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Wirtshaus-Explorer: Restaurant Tiflis (im „Schloss Bismarck“), Nürnberg

Schon vor einiger Zeit hat in der ehemaligen Speisegaststätte „Schloss Bismarck“ in der Bismarckstraße ein georgisches Restaurant, das „Tiflis“ eröffnet. Obwohl wir im Viertel wohnen und oft an der Gaststätte vorbeikommen, bedurfte es doch des Zuspruchs guter Freunde, um dieses Restaurant einmal aufzusuchen, denn von Außen sieht die Gaststätte doch eher einfach und unspektakulär aus (um es einmal vorsichtig zu sagen).

Wirtshaus Tiflis im Schloss Bismarck, Nürnberg

Von Georgien weiß ich nur wenig. Daher lese ich mir vor dem Restaurantbesuch den Wikipedia-Artikel des Landes durch. „Georgiens Küche„, heißt es da, „galt als die Haute Cuisine der sowjetischen Küche. Sie ist für ihre Qualität und regionale Vielfalt bekannt“. Das zumindest klingt vielversprechend und spannend – und wir sollten nicht enttäuscht werden.

Gaststube des Restaurants Tiflis, Nürnberg

Vorletzte Woche war es dann so weit: Wir trafen im gut besuchten Restaurant ein. Die Gaststube selbst hat sich viel vom spröden Charme der alten Schweinsbraten-Gaststätte, die hier einmal ansässig war, erhalten können, es wurde nur behutsam renoviert und einige Akzente sind optisch geändert worden – die Tischplatten wurden blau lackiert, die Polster der Bänke und Stühle sind frisch bezogen und der Teil der Wand, der nicht in Rustikaleichenholz vertäfelt ist, genoss ebenfalls ein Makeover. Das Ambiente verströmt Gemütlichkeit, gleichwohl hat man der Gaststube den kleinbürgerlichen Mief durchaus ausgetrieben.

georgische Limonade, Zandoukeli; Restaurant Tiflis, NürnbergSchnell waren die reservierten Plätze eingenommen, es sitzt sich gut und komfortabel im Tiflis. Die Servicemitarbeiterin hieß uns herzlich willkommen und führte uns ein wenig in die georgische Küche und ihre Besonderheiten ein. Die erste Getränkerunde beinhaltete Bier (ausgeschenkt werden Biere der Brauerei Tucher und deren Marke Grüner, das ist in Nürnberg ja leider Standard, georgisches Bier hätte ich ja auch mal spannend gefunden) und eine georgische Estragon-Linomade namens Zandukeli, die mit einem intensiv-künstlichen Grün, wie man es von Waldmeisterbowlen kennt, ins Glas floss. Ich fand diese Limonade vielleicht ein wenig süß, geschmacklich aber sehr interessant und äußerst süffig, meine Mitstreiter hatten an dem für unseren Gaumen sicher eigenwilligen Geschmack weniger Gefallen. Als Vorspeisen orderten wir Khinkali, Teigtaschen mit einem Gemisch deftig gewürzten Rinder- und Schweinehackfleischs. Diese Teigtaschen, so sagte man uns, seien mit der Hand zu essen, ein gar nicht so einfaches Unterfangen, weil sich in der verschlossenen Tasche neben dem Hackfleisch auch durchaus noch etwas Brühe befindet (5 Stück, 13 Euro).

Khinkali, mit gemischtem Hackfleisch gefüllte georgische Teigtaschen traditioneller Art; Restaurant Tiflis, Nürnberg

Wirklich schmackhaft war das Chatschapuri (10,- Euro), ein mit Käse gefülltes, frisch gebackenes Brotschiffchen, auf das man kurz vor dem Servieren noch ein rohes Ei schlägt. Am Tisch wird der Teigrand des heißen Brots mit Butter bestrichen, die sich augenblicklich verflüssigt und der Butterrest, das rohe Ei und der Käse sodann mit einer Gabel im Brotschiffchen verquirlt.

