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Ausstellung „Delikatessen. Zwischen Kunst und Küche“ bis 2. März in der Nürnberger Kunsthalle

Noch bis zum 2. März zeigt die Nürnberger Kunsthalle die Themenschau „Delikatessen. Zwischen Kunst und Küche“. „Essen“, so heißt es in der Ankündigung des KunstKulturQuartiers, „ist heute nicht mehr nur ein Grundbedürfnis, sondern ein kulturelles Phänomen und politisches Statement.“

Und so fasst die Kunsthalle den existenziellen Akt des Essens und seine besondere Ästhetik und Nicht-Ästhetik, seine gesellschaftspolitische Bedeutung sowie seinen Rahmen in, wie die Beschreibung zur Ausstellung darlegt, 23 „künstlerische[n] Positionen“ mit mindestens einem Objekt. Schon im ersten Saal ziehen zwei Margarineskulpturen Sonja Ahlhäusers in geschlossenen Kühlvitrinen die Blicke auf sich. Für mich ein sehr glaubwürdiger Einsatz von Lebensmitteln als Material, das in der Vergangenheit in Beys Fettecken sicher seine provokative Sättigung erfuhr.

Beeindruckt hat mich auch Martin Parrs „Common Sense“, die Fotoinstallation schuf er von 1995 bis 1999, ein Jahr nachdem er Magnum beitrat. Die vielen kleinen Farbdrucke seiner Werke lenken den Blick auf nur scheinbar unbedeutende Details aus den Lebenswelten Angehöriger unterschiedlicher besonders britischer Klassen – und in dieser Reflexion zum Klassenbewusstsein ist auch immer wieder mit Essen und Kulinarik assoziiert.

Da nimmt sich der burgerverzehrende Andy Warhol, gefilmt 1982 von Jørgen Leth, schon fast betulich aus. Und dennoch: Der Fokus auf Warhol, der Burgerking-Tüte und der Ketchupflasche sind förmlich eine Einladung, sich auch mit der kulinarischen Massenkultur und ihrer Ikonographie auseinanderzusetzen.

Und, sehr zu meiner Verwunderung, ist mir in der äußerst vielfältigen Schau auch das großformatige, unbetitelte Werk Heike Kati Baraths, die „Spaghettiesserin“ in Erinnerung geblieben.

Die Kunsthalle setzt bei ihren Themenschauen hinsichtlich ihrer Vielfalt echte Maßstäbe, und ich empfinde die Ausstellungen immer als exzellent kuratiert. „Delikatessen. Zwischen Kunst und Küche“ bildet hier keine Ausnahme. Sie dürfte jeden Besucher auf die ein- oder andere Weise berühren, denn das Sujet ist ja jedem Menschen nahe. In jedem Fall sehenswert, nicht nur einmal.

Delikatessen. Zwischen Kunst und Küche, bis zum 2. März 2025, Kunsthalle, Lorenzer Str. 32, 90402 Nürnberg. Telefon 23 12 853.

Wirtshaus-Explorer: Indonesisch essen im Le Petit Wayang

Nürnberg hat – eine Besonderheit – seit etwas mehr als einem Jahr ein indonesisches Restaurant, das tagsüber gleichzeitig ein französisches Café ist. Mitten in der Altstadt, in der Oberen Wörthstraße gelegen, bietet das Le Petit Wayang dem Gast die Möglichkeit zu einer kulinarischen Reise nach Südostasien und im Speziellen die Regionalküchen Indonesiens. Kennt die indonesische Küche, auch durch die muslimische Prägung des Landes, gerade viele Hühnchen- und Fischgerichte, so isst man im Le Petit Wayang vegetarisch und vegan.

Le Petit Wayang, Nürnberg

Urig ist das Restaurant, von außen wirkt es kleiner, als es tatsächlich ist. Untertags kann man beim warmem Wetter zur Cafézeit auch im schönen Außenbereich an Bistrotischen sitzen, zur kälteren Jahreszeit empfängt einen die warme, großzügige Gaststube.

Gaststube, Le Petit Wayang, Nürnberg

Wir beginnen unser Mahl mit zwei Vorspeisen, der indonesischen Sommerrolle (8,50 Euro), bei der fein geschnittenes Gemüse, Salat und wohl auch Blüten (geschmacklich konnte ich diese nicht bemerken) in Reispapier gewickelt werden, man dippt sie in eine Erdnusssoße, zudem kommt eine leicht saure Soße mit Maracujasaft, Orange und Essig an den Tisch. Die leichte und frische Sommerrolle, die für sich genommen nur zurückhaltend Eigengeschmack mit sich bringt, erhält so zusätzlich harmonische Aromen.

Vorspeisen: Sommer Roll und Bakvan, Le Petit Wayang, Nürnberg

Vorspeisen: Sommerrolle und Bakwan

Die zweite Vorspeise ist Bakwan (6,50 Euro), Bratlinge aus einem herrlich lockeren Teig mit Gemüse, die ebenfalls mit der vorgenannten sauren Soße gereicht werden. Sehr fein, diese Vorspeisen machen Lust auf mehr!

Indonesische Reistafel, Le Petit Wayang, Nürnberg

Indonesische Reistafel

Mit der „indonesischen Rijstafel“ huldigt man einer kolonialen Tradition, der Rijsttafel oder Reistafel, die durch die niederländischen Kolonialherren in die indonesische Küche eingeführt wurde. Neben Schüsseln mit Reis werden traditionell dutzende und aberdutzende Gerichte als variantenreiches Festbankett angeboten – gegessen wird ursprünglich mit den Fingern. Die hiesige Interpretation der Rijstafel (sic!) weicht davon freilich ab und funktioniert letztlich, sofern man zu mehreren speist, wie ein shared table. Jedem Gast wird ein kleines Schälchen Reis zur Verfügung gestellt, in etwas größeren Schalen stehen drei der vier angebotenen Hauptgerichte zur Wahl. Dazu werden Soßen gereicht, eine Art Chili-Öl, etwas pikant marinierte Aubergine und Acar, ein Salat aus sauer eingelegten Äpfeln, Karotten und Gurken.

