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Wochenrückblick KW 11/12 2022

Interessantes, kurioses und Randnotizen der vergangenen zwei Wochen – wie immer kurz gefasst:

  • Saharastaub. Das ist vielleicht ein spooky Licht, das dieser Saharastaub erzeugt.
  • Die Maskenpflicht in Bayern bleibt größtenteils, zumindest bis Ende März, sie fällt aber für Grundschüler. Ich bin mir nicht recht sicher, ob das wirklich so schlau ist. Schulen sind, das wissen wir inzwischen, Pandemietreiber. Aber, hey! Wayne?
  • Simone Barrientos ist aus der Linken ausgetreten. Das ist ein schwerer Verlust für die Linke.
  • Oskar ist auch ausgetreten. Ein, meiner bescheidenen Meinung nach, weniger schwerwiegender Verlust.
  • Lieber Karl Lauterbach, nichts für ungut, aber wer Tim Röhn retweetet, hat die Kontrolle über sein Leben verloren (frei zitiert nach diesem Modekasper).
  • Das BSI rät zur Deinstallation von Kaspersky und indirekt zur Nutzung von Defender. Nun, ganz überraschend kommt das nun nicht – ob das Unternehmen nun mit seiner Software aber tatsächlich zum Kreml-Angriffsvektor wird, scheint mir derzeit rein spekulativ. Mein Kaspersky-Abo ist zum Jahresende ausgelaufen, reiner Zufall, dass ich gesagt habe, ich probiere den kostenfreien Defender nach guten Userberichten mal aus. Ich muss aber auch ganz ehrlich sagen, dass ich mit der Kaspersky-Suite seit mehr als zehn Jahren sehr zufrieden war.
  • Der Nürnberger Radiosender „Z“ hat sich auf Twitter umbenannt in „Radio Ц“ (Screenshot hier).
  • Die Bunkerei geht weiter. Nach Klopapier (what the heck?), Mehl, Zucker und Salatöl folgt jetzt: Senf!
  • Der Hashtag der Woche: #Papiermangel. Na gut, ein wenig läuft der Ernst schon mit. Peter, selbst Verleger, machte mich darauf aufmerksam, dass es einen relativen Papiermangel gibt, der unter anderem die Verlage trifft. Die nun beratene Impfpflicht, sollte sie denn tatsächlich irgendwann einmal kommen, soll durch die KVen ihren Mitgliedern kommuniziert werden. Und die winden sich raus. Das gehe nicht, weil, Achtung!, Papiermangel!! Das ist Bullshit. Sagt irgendwie jeder zweite Kommentar – und nun auch die Papierindustrie. Der Fehler ist doch eigentlich, dass wir kein Impfregister haben. Und diesen Fehler sollen jetzt die KVen ausbügeln, und darauf haben die keinen Bock. Das kann ich sogar verstehen. Aber dann soll man das auch genau so diskutieren. Das mit dem Papier scheint mir echt vorgeschoben.
  • Debattenbeitrag: Wenn Kritik an Rüstungslobbyismus und Völkerrechtsbrüchen glaubwürdig sein soll, sind linke Vorschläge für eine Nato-Reform nötig, meint der Linke-Politiker Gerry Woop.
  • Ja, die maintenance eines Blogs kostet mitunter etwas Zeit – und das gilt nicht nur für die Komponenten unter der Motorhaube. Am Dienstag habe ich mir mal die Zeit genommen und die Unterseite mit den Radiofrequenzen upgedatet. Im UKW-Bereich hat sich hier eigentlich kaum was Neues ergeben, der afk heißt nun „max neo“, aber das war es dann auch. Auf DAB+ ändert sich immer wieder mal was. Daher nutze ich inzwischen mit meinem DAB-Stick die Software DAB-Player von Andreas Gsinn, die nicht nur regelmäßig gewartet wird, sondern auch einen Export der Scans der Empfangsdaten einzelnen Ensembles als CSV ermöglicht. Und diese angepassten Scans bilden inzwischen die Datenbasis der Frequenzseite. Das ist zwar ein wenig manuelle Arbeit, dafür sind die Daten halt handgeschöpft aktuell.
  • Die AfD bekommt keinen Sitz im Bundestagspräsidium. Die haben vergeblich versucht, sich da reinzuklagen. Und die Klage ist vom BVG abgewiesen worden, die Nazikasper dürfen keinen Bundestagsvize stellen. Gut so.
  • Auch immer spannend: Den Fortgang der Forschungs- und Konservierungsarbeiten an der in der Ostsee gefundenen Enigma zu beobachten.
  • Die Saarlandwahl mag der SPD für kurze Zeit zur Freude gereichen, aber unter Demokratieaspekten ist sie ein Fiasko. Ich habe zwar kein Leiden damit, dass die FDP rausgeflogen ist (die braucht eh kein Mensch), aber nur drei Parteien in einem Landesparlament (und eine davon die Nazis), das ist in einer pluralen Gesellschaft wie unserer einfach nicht mehr zeitgemäß.

Mein erster PC: Peacock „Flash“

Erinnert ihr euch noch an Euren ersten Computer?

Das Possessivpronomen sei hier einfach einmal großzügig interpretiert, es geht nicht zwingend um den ersten eigens besessenen Computer, sondern um den Computer, der euch in einem solchen Umfang zur Nutzung zur Verfügung stand, dass ihr eure ersten Gehversuche in der Welt von Null und Eins unternehmen konntet.

Ich kann mich noch erstaunlich gut an dieses Gerät erinnern. Es war natürlich nicht „mein“ erster Computer, Computer waren Ende der 1980er-Jahre einfach so teuer, dass es hier ein „mein“, zumindest für Kinder und Jugendliche, schlicht nicht gab. Mein Vater hatte das Gerät eines Tages (wann genau, kann ich nicht einmal mehr sicher rekonstruieren, es muss wohl 1989, vielleicht auch schon 1990 gewesen sein) mitgebracht, um seine Büroaufgaben fortan komfortabler erledigen zu können (das funktionierte für ihn, daran kann ich mich allerdings gut erinnern, auf Anhieb). Ich war auf jeden Fall gerade noch Grundschüler und kannte Computer eigentlich nur aus dem Fernsehen – oder aus der Eingangshalle der Nürnberger Hauptpost, denn da stand ein öffentliches BTX-Terminal, das sich natürlich nicht meiner kindlichen Neugier entzog, dessen Bedienung aber reichlich stupide war, wenn man kein Geld hineinwerfen konnte oder wollte. Jedenfalls stand er irgendwann da: Ein IBM-kompatibler PC, Peacock, Modell „Flash“, samt Bildschirm, Drucker, Maus, einigen Bedienungsanleitungen und einem Stapel Disketten.

Den Computer (hier einige etwas besser auflösende Bilder) samt Peripherie, auch daran erinnere ich mich noch gut, kaufte mein Vater als „guten Gebrauchten“, was sich als Vorteil erweisen sollte, da er so ad hoc nicht nur mit allen relevanten Gerätschaften, sondern auch einem Bündel sinnvoller Software ins Haus kam – und es keinen Frust gab, weil irgendetwas hätte fehlen können. Der Verkäufer wies Vater auch in dieses Gerät ein und er gab dieses Wissen an uns weiter. Meine ersten „Fortschritte“ mit einfachen und zur Bedienung nötigen MS-DOS-Befehlen würde ich daher als durchaus zügig bezeichnen wollen.

Zugegeben: Als ich mich des alten Kastens erinnerte, musste ich erst einmal ein wenig recherchieren. Denn es ist nun 32 Jahre her, dass ich Bekanntschaft mit diesem Gerät schloss und man vergisst ja über die Jahre das ein oder andere Detail. Allzu viele Informationen lassen sich über diese wohl in vergleichsweise kleinen Stückzahlen in mehreren Varianten modular gefertigten Computer nicht finden. Aber einige Spezifikationen habe ich dann doch gefunden – und hier wird es durchaus spannend.

Basis des PCs war der Intel 8088, ein nicht gerade als besonders performant bekannter Prozessor, der schon im IBM Ur-PC verbaut war. Das Herstellungsdatum unseres „Flash“ dürfte 1988 gewesen sein, so sagten es zumindest die mir erinnerlichen Papierquellen. Und da war der 8088 inzwischen schon nicht mehr wirklich modern. Das war aber egal, denn Peacock griff hier auf eine bestens eingeführte, billige und im Bürobereich auch mit den allermeisten Programmen voll kompatible Architektur zurück (ja, Kompatibilität war bei den vielen IBM-PC-Clones der 80er-Jahre durchaus ein Thema). Der Takt wurde seinerzeit mit 8 oder 9,5 MHz ausgewiesen, was darauf hindeuten könnte, dass im „Flash“ wohl ein Intel-Clone sein Werk tat, der Hauptspeicher bot 512 Kilobyte – das war für ein System, das performancemäßig irgendwo zwischen XT und AT aufgehängt war, auch keine Überraschung. Peacock lieferte mit seinem Rechner eine AT-Tastatur mit, der Prozessor war aber der vom PC, denn ein „echter“ AT zeichnete sich ja durch den 80286er-Prozessor aus. Ich habe die ganz deutliche Vermutung, dass der Commodore PC10 bzw. PC20 dem „Flash“ mindestens Pate stand, denn etliche Commodore-Besonderheiten fanden sich auch beim Peacock wieder.