Chatschapuri, angerichtet; Restaurant Tiflis, Nürnberg

Ei und heißer Käse ziehen ein wenig an und geben eine zähflüssige, geschmacksintensive Füllung; das Chatschapuri ist in den gezwirbelten Enden ebenfalls mit Käse gefüllt und damit ein super-geschmackiger, hochkalorischer Fett-Hattrick. Sehr empfehlenswert, wenngleich für eine Vorspeise natürlich eine Ansage.

diverse Speisen auf dem Tisch, Beilagen; Restaurant Tiflis, Nürnberg

Zur Hauptspeise bestellten wir Auberginenröllchen mit Walnussfüllung (eigentlich eine Vorspeise), Tschachochbili, ein mit Hühnerfleisch in einer sehr rund und pikant gewürzten Soße auf Tomatengrundlage mit Paprika und Zwiebeln gefüllter Tontopf (für mich persönlich das Highlight des Menüs, 12,50 Euro, die Beilage muss separat dazubestellt werden) und Chartscho, einen milden Rindfleischeintopf in Walnusssoße (16 Euro). Auch wenn der Eintopf fein komponiert und mit der Walnusssoße auch raffiniert schmeckte, fehlte mir hier der letzte Twist. Das Essen kommt heiß und duftend an den Tisch – ein Traum, sich aus der Vielfalt der Köstlichkeiten bedienen zu dürfen und sich durch die Geschmäcker Georgiens zu kosten. Nun kann ich natürlich nicht beurteilen, wie authentisch die Küche im Tiflis ist (ich war noch nie in Georgien), aber sie vermittelt zumindest den Eindruck, nicht nur landestypisch zu sein, sondern auch die regionalen Besonderheiten und Unterschiede kulinarisch zu berücksichtigen.

georgische Weinem rot, rosé und weiß, Naturwein; Restaurant Tiflis, NürnbergBesondere Erwähnung finden muss auf jeden Fall die Weinbegleitung, denn auch bei den angebotenen Weinen handelt es sich ausnahmslos um Tropfen aus Georgien, allesamt Naturweine, in landestypischen „Amphoren“ gereift, teils unfiltriert und geschmacklich etwas, das den Gaumen von Freunden fränkischen, italienischen, französischen oder spanischen Weins sicher herausfordert. Bei der Weinauswahl auf der Karte achtet man darauf, dass der Wein traditionell auf der Traubenschale mit Kernen und Stängeln in Quevris ausgebaut wird. Das ergibt einen sehr besonderen, von Trübstoffen durchsetzten, geradezu würzigen Wein, der in Dichte und Intensität kaum mit im Stahltank oder Holzfass ausgebautem Wein vergleichbar ist. Ich versuche den Saperavi 525 (2019, eine autochthone georgische Rebsorte, stattliche 15% Volumenalkohol; 0,15l 7,90 Euro, 0,7l 37,- Euro), der mit seiner schon fast einzigartig samtigen Textur, seiner augenfälligen Dichte und seinen deutlich hervortretenden Gerbstoffen ein äußerst spannendes Gewächs ist, das sofort meinen Gefallen findet. Ebenfalls interessant, deutlich leichter und einige Nuancen „rauchiger“, gegen den Saperavi bezüglich seiner Intensität aber etwas abfallender ist der Dzelshavi (0,15l 7,10 Euro, 0,75l 34,- Euro). Später werden wir die Gelegenheit haben, einen Wein der Rebsorte Kisi (vom gleichen Winzer, der auch den Saperavi gekeltert hat, Gegi Vasadze) zu verkosten, einen bernsteinfarbenen Wein, der mit deutlich Tannin und einem schon fast tabakhaftem Geschmack überrascht, zudem probieren wir einen Weißwein der Rebsorten Tetri Kamuri und Tsolikouri der Kellerei Iberieli, der sehr gefällig und mit dezenter Süße ins Glas fließt. Die Qualität der Weine überrascht und überzeugt; wer bereit ist, sich ganz neuen Aromen zu öffnen, der ist im Tiflis an der richtigen Stelle!

