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Hoppe muss weg – und zwar sofort!

Jörg-Dietrich Hoppe – der Präsident der Ärztekammer Nordrhein hat sich wieder zu Wort gemeldet – auf eine so verantwortungslose Art und Weise, dass ich keine Chance sehe, so jemanden auch nur annähernd ernst zu nehmen – nicht mal im Ansatz.

In der Wikipedia steht (im Kontext der Wiederwahl Hoppes zum Präsidenten der Ärztekammer):

Ziele seiner Amtszeit bis 2011 sind nach Angaben Hoppes die Verbesserung der Patientenversorgung, die Transparenz der Rationierung und den Kampf um die ärztliche Freiberuflichkeit.

Schön wärs! Was aber muss ich in der Samstagsausgabe der Nürnberger Nachrichten lesen?

Ärztepräsident Jörg­Dietrich Hoppe hat eine radikale Not­operation am Gesundheitssystem vor­geschlagen: Die gesetzlichen Kassen sollen nur noch die nötigsten Leistun­gen bezahlen, die ein „Gesundheits­rat“ vorher bestimmt hat. Damit müss­ten die Patienten bei leichteren Er­krankungen künftig alles selbst zah­len oder sich zusätzlich versichern.

Und:

Der Präsident der Bundesärztekam­mer begründet seinen Vorstoß mit dem aus seiner Sicht chronischen Geldmangel im Gesundheitswesen. Die Leistungen für Kassenpatienten würden ohnehin längst rationiert, und das solle nun zumindest für jeden sichtbar gemacht werden. Hoppe ver­weist darauf, dass zum Beispiel das Netz von Krankenhäusern oder Not­ärzten ausgedünnt werde, dass Kas­senpatienten häufig warten müssten und nicht mehr jede medizinisch mög­liche Therapie bekämen.

Rationierung ja (pfui!) – mit Verbesserung der Patientenversorgung hat das aber genau gar nichts zu tun! Ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendwas bringt, an der Grundversorgung zu sägen. Und wer weiß denn als Patient schon immer, ob seine Krankheit nun etwas einfaches, simpel zu behandelndes ist oder sich zu etwas Gefährlichem ausweiten kann? Von Prävention wollen wir mal gar nicht sprechen.

Ein Unding! Besonders, wenn solche Vorschläge von einem Arzt (sic!) kommen. Fazit: Den mann in den Ruhestand schicken und ihn auf seinem gepolsterten Altenteil unberücksichtigt weiterspinnen lassen.

Der EU-Wahl-O-Mat

Der berühmte Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung ist erst am 11. Mai aktiv. Wer es aber nicht aushält, sich interaktiv über die Europawahl zu informieren, der besuche doch

den EU-Profiler, der funktioniert schon und gibt zudem einen Überblick über alle zur Europawahl zugelassenen Parteien. Nur ob er richtig funktioniert, ist fraglich: Nach dieser Webseite müsste ich Sinn Fein (sic!), Feminist Initiativ Sweden oder die Partie Communiste Luxembourg wählen… (na bravo).

Farbe bekennen! Postet Eure Ergebnisse in den Kommentaren! (Sinn Fein – am Arsch…)

Marc-Uwe Kling: Die Känguru Chroniken

Nürnberg ist nicht immer so weit – das hat man gestern beispielsweise daran ausmachen können, dass im rund fünfzig Plätze fassenden Burgtheater beim aktuellen Programm von Marc-Uwe Kling mindestens zehn Plätze leer blieben. Denen, die dort waren, dürfte es gefallen haben – uns hat es gefallen, wie Kling aus seinem Buch „Die Känguru Chroniken“ las, spielte (Klavier, Gitarre) und sang.

Das Känguru ist Vietkong-Kämpfer, polizeibekannt, ein Schnorrer, Kommunist und egozentrischer Arsch. Marc-Uwe Kling ist Marc-Uwe Kling. Und er teilt mit dem Känguru nicht nur sein Heim sondern auch viel Leid (was die Kabarettbesucher freut).