Etwas Besonderes, das so zumindest nicht Standard bei frühen PCs und den Commodore-PCs war, war die 40 MB große Festplatte, Fabrikat Seagate. Ihr lest richtig: 40 Megabyte waren damals für eine Festplatte eine durchaus ordentliche Speicherkapazität, auch wenn weiland die Seagate-Platten für Heimanwender mit ihren Schrittmotoren laut und vor allem langsam waren. Die 40 Megabyte brachten on top technische Probleme mit sich, denn MS-DOS 3.0, mit dem wurde der Computer ausgeliefert, konnte nur 30 Megabyte Speicher verwalten, man musste die Festplatte also partitionieren. Und so arbeiteten wir nicht nur mit dem bekannten „C:\>“- sondern auch „D:\>“-Prompt.

Der „Flash“ in unserer mutmaßlichen 1988er-Variante war also ein nicht mehr ganz taufrisches, wenn auch etwas aufgebohrtes Sparbrötchen. Aufgebohrt war nicht nur der Takt des sonst mit knappen 5 Megahertz werkelnden Prozessors, sondern auch die Grafikkarte. Hier kam nämlich ein Exot von ATI zum Einsatz, der auf den klangvollen Namen „Advanced Graphics Adapter“ hörte und eigentlich ein Spezifikum des Commodore PC-10/II bzw. PC-20/II war (und mit Commodore-gelabelten Treiberdisketten geliefert wurde). Die AGA-Grafikkarte beherrschte nämlich zwei für uns sehr interessante Betriebsmodi: Zum einen erwies sie sich als vollkompatibel zur für seine Zeit ja schon fast hochauflösenden Hercules-Monochrom-Grafik und ermöglichte damit ein für einen PC ungekannt gutes Schriftbild, auch vier Graustufen ließen sich darstellen und selbst einfache Grafikprogramme lieferten ein schönes Ergebnis, zum anderen konnte man mit ihr auch CGA-Spiele nutzen. Damit war der Rechner für Büroanwendungen bestens gewappnet, aber auch alle gängigen Computerspiele der 80s waren lauffähig (VGA kam mit der VESA-Erweiterung, die die Sache erst interessant macht, nach meiner Wahrnehmung erst in frühen 90ern beim Endkunden an und blieb da dann auch irgendwie viele Jahre, EGA wurde wohl in den 80ern von einigen Spielen unterstützt, aber einen Rechner mit „echter“, also nativer EGA-Grafik habe ich damals wissentlich nirgends gesehen). Und dann tat im Flash ein 5,25″-Floppylaufwerk seinen Dienst, das schon im Auslieferungszustand unsinnig veraltet war, konnte eine Floppydisk mit diesem Laufwerk doch nur magere 320 Kilobyte speichern – in Summe, also auf beiden Seiten der Diskette. Das wurde vom Marketing seinerzeit als „Double Density“ verkauft und war selbst 1989 das pure Elend. Floppydisk waren damals einfach die billigere Alternative zu den durchaus schon gebräuchlichen 3,5″-Disketten mit ihren 1,4 MB Speicherkapazität, die sie über die 90er hinweg als Quasi-Standard halten sollten.

Auf zwei interessante Sachen, die man sich heute so kaum mehr vorstellen kann, möchte ich noch eingehen, nämlich den Monitor und den Drucker. Beide Geräte geben nämlich durchaus Anlass zur Spekulation, dass jemand mit Hang zum Hause Commodore diese Geräte konfektionierte bzw. kombinierte: Unser Bundle enthielt einen 12-Zoll-Monochrommonitor, Fabrikat „No Name“, mit grünem Leuchtschirm, der aussah, als hätte man ihn direkt vom Original-PC-10 geklaut. Diese Monochrom-Monitore waren selbst für DM-Verhältnisse schrottbillig, der hier zu sehende Monitor wurde von Vobis für 199,- DM gehandelt und entsprach ziemlich genau dem Bildschirm, mit dem der Peacock gebundelt war (hier ein Link zum ganzen Artikel, der einen Vobis-Katalog aus den 80ern behandelt – hier lässt sich auch erahnen, wie erfolgreich der PC 10 und PC 20 in Deutschland gewesen sein muss). Der Bildschirm hatte selbst übrigens keinen Sub-D-Stecker, sondern eine vielpolige DIN-Buchse als Eingang und einen Adapter auf Sub-D beigelegt. Hier musste es wirklich das Billigste tun. Und es tat, wenn auch nicht komfortabel: Schaltete man, wollte man ein Spiel starten, die AGA-Grafikkarte von Hercules auf CGA um, musste man den rückseitig am Monitor befindlichen Bildfang betätigen, das erforderte ein gewisses Maß an Fingerspitzengefühl, weil der Stellregler, ausgelegt für seltene Betätigung, Luft und Spiel hatte wie Sau und dann auch noch äußerst empfindlich reagierte. Sonst aber war der Monitor prima, das Bild scharf und ich empfand das Grün des Bildschirms auch immer angenehmer als das als „Bernstein“-Orange, das in jener Zeit die vorherrschende Leuchtfarbe monochromer Bildschirme war.

Ja, und dann der Drucker. Da handelte es sich um einen 9-Nadeldrucker der Marke „star“, Typ NL-10. Das war in der zweiten Hälfte der 80er der Leib-und-Magen-Drucker der 64er-Community, denn der NL-10 konnte Endlospapier verarbeiten, hatte einen „Schönschreibmodus“, bei dem der Druckkopf auf einer Zeile viermal hin-und-herfuhr und somit ein Schriftbild erzeugte, das in seiner Qualität dem der damals unerschwinglichen 24-Nadel-Drucker kaum nachstand (war halt nur langsam und laut) und zudem ließ sich die Druckerschnittstelle von Centronics (also Parallelbetrieb) per Steckmodul auf Commodore umrüsten. Und das Ding war: Richtig! – verglichen zu anderen Modellen – günstig.

Und dann gab es da noch eine Maus – die hatte einen Ball und drei Tasten und außerdem war ihr eine Art „Paint“-Programm beigelegt. Die Genius GM-6 dürfte teurer als der Bildschirm gewesen sein. Hier hat sich jemand mal die Mühe gemacht, so ein altes Teil zu unboxen. Hach, da schwelgt man doch in Erinnerungen!

Wenn ihr jetzt meint, dass diese Specs für ein Gerät, das an der Wende zu den 1990ern produziert und verkauft wurde, doch reichlich antik wirken, so kann ich nur sagen: „Jein“. Zum einen stimmt das natürlich. Einerseits waren zu dieser Zeit einfach 286er-Standard (und der 8088 war 1988 schon mindestens zehn Jahre am Markt). Zum anderen hatte so ein Computer damals eine andere Halbwertszeit. Ich bin beispielshalber erst vier Jahre später auf ein anderes Gerät umgestiegen, das war dann freilich ein 386er. Der Peacock allerdings sollte mir trotz seiner spartanischen Ausstattung in vielerlei Hinsicht nützlich gewesen sein: Mausgestützte Textverarbeitung, erste selbst geschriebene Programme im Basic-Dialekt von Microsoft und Borlands Turbo-Pascal und dann die ganzen 80er-Spiele: Grand Prix Circuit, PGA-Golf, Larry I, II und III (bis heute meine Lieblings-Adventure-Reihe, mit Larry habe ich Englisch gelernt, danke, Al Lowe!!), Prince Of Persia, ….
Mit Xenon 2: Megablast, habe ich mal die Leertaste der Tastatur ruiniert.
Der Gebrauchswert war nicht nur für meinen Vater, der den Rechner hauptsächlich zur Textverarbeitung einsetzte, sondern auch für mich als gerade ans Gymnasium gekommenen „Unterstufler“ durchaus hoch, vor allem, wenn man bedenkt, dass im Computerraum meiner Schule noch bis Mitte der 90er mehrheitlich Siemens PC 16-10 (hier ein Artikel mit Bild) mit dem Betriebssystem CP/M 86 und eine gute Handvoll Atari PC3 standen.

Über die Firma Peacock existiert im Netz heute nur noch rudimentäres Wissen. Ein recht interessanter Artikel bei Channelpartner aus dem Jahr 2000 weiß noch zu berichten, dass die Wiege der Peacock-Computer bei einer Im- und Exportfirma namens „Audio Impex“ in Paderborn lag, deren Geschäft mit Unterhaltungselektronik bald auch um Computer erweitert wurde, die man alsbald selbst baute. Später wurde Peacock mehrere Male verkauft und landete irgendwie bei Actebis bzw. ALSO. In den 1980ern war der Peacock aber noch ein grundsolides, in Deutschland gefertigtes Produkt – und so fühlte sich unser Rechner auch an. Ein reichlich klobiges Gerät, aus dem Vollen, also schwerem Stahlblech, gefertigt stand er da, wenn die Festplatte auf ihre Daten zugriff, rappelte der Kasten gehörig und auch der Netzteillüfter lief, an heutigen Verhältnissen gemessen, absurd laut.