Ich blicke auf einen sehr gelungenen und kulinarisch spannenden und bereichernden Abend im Restaurant Tiflis zurück, das ich nach unserer Erfahrung nun sehr empfehlen kann. Macht nicht denselben Fehler wie wir und lasst Euch vom etwas unwirtlichen Äußeren des Gasthauses abschrecken, denn was Küche und Keller zu bieten haben, kann über das etwas rustikale Ambiente allemal hinwegtrösten. Eine Reservierung ist empfohlen.

Restaurant Tiflis, Bismarckstraße 12, 90491 Nürnberg, Telefon 340 20 969.

Instandsetzungsbericht Tonbandgerät Philips N4504

Disclaimer: Zum Arbeiten an elektrischen Anlagen und Elektro-/Elektronikgeräten sind Fachkenntnisse und eine spezielle Ausbildung erforderlich. Elektro-/Elektronikarbeiten dürfen daher nur durch Fachpersonal ausgeführt werden. Jeder ist für sein Handeln und seine Fehler selbst verantwortlich! Ich übernehme keine Haftung für Sach- oder Personenschäden sowie für die Korrektheit meiner Beiträge.

Eifrige Leser dieser Seiten wissen bestimmt um meine Schrulle für Retro-HiFi im Allgemeinen und für Plattenspieler, Tonbandgeräte und Röhrentechnik im Besonderen. In den vergangenen Jahren habe ich das Tonbandhobby wieder etwas reaktiviert und mir eine A77 Mk IV in Viertelspurtechnik und eine B77 in Halbspurtechnik zugelegt – und letztere auch professionell restaurieren lassen.

Nun wollte es aber der Zufall, dass ein guter Freund aus der Scheune seines Nachbarn ein kleines Tonbandgerät, ein Philips N4504, vor der Verschrottung rettete und mir bei unserem vorletzten Treffen mitbrachte. Ich war aus dem Stand angetan von dieser kleinen Maschine.

Philips N4504 in überarbeitetem Zustand

Nun weiß ich freilich um den nicht gerade unzweifelhaften Ruf dieser Philips-Bandgeräte aus österreichischer Produktion. Und bis vor zwei Wochen pflegte ich ebenfalls meine Vorbehalte gegen Philips-Tonbandgeräte. In den 90ern hatte ich ein N4308 (das Teil wurde seit Ende der 1960er wohl fast zehn Jahre unverändert in Wien gebaut), das ich mir gebraucht gekauft habe. Dieses Teil war einige Zeit mein Begleiter, bis es mir aus heiterem Himmel im wahrsten Sinne des Wortes abgebrannt ist. Mein Vater hatte Ende der 70er auch eine Philips-Maschine, an der er, so sagte er mir, auch nicht lange Freude hatte. Die österreichischen Bandgeräte genossen gemeinhin einen zweifelhaften Ruf – wer das Geld hatte, kaufte sich einen Großspuler aus fernöstlicher Produktion oder etwas von Studer/Revox.

Rentiert es sich, da überhaupt Aufwand in die kleine N4504 zu stecken? Schließlich machte das Gerät nach dem Einschalten keinen Mucks. Der Recorder ist sehr kompakt und überraschend leicht, bringt er doch keine zehn Kilo auf die Waage. Dennoch gefällt mir das Design, das Ende der 70er durchaus Maßstäbe gesetzt haben dürfte. Das Gerät präsentiert sich sehr aufgeräumt. Lassen wir es also auf einen Versuch ankommen.