Acar - süß-saurer Salat, Le Petit Wayang, Nürnberg

Acar – süß-saurer Salat

Bei unserem Besuch waren wir zu dritt, so hatten wir die schöne Gelegenheit, über die indonesische Reistafel alle auf der Karte angebotenen Hauptgerichte zu probieren (pro Person kostet die „Rijstafel“ 19,50 Euro, als Einzelportion 22,50 Euro).

Reistafel, pikant angemachte Aubergine, Le Petit Wayang, Nürnberg

Reistafel, pikant angemachte Aubergine

Besonders interessant fand ich Tempe Pedas (als Einzelportion 17,50 Euro), ein Gericht, das auf gebratenem Tempeh basiert. So etwas bekommt man ja relativ selten angeboten. Dieser wird in einer leichten Soße aus Kokos, Galgant und indonesischem Lorbeer mit Gemüse angeboten, das Gericht ist mit etwas Chili zurückhaltend geschärft und soll laut Speisekarte ein Repräsentant der zentraljavanischen Küche sein.

Tahu Bumbu Merah (als Einzelportion 15,50 Euro), ein Essen aus Sumatra, ist im Wesentlichen Gemüse mit leicht angebratenem Tofu in einer dünnen Soße aus Ingwer, Limette, Tomate und Galgant, das durch Chili eine durchaus merkliche Schärfe erhält. Nun bin ich nicht als großer Tofu-Freund bekannt, aber die besondere Würzung und Frische dieses Gerichts hat es mir sehr angetan. Der Tofu hat mich zumindest nicht gestört, sodass ich das Tahu Bumbu Merah ob seiner Würze und seines für meinen Gaumen exotischen und komplexen, aber bestens integrierten und runden Geschmacks als mein kulinarisches Highlight des Abends bezeichnen möchte (überhaupt: Für mich liegt der Reiz all dieser Gerichte, nicht nur des Tahu Bumbu Merah im Speziellen, in der Würzung, die auf sehr angenehme Art die bekannten und erwarteten Aromen mit den unbekannten und in ihrer Kombination zumindest für mich auch nicht vorhersehbaren Geschmäckern verbindet – da trifft beispielshalber ein warmes Zimtaroma auf frische Limette, von mancher Kombination war ich nicht nur überrascht, sondern verzaubert, anderes war etwas weniger eingängig).

Gulai Maniok (als Einzelportion 15,50 Euro, Herkunft Padang) funktioniert nach einem recht ähnlichen Prinzip; hier ist neben Gemüse die Grundlage die gekochte Maniokknolle, das Ganze wird wieder in einer dünnen Soße aus Kokos, Ingwer, Zitronengras und dem vom grünen Kardamom abstammenden weißen Kardamom, de in Indonesien wohl sehr gebräuchlich ist.

Zuletzt kommt Sayur Bumbu Kacang (Einzeportion 16,50 Euro, Süd-Sulawesi) an den Tisch, ein einfaches Gemüsegericht mit einer Soße aus, der Speisekarte zufolge, gebratenen Erdnüssen, gemahlenen Koriandersamen, Muskatblüten, Zimt und Limetten. Wir waren uns bei Tisch einig, dass dieses Gericht aufgrund der Erdnusssoße das wohl spannendste sein könnte und waren davon letztlich etwas enttäuscht. Hier fehlte der dünnen Soße die Würze und dem Gericht der Pep, das Aroma der Erdnüsse konnte sich nicht recht durchsetzen.

In der Machart sind sich all diese Gerichte sehr ähnlich. Die unterschiedlichen Soßen werden eher leicht und flüssig zubereitet. Angedickte oder sämige Soße sucht man vergeblich, was auch dem Umstand geschuldet sein mag, dass man bestrebt ist, möglichst viele der Speisen vegan anzubieten. Dann folgt eine Hauptzutat und das saisonale (deutsche) Gemüse. Dazu isst man, wie gesagt, polierten weißen Reis.

Unangenehm im Gedächtnis geblieben ist mir, dass man, benötigt man mehr Reis, diesen separat bezahlen muss (eine kleine Portion kostet 3,- Euro).
Man möge das nicht falsch verstehen: Ich bin kein großer Freund von übervollen, großen Reisschalen bei Tisch, die von den Gästen unmöglich leergegessen werden können und am Ende die Hälfte des Reises weggeworfen werden muss. So gesehen schätze ich es als respektvollen Umgang mit Lebensmitteln und letztlich unser aller Ressourcen (der Reisanbau ist ja bekanntermaßen recht klimaschädlich und Reis somit ein Produkt, das mit Bedacht konsumiert werden will), wenn nur kleine Portionen an den Tisch gebracht werden und man im Bedarfsfall nachordern kann. Dies dann aber als Vehikel zu nutzen, beim Gast zusätzlich abzukassieren, hinterlässt schon einen reichlich faden Beigeschmack. Glücklicherweise folgen die meisten Nürnberger Gastwirte diesem bedauerlichen Beispiel nicht und lassen sich selbstverständlich die Ehre nicht nehmen, leeren Reis nachzureichen, ohne den Gast zusätzlich zur Kasse zu bitten.