Die Computerei war in jenen Tagen ein mühsames, aber lehrreiches Geschäft. Damals gab es kein Windows, zumindest kein sinnstiftend nutzbares. Auch der beliebte Norton Commander, der so manchen Kopierprozess erleichterte, war auf diesen Rechnern noch nicht Standard. Jedes einzelne Peripheriegerät, sofern es nicht der Bildschirm war, wollte händisch eingebunden werden und damit man das nicht bei jedem Systemstart machen musste, gab es so eine Art Autostart, eine Datei namens AUTOEXEC.BAT, in der einzutragen war, welcher Grafikmodus gestartet werden sollte, dass der Mouse-Driver zu laden war, an welchem Port der Drucker hing oder die angeschlossene Tastatur ein deutsches Layout hatte. Beabsichtigte man, den Rechner zu transportieren, waren vor dem Ausschalten die Festplattenköpfe zu „parken“. Programme installierte man gemeinhin noch nicht, sondern kopierte sie einfach in das Verzeichnis, aus dem heraus man sie zu nutzen gedachte. Aufwändigere Spiele bestanden mitunter aus Sätzen von fünf, sechs, oder sieben Disketten, die der Nutzer mitten unter dem Spiel zu wechseln hatte – wenn man sie nicht auf die Festplatte kopierte. Und auf einen Programmstart musste man immer ein wenig warten. Warten musste man auch beim Starten des Computers. Eigentlich ging der Start schnell vonstatten, wäre da nicht der unvermeidliche Speichertest gewesen. Nun gut, allzu lange dauerte der nun auch wieder nicht, denn es gab ja nicht so besonders viel Hauptspeicher zu testen.

Genug der Schwelgerei in vergangenen Zeiten. Heute hole ich mir gelegentlich das Retro-Feeling zurück. Mit der DOSBox. Das macht schon Spaß, die Programme laufen dort auch so, wie man es von früher kannte und auch viele alte Spiele findet man in den Untiefen dieses Internets. Und dennoch erschrecke ich vor dem Umstand, dass das alles schon dreißig Jahre her gewesen sein soll. Und ja, was wir heute für Computer haben, war damals noch völlig undenkbar. Oder doch nicht?

Wochenrückblick KW 09/10 2022.

…und wie gewohnt mal wieder eine Zusammenschau der Ereignisse der letzten zwei Wochen, die es nicht zu einem eigenen Post geschafft haben.

  • Schauderhaft: Ich entdecke immer wieder und – zumindest gefühlt – immer öfter, dass auf Twitter Accounts, die offensichtlich von FDPlern, JuLis und deren Sympathisanten geführt werden, neurechte und rechtspopulistische Accounts retweeten oder positiv gestimmt kommentieren – und, geduldeter Weise, auch umgekehrt. Die FDP und ihre Jugendorganisation scheint hier eine zunehmend offene Flanke nach rechts zu bekommen. Das erregt Besorgnis und muss sorgfältige beobachtet werden.
  • So was macht Hoffnung!
  • Ey, Bayern, äh, hier! Söder! Ansage: Ich möchte nicht mit ungeimpften Seuchenhubern im Wirtshaus sitzen!
  • Die Eissaison ist eröffnet!
  • Kleiner Nachtrag noch zu meinem „Atomkraft“-Post dieser Tage: Was ich übersehen habe, mir aber völlig zurecht mitgeteilt wurde, ist, dass AKWs zum Funktionieren einen ganz essenziellen Grundstoff benötigen. Uran. Und wo kommt unser Uran her? Bingo! Russland.
  • Man mag es kaum glauben, aber der Glubb hat gegen den HSV gewonnen. Handwerk(er) hat goldenen Boden, das wussten schon die Großeltern…!
  • Und dann auch gleich noch mal gegen Hannover. Junge, Junge, man muss ja aufpassen, dass man keine Höhenflüge kriegt…
  • Gerade lese ich in der Zeitung, dass der U-Bahnhof Muggenhof ab dem 15. März wohl wieder zum Ein- und Aussteigen genutzt werden kann. Also ab Dienstag. Gute Nachrichten! Außer man ist mobilitätseingeschränkt, dann sollte man sich an die VAG wenden. Mit der Öffnung geht eine über zweijährige Sanierungsphase zu Ende, die gerade den U-Bahnpendlern zwischen Nürnberg und Fürth reichlich Nerven gekostet hat.
  • Hier ein Faktenfuchs über den ganzen Impf“kritiker“-Spam. Lesenswert. Und es ist eine einfache Sache: „Impfkritiker“ sind Idioten. Immer. Überall. Ausnahmslos. Und sie wollen die Gesellschaft spalten.
  • Von Tobias Hans kann man auch nicht mehr erwarten, als der Name vermuten lässt. Umso erbaulicher, dass sich der mittlerweile zum Meme mausert.
  • Die AfD darf als rechtsextremistischer Verdachtsfall vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Wait, what?! Verdachtsfall? Ja, nun gut. Der Beweis dürfte nun wirklich nicht allzu schwer zu führen sein.
  • Der Diesel steht stellenweise bei knapp 2,30 Euro/Liter. Macht nix, ich habe ja keinen von diesen schmutzigen Dieseln!? Mag sein, aber seit 40 Jahren haben wir den Gütertransport von der Schiene auf die Straße verlagert. Früher hatte jeder größere Betrieb einen Gleisanschluss. Den findet man heute nirgends mehr. Die Speditionen werden den höheren Dieselpreis auf die Transportkosten aufschlagen, der Handel reicht ihn an den Kunden durch. Waren werden teurer, weil wir das alte Straße/Schiene-Ding mal wieder mit Anlauf verkackt haben.
  • In a nutshell.
  • Guter Kommentar, warum er mehr als dumm ist, dieser FreedomDummDay.

Mit Nazis gehen hat Langzeitfolgen.

Der eifrige Leser dieses Blogs weiß, dass ich nun kein Feind, aber auch nicht der engste Freund der deutschen Sozialdemokratie bin (mit der hiesigen sieht es durchaus ein wenig besser aus). Insofern habe ich mich über die aktuelle Plakatkampagne der Nürnberger SPD aufrichtig gefreut.

Die spricht sich recht deutlich gegen die immer noch grassierenden Umtriebe der in ihrer Breite offen rechtsradikalen Coronaleugner (sorry, aber das muss man immer wieder und wieder so klar formulieren) aus. Gut so.

Wo eine Wahrheit ausgesprochen wird, findet sich freilich auch immer einer, der aus Dummheit, Bosheit, vielleicht auch eigener Verletztheit dagegen opponiert. Und mit der reißerischen Überschrift „Scharfe Kritik an der Plakatkampagne der Nürnberger SPD – Wähler wendet sich an Öffentlichkeit“ gibt sehr zu meiner Überraschung und meinem Entsetzen das Nürnberger Pressehaus, hier genauer die NN, die Blöße, denen, die nun wie getroffene Hunde bellen, nun auch noch ein Sprachrohr zu bieten. Die Einzelmeinung, die hier zu einem quantitativ durchaus beachtlichen Artikel geführt hat, stammt von, ja, ihr lest richtig, einem einzigen Wähler (!) namens Helmut F. (der Name ist vollständig im Blatt zu lesen). Besagter Herr F., eine hier im Allgemeinen nicht weiter bekannte Person, die somit auch kein öffentliches Interesse an ihrer Einzelmeinung beanspruchen kann, lässt sich in der Zeitung wie folgt darstellten:

Keine Rechtsextremen, sondern einen „bunten Querschnitt der Nürnberger Bevölkerung“ sieht Helmut F. [Name gekürzt] bei den wöchentlichen Protesten gegen die Corona-Maßnahmen. Ihn hat die Kampagne der SPD derart geärgert, dass er sich an die Öffentlichkeit gewandt hat. (Quelle, NN vom 4.3.2022, Paywall)

Jössas! Derart geärgert hat sich der Helmut, das muss man sich mal vorstellen! Und weiter heißt es in dem Pulitzerpreis-verdächtigen Artikel:

Von diesem Spruch fühlen sich Demonstranten angegriffen. In Mails und Briefen an die SPD lassen sie ihrem Unmut freien Lauf. Auch unsere Redaktion hat hierzu ein Schreiben erreicht. (ebd.)

Ein Schreiben hat die Redaktion erreicht! Ein Schreiben!! Ein ganzes Schreiben! Am Stück! Von einer kompletten Person! Stellt Euch das mal vor! Da bricht sich aber Volkes Zorn in ungekannter Masse und Lautstärke Bahn, mein lieber Scholli! Da kann der verantwortungsvolle Redakteur doch gar nicht anders und ist quasi gezwungen, der Sache auf den Grund zu gehen.