Ein paar Worte zur Herkunft: Das Tonbandgerät stammt aus einem rundheraus geschichtsträchtigen Wiener Betrieb: Das alte Zeiss-Werk im 14. Gemeindebezirk Penzing, nur einen Steinwurf von Klosterneuburg entfernt (Weinkenner lächeln nun beseelt), ging recht bald an die Radiofabrik Schrack (noch heute „im Business“ in den Sparten Telekommunikation und Netzwerktechnik) um dann alsbald an Ing. Friedrich Horny veräußert zu werden, der hier die WIRAG – Wiener Radio AG aufbaute. Die Marke Hornyphon ist neben der Minerva noch heute in Österreich bekannt, bis weit in die 1970er Jahre wurden Radios und Plattenspieler unter diesem Namen in der Alpenrepublik verkauft. Horny musste bereits 1936 an Philips verkaufen, man fertigte während des Krieges (Militär-)Röhren und bald nach Kriegsende richtete die österreichische Philips hier ihr zentrales Tonbandgerätewerk ein, das erste Philips-Tonbandgerät wurde 1947 in Penzing gefertigt, 1964 dann der erste Videorekorder für den Heim- und semiprofessionellen Markt, der EL3400. Auch die VCR-Geräte wurden in Penzing gebaut, 1981 allerdings ging das neue Werk „Video Wien“ in Ottakring (16.) in Betrieb, extra für das System Video 2000 (in Kooperation mit Grundig) wurde diese Produktionsstätte errichtet. Die wurde Ende 2001 zusammen mit einem Viertel der österreichischen Philips-Beschäftigten abgewickelt, die „Video Wien“ war Geschichte. Neben Tonbandgeräten baute Philips in den 1970er-Jahren in Penzing auch Radiorekorder, zu Hochzeiten waren im Werk (mit Zweigwerk) etwa 3.000 Menschen beschäftigt.

Zurück zu unserer kleinen Maschine. Dank des Stempels im Rückteil des Gehäuses lässt sich die Herstellung taggenau datieren: Am 16. August 1978, also vor 46 Jahren, erblickte das Gerät das Licht der Welt. Von der N4504 existieren mindestens zwei unterschiedliche Varianten, eine, die ausschließlich mit DIN-Buchsen versehen ist und eine mit DIN-Buchsen und frontseitigen Klinkensteckern und hinten DIN-Buchsen und Cinch-Ein- und Ausgängen. Das Gerät liegt in letzter Variante vor. Die Elektronik ist nahezu komplett auf einer Platine verbaut, Philips änderte deren Design im Laufe der Zeit mehrfach, Geräte auf Grundlage dieses Laufwerks wurden bis mindestens 1981 produziert. Die Frontschürze wurde nicht abgeändert, das Kunststoffteil hat weite Aussparungen für die DIN-Buchsen, dahinter liegen, mit schwarzer Folie wird das zu große Loch kaschiert, die auf ein Winkelblech montierten 6,3-Millimeter-Buchsen. Ich bin ganz froh, dass ich die 6,3-Millimeter Klinke/Cinch-Version des Gerätes habe, entfällt so doch die lästige Anpassung der elektrischen Werte im Aufnahmezweig bei der DIN-Variante.

Mit einem Preis von deutlich unter 1000,- DM waren die einfachen „Vierer“-Varianten der Serie für ihre Ausstattung recht günstig, ein japanisches Großspulenbandgerät kostete in jenen Tagen fünfhundert bis siebenhundert Mark mehr. Philips verstand es vortrefflich, diese Geräte mit einer einfachen Darstellung seiner Vorzüge zu vermarkten, auf der Kopfabdeckung prangt beispielshalber groß die Zahl „3“ – „3 Motors, 3 Heads, 3 Speeds“. Ja, es handelt sich um ein Dreimotorenlaufwerk, allerdings vielleicht nicht in der Art, wie wir heute solche klassischen Aufbauten interpretieren wollten. Sind die drei Motoren bei Revox und den Japanern in aller Regel mit den Wickeltellern und dem Capstan wellenseitig direkt verbunden, verwendet Philips Riemen. Der „Direktantrieb“ der Japaner und Schweizer verlangt eine sehr aufwendige Steuerung und Regelung der potenten Motoren, bei Philips läuft das alles deutlich einfacher. Drei kleine Gleichstrommotörchen werden per Riemen übersetzt, die Steuerung der Geschwindigkeit wird über eine Art Rekuperation des Stroms beim Abwickelteller erreicht. Im Hinblick auf den Bandzug ist die Maschine ebenfalls eher unempfindlich: Wie bei ihren Vorgängern auch, wird das Band vermittels eines Filzes auf einem schwenkbaren Bügel, auf dem auch die Andruckrolle angebracht ist, an den Tonkopf gedrückt (eine sehr deutsche Konstruktion, bei den vorgenannten Japanern und Schweizern wird das eben über einen sehr präzise nachzuführenden Bandzug erledigt). Auch sonst ist die Mechanik des N4504 eher einfach, darüber werde ich bei der Instandsetzung sehr dankbar sein.