Zu den Getränlen: Im Prinzip ist die Bierauswahl im Le Petit Wayang sehr zu loben. Man schenkt Flaschenbiere aus, neben dem von mir seit zweieinhalb Jahrzehnten so geschätzten Ammerndorfer Bier (hier das Helle), das sich mehr und mehr zum regionalen Kult- und Trendbier mausert, kommen Radler und Pils von der Brauerei Hofmann aus Pahres, das alkoholfreie Bier aus der Stadtbrauerei Spalt und das Weizen (auch als alkoholfreie Variante erhältlich) von der Tittinger Brauerei Gutmann (stets eine sichere Bank!). Zudem ist mit dem Bintang auch ein indonesisches Bier erhältlich. Ärgerlich ist aber, wenn fränkische Biere (die Ausnahme ist hier das Weißbier, das glücklicherweise im halben Liter ausgeschenkt wird), nicht als Seidla, also als halber Liter an den Tisch gebracht werden, sondern in der Größe 0,3 Liter. Selbst die in den 1980er-Jahren einmal von gierigen Wirten und Brauern so forcierte Serviergröße 0,4l, von kundigen Bierliebhabern schnell zurecht als „Preißn-Halbe“ gebrandmarkt, hat, abseits von Pilsener Bieren norddeutschen Braustils, im Süddeutschen keinerlei Berechtigung und setzte sich dort auch nicht durch. Findet man heute in der Gastronomie noch Biere in der Größe „Null-vier“ auf der Karte, so lässt dies allein die Interpretation als unverkennbarer Ausweis wenig gepflegter Gastlichkeit zu. Schlimmer allerdings ist in meinen Augen der neue „Trend“, Bier in Serviergrößen vo 0,3l auszuschenken. Die Brauereien ziehen hier bedauerlicherweise mit und füllen kleine Fläschchen von 0,3l oder 0,33l ab. Diese Kulturlosigkeit ist nicht weniger als ein Trauerspiel. Und auch, wenn das Le Petit Wayang beileibe nicht die einzige Innenstadtgastronomie ist, die fränkisches und bayerisches Bier in Größen von 0,3 Litern zum stolzen Preis von 3,80 Euro serviert, so muss an dieser Stelle auf diesen Missstand in der nötigen Deutlichkeit hingewiesen sein (und das kann auch der Verweis auf das indonesische Konzept des Restaurants nicht entschulden, ich selbst habe überhaupt kein Problem damit, dass das indonesische Bintang-Bier in der Flaschengröße 0,3 Liter auf der Karte steht). Rechtlich darf selbstredend jeder Wirt so wenig Bier so teuer verkaufen, wie er mag. Ob das den örtlichen Gepflogenheiten angemessen und zudem anständig ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Geht es hier nur um den Bierpreis? Den Wirten vielleicht schon, für mich hat das aber noch eine andere Implikation, die nicht vergessen sein darf: Es geht nicht weniger als um Erhalt und Pflege eines Kulturgutes. Wer fränkisches Bier in einer fränkischen Stadt in der „Größe“ „Null-drei“ ausschenkt, tritt – das darf ich mit Fug und Recht behaupten – die fränkische Bierkultur mit Füßen. Das ist kein Fauxpas mehr, das ist ein Affront. Ein Affront, mit dem sich freilich prächtig Geld machen lässt, denn irgendetwas müssen die Leute ja schließlich trinken.

Kuchenauswahl, Le Petit Wayang, Nürnberg

Davon ab muss ich feststellen, dass ich den Abend im Le Petit Wayang als kulinarisch sehr bereichernd empfunden habe. Ein enger Freund, der nicht nur fließend indonesisch spricht, sondern im besten Wortsinne landeskundig und so mit Küche und Kultur bestens vertraut ist, sagte mir, dass er die regionalen Küchen des Landes durchaus anders erlebt habe – doch das soll mich an dieser Stelle nicht stören. Die Vielfalt der Aromen, die interessanten Gewürze und Kräuter, all das sollte man einmal erlebt und gekostet haben. Beeindruckend zudem, dass die Küche des Restaurants nicht nur auf die sonst omnipräsenten Geschmacksverstärker verzichtet, sondern eine Vielzahl der Speisen ganz selbstverständlich vegan zubereitet werden, ohne auf Fleischersatzprodukte zurückgreifen zu müssen. Indonesische Restaurants sind ohnehin rar gesät, das sehr zeitgeistige gastronomische Konzept macht das Le Petit Wayang aber zu etwas Besonderem. Tagsüber ist das Restaurant gleichzeitig ein französisches Café mit einer reichen Kuchenauswahl – darauf sei in diesem Artikel aber bewusst nicht eingegangen, weil wir eben nur zum Essen dort waren.

Le Petit Wayang, Obere Wörthstraße 10, 90403 Nürnberg, Telefon: 88 99 79 88.

Wirtshaus-Explorer: Philosophieren über den Döner im „Nürnberger Döner“

Damit ihr gleich gewarnt seid: Ein klassischer „Wirtshaus-Explorer“ wird das nun Folgende nicht, ich schreibe über einen Döner-Imbiss und ein solcher hat ja, auch im weiteren Sinne, gemeinhin wenig mit einem Wirtshaus zu tun (und wird von manchem Zeitgenossen sogar als Antagonist der hiesigen Wirtshauskultur empfunden). Und so wird meine Betrachtung über den „Nürnberger Döner“ auch keine reine Beschreibung der Lokalität, sondern ein kleiner Ausflug in die ganz eigene Welt dieses trotz seiner tief in den Mittleren Osten reichenden Wurzeln faktisch so urdeutschen Essens.

Ich selbst speise nur gelegentlich Döner, mir genügt für meinen Seelenfrieden, das türkisch-deutsche Fusionsgericht einmal alle Vierteljahr zu verzehren. Darum habe ich bisher auch darauf verzichtet, in meiner Kolumne „Wirtshaus-Explorer“ Dönerimbisse zu rezensieren. Zu beliebig ist deren Anmutung, zu einförmig das Angebot auf den Karten stadtauf, landab. Zu viele Imbisse kommen und gehen und zu komische Blüten treibt der Kult um den Imbissklassiker Döner, dessen gemeine Verfügbarkeit ihn, egal, wo er eingenommen wird, zu einem kaum unterschiedbaren Essen mit erwartbarem Geschmack, auch aufgrund seiner kulinarischen Allgemeingültigkeit seines individuellen Charakters beraubte.

Der Döner ist Norm. Seine Zutaten sind Norm. Sein Aussehen ist genau so Norm wie sein Geschmack. Seine Darreichung in der klassischen viereckigen Papiertüte mit dem roten „Döner Kebap-Kochmützen-Säbelmann“ ist? Norm. Er ist so sehr Norm, dass man inzwischen das unaufhaltsame, manchmal sogar galoppierende Fortschreiten der inländischen Inflation anhand der preislichen Entwicklung des Döners festzumachen sucht. Goodbye Bic-Mac-Index, hello Dönertaschen-Preis-Competition.
Wer aus der Masse herausstechen will und bessere Preise für den mittlerweile gar nicht mehr so billigen Döner aufrufen möchte, muss sich also etwas einfallen lassen.