Und es kommt noch schlimmer! Die Flut an Protestschreiben, die die Nürnberger SPD erreicht haben, muss ja quasi Tsunami-mäßige Ausmaße haben:

Andreas Mittelmeier, Geschäftsführer der SPD Nürnberg, räumt im Gespräch mit unserer Redaktion ein, dass sie insgesamt etwa 15 Briefe und Mails von Menschen erhalten haben, die sich gegen die Kampagne und die Linie der Partei aussprechen. „Von den Zuschriften kamen vielleicht die Hälfte direkt aus Nürnberg, der Rest waren überregionale Personen aus der Querdenkerszene, die über die sozialen Medien oder Telegram-Gruppen von den Plakaten erfahren haben“, sagt Mittelmeier. (ebd.)

Schön, die SPD hat für ihre Plakate auch Zustimmung erfahren, das wird nicht unterschlagen. Aber eine Viertel- bis halbe Seite für insgesamt sechzehn Querdenker-Hampel, denen ein Plakat nicht passt – ernsthaft, liebes Pressehaus?

Man sehe mir bitte meine (bittere) Ironie nach. Ich kann hier kaum anders. Da versuchen diese Querhampel also, einen, wie man heute so schön sagt, „Shitstorm“ gegen die durchaus pointierte Plakatkampagne der Nürnberger SPD zu orchestrieren, scheitern freilich kläglich daran, eine gute Handvoll „Protestschreiben“ geht ein und dann widmet unsere NN diesem Vorgang einen durchaus prominenten Artikel samt Bild? Wahrlich, das war keine Meisterleistung.

Zur Ehrenrettung des Pressehauses sei gesagt, dass sie beileibe nicht die einzigen sind, bei denen sich das Phänomen der false balance beobachten lässt. Natürlich ist diese Form der Verzerrung ein Qualitätsmakel, durch Nennung der absoluten Zahlen der „Einwürfe“ aber eben einer, der so von jedermann sofort erkennbar ist (und das sei, bei aller nötiger Kritik, durchaus gewürdigt).

Dieser Artikel steht aber, und deshalb rentiert sich die Beschäftigung damit, synonym für ein Problem, das zu benennen wir niemals müde werden sollten: Diese unheilige Melange aus Nazis, Esoterikern, Anthroposophen (=Esoteriker), Impfgegnern, Wissenschaftsleugnern, Verschwörungsmystikern, Lügnern und Betrügern ist eine kleine, in absoluten Zahlen sogar unbedeutende Minderheit, deren vermeintliche, mit Logik nicht begründbare „Meinung“ weder gesellschaftlich noch argumentativ relevant ist. Erst durch besagte false balance wurde sie in die Lage versetzt, mit ihrem Unfug breitere Aufmerksamkeit zu erregen. Man darf halt nicht darauf hereinfallen. Auch nicht als Journalist.

Der SPD sei an dieser Stelle für ihre Kampagne (mehr dazu in der aktuellen Ausgabe der Parteizeitung der Nürnberger SPD) gedankt. Sie kommt ein bisschen spät, aber immer noch zu rechten Zeit. Sie artikuliert unmissverständlich und in nötiger Zuspitzung, was man über die Umtriebe der „Coronaleugner“ wissen muss und zählt für mich damit zu den guten gegenwärtigen politischen Kommunikationsaktionen.

Nürnberg und das 365-Euro-Ticket, eine unendliche Geschichte?

In Nürnberg gibt es seit geraumer Zeit eine Initiative, die sich für einen für alle bezahlbaren, attraktiven öffentlichen Nahverkehr starkmacht. Kern der Bestrebungen ist das sog. „365-Euro-Ticket“. Dieses Unterfangen ist, wie sich gerade herausstellt, ein langwieriger Prozess voller Hürden. Und dennoch scheint ein Erfolg greifbar. Grund genug, in einem ausführlichen Beitrag einmal genauer hinzuschauen und über das „Wiener Modell“, das der Nürnberger Initiative Pate stand, aber auch die hiesigen Besonderheiten nachzudenken.

U-Bahnhof Hasenbuck, Symbolbild aus dem Jahr 2017

Bevor ich meinen Blick nach Nürnberg wende, komme ich auf den Nahverkehr in Österreichs Hauptstadt Wien zu sprechen. Der hat es nämlich in sich: Er ist recht großräumig ausgelegt, man fährt auf den Hauptlinien, also der U-Bahn und Straßenbahn, zum Teil beachtlich enge Takte und die Wiener schätzen ihre Wiener Linien nicht nur wegen des guten Angebots und der Pünktlichkeit, sondern auch…

…weil es in Wien etwas gibt, das hierzulande geradezu revolutionär klingt: Ein Abonnement, bei dem eine Person ohne Einschränkungen den Nahverkehr benutzen kann, sooft sie will – zum Preis von einem Euro pro Tag, ohne Ausschlusszeit. Bereits im Mai 2012, also annähernd vor zehn Jahren, hat die rot-grüne Stadtregierung diese Tarifbesonderheit beschlossen. Seinerzeit war das ein Wagnis, denn zuerst einmal bedeutete der als „Wiener Modell“ bekannt gewordene Abonnementtarif ein großes finanzielles Risiko. Würden sich die Abonnentenzahlen nicht erheblich erhöhen, hätten die Mindereinnahmen durch den Fahrkartenverkauf ein mehr als großes Finanzloch in die Kasse des kommunalen Eigenbetriebs gerissen. Passiert ist aber genau das Gegenteil: Die Wiener Linien gewannen im ersten Jahr nach Einführung des Jahrestickets rund 140.000 Neukunden hinzu, von 2012 bis 2018 gewann man sogar über 400.000 Neukunden. Damit nutzen heute knapp 800.000 Menschen den Nahverkehr in der Stadt Wien und im Umland mit einer Jahreskarte. Ein gigantischer Erfolg, den sich selbst die stärksten Befürworter des „Wiener Modells“ so nicht zu erträumen gewagt hätten. Anders ausgedrückt: In Wien gibt es heute mehr Inhaber einer gültigen Jahresmarke für den ÖPNV als zugelassene Autos. Und die Wiener Linien fahren profitabel, weil sie gut ausgelastet sind.

Wien hat in dieser Zeit sein Netz kontinuierlich ausgebaut und die Takte verdichtet. Das geht, auch das ist ein Teil der Wahrheit, nicht ohne Zuschüsse. Gemessen an der Größe des Verkehrsraums Wien (die Stadt Wien hat allein knapp viermal mehr Einwohner als Nürnberg), an den Investitionen (es wurde beispielshalber mit dem Bau einer weiteren U-Bahnlinie begonnen, was naturgemäß hohe Baukosten mit sich bringt), nehmen sich diese Zuschüsse für deutsche Verhältnisse lediglich moderat erhöht aus. Der städtische Zuschuss zur VAG, dem kommunalen Verkehrsbetrieb der Stadt Nürnberg, beträgt pro Jahr etwa 70 Millionen Euro (Quelle, Seite 41). Im mit 1,9 Millionen Menschen bevölkerten Wien werden jährlich um die 170 Millionen Euro zugeschossen (Quelle, Achtung, es werden Zahlen von 2015 und 2017 verglichen, der Unterschied, der innerhalb zweier Jahre entsteht, dürfte für eine Darstellung der Größenverhältnisse aber vernachlässigbar sein). Auch in Nürnberg fiel ein Ausbau der U-Bahn-Linie 3 in den Betrachtungszeitraum. Im Detail muss der Vergleich beider Städte hinken, in seiner Gesamtheit und auf die jeweilige Bevölkerungszahl skaliert, scheint er mir aber fair – es bleibt festzustellen, dass das 365-Euro-Ticket in einer Vielzahl an Gesichtspunkten erfolgreich ist. Mit zum Erfolg der Wiener Linien und damit auch indirekt zur Attraktivität des Jahrestickets tragen aber auch noch zwei andere Faktoren bei, von denen man in Deutschland unabhängig vom 365-Euro-Ticket lernen kann: Die Wiener Linien haben selbst in den Boomphasen des innerstädtischen Autoverkehrs ab den 1960er-Jahren, also seit Beginn der Massenmotorisierung, nie aufgehört, den ÖPNV sukzessive auszubauen. Es mag Jahre gegeben haben, in denen in Wien wenig vorangegangen ist, einen Rückbau des ÖPNV in größerem Stil gab es aber nie. In Nürnberg wurden beispielshalber in diesen automobilen Boomphasen viele Straßenbahnlinien stillgelegt (bis heute sieht man noch in manchen Straßen „tote“, also noch nicht zurückgebaute Straßenbahngleise). Weil in Wien in der Vergangenheit solche planerischen Fehler nicht begangen wurden, sind knapp 50% der Stadtfläche an die (Nahverkehrs-)Schiene angebunden, was technisch eine schnelle und zuverlässige Versorgung ermöglicht.

Kurz gesagt: Wien ist derzeit auf einem recht guten Weg hin zur Verkehrswende. Und Wien ist nicht allein. Das Modell übernommen haben unter anderem auch Tallinn oder Kopenhagen.