Die beste Pointe dürfte (der Reaktion nach zu urteilen) die Hälfte des Nürnberger Publikums noch nicht mal versanden haben: Kling witzelte, die „digitale Boheme“ sei mit dem Kapitalismus versöhnt – auch wenn sie „Kapitalisten ohne Kapital“ sind (Ein Gruß an Sascha Lobo?). Heiner Müller und Musils „Mann ohne Eigenschaften“ – Kling referenziert sie.

Und auch Schillers Definition von Satire kommt ganz groß raus – denn die B.Z. muss rundgemacht werden. Klings Joseph-Ackermann-Song sorgte in diesem Blatt für die Schlagzeile „Ist ein Mord-Aufruf Kunst, wenn er gesungen wird?“. Die Reflexion über diese Frage war eine Zugabennummer – und ein Highligt des gestrigen Auftritts (alles um die Kling-Ackermann-B.Z.-Sache bei Johnny Haeusler).

Wenn Marc-Uwe Kling wieder hierher kommt, liebe Nürnberger, geht hin. Und wenn er wieder mal bei 3sat/Pispers sein sollte, schauts an.

Der erste Mai – gute Kundgebung in Bremen

Heute war ich nicht so brav wie in den letzten Jahren und  war also nicht auf der Nürnberger Kundgebung. Aber ich habe mir Herrn Sommer im Fernsehen angesehen und es war super!

Die Rede von Michael Sommer war so gut und prägnant, eine so gute habe ich schon lange nicht mehr anlässlich einer Maikundgebung gehört! Er hat sehr sauber herausgearbeitet, dass all jene, die den Gewerkschaften in der Vergangenheit die größten Fehler vorwarfen, die sind, die durch ihre Zockerei die Wirtschaftskrise maßgeblich mitverantworten. Und er hat auch auf das Unding mit der sog. „Leiharbeit“ hingewiesen. Die zentrale Kundgebung in Bremen war – vom Fernsehschirm aus betrachtet – ein voller Erfolg.

Vielleicht geht es nur mir so, aber ich hatte bei Sommers Rede das deutliche Gefühl, dass die aktuellen gewerkschaftlichen Positionen wesentlich näher an denen der Linken als an denen der SPD sind (mit Ausnahme des Umstands, dass sowohl Schrank-Walter Steinmeier in Ludwigshafen und Sommer die Kurzarbeit durchgefeiert haben). Dagegen ist prinzipiell auch nichts einzuwenden – nur wer hindert ihn, das auch direkt so zu sagen?

DB-Datenskandal – es wird immer frecher…

Was bei der Deutschen Bahn in Sachen Mitarbeiterbespitzelung abgegangen ist, ist schon eine nicht zu überbietende Frechheit. So was ist nicht zu toppen. Dachte ich bislang. Aber es ist zu toppen – und zwar, indem man seine Mitarbeiter nicht nur ausschnüffelt sondern Ihnen auch noch unangenehme Dinge unterschiebt, um sich unliebsamer Mitarbeiter zu entledigen. So schreibt die Frankfurter Rundschau mit Verweis aus den Spiegel:

Die Deutsche Bahn soll auch mit sehr fragwürdigen Methoden gegen ihre Angestellten vorgegangen sein. Soll Dokumente gefälscht haben und sogar falsche „Beweise“ wie Hitlers „Mein Kampf“ oder Porno-Dateien auf Festplatten von Angestellten gespeichert haben, um diese besser kündigen zu können.

Krasse Frechheit. Den ganzen Artikel kann man hier lesen. Bildnachweis: fraenko

Wählen Sie, was sie wollen. Aber nicht SPD.

Im Aufgang der im Marktkaufhaus niedergelassenen Fachärzte sprang mich heute ein Plakat an, auf dem unübersehbar zu lesen stand: „Wählen Sie, was sie wollen. Aber nicht SPD.“

Da musste ich sehr lachen. Im letzten Jahr hing an der Tür meines Hausarztes, in der die kassenärztliche Vereinigung mit der CSU abrechnet (den Dr. Dietrich kann ich sehr empfehlen – unabhängig von diesem Statement).