Dass bestimmte Dönerimbisse mit Städtenamen assoziiert sind bzw. die Assoziation wecken (und wecken wollen), in bestimmten Städten gäbe es regional-exklusive Eigenarten, das salatunterfütterte Fleischgericht in der Brottasche zuzubereiten, hat mich schon immer befremdet. Letztlich sind diese Versuche ein gedanklicher Ausfluss der unergründlichen Windungen von Marketinghirnen – denn die nackte Ubiquität der Dönertasche in quasi jedem zweiten Straßenzug macht das Junkfood-Gericht vor allem zu einem: zum völlig austauschbaren, gleichsam generischen Alltagsessen.

Es mag beim Döner tatsächlich regionale Unterschiede geben, unbestritten. Diese nehmen sich gemeinhin wohl gering als, werden aber als essenziell apostrophiert. Ein befreundetes, aus Sachsen stammendes Paar lässt beispielshalber keine Gelegenheit aus, zu betonen, dass der sächsische Döner der wohl beste sei, den man im deutschsprachigen Raum bekommen könne. Der Döner aus Berlin schmecke so mittel, der fränkische Döner hingegen sei ausnahmslos völlig ungenießbar. Der Unterschied liegt nach meinem Dafürhalten lediglich in der verwendeten Brotvariante (aber was zählt hier mein Wort, ich bin ja bekennender Döner-Crétin). So konnte mir letztlich auch die Meldung, dass nun unmittelbar des mitten in der Nürnberger Südstadt gelegenen „Original Berliner Döner“ der „Kreuzberg Döner“ geöffnet hat, auch nur ein leicht erstauntes Kopfschütteln entlocken. Bundeshauptstädtisch-sublokale Drehspießvarianten konnten meinen kulinarischen Entdeckergeist jedenfalls nicht dahingehend beflügeln, diesem Trend auf Nürnberger Boden durch Selbstversuch hinreichend nachzuspüren. Möglicherweise war man sich mittlerweile in der hiesigen Dönerszene plötzlich gewahr, dass man mit dem hiesigen Standarddöner vielleicht die genügsamen Franken, nicht aber die lukullisch Besseres gewohnten Zugezogenen abholen und befriedigen konnte?

Nürnberger Döner

Nürnberger Döner

Und nun, als genüge das noch nicht, eröffnete unlängst inmitten der Altstadt am Inneren Laufer Platz der „Nürnberger Döner“ – und das mit einer Marketingaktion, die man von Neueröffnungen solcher Imbisse mittlerweile zur Genüge kennt: Für einen begrenzten Zeitraum wird der Döner zu einem sensationell niedrigen Preis angeboten – ich weiß nun nicht mehr, ob für einen, zehn oder neunundneunzig Cent – jedenfalls stand die erwartbare Schlange der Dönerhungrigen einmal ums Karree bis weit in die Beckschlagergasse. Die Bilder dieser Schlange schafften es nicht allein in die sozialen Netzwerke, auch das Onlineportal des hiesigen Lokalblatts ließ artig die Anstehenden ablichten und brachte einen Artikel über Nürnbergs neue Imbisssensation. Billiger kann man wohl selbst Lokalberichterstattung kaum einkaufen.

Ein Nürnberger Döner? Man muss mich nicht allzu gut kennen, um zu wissen, dass diese Offerte meine von Lokalpatriotismus getriebene Neugier unweigerlich erregen muss. Zudem liegt der Imbiss unweit eines meiner städtischen Sehnsuchtsorte, dem geliebten, häufig frequentierten Kaffeehaus. Was also liegt näher, als ein Abstecher zum Nürnberger Döner?

Die Imbisstube hat sich chic gemacht. Schwarzglänzende Subway-Kacheln und ein großzügiger, sauberer Tresen empfangen einen im hellen, freundlichen Ambiente der kleinen Gaststube. Aus den Boxen klingt, nein dröhnt, laut Technomusik Electro, die für einen Imbiss sehr bequemen Sitzgelegenheiten laden zum Verweilen ein. Und so ist er schnell geordert, mein erster Nürnberger Döner.

Das also ist er, der "Nürnberger Döner"

Das also ist er, der „Nürnberger Döner“

Beim Nürnberger Döner versucht man, sein (nach meiner Beobachtung überwiegend junges und hippes) Publikum mit einem ganz eigenen Konzept abzuholen: Die typischerweise allzu dominanten Dönerkomponenten Brot und Fleisch werden geschickt in die hintergründige Rolle des Komparsen gedrängt, indem man eine vergleichsweise dünne Brottasche verwendet (die auch noch knusprig aufgebacken ist) und das Kalbfleisch hauchdünn vom Spieß hobelt. So bleibt mehr Raum für die anderen Mitspieler – ein Potpourri aus drei Soßen, knackigem Salat und Granatapfelkernen verleiht dem Döner eine ungekannte Leichtigkeit und Aromatik. Vorbei die Zeit der fetttriefenden, in rosa Cocktailsoße ertränkten Fleischbrocken „mit Scharf“ an Bergen roher, weißer Zwiebelringe und dem obligatorischen Achtelschnitz Hollandtomate im teigigen Weißbrot-Handstück. Heute, und das hat man beim Nürnberger Döner verstanden, kann man dieses Fast Food auf andere Art interpretieren, frischer, leichter, schlussendlich wohl sogar gesünder. Das Ding ist: Der Nürnberger Döner schmeckt.

Während mich der Dönerteller (14,- Euro, ein stattlicher Preis für die hiesigen Verhältnisse) nicht so beeindrucken konnte, fand ich die Dönertasche sensationell. Ich wollte mich fast dazu versteigen, zu schreiben, dass die fruchtigen (Minze, Zitronensaft, Granatapfelkerne) und deftigen Geschmackskomponenten (Kalbfleisch, rohes Blaukraut) vortrefflich balanciert sind, ohne in eine bestimmte Richtung aufdringlich zu schmecken (nein, ich versteige mich nicht, es ist, das ist mir absolut bewusst, ein profaner Döner – aber eben einer der wenigen guten). Wenig Fleisch und wenig Brot heben das Gericht, das mit 8,- Euro ebenfalls preislich an der Spitze der Nürnberger Dönertaschen angesiedelt ist, merklich. Und dennoch wird man satt. Nicht unangenehm satt, nicht pappsatt – aber dennoch satt.