Was aber hat das alles nun mit Nürnberg zu tun? Nun, in Nürnberg gab es (und es gibt sie nach wie vor) eine sehr erfolgreiche Initiative, die sich zum Ziel gesetzt hat, für die Stadt (und darüber hinaus auch für den Verkehrsverbund oder zumindest Teile davon) ebenfalls ein 365-Euro-Ticket und damit verknüpft auch ein Sozialticket zu initiieren. Angeführt vom Linken-Stadtrat Titus Schüller stieß man 2020 ein Bürgerbegehren an, deutlich mehr als zwanzigtausend Nürnbergerinnen und Nürnberger unterschrieben. Der nächste Schritt auf dem Weg zum 365-Euro-Ticket wäre jetzt ein Bürgerentscheid gewesen, der sich mit den Unterstützerunterschriften aus dem Bürgerbegehren auch komfortabel hätte einleiten lassen.

Doch es kam anders. Im Juni 2020 griff der Stadtrat, CSU-Mann König war gerade relativ knapp per Stichwahl zum Oberbürgermeister gewählt worden, dem Bürgerentscheid vor, wohl auch aus der Sorge heraus, sich beim Plebiszit ein blaues Auge zu holen, und beschloss die Einführung des Tickets für den 1. Januar 2023. Auch das Sozialticktet, das Inhaber des Nürnberg-Passes, also finanziell schwächer gestellte Bürger der Stadt, für monatlich 15 Euro bekommen sollen, wurde im Zuge dessen beschlossen – sowie ein 365-Euro-Ticket für Schüler und Auszubildende, das man schon heute kaufen kann. Damit sollte eigentlich klar sein: In Nürnberg gibt es im kommenden Jahr ein 365-Euro-Jahresabonnement nach dem „Wiener Modell“ – oder doch nicht?

Die Initiatoren des Bürgerbegehrens schreiben auf Ihrer Webseite dazu knapp:

Dieser Beschluss wird nun von der Stadtspitze offensiv in Frage gestellt. Es droht, dass dieser Beschluss und damit die soziale und ökologische Verkehrswende auf den letzten Metern gekippt wird. Das wollen wir mit diesem Bürgerbegehren verhindern. (Quelle)

Der Vorgang ist so wichtig, dass es sich allemal lohnt, hier ein wenig genauer hinzusehen. Zuerst einmal ist bis heute der Beschluss des Stadtrates noch nicht zurückgezogen worden. Technisch gesprochen bleibt es also dabei, dass das 365-Euro-Ticket in Nürnberg Anfang 2023 eingeführt wird, solange man nichts anderes aus dem Stadtrat hört. König und seine schwarz-rote Stadtratsmehrheit könnte nun auf Zeit spielen und den eigenen Beschluss wieder kassieren. Und danach sieht es derzeit aus.

Das Ticket war insbesondere der CSU schon immer ein Dorn im Auge, denn die Initiative ging vom politischen Erzfeind, der Linken aus. Die wurde 2020 freilich selber vom Erfolg ihrer Initiative überrascht – binnen kurzer Zeit kamen über 20.000 Unterschriften für das Bürgerbegehren zur Einführung des Tickets zusammen. Und so geriet die Stadtspitze in Zugzwang. Man beugte sich Volkes Willen, ohne ihn herausgefordert zu haben – und will jetzt von seinem eigenen Beschluss nichts mehr wissen.
Dabei dürfte den Stadtoberen sehr zupasskommen, dass unlängst der Bezirk Mittelfranken die Stadtfinanzen rügte (ein in Nürnberg recht normaler Vorgang) und sie im Zuge dessen auch rüffelte (durchaus eine Besonderheit). Inhalt des Rüffels war, ganz diplomatisch gesprochen, eine eindeutige Aufforderung zur Sparsamkeit im kommunalen Haushalt. Und man wurde dabei seitens des Bezirks ganz konkret:

Sie warnte in diesem Kontext laut Kämmerer Harald Riedel (SPD) ausdrücklich vor der Einführung eines 365-Euro-Tickets für den öffentlichen Nahverkehr ab dem Jahr 2023. (NN, 21.02.22, Paywall)

Niemand erhält gerne einen Rüffel, das ist klar. Dennoch nahm Oberbürgermeister König den Ball, den ihm die Regierung von Mittelfranken ins Spielfeld schoss, gerne auf. Das Projekt 365-Euro-Ticket beginnt zu wackeln. Und auch einige Landräte, deren Kirchtürme im VGN-Verkehrsverbund liegen, leisten Widerstand gegen das Ticket.

Denn eines ist gewiss: Die Einführung des „Wiener Modells“ kostet erst einmal Geld. Es kursieren hier nun unterschiedliche Zahlen, deren Zustandekommen nicht immer transparent ist, und auf die ich mich daher nicht beziehen möchte. Aber die Zuschüsse für den ÖPNV werden aufgestockt werden müssen. Das ist für sich genommen eine Binse, es gibt in Deutschland kein Nahverkehrsunternehmen, das seine Kosten selbst erwirtschaftet. Nahverkehr ist ein Zuschussgeschäft, bleibt ein Zuschussgeschäft (das sind Autobahnen und Landstraßen aber auch). Die Frage ist nur, wie viel man bereit ist, dafür auszugeben.

Man kann nun über die Motivlage der schwarz-roten Rathausregierung nur spekulieren. Ob man indessen tatsächlich angesichts der finanziellen Mehrbelastung kalte Füße bekommen hat, oder die derzeitige Gemengelage einfach als (nicht besonders elegante) Ausrede nutzt, um sich des aus der Not getroffenen eigenen Beschlusses zu entledigen, spielt dabei aber nur eine untergeordnete Rolle. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle nur, dass gerade die CSU recht offen eine sehr autofreundliche Verkehrspolitik in der Stadt betreibt.

Das 365-Euro-Ticket wackelt. Und seien wir ehrlich: Niemand, wirklich, niemand wäre ernsthaft verwundert, würde Marcus König wortbrüchig werden würde.

Was wären aber die konkreten Vorteile, würde Nürnberg das „Wiener Modell“ umsetzen?

Der Krieg in der Ukraine führt uns allen in erschreckender Unmissverständlichkeit vor Augen, wie sehr wir von Gas und Erdöl im Allgemeinen und russischem Gas und Erdöl im Speziellen abhängig sind. Neben den energiehungrigen Industrien ist auch der Verkehr ein großer Energieverzehrer, besonders ineffizient ist, auch das ist allgemein bekannt, der Individualverkehr. Der macht vielfältige Probleme, die nicht allein politischer Natur sind. Er ist gerade in den Städten ein Platzräuber, bindet sehr viele weitere Ressourcen (man denke nur an den Straßenbau und Erhalt) und verursacht Lärm und Abgase. Um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Komplett auf diesen Individualverkehr verzichten können wir nicht. Das soll auch gar nicht das Ziel sein. Es muss aber möglich sein, ihn in sinnvolle Bahnen zu lenken. Zum Wohle des Klimas, zum Wohle der Stadtbevölkerung, zur Vermeidung weiterer Flächenversiegelung für immer breiter werdende Straßen, größere Parkplätze… Gerade die Parkplatzproblematik illustriert sehr schön, dass wir uns in Nürnberg mit dem Autoverkehr bereits am obersten Limit bewegen. In vielen Stadtvierteln wird allabendlich ein Kampf um die doch reichlich vorhandenen, aber dennoch knappen öffentlichen Parkplätze geführt. Hauptverkehrsstraßen sind kaum mehr in der Lage, weitere Autos aufzunehmen, was sich durch regelmäßige Staus äußert. Ein für jeden günstiger und attraktiver Nahverkehr wird hier Linderung, später vielleicht sogar Abhilfe schaffen.

Ich begreife den ÖPNV als einen (nicht einmal unwesentlichen) Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Das ist er sogar per definitionem, allein diese Definition sagt nichts über den notwendigen Umfang aus. Und hier ist er: der berühmte „Knackpunkt“. Auch ein schlecht ausgebauter, in seiner Art rudimentärer ÖPNV, „zusammen“-gespart bis an seine funktionale Grenze, ist manchem Bürgermeister auf dem Lande, manchen Land- und Bezirksrat recht und im besten Wortsinne „billig“. Damit ist aber die Verkehrswende nicht zu schaffen.