Dabei finde ich das abgebildete Plakat, dass auch von der Fachärztevereinigung stammt, wesentlich ehrlicher: Hier wird der schwarze Peter nicht nur der TrUlla und dem Lauterbauch in die Schuhe geschoben, hier trägt man wenigstens dem Umstand Rechnung, dass wir eine Kanzlerin haben, die den verpfuschten Gesundheitsreformen nichts entgegenzusetzen hat – schlimmer: diese befördert und mitträgt. Die Plakate lassen sich übrigens hier bestaunen.

Insbesondere ist der Hint auf die enge Verbandelung von Herrn Lauterbach mit der Rhön Klinikum AG (und nein, er ist nicht Vorstandsmitglied sondern Aufsichtsrat – das ist nun mal ein gewaltiger Unterschied) ist gerechtfertigt. Aber: Wen dann wählen? Grün? Die haben das mit der TrUlla unter Schröder sauber mitverbockt. FDP? Wer FDP wählt, muss wirklich zum Arzt – darüber muss man nicht diskutieren. Ich wüsste da noch wen: Die Linke. Aber ich kann mir kaum vorstellen, dass die Fachärzte mehrheitlich links wählen würden…

Insofern ist die Kampagne doch fürs Klo. Ich kann mir nicht vorstellen, dass

  • mit Union oder FDP auch nur irgend etwas besser wird. CDU/CSU und FDP haben diesem Land so massiv geschadet, dass es ein Wunder ist, dass die überhaupt noch gewählt werden
  • Ärzte mehrheitlich links wählen oder dazu aufrufen
  • sich jemand vom Arzt sagen lässt, was er wählen soll

Die Ärzte haben doch eine recht starke Lobby. Warum trägt diese Lobby dann politische Streitigkeiten im Wartezimmer aus? Immerhin geht die Inititaive gnädig mit deneutschen Sozialdemokraten um – 15% gestehen sie ihnen ja zu.

Bildnachweis: facharzt.de

Zu meinem letzten Post ein Nachtrag: Situation der institutionalisierten Jugendhilfe heute

Nachdem mich einige Leser dieses Blogs in den letzten Tagen persönlich auf das letze Post angesprochen haben und mich mindestens fragten, was mich motiviert, so ein „schweres“ Thema anzufassen, schreibe ich heute ein paar persönliche Worte über die Situation in der institutionalisierten Jugendhilfe wie ich sie im Jahr 2001 und 2002 erlebt habe – vor meinem Studium habe ich mit teils drogenabhängigen, teils straffällig gewordenen jungen Auszubildenden in einer großen süddeutschen Einrichtung gearbeitet – daher rührt auch mein Interesse am Thema.

In diesen beiden Jahren versah ich Dienst in einer Wohngruppe von elf Jugendlichen, die auf dem zweiten Arbeitsmarkt eine Berufsausbildung als KFZ-Mechaniker, Maler, Gärtner, Bäcker und Metallarbeiter ergriffen haben.

Diese Jugendlichen verbrachten einen Gutteil ihres Lebens in Heimen – und von diesem biographischen Umstand waren sie (ganz augenscheinlich) geprägt. Misshandlungen, wie sie im vorangegangenen Post beschrieben sind, habe ich (verursacht durch das pädagogische Personal) nur einmal erlebt – mitunter waren die Jugendlichen aber gegeneinander so aggressiv, dass auch hier das Wort „Misshandlung“ naheliegt.

Aber auch heute ist die Situation dieser „Heimkinder“ eine höchst unerfreuliche – und ich tendiere dazu, zu sagen, dass eine Reform der Heimerziehung nötig ist.