Kurzum: Der Nürnberger Döner des Nürnberger Döner konnte mich, der ich bekennendermaßen kein großer Freund dieses Junkfoods bin, vielleicht nicht bekehren, aber mindestens eines Besseren belehren (manchem gelte ich ja als unbelehrbar, sollte dem so sein, ist das durchaus einer Erwähnung wert). Man sollte ihn in der Tat einmal gegessen haben – und ich bin mir sicher, dass viele dann mit gewisser Zufriedenheit feststellen werden, einen ordentlichen Döner genossen zu haben. Aus der Masse des ubiquitären Dönerpampfs jedenfalls sticht er positiv hervor.

Nürnberger Döner, Innerer Laufer Platz 12, 90403 Nürnberg, Telefon: 940 55 800.

Frohe Weihnachten!

Liebe Leserinnen und Leser,

ich wünsche Euch mit dieser stimmungsvollen Aufnahme vom diesjährigen Fürther Weihnachtsmarkt ein friedvolles und gesegnetes Weihnachtsfest und einen „guten Rutsch“ in ein entspanntes neues Jahr voller Glück, Gesundheit, Liebe und Frieden.

Herzlichst, Euer MichiFürther Weihnachtsmarkt 2024

Wirtshaus-Explorer: Flaleppo Nürnberg

Es ist kein typischer Wirtshaus-Explorer, den ihr heute lest, einfach, weil es kein typisches Wirtshaus ist, das ich heute mit Euch besuchen möchte. Es ist eher ein Geheimtipp in der Nürnberger Imbisslandschaft, aber wer möchte, kann freilich auch vor Ort im Flaleppo speisen.

Flaleppo? Ja, Flaleppo heißt der syrische Imbiss, der gleichzeitig Ladengeschäft und Mini-Restaurant ist und vor einem knappen Jahr in der Sulzbacher Straße in Nürnberg eröffnet hat. Wir dürfen uns unter die Kunden der ersten Tage zählen und mit diesem kleinen Artikel kundtun, dass sich im Ladengeschäft, das vorher einen etwas düsteren und verwinkelten asiatischen Supermarkt beherbergte, viel getan hat – nur die Speisen, die blieben immer gleich lecker.

Vor knapp zehn Jahren flüchten Ali und Fadia Ezo vor dem Krieg aus Syrien nach Deutschland, sie kommen in Nürnberg an. Der gelernte Schreiner Ali Ezo ist begeisterter Hobbykoch, schon bald reift in ihm die Idee, kleine Speisen seiner syrischen Heimat in Nürnberg anzubieten. Freilich dauert es, bis er mit seiner Familie hier Fuß gefasst hat, auch ein Laden will erst gefunden und muss dann aufwendig umgebaut werden. Doch im Dezember 2023 ist es so weit, das „Flaleppo“ eröffnet. Von Anfang an sind neben kleinen Gerichten auch syrische Süßigkeiten im Angebot, nicht nur das allgemein bekannte Baklava, sondern zum Beispiel auch Maburne, eine gebackene Süßigkeit mit Pistazien – Pistazien werden gerne und reichlich für die Süßspeisen verwendet, und das längst, bevor die Pistazie durch den Trend der „Dubai-Schokolade“ als Zutat für Naschereien eine Renaissance feierte. Unlängst erfuhren wir, dass das Backwerk etwa 40,- Euro pro Kilo kostet. Das syrische Baklava, das ein Freund Ezos selbst herstellt, sei in Syrien traditionell weit weniger süß als die hierzulande weitverbreitete türkische Variante.

Innenansicht - die Theke mit den Süßigkeiten, Imbiss Flaleppo, Sulzbacher Straße, Nürnberg

Der Falafel-Wrap gehört seit wohl gut zwei Jahrzehnten ganz selbstverständlich zur Imbisskultur. Im Flaleppo wird dieses Gericht aber auf andere Art interpretiert, als wir es üblicherweise kennen. „Das liegt daran“, erklärt Ali Ezo, „dass wir in Syrien die Falafeln backen, nicht frittieren“. Und so serviert er einen herrlich leichten Wrap, der nicht nur frischen Salat, Gemüse, Granatapfelkerne, Kreuzkümmel, Petersilie, Koriander und Hummus enthält, sondern eben auch knusprige Falafeln.

Falafel-Wrap, Imbiss Flaleppo, Sulzbacher Straße, Nürnberg

Zudem wird eine variantenreiche Vielzahl arabischer Teigfladen und -taschen, Manakish, angeboten, sei es mit Hackfleisch (nach Art von Suzuk, hier Sujig genannt), wahlweise mit Käse, sei es mit Spinat und Kräutern, aber auch mit Olivenöl, Sesam, roter Paprika, Tomaten, Knoblauch, Walnüssen und vielem mehr. Erwähnenswert ist freilich auch das Shawarma, das neben Limettensaft und Hähnchenfleisch auch Gewürzgurke und Granatapfelsaft enthält.

zwei Manakish, Imbiss Flaleppo, Sulzbacher Straße, Nürnberg

Der Clou beim Flaleppo: Alle Speisen werden frisch zubereitet – und das kann auch schon mal zu deutlichen Wartezeiten führen. Auch wenn der kleine Laden eher eine in gleißend-helles Licht getauchte Imbisstube ist, man kann sich dennoch an den wenigen Tischen niederlassen und in Ruhe essen.

Innenansicht, Imbiss Flaleppo, Sulzbacher Straße, Nürnberg

Flaleppo, das ist ein richtiger Familienbetrieb, alle, bis auf die jüngste Tochter, arbeiten mit, packen mit an. Und da muss man manchmal eben auch geduldig sein oder beide Augen zudrücken, wenn gleichzeitig mit Geld und Lebensmitteln hantiert wird. Wer Lust auf kleine syrische Spezialitäten hat, der wird im Flaleppo nicht nur fündig – sondern sicher auch satt und zufrieden.

Flaleppo, Sulzbacher Straße 97, 90489 Nürnberg, Telefon 36 830 722.