Unabhängig von allen parteipolitischen Grenzen: Der Impuls zum 365-Euro-Ticket muss von der Stadt ausgehen. Denn nur bei einem urbanen Nahverkehrsangebot wird ein solches Jahresticket als günstig und attraktiv erlebt. Seine Strahlkraft wird es auch in den ländlichen Raum entfalten – aber das ist eine Zukunftsvision. In Dörfern, in denen viermal am Tag der Bus fährt (und zweimal davon ist das der Schulbus), werden die Bürger ein 365-Euro-Ticket als Hohn empfinden, empfinden müssen. Nürnberg als zweitgrößte Stadt Bayerns ist für die Initiative der ideale Ausgangsort. Auch Fürth und Erlangen, in gewissem Umfang auch die Stadt Schwabach, dürften darauf vertrauen, dass die Einführung eines solchen Tickets einen positiven Effekt auf die Reduzierung des Autoverkehrs haben wird (am Rand: In Erlangen wird bereits auf einzelnen Linien mit dem Konzept eines völlig kostenlosen ÖPNVs experimentiert). Doch schon in Städten wie Stein ist das Konzept für den innerstädtischen Verkehr fraglich, eine entsprechende MobiCard allein für den Stadtverkehr käme nämlich billiger. Insofern sind auch die Störgeräusche einzelner vom Kirchturmdenken „beseelter“ Landräte zu vernachlässigen. Ein nur in Nürnberg, ggf. auch in Fürth gültiges 365-Euro-Ticket würde mit den Jahren genug Attraktivität für den Gesamtraum des VGN entwickeln. Man müsste es einfach nur darauf ankommen lassen.

Eine mit dem Holzhammer durchgedrückte Verkehrswende kann und wird nicht klappen. Viele klagen gegenwärtig über die im Kontext des Kriegs in der Ukraine massiv gestiegenen Benzinpreise. Diese Klage ist aus der Perspektive des Individuums oft auch allzu gut nachvollziehbar. In den NN vom 9. März gibt es eine sehr spannende Übersicht, wie viel Geld in bayerischen Haushalten in welche Zwecke fließt. Spitzenreiter sind, wen wundert es, mit einer Summe von fast tausend Euro die Mieten. Doch der zweithöchste Ausgabenposten ist im bayerischen Durchschnittshaushalt mit 462 Euro der Verkehr – und der steht damit noch mit weitem Abstand vor den Ausgaben für Lebensmittel, die Freizeit, Gesundheit, Kleidung oder Bildung. Eine ökologisch sinnvolle und sozial gerechte Verkehrswende hätte das enorme Potenzial, die Haushalte massiv zu entlasten. Wer die Verkehrswende will, der muss gangbare Alternativen anbieten können. Für den ÖPNV heißt das nichts anderes als: Er muss zum einen funktional, schnell, sauber, begreifbar, engmaschig und gut getaktet sein uns zum anderen muss er preislich nicht nur konkurrenzfähig, sondern wirklich günstig sein. Die VAG hat im Bundesvergleich relative teure Tickets. Das 365-Euro-Ticket setzt bei der VAG auf einem im Städtevergleich hinsichtlich der Attraktivität gutem Level auf, nur der Preisnachteil würde egalisiert. Und es funktioniert genial einfach und ist in seiner Struktur auf den allerersten Blick sofort verständlich: Ein Jahr, ein Euro pro Tag, so viele Fahrten, wie es beliebt. Der Erfolg und der Charme des „Wiener Modells“ liegt in dieser einfachen Formel. Mehr ist es nicht.

Eine Verkehrswende kann aber nur gelingen, wenn sie alle Teile der Bevölkerung, auch die finanziell Schwachen, von Anfang an konsequent einbezieht. In Nürnberg gibt es leider, gemessen am Durchschnitt bayerischer Kommunen, relativ viele Menschen, die auf Transferleistungen wie Hartz IV oder Grundsicherung angewiesen sind oder zu den „working poor“ zählen. Das hat vor allem mit dem Strukturwandel in der Region und dem Niedergang ganzer Industrien zu tun. Würde man die Bedürfnisse dieser Menschen ausblenden, die Verkehrswende wäre ohne sie schlicht nicht zu schaffen. Unbemerkt von weiten Teilen der Öffentlichkeit hat die Initiative aber bereits ein Sozialticket durchgesetzt, dessen Einführung sich Oberbürgermeister König nun auf die Fahnen schreibt (und schlichtere Gemüter glauben ihm das auch). Das Monatsticket für eine Person ohne Ausschlusszeit kostet 15,- Euro. Allein an diesem Erfolg lässt sich die Schlagkraft der Initiative messen.

Die Sache ist noch nicht ganz rund: Ein 365-Euro-Ticket ist in Nürnberg eine schöne Sache, erstrebenswert wäre aber, dass es im gesamten VGN-Tarifgebiet, und das ist nicht gerade klein, ein solches Ticket gäbe. Dazu müssten sich aber sehr viele Player, kleine Verkehrsunternehmen, Stadtwerke kleinerer Kommunen, Landräte und Bürgermeister einig werden. Und eine solche Einigung ist weit entfernt. Schade, aber eigentlich kein Problem, denn wenn in Nürnberg doch ein 365-Euro-Ticket kommt, wird der Erfolg nicht lange auf sich warten lassen und andere Städte werden sich anschließen. Die Attraktivität des Projekts ist dadurch – zumindest aus der Perspektive der Nürnberger Bürger – nicht gemindert. Und genau das ist der Knackpunkt: Kommt es zu einem Bürgerentscheid, wird der in Nürnberg stattfinden – es dürfen bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheid nämlich nur die Nürnberger unterschreiben und abstimmen.

Und so geht es also in der Noris um das große Ganze: Das 365-Euro-Ticket soll definitiv kommen. Dazu benötigt man ein die Kommune bindendes Bürgerbegehren oder eine Garantie, dass der bereits gefasste Beschluss nicht wieder kassiert wird. Letztere existiert nicht, kann verwaltungstechnisch auch nicht existieren. Nun findet sich die Initiative in einer relativ bescheidenen Situation wieder: Obwohl sie 2020 bereits Unterschriften gesammelt hat, muss sie das nun erneut tun. Ein Vorgang, der sich nicht jedem Bürger so leicht erklären lässt, denn letztlich muss man Folgendes erklären: Die Linke ist leider auf OB König und seine schwarz-rote Stadtratsmehrheit hereingefallen und jetzt von deren Worttreue abhängig. Ein externes Beratungsunternehmen, dessen Votum von Fachleuten allerdings nicht als unabhängig gewertet wird, hat sich ebenfalls gegen das 365-Euro-Ticket ausgesprochen, auch darauf beruft sich die Stadtratsmehrheit. Nun kann man entweder zittern und hoffen, oder man muss einen neuen Anlauf für Bürgerentscheid und Bürgerbegehren nehmen, um wirklich Sicherheit für etwas herzustellen, das doch eigentlich schon beschlossen ist. Linkes Auge blau, unverschuldet zwar, aber nicht unvermeidlich.

An zahlreichen Stellen in der Stadt sammelt man bereits heute Unterschriften für das 365-Euro-Ticket. Zudem kann man sich auf der Initiativen-Webseite auch das Unterschriftenformular herunterladen und selbst sammeln gehen.

Tausend.

Vielleicht kein Grund, um groß zu feiern, aber doch, um kurz innezuhalten.
Dies ist er also, der 1000. Post auf diesem Blog.

Zeit, ein wenig zurückzublicken. Mit Webseiten beschäftige ich mich hobbymäßig bereits seit dreiundzwanzig Jahren, da registrierte ich meine erste Domain. Das war die Zeit, als sich meiner einer noch vermittels Modem und Wählverbindung langsam (und zum Minutenpreis von 15 Pfennigen) im Internet bewegte. Das erste WordPress-Blog kam dann 2004, leider sind diese frühen Blogposts mittlerweile verloren (Was heißt leider? Damals habe ich noch studiert, und sehr viel, was ich schrieb, drehte sich rund ums Studium, davon wäre heute also ebenfalls sehr viel obsolet). Mit WordPress zu arbeiten, bedeutete vor knapp zwanzig Jahren auch, sehr viel händisch zu machen. Ein Bild konnte man nicht einfach mit einem Klick in ein Post einfügen, sondern musste das per FTP auf den Server laden und dann in HTML einbinden. Nichts, was besonders komfortabel gewesen wäre, aber so lernte ich gezwungenermaßen meine ersten groben „Brocken“ HTML und begann, mit der Zeit immer ein klein wenig mehr von diesem Mysterium „Internet“ zu verstehen. WordPress bin ich übrigens seither bei den meisten Webprojekten treu geblieben. Und: 2004 konnte wohl niemand ahnen, dass WordPress einmal zum meistverwendeten CMS werden sollte – weltweit.

blog.fohrn.com in seiner heutigen Form startete am 30. November 2008. Und blieb – sehr zu meiner eigenen Überraschung. „In seiner heutigen Form“ bedeutet übrigens, dass dieses Blog im Wesentlichen nur zwei Designs gesehen hat und ich nie mit den Moden der Templates mitgegangen bin. Das liegt daran, dass ich nie ganz das Gefühl der tiefen Faszination, die weiland das „Web 2.0“ – oder präziser: die Blogosphäre – auf mich ausübte, verloren habe. Und deshalb gibt es hier noch heute z.B. eine Blogroll (obwohl man sowas heute kaum mehr hat und obwohl ich Euch schulde, die mal wieder grundständig zu aktualisieren) und eben keinen Magazine-Style oder einen Onepager oder vergleichbares. Oldschool rules.

