronisation von 50 Mio Leuten (bei Facebook sogar 500 Mio).

Was jeder Mensch weiß, scheinbar aber unser Nazi nicht: Die Synchronisation von 50 Millionen „Leuten“ (allein dem Duktus nach dürfte sich unser Nazi-Spammer wohl im süddeutschen Raum bewegen – wer spricht sonst von „Leuten“) führte dazu, dass ein Gutteil Europas in Schutt und Asche lag. Diese „Synchronisation“ ist nichts wofür Bewunderung gezollt werden darf – diese „Synchronisation“ ist das größte Verbrechen der Menschheit. Nicht weniger. In diesem Kontext von einem „Kunstwerk“ zu sprechen ist nur widerlich.

Facebook „synchronisiert“ in erster Linie mal niemanden, dazu ist Facebook schlichtweg nicht in der Lage. Ob die Aufstände in Ägypten oder Tunesien historisch richtig als „Facebook-Aufstände“ bewertet werden dürfen , ist für mich indes höchst fraglich. Mubarak seterschwörungsthete neben kabelgebundenen IP-Netzen auch weite Teile der Mobilfunkkommunikation temporär aus – die Kommunikation klappte dennoch. Daher steht auch zu bezweifeln, dass expressis verbis Facebook das auslösende Element war. Ich will auf eine Erfahrung hinaus, die Mitglieder des Berliner Chaos Computer Clubs in ihrer monatlichen Sendung Chaosradio vom 24. Februar 2011 beschrieben: Hier ging es um Gateways für die abgeschaltete IP-Kommunikation und wie diese mit etwas outdateter Technik aus dem Ausland in Ägypten bereitgestellt werden könnte. Augenfällig hier: Auch ein Speech/SMS to twitter-Gateway, Amateurfunkstationen, Faxdienste… waren in diesen Tagen wertvoll wie IP-Kommunikation, die man via 28.8/56k-Modem bereitstellte. Facebook hat zweifelsohne eine wichtige Rolle gespielt – dies liegt aber nach meinem Kenntnisstand nicht an der spezifischen Beschaffenheit sondern der Verfügbarkeit.

Und unser Nazi-Sprallo schreibt weiterhin:

Wann gibt es mal einen Aufstand bei den Facebook-Mitgliedern?
Wann rotten sich nicht mal 5 Mio davon zusammen (z.B. via Facebook) und beschliessen, heute um 12.00 Uhr (GMT) ihren Facebook-Account zu löschen?

Oh, Du Depp. Ich soll also via Facebook organisieren, aus Facebook auszutreten? Nun, das klappt genau einmal. Dann kann ich via Facebook nichts mehr organisieren, weil ich kein Facebook mehr habe. Dann hat Facebook also 1% seiner Mitglieder verloren und der Rest bekommt davon nichts mit (gesetzt den Falles, dass Facebook 500 Mio. aktive Mitglieder hat, woran ich ebenfalls zweifle). Nee, Nazi-Dumpfbacke, so funktioniert das mit Social Media nicht, denn so sägt man sich nur den sprichwörtlichen Ast ab, auf dem man gerade sitzt. Wer eine Austrittswelle organisieren will, muss sich erstens einen Verbreitungsweg suchen, der Wellenbewegungen zulässt (Facebook zum Beispiel) und zweitens den „leavern“ auch eine gangbare Alternative anbieten – denn sonst wollen die Leute nicht weg. Die von mir gestern beschriebenen Anachronismen sind gangbare Alternativen – aber eins sind sie definitiv nicht: Kampagnenfähig. Ich will auch keine Kampagne – Du, spammender Nazisprallo, willst eine. Dann sieh mal zu, wie Du das hinbekommst – so jedenfalls wird das nix. „Wellen“ im Netz sind ja nichts anderes als zyklisch ablaufende Prozesse mit einer vorhandenen, aber sich stetig reduzierenden Schubkraft, deren Peaks sich deutlich über ein existierendes Grundrauschen erheben. Um diese Wellen in Gang zu bekommen, bedarf es einer ersten Anschubkraft. Die allein bringt niemand auf, daher bedarf es vielen Gleichgesinnten, die ein unterstützenswertes Ziel voranbringen. Damit sie das tun, müssen sie erst einmal überzeigt werden und sich dann „in Bewegung“ setzen. Aus der Summe dieses Schwarms ergibt sich die benötigte Schubkraft. Es steht gottlob nicht zu erwarten, dass dieser Schwarm so dämlich ist, auf das Geseiere von Nazi-Verschwörungstheoretikern hereinzufallen. Deshalb wird auch nichts aus dem rechtsradikelen Facebook-Quit zur Stichzeit.

Aber eben: heute wird alles zensiert und Mutige gibt es eh schon längst nicht mehr. DSK wird übrigens dank bester Anwaltschaft in New York sowieso frei kommen.