Mit dem Alt Bot mehr Inklusion bei Mastodon

Erst gestern berichtete ich über ein wertvolles Tool im Fediverse, die Fedikarte, heute widme ich mich erneut diesem dezentralen sozialen Netzwerk und beleuchte ein Tool, das ich fast noch wertvoller finde – den Alt Bot, den ich über Karlimann kennengelernt habe.

Ihr wisst, dass ich AI generell recht kritisch sehe – gerade, weil die Large Language Models mittlerweile zwar sehr süffige und kompakte, gut lesbare Inhalte liefern, es damit aber immer schwieriger wird, Fehlschlüsse und Falschinformationen zu erkennen. Solche Falschinformationen tradieren sich dann weiter, gerade wenn die Ergebnisse der AIs unkritisch in Webseiten übernommen werden.

Gleichwohl liefert die künstliche Intelligenz auch richtig coole Use Cases ab. Der Alt Bot analysiert Fotos, die Nutzer auf Mastodon posten, mithilfe von Googles AI Gemini und erstellt auf Grundlage dieser Ergebnisse Bildbeschreibungen als Reply auf den ursprünglichen Bilder-Post mit dem Ziel, die Bildinhalte für blinde oder sehbehinderte Menschen zugänglich zu machen.

Screenshot https://fuzzies.wtf/@altbot

Den Alt Bot benutze ich seit nunmehr drei Wochen und ich bin positiv überrascht und gleichzeitig auch ein wenig beunruhigt ob der Treffsicherheit, Präzision und Fokussierung aufs Wesentliche bei den durch Gemini generierten Bildbeschreibungen. Ich habe kaum Anlass zur Kritik, im Gegenteil: Der Bot arbeitet aus den Fotos wissenswerte Details heraus, die ich so schlicht übersehen hätte. Mitunter gibt die AI auch eine Kontextualisierung oder vorsichtige Szenenbewertung ab, das eine halte ich für sehr gelungen, das andere betrachte ich freilich, ihr kennt meine Haltung dazu, nicht unkritisch.

Dennoch ist der Bot ein Tool, welches Mastodon zu einem wesentlich zugänglicheren Ort für Blinde und Menschen mit Sehbehinderung macht.

Die Nutzung ist übrigens sehr einfach – übersetzt heißt es in der Anleitung für den Bot:

So benutzt du den Alt Bot:

  • Erwähne mich: Erwähne einfach @altbot in einer Antwort auf einen Beitrag, der ein Bild enthält, und ich werde eine Alt-Text-Beschreibung dafür generieren.
  • Folge mir: Folge @altbot, und ich folge dir zurück, um auf deine Beiträge zu achten. Wenn du ein Bild ohne Alt-Text postest, werde ich automatisch einen generieren, um das Fediverse zugänglich zu halten!

Wegen der Funktionsweise der Mastodon-API kann Alt Bot dir NICHT automatisch entfolgen, wenn du deine Meinung änderst. Bitte führe das Entfolgen manuell durch.

Hinweis zum Datenschutz: Der Inhalt deiner Beiträge wird nicht ausgewertet. Nur Bilder ohne bestehenden Alt-Text werden verarbeitet.

Der Alt Bot ist unter @altbot@fuzzies.wtf zu finden.

Die Fedikarte – ein großartiges Tool zur lokalen Vernetzung

Gerade habe ich von einer neuen Initiative des Nutzers @wolfmond@troet.cafe erfahren, die unter @fedikarte@troet.cafe bei Mastodon und im Web unter fedikarte.de zu finden ist.

Mit diesem Tool kann man auf Basis der Open Street Map Fediverse-Nutzer – im besonderen Mastodon-User – in seiner Nähe identifizieren und sich lokal vernetzen. Eine örtliche Suche gibt es bei Mastodon ja nicht, hier schließt die Fedikarte eine große Lücke.

fedikarte.de - Screenshot

Ich für meinen Teil bin begeistert und kann nur darum werben, dass sich jeder Nutzer in die Karte einträgt, damit unser Netzwerk noch größer wird. Vielen Dank den Machern!

Der Digitalkamera-Scam – wer billig kauft, kauft zweimal

Für mich eine erstaunliche Erkenntnis – aber letztlich auch logisch: Der Markt für Kompaktkameras ist quasi vom Aussterben bedroht. Logisch deswegen, weil heute Handykameras so gut sind, dass eine klassische Digicam quasi überflüssig ist. Aber ist das wirklich so?

Technisch gesehen in den meisten Fällen sicherlich. Die Bilder des gegenwärtig aktuellen Pixel 9 beispielsweise haben mich ob ihrer Qualität sehr beeindruckt, und inzwischen liefern auch einfachere Handykameras nicht nur ordentliche Bilder mit Festbrennweite, sondern bieten zudem sehr annehmbare Weitwinkelaufnahmen und überraschend gute Makro-Funktionen. Das reicht in aller Regel für die Herstellung der alltäglichen Bilderflut aus.

Ästhetisch aber kann ich den Fotos digitaler Kompaktkameras viel abgewinnen, gerade dann, wenn es um die fotografische Dokumentation des Alltags oder Street Photography geht. Und dann gibt es da ja auch noch die #shittycamerachallenge, die gerade auf Mastodon kontinuierlich gepflegt wird und uns teilweise sehr eigenwillige und gleichermaßen schöne Aufnahmen zu Gesicht bringt. Und so renne auch ich von Zeit zu Zeit mit einer einfachen Kompaktknipse herum (was ich nicht müsste – hier liegt eine sehr vernünftige Bridgelamera, eine DSLR nebst umfangreichem Zubehör und bei mir ist auch das Pixel 8 mit ebenfalls guter Kamera vorhanden, zudem habe ich ja auch noch die X10, die zwar auch schon antik ist, die ich aber sehr mag). Die Kompaktknipse ist mir aber leider in der letzten Woche ablebig geworden und so machte ich mich auf die Suche nach einer einfachen, günstigen und robusten Kamera, die so klein ist, dass sie mich auf meinen Streifzügen durch die Städte bequem in der Hosentasche begleiten kann.