Und mehr noch: Ich bin überzeugt, dass die problematische Arbeitssituation der Erzieher, Sozialpädagogen, Pädagogen und Psychologen sich direkt negativ auf die Heimkinder und Jugendlichen auswirkt. Warum?

  • Personalfluktuation: Der Job im Heim ist psychisch belastend, körperlich hart, gefährlich, schlecht bezahlt und ungesund. Die schlechte Bezahlung ist hinlänglich bekannt – dazu muss ich nichts weiter schreiben. Zwar darf der Satz: „Geld ist kein Motivator“ als richtig anerkannt werden, aber ein geringes Einkommen kann die Situation mit Sicherheit nicht steigern. Betrachtet man zudem, dass gerade diese Jugendlichen auch immer wieder gegen das pädagogische Personal gewalttätig werden, betrachtet man die nicht allein diesen Umständen geschuldete psychische Belastung, so ist es kein Wunder, dass jeder, der nur kann, sich früher oder später einen anderen Job sucht. Das hat zwei Konsequenzen: 1. Nach mehreren Rotationen des Personalkarussells bleiben in den Heimen meist nur die im Gruppendienst, die entweder durch Arbeitsverträge oder Zugehörigkeit zu einer religiösen Gruppierung („Brüderschaften“ o.ä.) gezwungen sind oder die so wenig motiviert, so schlecht, so „geringqualifiziert“ sind, dass sie im Heim arbeiten müssen, sofern sie nicht arbeitslos sein wollen und 2. Diejenigen, die gute Arbeit geleistet haben, gehen. Denn wer macht für das bisschen Geld eine Arbeit, die die oben genannten negativen Konsequenzen nach sich zieht (ich habe in der Zeit, in der ich in der Jugendhilfe gearbeitet habe, nicht erkennen können – selbst mit viel gutem Willen nicht, dass positive Begegnungen und Impulse die Auswirkungen dieser negativ belasteten Arbeitsumgebung auch nur ansatzweise hätten kompensieren können).
  • Was aber passiert, wenn die „Guten“, die motivierten und anspruchsvollen Pädagogen aus den Heimen gehen, wenn sich die Gelegenheit bietet (und wer wollte es ihnen verdenken)? Sie bleiben mit den Unmotivierten allein. Was nichts anderes bedeutet, dass Vertrauensbeziehungen zu den „Guten“ immer wieder abreißen (müssen) und diese Heimkinder also vom „pädagogischen Bodensatz“ bearbeitet werden. Man braucht nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, was das für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen bedeutet. Besonders negativ wirken sich die der Personalfluktuation geschuldeten „Beziehungsabbrüche“ gerade auf diese Klienten aus: Wer seine Heimkarriere unter anderem dem Umstand zu verdanken hat, mit den vielen Beziehungsabbrüchen in seinem Leben nicht zurande gekommen zu sein, der wird psychisch bei weiteren Beziehungsabbrüchen im Heimkontext nicht zwingend gesunden. Heime machen also in einem gewissen Rahmen beziehungsunfähig – mit allen negativen Auswirkungen auf die Soziale Kompetenz. Welchen Platz aber will ein (junger) Mensch in der Gesellschaft einnehmen, der dauerhafte Bindungen kaum oder gar nicht erleben durfte und daher kaum Vertrauen fassen kann?
  • die Personalfluktuation bedeutet einen Weggang der Besten aus dem Heimen. Und damit haben nicht nur die Kinder und Jugendlichen ein Problem sondern auch die Institutionen selbst: Denn es fehlen die Köpfe, die aus dem doing heraus bereit sind, zur Verbesserung beizutragen. Die Organisationen stagnieren in ihrer Entwicklung. wer sind die Leidtragenden?
  • Und damit kommen Heime oft auch nicht mehr dem erzieherischen Auftrag nach, den sie einmal hatten oder zumindest haben sollten.