Drei Köpfe implizieren eine Hinterbandkontrolle – und die hat unser Kandidat: Mit dem Schalter „Monitoring“ kann man zwischen „A“ für „after Tape“ und „B“ für „before Tape“ wählen. Und was hat es mit den drei Geschwindigkeiten auf sich? Nun, neben den hierzulande äußerst gebräuchlichen 9,5 cm/s und 19 cm/s lässt sich auch Band sparen, indem man es mit 4,75 cm/s bespielt (der Geschwindigkeit, mit der man Compact-Cassetten bespielt). Bei dieser Geschwindigkeit reicht nach meinem Dafürhalten die Klangqualität nicht an eine gute Kassettenaufnahme heran. Die Klangqualität bei den recht langsamen 9,5 cm/s indes hat mich positiv überrascht, es scheint, dass Philips hier die Köpfe für die Aufzeichnung bei niedrigen Geschwindigkeiten optimiert hat. Klanglich kann dieses Gerät eine ganze Menge: Auch wenn es messtechnisch vielleicht bezüglich Wow/Flutter und Frequenzgang hinter den Boliden der Zeit etwas zurückbleibt, muss ich sagen, dass dieses Gerät einen guten Klang bei geringem Rauschen hat. Ich kann mir gut vorstellen, dass potenzielle Käufer sich seinerzeit nach einer Vorführung auch des guten Klanges wegen für so eine doch eher günstige Maschine entschieden haben. Das kleine Teil verfügt auch über ein sehr interessantes Rauschunterdrückungsverfahren namens „DNL“, das nur beim Abspielen wirksam wird und das ich als sehr gefällig empfinde. Ein wirklich sinnstiftendes Feature, wird der Frequenzgang der Aufnahme doch nicht verändert. Bei stärker rauschendem Bandmaterial macht DNL – auch bei Fremdaufnahmen – einen erstaunlich guten Job, schade, dass Philips das mit DNL nicht weiterverfolgt hat!

Zum Zustand der Maschine: Ein typischer „barn find“, sie ist merklich verdreckt, stark verstaubt, hat richtig „Patina“, riecht aber nicht verraucht. Bei der ersten Inbetriebname zeigt sich, dass sie stromlos bleibt. Dieser Fehler lässt sich durch vorsichtiges gängig machen des leider verharzten Netzschalters schnell beheben. Nun zeigt sich, dass zumindest die Elektronik teilweise zu funktionieren scheint – eine gute Grundlage für den Aufbau. Beim Bedienen des Tastensatzes passiert aber nichts. Weder die Teller drehen sich, noch ist etwas zu hören.

Zustand der Maschine frisch aus der Scheune. Dreckig ist sie, aber vollständig

Auch ohne Service-Manual gestaltet sich die Demontage einfach. Nach Abnehmen der Spulen werden drei Schrauben herausgedreht und beide Bandhebel in die 12-Uhr-Position gebracht, so lässt sich der obere Teil der Frontverkleidung nach oben wegschieben. Hernach wird das Gerät auf den Rücken gelegt und die drei Schrauben auf dem Gehäuseboden werden entfernt. Von der Frontschürze müssen nur mit etwas beherzter Kraft die vier Drehregler nach oben bzw. vorn abgezogen werden und schon lässt sie sich abnehmen. Eine Demontage von VU-Metern, Schaltern… ist nicht nötig.

Oberer Teil des Chassis – noch im Gehäuse verschraubt

Um nun das Chassis aus dem Gehäuse heben zu können, müssen die großen Schlitzschrauben im oberen Teil und einige mit Pfeil gekennzeichneten Schrauben im unteren Teil mit dem Kunststoffrahmen sowie die rückwärtig im Gehäuse befindlichen Schrauben herausgedreht werden. Sonst ist weiter nichts zu tun, das Chassis und das Gehäuse lassen sich einfach trennen, das Netzkabel, in meiner Gerätevariante fest verbaut, wird durch die Aussparung des Handgriffs geschliffen.