Vor noch zehn Jahren hat jeder der großen Hersteller, sei es Nikon, Canon, Fuji, Olympus oder Sony, einfache Kompaktknipsen im Programm gehabt, diese sucht man heute aber vergeblich. Der Markt für solche einfachen und preisgünstigen Kompaktkameras scheint mir komplett in chinesische Hände übergegangen zu sein, auffällig ist hierbei, dass sehr einfache Sensoren mit integriert Mini-Optik Verwendung finden, die man so eigentlich nur aus simplen No-Name-Smartphones, Dumbphones oder Tablets kannte. Sichtbare Objektivteile sind in der Regel fake, einen optischen Zoom sucht man ebenfalls vergebens und die aufgedruckten Megapixel-Superlative werden durch Interpolation erreicht (wenn sie denn tatsächlich überhaupt irgendwie erreicht werden). Wenn die Abbildungsleistung solcher Kameras allerdings halbwegs passt, dann erhält man in aller Regel einen kleinen, gut bedienbaren Fotoapparat mit langer Akkulaufzeit und enormem Speicher – der die Aufnahme von Bildern mit einer ganz eigenen Ästhetik zulässt.

Prinzipiell hatte ich also kein Leiden damit, einfach mal eine billige China-Kamera zu kaufen und zu sehen, was man damit machen kann, zumal mir vor etlichen Jahren ein Kollege schon mal eine solche China-Kamera schenkte und ich sie vier Jahre lang immer wieder recht gerne zur Hand genommen habe.

Was ich bis zum Wochenende aber nicht wusste: Es gibt tatsächlich Scam-Kameras. Kameras, die prinzipiell funktionieren, aber so schlecht sind und deren technische Werte in keinem Zusammenhang mit den beworbenen Eigenschaften stehen, dass man sie selbst kleinen Kindern nicht als Spielzeug in die Hand drücken möchte. Plattformen wie Temu oder AliExpress, aber auch Ebay und Amazon werden gegenwärtig von solchen Kameras überschwemmt. Ich habe mein 64-Megapixel-Prachtstück, das ich Euch gleich stolz präsentieren werde, für etwas weniger als 25 Euro bei Amazon geschossen (und konnte es daher auch recht elegant und ohne Geldverlust wieder loswerden).

Ich darf Euch also die sagenhafte „Digitalkamera für Fotografie, Autofokus 48 MP Vlogging-Kamera für YouTube mit 2,4-Zoll-Bildschirm, 16-fachem Digitalzoom, Kompakte Reisekamera, Blitz, Anti-Shake“ der Firma „Yunir“ vorstellen, gefertigt von der Dongguan Liaobu Simao Electronics Factory (well, ich hätte es besser wissen müssen).
Digitalkamera Yunir, Dongguan Liaobu Simao Electronics Factory

Das Ding ist wirklich krasses Plastik, aber – hey! – 4K, 64 Megapixel. Her damit! USB-C, ein Slot für microSD-Karten, das ist alles was man braucht, oder?

Nun, von den oben gemachten Angaben, die ich aus dem Amazon-Produkttitel so herauskopiert habe, trifft eigentlich nichts zu.

Digitalkamera Yunir, Dongguan Liaobu Simao Electronics Factory, Detail

Kommen wir zuerst einmal zum 16-fachen Digitalzoom. Den gibt es, trotz gut sichtbarem Zoomhebel, nämlich nicht. Auch der Zoomschalter ist nämlich nur eines: Fake.

Kommen wir zuerst einmal zum 16-fachen Digitalzoom. Den gibt es, trots gut sichtarem Zoomhebel, nämlich nicht. Auch der Zoomschalter ist nämlich nur eines: Fake.

Er kann nicht bewegt werden, zieht man ihn nach oben ab, lässt sich auch erkennen, warum er keine Funktion hat – das Ding ist eine Attrappe. Krass, oder?

Wie aber kommt es zustande, dass es den beworbenen Digitalzoom, der je im Wesentlichen nichts anderes ist, als ein paar Zeilen Code in der Kamerafirmware, nicht gibt? Das hängt nach meinem Dafürhalten mit der niedrigen Auflösung des Sensors zusammen, die diese Funktion schlicht nicht zulässt. Das kann bei 64 Megapixeln eigentlich nicht sein, möchte man einwenden. Die 64 MPix gibt es nicht, sie schrumpfen bereits im Gerätemenü auf 48 MPix herunter (was immer noch ein akzeptabler Wert wäre). Aber auch davon bleibt letztlich nichts übrig. Ich zeige Euch jetzt mal zwei Aufnahmen vom Wochenende, geschossen im Freien bei der höchsten Einstellung, 48 Megapixel mit feiner Bildauflösung:

Von der Bildqualität war ich schockiert. Die ist so schlecht, dass selbst die Nummernschilder der geparkten Autos nicht mehr lesbar sind. Die Kamera liefert meiner Einschätzung nach bestenfalls 640×480, also VGA (oder umgerechnet 0,3 Megapixel). 64 MPix? 48 MPix? Aber wirklich nicht!

Das oben zu sehende Bild hat eine Auflösung von 7680 x 5760, was in etwa 44 MPix oder 8K UHD Videoauflösung entsprechen würde – aber die Qualität des Bildes liegt deutlich unter der meiner 1 Megapixel-Digicam, die ich um die Jahrtausendwende nutzte. Unfassbar. Das Teil ist wirklich ein Scam.

Fast schon überflüssig, zu sagen, dass der Sensor der rückseitig verbauten Selfie-Kamera über eine ebenso schlechte Auflösung verfügt, die dann gnadenlos auf die 44 Megapixel hochgezogen wird… Ich frage mich schon, warum man so etwas baut, letztlich müssen Hersteller und Händler doch gewahr sein, dass die Kunden so ein Gerät umgehend retournieren.

Im Prinzip könnte man ja jetzt sagen, dass man, erkennt man die nicht ganz unspezifische Gehäuseform dieser Kamera wieder, einfach einen weiten Bogen um ein solches Gerät macht – doch das ist wohl auch nur ein Teil der Wahrheit. Ich habe von exakt dieser Kameraform auch schon Rezensionen mit Beispielbildern gesehen, bei denen mir die Fotoqualität verglichen mit diesem Gerät relativ brauchbar vorkam. Es ist also nicht gesagt, dass eine Kamera mit gleicher Optik wirklich so ein Scam sein muss, wie mein Modell. Dennoch wollte ich von dieser Kamera abraten. Bemüht man die Amazon-Bildersuche, wird man auf wenigstens fünfzehn preisähnliche Angebote stoßen – ich wollte bei keinem zuraten. Von Temu und Konsorten lasse ich ja grundsätzlich die Finger… Eine einheitliche Modellbezeichnung oder Marke scheint es nicht zu geben, auf der Schachtel des Produkts ist immerhin in einer Ecke LK-003 zu lesen und „CCD Digital Camera“. Bei Temu wird dieses Modell gerne auch als „Vintage CCD Digital Camera“ geführt.