In den mehr als 13 Jahren der Existenz dieses Blogs tausend Posts? Für viele regelmäßige Blogger ist das keine überragend hohe Zahl. Für mich ist sie dennoch beachtlich, da gerade in den letzten fünf, sechs Jahren viele meiner Texte nicht mehr hier, sondern in Zeitungen, (Fach-)Zeitschriften und andere Onlinepublikationen „abgeflossen“ sind – oder in diverse berufliche oder private Social-Media-Kanäle. Dabei hat das Blog aber immer existiert und wurde mindestens technisch auch immer gepflegt – nur einmal ist es wohl eher zufällig Crackern gelungen, das WP kurzfristig zu kapern.

Was ist in diesen 13 Jahren passiert?

Michael Jackson stirbt. Angela Merkel ist nicht mehr Kanzlerin, Ratze ist nicht mehr Papst. Der orangefarbene Ex-Ammi-Präsident Trump, tut, was er immer tut, trumpeln. Er bescherte uns das sog. „postfaktische Zeitalter“, in dessen Schleife wir gegenwärtig noch immer gefangen sind. Im Amt ist er nicht mehr, aber wer kann schon wissen, was da noch alles kommen mag. Wir haben inzwischen einen parlamentarischen Arm der rechtsnationaler bis rechtsextremer Kräfte bekommen. Die FDP ist leider wieder an der Regierung beteiligt, eine schwere Bürde für dieses Land. Über Homöopathie konnte ich mich schon vor zehn Jahren lustig machen, dass die Esos eine Dekade später Arm in Arm mit Neonazis auf die Straße gehen, um, in völliger Idiotie ergeben, gegen die Existenz einer weltweit grassierenden Pandemie zu demonstrieren, konnte sich damals wohl niemand vorstellen. Die Katastrophe von Fukushima warf uns auf den harten Boden der Realität: Atomenergie ist ein gefährliches Geschäft. Der Atomausstieg wurde beschlossen und auch politisch angegangen. Umso verwunderlicher, dass es heute wieder einige Betonköpfe gibt, die zurück zur Kernenergie möchten.

Wir hatten PRISM, unnütze Copyright- und Leistungsschutzrechtsdebatten, haben einen Bundestrojaner bekommen, der recht fix auch gleich wieder aufgebohrt wurde, und ein ungeliebter Dauerbrenner war auch die Vorratsdatenspeicherung. Ich habe hier sehr ausführlich den Launch von DAB+ und DVB-T2 begleitet, palmOne und sein Betriebssystem sind den Weg alles Idischen gegangen. MySpace, Google Plus und eigentlich auch Facebook haben wir in diesen Jahren kommen und gehen gesehen. Und Second Life. Dafür waren mal Netbooks – Sie erinnern sich? – der heiße Scheiß. Wikileaks gehörte einmal zu den wichtigsten Webseiten der Welt, Julian Assange ist bis heute kein freier Mann. Und die Google-Suche sah mal so aus, good old times. 2011 bin ich umgestiegen. Von Apple auf Windows und Linux. „Falsche Fluchtrichtung“, rief man mir zu, als ich mich einmal mehr gegen den Trend stellen sollte. Ich habe es bis heute nicht bereut. Dreizehn spannende Jahre des Bloggens liegen hinter mir – und hoffentlich noch etliche vor mir.

Bloggen ist längst nicht mehr new hotness, im Gegenteil. Viele einstmals gut geführte Blogs sind in den letzten Jahren eingegangen, auch dieses hier stand mehrmals kurz davor. Der Grund dafür ist einfach: Mehrheitlich waren und sind diese Blogs One-Man-Shows, und damit steht und fällt ihre Aktualität mit dem freien Zeitbudget ihres Betreibers. Das ist bei vielen von uns, auch bei mir, freilich knapp. Um der Postingwüste etwas entgegenzuwirken, gab es mal die fränkischen Ironblogger (da musste man seinen Mitstreitern einen ausgeben, wenn man nicht gepostet hat), unter die auch ich mich zählen durfte. Denen schulde ich bis heute einige Seidla Bier im Gegenwert von 15,- Euro. Begegnungen im nichtvirtuellen Raum organisierte ich und einige andere aus dem harten Kern der fränkischen Twitter-Community gerne und regelmäßig und viele sind schon ganz heiß auf das erste „Nach-Corona“-Treffen, sofern die Inzidenzzahlen und die Vernunft solche sozialen Events in Zukunft wieder gestatten. Wir hoffen auf einen milden Sommer.

Auch wenn die Bloggerei inzwischen mehr und mehr zu einem randständigen Phänomen wird, sage ich an dieser Stelle einfach mal voller Optimismus: auf die nächsten 1000. Ihr dürft gespannt bleiben.

Update: Die Blogroll ist inzwischen gefixed. Na ja, so halbwegs, wenigstens.

Atomkraft? Nein danke.

In aller gebotener Kürze:

Freilich, nicht erst seit dem völkerrechtswidrigen Einmarsch Putins in der Ukraine, ist es sinnvoll, sich von fossilen Energieträgern sukzessive loszumachen. Nicht vergessen werden darf dabei übrigens, dass wir nicht nur Öl und Gas aus Russland importieren, sondern auch Kohle – und zwar in nicht unerheblicher Menge.

Aus diesem Umstand nun den Schluss zu ziehen, man sollte die verbliebenen AKWs nun länger am Netz lassen oder gar abgeschaltete Reaktoren wieder anfahren, ist ein typisch konservativ-rechtslibertärer No-Brainer. Das hilft uns erstens nicht weiter, weil genug Strom in Europa immer noch von Kernkraftwerken zur Verfügung gestellt wird – und den Ausfall der Exporte just jener Energiemenge der verbleibenden deutschen AKWs muss Putin nun wirklich nicht bangen.

Zweitens – und das ist weit bedeutsamer, wird nun wieder ein längst entkräftetes Argument der Atomlobby ins Feld geführt, nämlich, dass die CO₂-Bilanz einer Kilowattstunde Atomstrom ähnlich gut wäre wie die einer mit Windkraft gewonnenen Kilowattstunde.
Das ist selbstredend Bullshit. Eigentlich wissen das die Älteren unter uns auch. Für die vergesslichen und die, die sich angesichts des bevorstehenden (oder nicht bevorstehenden?) Ausstiegs aus der Kernenergie darum nicht bekümmern wollten oder mussten: Rechnet man in vorgenannte CO₂-Bilanz den Aufbau und Abbau der AKWs und die Ent“sorgung“ der radioaktiven Materialen mit ein, dann schneidet die Kilowattstunde erheblich schlechter ab, als eine Steinkohle-Kilowattstunde.

Aber scheinbar sind wir alle dumm genug, um diesen Mist zu glauben. Oh mei.

Corona-Krise-Chance – Was wir aus der derzeitigen Situation mitnehmen können

Schon wieder ein Post über dieses “Krise als Chance”-Ding und Corona – kann man das noch lesen, kommen dabei irgendwelche neuen Erkenntnisse rum? Und verhöhnt diese Sichtweise nicht all jene, die wirklich unter der “Krise” leiden, sei es psychosozial, sei es wirtschaftlich?

Nun, verhöhnt werden wird hier sicherlich niemand. Und freilich werden meine Gedanken zum “lessons learned” der Begebenheiten rund um Corona nicht überall auf ungeteilte Zustimmung treffen – nichts desto trotz lohnt sich gerade jetzt, inmitten des Geschehens, das Innehalten und die Reflexion dessen, was sich gerade für uns und in uns verändert.

Zuerst aber einige wenige Worte zu unserem inflationär verwendeten Krisenbegriff: Nein, die Covid-19-Pandemie ist keine Krise. Sie ist eine Pandemie. Nicht mehr, nicht weniger. In manchen Teilen von Wirtschaft und Gesellschaft entwickelt sich dieses Geschehen krisenhaft. Aber von einer generellen Krise zu reden halte ich – zumindest an dieser Stelle – für ähnlich übertrieben, wie die Zuzüge ausländischer Mitbürger 2015 als “Flüchtlingskrise” zu bezeichnen. Der Kapitalismus freilich ist in der Krise und es bedurfte dazu lediglich des Umstands, dass viele Menschen für eine überschaubare Dauer von wenigen Wochen mehrheitlich nur solche Waren gekauft haben, die sie wirklich gebraucht haben. Bumms – Kapitalismus in der Krise. Mit Verlaub – das wirft kein sehr gutes Licht auf unser auf Wachstum, Wachstum und nichts als Wachstum geeichtes Wirtschaftssystem.