Diese Schrauben müssen raus

Jetzt sieht man schon, was der Maschine eigentlich fehlt: Zuerst einmal sind die Riemen zwar augenscheinlich okay, haben aber keinerlei Spannung mehr. Und dann ist die gesamte Bandführung völlig verdreckt und verharzt. Eine so dreckige Andruckrolle, wie in dieser Maschine, habe ich noch nie gesehen. Auch der Capstan ist verkrustet und sitzt fest.

Eine förmlich zugesetzte Bandführung – schon vorgereinigt, wohlgemerkt!

So, liebe Freunde, sehen Maschinen auf, auf denen regelmäßig Shamrock-Bänder gelaufen sind. Die Reinigung der Bandführung ist nicht weiter problematisch, mit dem Capstan und dem Pinchroller hatte ich aber reichlich zu tun.

Nun geht es an den Tausch der Riemen. Die habe ich bei der Fa. Bosch Trading gekauft, die etliches an Philips-Ersatzteilen bereithält. Es werden Rundriemen geliefert, die sollen besser sein als die eckig geschliffenen. Warum, will sich mir nichts so recht erschließen, aber es funktioniert. Der Riemensatz kostet mit Versand 14,- Euro; gut investiertes Geld, die Riemen sitzen perfekt und werden die nächsten Jahre halten. Vor dem Tausch der Riemen bei den Bandtellern, der kinderleicht von der Hand geht, ist die Führung gut mit Isopropanol zu reinigen. Die alten Riemen sind zwar bisher nicht zu Matsch zerflossen, haben aber dennoch ordentlich Dreck hinterlassen. Nun drehen wir das Chassis um, gut erkennbar das große Schwungrad des Capstans in der Bildmitte. Der Capstanmotor selbst ist ebenfalls ein kleines Gleichstrommotörchen, genauso niedlich wie die Antriebe der Bandteller. Gut am Gleichstrommotor ist, dass er ohne großen Motorkondensator auskommt – ein Quell häufiger Fehler, den es hier so nicht gibt.

 

Um hier den Riemen zu tauschen, muss der Bügel, der das Flywheel hält, abgenommen werden, zwei Schrauben nebst Hülsen und Unterlegscheiben sind zu entfernen. Auf dem Bügel ist eine weiße Kunststoffplatte angebracht, die der Lagerspiegel sein soll, die muss gereinigt werden. Der Motor ist mit einer Art Sprengring an drei Punkten aufgehängt, der muss gelöst werden. Wer nun eine Elektronikerzange hat, ist hier im Vorteil, aber eine kürzere Rosenkranzzange tut den Dienst ebenfalls, weil alle Teile gut und luftig zugänglich sind. Ist der Ring aufgebogen, lässt sich der Motor nach hinten wegklappen, der Riemen kann gewechselt werden. Davor sollte aber die Fläche des Schwungrads gereinigt werden, es steckt in einer Patrone aus transparentem Kunststoff (!), die sich einfach abwischen lässt.

Ist der Riemen gewechselt, wird alles verschraubt. Für mich beginnt nun, nachdem auch der Zählwerkriemen getauscht ist, der erste Probelauf der Maschine.  Hier zeigt sich, wie servicefreundlich das Philips-Bandgerät konstruiert ist, denn der Probelauf erfolgt auf dem nackten Chassis, es muss nicht erst wieder in das Gehäuse gebaut werden. Der Test macht große Hoffnung, denn in meinem Fall scheint die Elektronik erst mal in Ordnung, der rechte Kanal geht nicht, aber alle Laufwerk-Steuerfunktionen sind auf Anhieb okay und die Laufgeschwindigkeit ist auch in Ordnung.

Der ausgefallene rechte Kanal wird sich alsbald als Kontaktproblem herausstellen – und Kontaktprobleme hat die N4504 reichlich. Dabei sind die Potis eigentlich ganz okay, die Kontaktprobleme liegen bei den Kippschaltern. Nachdem diese gereinigt und freigespielt sind, funktioniert auch der rechte Kanal wieder.