Bei der Software bediente man sich übrigens eines UIs, das ganz offensichtlich für Kinderkameras gebaut wurde, schließlich kann man mit dieser Kamera auch MP3s anhören, Pac Man spielen oder lustige Rehkitz-Rahmen über das Foto rendern lassen. Oh my gosh.

Abschließend die Frage, ob solche Kameras überhaupt was taugen können und ob sie in unseren Tagen noch eine Berechtigung haben. Ich würde sagen, dass es immer wieder ganz brauchbare No-Name-Billigkameras gibt, man muss diese aber suchen. Wenn man Glück hat, erwischt man eine mit 12 Megapixel-Sensor von Sony, die hatten immer eine gute und verzeichnungsarme Abbildung bei wenig Bildrauschen. Oder man greift eben wie ich ins Klo und holt sich eine Kamera mit einem Modul, das kaum für Spielzeuge geeignet ist. Vorher wissen kann man es nur, wenn man nicht gekaufte Rezensionen mit echten Beispielbildern liest – und die gibt es bei Weitem nicht von jedem Produkt.

Auch in Zeiten von sehr leistungsfähigen Smartphone-Kameras sehe ich durchaus mehrere Berechtigungen für diese Produktkategorie. Zum einen ist das der angenehme und für viele Fotografen auch günstige Formfaktor. Ein echter Fotoapparat fasst sich doch ganz anders an, als ein Telefon. Das mag auch mit dazu beitragen, dass sich die Ästhetik dieser Aufnahmen doch ganz erheblich von Handybildern unterscheidet – und mitunter auch dann positiv ins Auge fällt, wenn die Kamera technische Unzulänglichkeiten hat. Andererseits gibt es auch Bilder, die man nicht sofort mit der Cloud synchronisieren möchte und die lokal auf einer Speicherkarte ganz gut aufgehoben sind. Nicht in jeder Situation möchte man sein teures Smartphone zücken, kann aber mit einer billigen Kompaktkamera dennoch gute Ergebnisse erzielen. Würde die Kamera dann in die Baugrube, in den See oder ins Meer fallen, wäre das zwar ärgerlich, finanziell aber verschmerzbar. Und irgendwie finde ich den Umgang mit einer Kompaktkamera auch bequem.

Wirtshaus-Explorer: Die Blume von Hawaii, Nürnberg

Der Tiki-Kult mit kunstvoll geschnitzten Masken stammt ursprünglich aus der hawaiianischen und polynesischen Kultur. Im Zuge des Massentourismus aus den USA in den 1950er- und 1960er-Jahren wurde der sog. „Tiki-Style“, quasi ein Phänomen von cultural apropriation, von den USA ausgehend in bald alle Ecken der Welt exportiert – höchst erfolgreich. „Tiki“ war bald nicht nur ein Mode- und Einrichtungstrend, sondern hielt auch Einzug in die westliche Musik und inspirierte zahllose Filmschaffende. Und es entstanden in der westlich geprägten Welt auch zahllose Tiki-Bars, die nicht nur mit dem entsprechenden Interieur aufwarten: Tiki-Drinks, zumeist auf Rum-Basis, fruchtig und bunt, oft in Gefäßen serviert, die ebenfalls Tiki-Masken zeigen, eroberten im Nu die Herzen der Cocktail-Freunde.

Und Freunde dieser Coctails haben seit vielen Jahren eine Heimstatt in Nürnberg – und zwar in der wirklich exzellenten Bar „Die Blume von Hawaii“ am Weinmarkt. Einstmals noch in einer Nebenstraße der Äußeren Laufer Gasse beheimatet, findet sich die nun recht große Bar seit 2019 mitten im Herzen der Nürnberger Altstadt.

Freilich gehört das Herz der Barleute den Tiki-Cocktails (es gibt sogar eine eigene Mai Tai-Karte), aber auch andere Spezialitäten und manch neu interpretierter Klassiker findet sich auf der umfangreichen, halbjährlich wechselnden Karte. Wer gerne Gin trinkt, bestellt einen „Saturn“, wer nach ein bis zwei Cocktails den Abend mit einer kleinen, flüssigen Süßigkeit abschließen möchte, trifft mit dem „Macadamia Nut Chi Chi“ eine vortreffliche Wahl. Aus den Boxen erklingen Rock ’n’ Roll und Surf-Sound der 60er neben 70er-Soul und die opulente Korb-Bambus- und Tikideko hält das Auge eine Weile beschäftigt.

Man muss schon Qualität haben (und halten), um sich in einer gastronomisch so eng besiedelten Gegend wie dem Weinmarkt über Jahre nicht nur erfolgreich halten zu können, sondern quasi jeden Abend voll reserviert zu sein. Und auch nicht ganz umsonst wurde die „Blume“ von den Lesern der Publikationen des Verlags Nürnberger Presse 2023 zur „besten Bar Nürnbergs“ gewählt. Auch der falstaff-Bar-Guide 2025 adelt die „Blume“ mit 47 von 50 Drink- und 19 von 20 Ambientepunkten.

„Unser Sortiment“, so heißt es auf der Webseite, „bietet mehr als 60 Gins, über 50 Whiskeys und etwa 120 Rums, darunter eigene Abfüllungen nur für die Blume von Hawaii“.

Die „Blume“ ist ein Dorado für Cocktailfans, man muss übrigens kein Kenner sein, um sich in der Vielzahl der angebotenen Spezialitäten (es dürften an die hundert sein) zurechtzufinden, denn man wird jederzeit bestens von den freundlichen Barkeepern beraten.

Die Blume von Hawaii, Weinmarkt 16, 90403 Nürnberg. Telefon: 91 94 60 90.

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