Dummes Nazi-Geseiere zu zensieren ist in der Tat keine Option, denn dann würde ja niemand mitbekommen, wie hohl ihr Faschos eigentlich seid. Aber diesen Dumpfsprech unkommentiert durchzulassen, ist auch nicht. Daher, lieber Fascho der Du dich hier „asdf“ schimpfst: You made my day und ich widme deiner Scheiße ein ganzes Post. Du hast das Exempel Deiner eigenen Dummheit hier öffentlich selbst statuiert. Na, Fascho, bist Du jetzt stolz?

P.S.: Was hat Dein Sermon denn bitte mit Strauss-Kahn zu tun? Bekloppter…

P.P.S.: Disclaimer: Der in den Zitierfeldern abgebildete Kommentar ist hier vollständig wiedergegeben. Der Kommentar wurde zum Artikel „Anachronismen für ein freieres Leben“ vom 15. Mai 2011 unter der IP: 81.62.251.230 , 230-251.62-81.cust.bluewin.ch uam 15. Mai 2011 um 23:47:57 Uhr abgegeben. Derr Autor distanziert sich von allen in den Kommentarfeldern getätigten Äußerungen, die hier nur zu dokumentarischem Zwecke dargestellt wurde.

Landtagswahlen in BaWü und RLP

Und hier wieder einmal mein Senf dazu, wieder in Stichpunktern, wieder völlig krude:

  • „Haa! Haa!“ würde Nelson zu Mappus sagen. Der ist nun weg. Einwandfrei – man kann ja froh sein, dass sich dieser Nachwuchs-FJS nicht halten konnte. Nachwuchs-FJS? Ja. Am teigigen Gesicht des Originals arbeitet er ja schon heftigst, seine „ist mir wurscht, was ihr sagt – ich machs trotzdem“-Haltung ist jedenfalls gescheitert. Und tschüss.
  • Mit den Grünen könnte man ja fast Mitleid haben: Die sind jetzt AKW-Besitzer und haben die existierenden S21-Verträge zu bedienen. Japan hin, Japan her, die können nur verlieren. Wenn es einen Plebiszit über S21 gibt, dann wird das Projekt allem Anschein nach durchgewunken. Wenn nicht, ist BaWü bald wegen Ausfallzahlungen und Vertragsstrafen pleite. Ähnliches gilt für die AKW, die gottlob aber abgeschaltet werden müssen (sonst ist die Glaubwürdigkeit der Grünen im Eimer).
  • Der Spitzenkandidat der SPD in BaWü erinnert mich irgendwie an einen Azubi von der Sparkasse aus dritter Reihe. Da können die Schwaben und Badenser nur froh sein, dass dieser Kelch an ihnen vorübergegangen ist.
  • Kurtchen Beck hat ganz schön was aufs Fell bekommen… Wahr ist: Trotz vieler politischer Vorlagen, die der SPD eigentlich in die Karten spielen müssten, kann diese sie nicht in Zustimmung/Wählerstimmen verwandeln. Auch irgend wie arm.
  • Wo wir gerade bei der SPD sind: Die haben bei beiden Wahlen Federn lassen müssen, besonders in RLP – und sie feiern sich, als ob sie was gewonnen hätten. Ohne Worte.
  • Warum haben die Grünen überhaupt etwas hinzugewonnen? Japan. Punkt.
  • Die FDP ist auf ihr Normalmaß geschrumpft. War nicht anders zu erwarten.
  • Der Brüderle ist von Parteivorsitz zurückgetreten. Na das ist ja mal ein Rücktritt. Hätte er auch bleiben lassen können. Ob nun jemand Vorsitzender einer Kleinpartei ist oder nicht macht genau gar keinen Unterschied.
  • Merkel ist noch Kanzlerin. Ganz Kohls Mädchen. Die sitzt das aus.
  • Um die Linke tut es mir fast ein bisschen leid – die hätten zwar mit sozialpolitischen Themen locker in beide Landtage einziehen können – doch dann kam Japan. Was die Grünen in Stimmerfolge umwandeln konnten, ist der Linken nicht gelungen. Schade.