 

Insgeheim bin ich recht froh, um den ganzen elektronischen Teil weitestgehend herumgekommen zu sein, ein Einmessen und grundständiger Neuabgleich des Tonbandgeräts wäre mir ohne fremde Hilfe ohnehin nicht gelungen. Nun geht es an die obligatorischen Reinigungsarbeiten, das Ausblasen des Chassis mit Druckluft – auch dem Gehäuse nehme ich mich entsprechend an, indem ich alle Teile in die Badewanne werfe und mit reichlich Seifenlauge abschrubbe.

Die Gehäuseteile werden dann mit klarem Wasser abgebraust, grob mit einem Tuch vorgetrocknet und dann mit Druckluft trocken geblasen. Dazu nehme ich aber keine Pressluft aus Büchsen, das wäre mir auf Dauer dann doch zu teuer, sondern den XPower Airrow Pro, dieses kleinste Modell des Gebläses konnte meine Bastleransprüche noch immer zufriedenstellen. Und dann wird das Gerät zusammengesetzt und präsentiert sich wie auf dem ersten Bild dieses Artikels.

Nun sollte, meinte ich, alles passen. Ein erster Testlauf verlief erfolgreich, doch nach einer guten halben Stunde verlor der rechte Wickelteller an Kraft, die Maschine stand zwar nicht, aber leierte merklich. Was ist nun los? Versagt doch die Elektronik?

Ein erneutes Aufschrauben und der Test am offenen Chassis stehen an, hier funktioniert wieder alles. Es dauert eine ganze Weile, bis ich den Fehler gefunden habe – meinen Fehler, wohlgemerkt: Beim Zusammenbau habe ich das Netzkabel, welches das Gehäuse unterhalb der eingegossenen rückwärtigen Griffmulde verlässt, eingequetscht, sodass das verschraubte Chassis ein wenig unter Zugspannung stand, gerade so viel, dass mit aufgesetzter Frontplatte der Abwickelteller nicht frei drehen konnte und irgendwann zu viel Widerstand da war und der Bandzug nicht mehr stimmte. Die Motoren der Philips sind nicht kräftig genug, diesen Widerstand zu kompensieren, und schon leierte es. Ein solch kleiner Fehler will auch erst einmal gefunden werden – was so ein halber Millimeter Differenz doch manchmal ausmacht… Jetzt läuft das Bandgerät etwa seit zehn Stunden fehlerfrei durch – ich möchte sagen, fast wie am ersten Tag.

Mein Fazit: Der Aufwand hat sich gelohnt! Auch wenn die N4504 in HiFi-Kreisen (genauer betrachtet zu Unrecht) nur einen mittelmäßigen Ruf genießt, so ziehe ich doch meinen Hut vor den Philips-Ingenieuren: Es ist ihnen gelungen, mit einfachen Mitteln und wirklich pfiffigen Detaillösungen ein technisch robustes Gerät von guter Qualität zu schaffen, dessen Elektronik und Mechanik nach über 45 Jahren noch ausgezeichnet funktionieren, wenn man dem Tonband nur ein wenig Pflege und Wartung zukommen lässt. Und das ist bei vielen Tonbandgeräten alles andere als selbstverständlich.

Ja, der Apparat hat verhältnismäßig viel Kunststoff verbaut, was seine Anmutung insgesamt ein wenig „plastikhaft“ macht, aber dieser Kunststoff ist von hoher Güte und äußerst zweckmäßig eingesetzt. Auch die Konstruktion selbst mag sich deutlich einfacher ausnehmen, als man das von Maschinen von Pioneer, Sony, Studer oder Grundig aus jener Zeit kennt. Ich möchte aber ganz deutlich zu verstehen geben, dass ich das nach meiner kleinen Instandsetzung gar nicht mehr als Nachteil begreife – im Gegenteil: Die Mechanik ist so bezaubernd simpel gehalten, dass wirklich nur wenig daran kaputtgehen kann. Und auch wenn hier viele Kunststoffteile verbaut sind, es ist bislang keines defekt und sie sehen weder spröde aus, noch zersetzen sie sich. Meine N4504 hat auch ordentlich Betriebsstunden auf dem Buckel, das kann man ja am Kopfspiegel erkennen. Aber selbst der nimmt sich durch die Kunststoffteile der Köpfe akzeptabel gering aus. Freilich habe ich, als ich die Maschine bekam, gedacht: „Au weia, ob mit dem Plastikbomber überhaupt noch was los ist?“ – und wurde eines Besseren belehrt. Nach meinen Vorerfahrungen mit Philips-Technik der 70er Jahre kann ich jedenfalls sagen, dass diese Vorbehalte völlig grundlos waren. Ein gutes, dankbares und dabei wohlklingendes Teil, das auch 46 Jahre später noch Spaß macht!