Ein Beispiel: In die damalige Gruppe kam ein Junge afroamerikanischer Abstammung. Er sprach fließend Englisch und kaum Deutsch. Er war ein wirklich intelligenter Junge, brachte seinen Computer mit, programmierte damit ein bisschen herum, las gerne das Heft „National Geographic“, rauchte nicht und trank keinen Tropfen. Er musste ins Heim – seine Mutter war schwer alkoholabhängig und mit der Erziehung des Pubertierenden (wie mit ihrer ganzen Situation) überfordert. Es dauerte keine wei Monate, da rauchte der Junge Kette und trank regelmäßig. Der Computer war verkauft – um den Erlös kaufte er Wodka. Modellhaftes Lernen funktioniert in der Peergroup reibungslos. Die Peers waren Heimkinder. Dem „pädagogischen Bodensatz“ war das alles wurscht.

Wenn man sich nun klar macht, dass das keine düstere Geschichte aus den 1960er oder 1970er Jahren ist sondern gegenwärtige Realität, wen wundern dann die Horrorgeschichten, die wir dieser Tage der Presse entnehmen. Mehr noch: Wenn die historische Wurzel der Heimerziehung Misshandlung, Unterdrückung und Zwangsarbeit ist, wie gut können Heime dann heute überhaupt sein?

Ich habe selbst erlebt, dass die Situation in Hilfeplangesprächen und QM-Audits geschönt dargestellt wurde, Jugendliche, die befragt wurden, waren vorher genau instruiert, was sie sagen durften und was nicht. So wenig die „Unmotivierten“ mit den Jugendlichen arbeiteten, so große Energie wendeten sie auf, um zu verschleiern, wie schlecht es um die Heime wirklich bestellt ist. Aus dieser Ecke wird keine Besserung zu erwarten sein – darauf zu hoffen, wäre blauäugig.

Missachtung, Misshandlung, Einzelhaft und Zwangsarbeit: Über die Fürsorgeerziehung der 1950er bis 1970er Jahre (und die Kirchen waren ganz vorn mit dabei)

In den letzten Tagen und Wochen stand es wiederholt in den Nürnberger Nachrichten: Misshandlung von Schutzbefohlenen in sog. Fürsorgeheimen waren in den 1950er bis 1970er-Jahren (und aller Wahrscheinlichkeit noch darüber hinaus) nicht nur „bedauerliche Einzelfälle“ – sie traten flächendeckend auf.

Im Zentrum der Kritik steht in Franken das Jugendheim „Stapf“ eine Einrichtung der Nürnberger Caritas. Dort sollen, will man der Zeitung Glauben schenken, über Jahre hinweg Kinder und Jugendliche schwerst misshandelt. Der Sozialpädagoge Franz Ochs, ich habe ihn eigentlich als integren Mann kennengelernt, gibt am 4. April in den NN den Überraschten.

Die Zeitung zitiert ihn in einem Interview wie folgt: „Ich war wirklich überrascht von all dem. Man muss das sehr ernst nehmen, die schlechten Erlebnisse wie die guten, von denen in Leserbriefen in Ihrer Zeitung auch die Rede war. Das alles liegt 50 Jahre zurück und es geht sicher nicht darum, heute Rechenschaft von uns zu verlangen. Dass die Menschen ihre Zeit im Heim ganz unterschiedlich wahrgenommen haben, ist ganz normal.“

Ich will noch nicht einmal behaupten, dass Her Ochs gewusst hat, was sich in der Vergangenheit in seiner Einrichtung abspielte (es fällt mir aber schwer, das zu glauben). Schlimm und bedrückend ist dieses Zitat aber, weil er sofort ins Relativieren kommt und in Anbetracht der Schwere der Vorwürde von der unterschiedlichen Wahrnehmung der ehem. Heimkinder spricht und auch „guten Erlebnissen“. Kann man die Opfer dieses Heimes eigentlich subtiler verhöhnen? – Ja, man kann, denn es geht durchaus um Rechenschaft. Und noch um viel mehr: Um Entschuldigung und um Entschädigung. Und am wichtigsten: Um Rehabilitation der Opfer.