Eine kleine Nachlese zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt

Eigentlich hatte ich die ganze Woche schon vor, etwas zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt zu schreiben, ich bin unter der Woche einfach nicht dazu gekommen. Daher, weil der Schinken ja inzwischen gut abgehangen ist, nur ein paar wenige Gedanken in Stichpunkten:

  • „Ich verstehe ja nicht, wieso in Sachsen-Anhalt die CDU die meisten Stimmen kriegen konnte. Ich dachte die haben da inzwischen Westfernsehen.“ schreibt Felix von Leitner und liefert die Analyse prompt nach: „Meine Vermutung: Demographie. Die, die noch was vor haben, die Hoffnung und Wünsche an das Leben haben, sind schon weggezogen.“ Dem ist im Wesentlichen nichts hinzuzufügen.
  • Bodo Ramelow hat schon Recht: Eine große Koalition ist eine Koalition der beiden stärksten Parteien. Wenn also jemand schnodderigerweise bei der angedachten Koalition von CDU und SPD von „Großer Koalition“ spricht, ist das schlicht falsch. CDU und SPD als Große Koalition zu bezeichnen, hat sich eingebürgert zu Zeiten, wo die SPD regelmäßig die zweitstärkste Partei war. Tempi passati. Zum Glück.
  • Das Demokratieverständnis der SPD ist ja sowas von kaputt, schlimmer gehts ja nicht. Will doch der Bullerjahn die Linke dazu nötigen, darauf zu verzichten, den Ministerpräsidenten zu stellen. Ja wo sind wir denn? Ich bin jedenfalls froh, dass sich die Linke auf so einen Mist nicht einlässt. Wenn die SPD drittstärkste Kraft ist, hat sie halt keine Chance, den Ministerpräsidenten zu stellen. Ich frage mich, wie diese Sozialdemokraten überhaupt auf die Idee kommen, sowas zu fordern. Matschie (in meinen Augen eine persona non grata) hat das weiland in Thüringen schon versucht. Und was ist er nun? Jedenfalls nicht Ministerpräsident. Aber die Sozn lernen halt nix dazu…
  • Ich denke nicht, dass sich die SPD damit einen Gefallen tut. Sie will die Linke isolieren – und isoliert sich damit erst einmal selbst. SPD-Wähler sind ja tendenziell leicht links, Linkswähler sind links. Weder die SPD-Wähler noch die Linkswähler freuen sich, wenn die CDU an die Macht kommt (Grünen-Wähler wahrscheinlich auch nicht alle, obwohl die Grünen ja inzwischen eine „CDU plus Ökoanstrich“ sind – wer konservatriv wöhlen will, der soll halt gleich CDU wählen, die Grünen braucht man dafür nicht). Diese linksorientierten Wähler sind aber deutlich in der Mehrheit. Und diese Mehrheit hat keinen Prass auf die Linke sondern die SPD, denn niemand anders verhindert linke Mehrheiten in Regierungen als die SPD. Ja, man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Sozialdemokraten verhindern linke Mehrheiten. Gut, dass sich die SPD gerade selbst abschafft. Braucht ja auch keiner mehr.
  • Die FDP ist auf ein realistisches Maß zurückgestutzt worden – unter 5%. Gut so. Wenn ich FDPler wäre, würde ich mir jetzt aber ernstliche Gedanken machen, denn die NPD (sic!) ist in Sachsen-Anhalt stärker (sic!) als die FDP. Man kann nur froh sein, dass es diese Nazisprallos nicht geschafft haben. Aber es war knapp – und das ist ein Warnschuss für alle Demokraten.
  • Die Grünen freuen sich über ihre 7,1 Prozent. Ich wüsste nicht, was es da zu freuen gibt – denn schließlich sammeln sich die Bürgerrechtler aus dem Bündnis ´90 bei den Grünen. Das Interesse im Osten an denen ist scheinbar gering (kein gutes Zeichen) oder haben die Grünen die Bündnisler „assimiliert“? Wäre auch nicht gut. Sollen sie sich freien, dann freue sie sich noch in BaWü und vielleicht noch ein bisschen in RLP und dann werden die – analog zur FDP – auch wieder auf ein Normalmaß heruntergestutzt. Das kann man getrost abwarten.

Hörenswertes Interview mit Dr. Pflugbeil

Wer die Ereignisse rund um Fukushima-Daiichi verstehen will, wer sich generell für die vieldiskutierte Sicherheit von Kernkraftwerken informieren will, der tut gut daran, noch einmal das Reaktorunglück von Tschernobyl zu rekapitulieren. Einige werden an dieser Stelle wohl einwerfen wollen, dass Fukushima und Tschernobyl zwei verschiedene Paar Stiefel sind – das stimmt aber nicht ganz: Eine Kernschmelze ist eine Kernschmelze und wie man heute morgen im Radio vernehmen konnte, geht man nun von einer solchen selbst von Seiten der japanischen Offiziellen aus.

Vor nicht einmal einem Jahr wurde im Blog Elementarfragen ein wirklich interessanter Podcast mit Dr. Sebastian Pflugbeil veröffentlicht. Pflugbeil ist ein Mann mit einer höchst interessanten Biographie: Er studierte in der DDR, konnte dort wegen seiner politischen und wissenschaftlichen Arbeit als Oppositioneller nicht promovieren, holte dies aber nach der Wende nach.

Er war Mitglied des „Runden Tischs“ und ist heute Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz.