Und da bin ich auch schon inmitten der Gedanken: Was bedeutet denn unser in aller Regel eher zaghafter Verzicht auf Konsum in den letzten Wochen für uns? Nun, für mich persönlich zuerst einmal die Erkenntnis, wie viel Unsinn man sich im Lauf der Zeit einfach so kauft – Dinge, die es weder braucht noch die einem das Leben verschönern oder das Arbeiten erleichtern. Mitunter habe ich es tatsächlich als befreiend empfunden, einmal nichts zu kaufen zu müssen oder kaufen zu wollen (und ich gebe ganz unumwunden zu: In der Vergangenheit habe ich es oft als angenehm empfunden, kaufen zu können – welch ein Trugschluss!). Und es tritt gerade auch ein gegenläufiger Trend ein: Viele nutzten die Zeit der häuslichen Selbstisolation zum aufräumen und ausmisten – und damit bewusst oder unbewusst auch zum Ziehen einer Bilanz über gewünschte und benötigte Dinge und wie schnell und deutlich sich dieser Fokus verschieben kann. Man erleichtert sich und wirft materiellen wie immateriellen Ballast ab – lange Autoschlangen vor den Wertstoffhöfen können das bezeugen. Nun wird es spannend: Nach den Lockerungen der Ausgangsbeschränkungen versuchen viele, etwas wie eine vermeintliche “Normalität” herzustellen – und wacker weiterzukonsumieren. Spezielle “Corona-Rabatte” des Einzelhandels sollen den Verbraucher dazu animieren, sogar noch mehr zu verbrauchen um die quasi entgangenen “Konsumfreuden” nachzuholen. Ein probates Mittel gegen diese unsinnige Verkehrung ist, sich die befreienden und positiven Momente des Konsumverzichts immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. Es fordert ja niemand ernsthaft einen radikalen Verzicht, aber wer mit mehr Bedacht konsumiert, tut sich und natürlich auch der Umwelt etwas Gutes.

Die Umwelt führt mich direkt zum nächsten Gedanken: In Zeiten der häuslichen Isolation hatte die Natur wenige Wochen Zeit, einmal “durchzuatmen”. Besonders nachhaltig war dies freilich nicht – aber es ließ einen doch im Ansatz spüren, welches Potenzial ein konsequenter Umwelt- und Klimaschutz entfalten kann. Leere Fahrstraßen werden als angenehm empfunden. Der Fluglärm ist weg, die Luft ist reiner. Weniger Müll liegt auf den Straßen und Plätzen. Tiere, die sich längst zurückgezogen haben, kommen wieder zum Vorschein. Eine Binsenweisheit, die nun aber nicht nur verstehbar sondern im besten Wortsinne spürbar ist: Weniger Wachstum bringt eine sauberere Umwelt, weniger Hektik und eine höhere Lebensqualität.

Wir lernen zudem, wer diese Gesellschaft im Innersten zusammenhält: Feuerwehr und Rettungsdienst, Polizei, Pflege- und Betreuungspersonal, Ärztinnen und Ärzte, die Mitarbeiter von Supermärkten und Apotheken, Busfahrer, Lokführer. Pädagogen, Care Worker. Wir lernen zudem, dass man von den Einkommen der wichtigsten Berufe, die ein gesichertes gesellschaftliches Leben erst ermöglichen, kaum sinnvoll leben kann.
Diese sind die wahren Leistungsträger, ihre Leistung ist unverzichtbar.
Wir lernen, welche Berufe verzichtbar sind, wenn es wirklich darauf ankommt: Manager, Banker, Unternehmensberater. Wir brauchen sie nicht wirklich. Ein Arzt oder Pfleger, der einen Tag fehlt – fehlt. Ein Manager oder Berater, der einen Tag fehlt, ist halt nicht da. Es ändert nichts. Diese Erkenntnis schmerzt viele, nicht nur die Angehörigen der exemplarisch genannten Berufsgruppen – sondern all jene, die sich in unserer “Wachstumswirtschaft” sicher gefühlt haben. Wir erkennen: Diese Berufsgruppen sind keine Leistungsträger, die erbrachte Leistung trägt kaum zum Fortbestand der freien und sicheren Gesellschaft bei.
Und so ist freilich auch spannend, mit anzusehen, wie den Vertretern dieser leistungsarmen bis leistungslosen Berufsgruppen mit jedem Tag der Kontaktbeschränkungen sprichwörtlich “der Arsch auf Grundeis” geht. Die Lobbymarionette Christian Lindner wurde nicht müde, jeden Tag dem kleinen, trotzigen Kinde gleich, nach Lockerungen zu rufen. Laschet tat es ihm gleich. Beide haben dadurch den Rest ihrer Reputation und Glaubwürdigkeit sehenden Auges auf Jahre verbrannt. Die Handlanger dieser Lobby tun alles, um die gewonnenen Erkenntnisse wieder zu vernebeln: Care Work ist wichtig, weiblich und unterbezahlt. Banking, Management und Consulting schaffen keinen Mehrwert und sind kaum einen Bruchteil dessen wert, was sie an Geld und Ressourcen beanspruchen.

Viele Menschen, die bislang in Büros Präsenz zeigen mussten, hatten nun die Möglichkeit, ins Homeoffice zu gehen. Auch aus diesem Umstand kann viel gelernt werden: Zuerst einmal, dass wir eine wesentlich bessere digitale Infrastruktur benötigen. Weiterhin, dass viele Arbeiten, für die man in der Vergangenheit die notwendige Präsenz im Büro annahm, nicht nur problemlos sondern auch produktiver am Telearbeitsplatz erledigt werden können. Schließlich, dass dadurch Führung und Management in vielen Bereich umzudefinieren ist. Und weiterhin, dass der Präsentismus – also das Erscheinen auf Arbeit, wenn man krank ist – sehr weitreichende und schwere Folgen hat und in Zukunft unbedingt zu vermeiden ist.

Was ist uns wirklich wichtig? Wie einschneidend die Beschränkung sozialer Kontakte sein kann, haben wir alle mehr oder weniger gespürt. So sehr wir im Arbeitsleben eine tragfähige und verfügbare digitale Infrastruktur benötigen, so sehr bekamen wir vor Augen geführt, wie essentiell der persönliche Kontakt ist. Und so schmerzlich diese Lektion zu lernen ist, so heilsam ist sie auch. Das mag freilich auch nicht auf jeden zutreffen – doch ich war überrascht, wie schnell viele Menschen den Wert, ja die schiere Notwendigkeit der persönlichen sozialen Kommunikation und Interaktion benannten.

Umso erstaunlicher ist, dass sich nun eine zwar kleine, aber medial hochpräsente Koalition aus (Neo-)Faschisten, Rechtskonservativen, Wirtschaftsliberalen, FDPlern und AfDlern, Verschwörungstheoretikern, Esoterikern, Anthroposophen, Homöopathen, religiösen Sektierern, sogenannten Alternativmedizinern, Reichsbürgern, stumpfen Gewalttätern und ähnlichen Menschen- und Wissenschaftsfeinden zusammenrottet, um aus reiner Lust an der Provokation einfachste gebotene Regeln zur Reduzierung des Infektionsrisikos brechen um mit einer vermeintlichen Freiheit zu argumentieren, die Aller der Freiheit berauben, um völlig abstruse, menschenverachtende und faschistoide Weltbilder transportieren zu können – nur was kann man daraus lernen? Wir lernen die Feinde des Lebens und der Freiheit kennen und verstehen, dass diese Leute auf allen Ebenen politisch und gesellschaftlich zu bekämpfen sind: Durch Sichtbarmachung, Aufklärung, Warnung und natürlich auch dem Entzug der öffentlichen wie medialen Wahrnehmung.

Die Covid-19-Pandemie hat uns nach wie vor fest im Griff. Die Lockerungen der letzten zwei Wochen, die für viele Experten noch deutlich zu früh kamen, wiegen uns in einer trügerischen Sicherheit. Dass die Pandemie nicht zur Krise wird, wie das in den USA, Großbritannien oder Brasilien – also überall dort, wo Rechtspopulisten regieren – der Fall ist, liegt in der Verantwortung des Einzelnen. Abstandsgebote und grundsätzliche Gebote der Hygiene sind zu beachten.

Wenn wir aus den beschriebenen Lehren auch Konsequenzen ziehen, tun wir uns viel Gutes: Ein Weiterwirtschaften nach dem Primat des Wachstums kann so nicht mehr stattfinden. Wir alle profitieren von einem überlegten und zurückhaltenden Konsum mit Augenmaß. Die Berufsstände, die diese Gesellschaft im Innersten zusammenhält, sind zu stärken, auszubauen und gerecht zu entlohnen. Berufsstände, die die soziale Ungleichheit zementieren und nur im Interesse Weniger tätig sind, gerade aus den Bereichen der Finanzindustrie, Management und Unternehmensberatung, sind durch Entzug von Geldmitteln, Ressourcen, Macht und Anerkennung zu sanktionieren. Unser Handeln muss sich in zunehmendem Maße an den Erfordernissen des Umwelt- und Klimaschutzes orientieren. Faschisten, Esoteriker und religiöse Sektierer sind aus dem gesellschaftlichen Diskurs auszuschließen und durch Information und Aufklärung konsequent zu bekämpfen. Dieses Kondensat der angerissenen Erkenntnisse mag isoliert durchaus radikal klingen – wer aber die letzten Wochen Revue passieren lässt, wird schnell feststellen, dass diese Konsequenzen einfach, klar und notwendig sind und das Leben der Mehrheit kaum einschränkt, aber enorm bereichern wird.

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