Weiterhin ist in einem NN-Artikel zu lesen: „Erbrochenes sei ihr von einer der betreuenden Nonnen wieder in den Mund gestopft worden, berichtet Petra Stettner (alle Namen geändert), eine 54-jährige Frührentnerin. Während der Jahre, die sie von 1956 bis 1962 in der Leopoldstraße verbracht hat, seien ihre Hände oft zur Strafe auf heiße Ofenplatten gepresst worden.
Sie sei in einem dunklen Keller gesperrt, geschlagen, an den Haaren gerissen und regelmäßig mit eiskaltem Wasser aus dem Duschschlauch ins Gesicht gespritzt worden. Kleinere Kinder seien regelmäßig mit Füßen und Händen in ihren Gitterbettchen festgebunden worden, das habe sie mit eigenen Augen gesehen.

Vergangenen Donnerstag las man in den NN dann die Zuschrift einer Leserin, die in bewundernswerter Weise mutig ihre Erlebnisse schilderte und auch nicht darauf verzichtete, ihren Namen und Wohnort in der Zeitung abdrucken zu lassen – Respekt!

Sie schreibt u.a.: Nicht nur im Kinderheim Stapf wurden kleine Kinder an die Gitter­stäbe des Bettes festgezurrt. Auch im Caritas-Kinderheim, in der Pirckheimer Straße, mussten Kin­der Erbrochenes essen.“, Die Kinder wurden an den Füßen und unter den Schultern mit schma­len Stoffbändern an die Gitterstäbe ihres Bettchens wirklich richtig fest­gezurrt. Nachts schlugen sie mit den Köpfen an die Gitterstäbe, dass man es bis in das obere Stockwerk hören konnte“ und Ich könnte ewig so weiter schrei­ben. Ich sitze hier, und mir kommen die Tränen. Ich war von 1953 bis 1956 im Caritas-Säuglingsheim und anschließend kurze Zeit im Stapf“.

Auch andere Medien gaben und geben Zeugnis von den flächendeckenden Misshandlunge n von Kindern und Jugendliche n, die in Heimen untergebracht waren, so zum Beispiel der Beitrag „Einzelhaft und Zwangsarbeit“ (2005) des WDR oder die Tag 7 – Reportage „Ich bin ein Heimkind“ (2006) ebenfalls WDR. Aber damit nicht genug – schon in den 1970er Jahren machte Ulrike Meinhof mit dem Drehbuch zum Fernsehspiel „Bambule“ (erschienen im Berliner Wagenbach-Verlag, mehrere Auflagen, die letzte mir bekannte Anfang dieses Jahrzehnts)* auf die gravierenden Misstände in deutschen Fürsorgeheimen aufmerksam. Es kann also niemand – wirklich niemand, auch nicht Herr Ochs behaupten, von nichts gewusst zu haben.

Nicht nur die katholische Kirche hat in diesem Kontext zu Hauf schwere Schuld auf sich geladen, auch die Evangelische Kirche war nicht besser (wie hier ausführlich dokumentiert, Bildnachweis). Eine weitere gute und weniger gefärbte Dokumentation findet sich auch auf den HEIMseiten.

Man kann argumentieren, dass die Zeiten damals andere waren, Gewalt in der Erziehung einen anderen Stellenwert hatte und größere Akzeptanz erfuhr. Aber wer will so argumentieren? Besonders Christen steht das nicht an! Es ist keine Entschuldigung für exzessive Misshandlungen. Und: Nicht nur das Verhalten von Erziehern, Diakonen und Nonnen ist verachtungswürdig, auch ist der Umgang der Kirchen mit diesem Thema zutiefst beschämend.

Ich frage mich: Was hindert die Kirchen daran, diesen institutionalisierten Missbrauch zuzugeben, sich bei den Opfern umfassend und persönlich zu entschuldigen und sie auch angemessen für das Erlitene zu entschädigen?

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* Auszüge und Kommentar auch auf den Webseiten von Hypies.com hier

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