Dr. Sebastian Pflugbeil ist nicht nur ein ausgewiesener Kenner der Materie, er ist auch einer der wenigen, die den Sarkophag in Tschernobyl selbst betreten hat. Außerdem begfasst er sich forschend mit dem Leukämiecluster Elbmarsch.

Der Podcast kann hier angehört (und unter diesem Link heruntergeladen werden).

In meinen Augen ist es notwendig, sich die Zeit zu nehmen, diesen Podcast anzuhören.

Und zum Schluss habe ich noch einen ganz kurzen Interviewschnipsel mit Dr. Pflugbeil. Der machte erst über twitter die Runde und war dann auch bei fefe zu sehen, infolge dessen kann man das schon quasi als bekannt voraussetzen – aber für alle, denen das dennoch entgangen sein sollte, ist er hier noch mal: Dr. Pflugbei zweifelt an der Richtigkeit bundesdeutscher Strahlenmessergebnisse.

Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg (auf Zeit, vulgo Moratorium)

Nach den dramatischen Ereignissen in Japan, die Atomreaktorfarm Fukushima entwickelt sich gerade zu einer hochgefährlichen Strahlenschleuder, will unsere schwarz-gelben Bundesregierung nun sieben AKWs in Deutschland abschalten – natürlich nur vorläufig.

Das ganze Ding sieht nach einem durchsichtigen Wahlkampfmanöver aus und man darf sich sicher sein: Wären nicht diese und nächste Woche Landtagswahlen, die AKWs blieben am Netz.

Die infolge des Tsunamis stark beschädigten Atomkraftwerke in Japan zeigen auf tragische Weise, welch reale und nicht zu verleugnende Gefahr von der Technik der Kernenergie auskennt. Wurde die Bevölkerung seitens der Atommafia bei Tschernobyl mit der Argumentationslinie, die russischen Reaktoren seien generell unsicher so etwas könne bei uns nicht passieren, belogen, so bricht ebendiese Argumentationslinie im Falle der japanischen AKWs wie ein Kartenhaus bei einem Windstoß zusammen: Japan ist ein Hochtechnologieland, die betroffenen Reaktoren sind teilweise deutlich moderner als unsere hiesigen und zu allem Überfluss kommt dort auch deutsche Technik zum Einsatz.

Wir werden nun durch die Fernsehbilder aus Japan und die Berichterstattung gewahr, was wir schon lange wussten: Atomkraft ist und bleibt eine unbeherrschbare Risikotechnologie. Der gesunde Menschenverstand lässt nach Abwägung aller ins Feld geführten Argumente über das Für und Wider der Kernenergie letztlich nur einen Schluss zu: Kernenergie ist gefährlich und muss abgeschaltet werden. Sofort.

Unsere schwarz-gelbe Regierung hatte aber im Herbst letzten Jahres nichts besseres zu tun, als die Laufzeiten der AKWs zu verlängern, die die rot-grüne Bundesregierung weiland vernünftigerweise beschloss und in Gesetzesform goss.

Nun, da die Landtagswahlen vor der Tür stehen kommt nun ein plötzlicher Sinneswandel – ein Moratorium über den Ausstieg aus dem Ausstieg – begrenzt auf drei Monate. Na bravo.

Man kann sich sicher sein dass die von der Atomlobby gesteuerte schwarz-gelbe Bundesregierung nach diesen drei Monaten versuchen wird, den status quo wieder herzustellen – bis auf Neckarwestheim. Die Alten Reaktoren wie Neckarwestheim, Biblis oder Isar I kann man aber sowieso kaum mehr wirtschaftlich sinnvoll weiterbetreiben – so hoch wäre der zukünftig zu tätigende Sicherheitsinvest.

So schaltet man also ab, was sowieso abgeschaltet worden wäre und feiert dies als großen politischen Fortschritt, als Läuterung, dem Machterhalt dienend, verhindern wollend, bei den bevorstehenden Wahlen ins Bodenlose zu stürzen. Irreführend, halbherzig.

Das Dumme an der Sache ist nur, dass bereits jetzt schon erste Tendenzen sichtbar sind, die vermuten lassen, dass ein Gutteil des Stimmviehs diesem „Moratorium“ auf den Lein kriechen wird – frei nach dem Motto: „Besser als nichts“.

Was wird nach den drei Monaten? Sagen kann das mit Gewissheit niemand, anzunehmen ist aber, dass dann der Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg kommt, es sich also kaum etwas ändern dürfte. Das Moratorium hat noch nicht einmal Gesetzescharakter, das bedeutet, dass sich die Atommafia noch nicht einmal daran halten müsste.

Wahlkampf-Firlefanz. Ich hoffe von Herzen, dass es der Bundesregierung nix nützt!

Darum sage ich noch einmal ganz deutlich: Wer den Ausstieg aus der Atomenergie will, darf NICHT CDU, CSU oder FDP wählen!

1 3 4 5 6 7 20