Einige Stimmen von Bluesky nach der US-Wahl

Mit dem heutigen Tag ist Nordamerika verloren. Endgültig verloren als stabiler Handelspartner, als Kooperationspartner in internationalen Sicherheitsfragen und freilich auch weitestgehend kulturell. Heute haben sich die USA letztlich komplett von der internationalen Bühne abgemeldet. Kaputt ist nun nicht nur kaputt, die USA sind irreparabel kaputt – verloren. Der Kapitalismus hat sich selbst erledigt, wie zutreffend die Marxschen „Prophezeiungen“, nichts anderes als wissenschaftliche Erkenntnisse, eintreten, erstaunt aber selbst mich.

Mich wundert auch, dass kaum einer in der Lage ist, klar zu formulieren, was alle wissen und jeder sieht: Der erneute Trump-Sieg ist Produkt des tief in der Krise befindlichen Kapitalismus, der gerade ungebremst in den Abgrund steuert. Und dennoch – einige Statements von Bluesky finde ich be- und überdenkenswert und stelle sie Euch daher hier zur Verfügung.

Wie unendlich im Arsch das alles ist. Das ist zwar undifferenziert – aber es stimmt einfach. — @holgertiedemann.bsky.social

Der selbsternannte „Homo sapiens“ hat es offensichtlich nicht besser verdient. — @quazanga.bsky.social

Was, wenn wir die vernünftigsten, empathischsten und demokratischsten Zeiten der Menschheit bereits gesehen haben? — @sixtus.net

Die demokratischen Politiker und Politikerinnen, die seit den 80er Jahren ihre Länder auf neoliberal umgestellt und ihre Macht an das Wachstum der neoliberal ausgerichteten Wirtschaft geknüpft haben – müssen jetzt ein selbstkritisches Resumée ziehen und konsequent das Gegenmodell aufbauen. — @liesemueller.bsky.social

Jeder, wirklich jeder ist nur eine einzige Erkrankung/ Beinträchtigung/Andersartigkeit davon entfernt, vor einem Wahlsieg eines Menschen wie Trump richtig massive Angst haben zu müssen. — @budsen.bsky.social

„Ausländer raus“, „Frauen an den Herd“, „Wissenschaft lügt“ usw.
Solche Parolen sind die Sieger der wichtigsten Wahl im Jahr 2024.

Die Aufklärung rotiert im Grab! — @janskudlarek.bsky.social

Heute & die nächsten Wochen sind ein guter Zeitpunkt, in einen Verein, eine Stadtteil-Initiative, eine Gewerkschaft einzutreten oder sich in Schule, Kita oder Kirche zu engagieren. Das stärkt demokratische Strukturen vor Ort & selbst wenn es oft nervig ist, stärkt es auch einen selbst. — @tinido.bsky.social

Das Gebot der Stunde heißt Antifaschismus.
Jetzt erst recht. — @robertfietzke.bsky.social

Was für eine beschissene Welt, in der wir leben. Diese Wahl wird alles noch viel schlimmer machen. Für Abermillionen Menschen in den USA und darüber hinaus ist sie ein Albtraum, während sich faschistische Tech-Milliardäre, Autokraten und Kriegsfürsten auf der Siegerstraße wähnen. — @robertfietzke.bsky.social

In den USA zeichnet sich gerade ab, was passiert wenn
1. die Presse Faschisten und Straftäter verharmlost und normalisiert
2. juristisch nicht dafür gesorgt wird, dass Demokratiefeinde kein öffentliches Amt bekleiden dürfen.
Germany, are you watching? — @mrmads.bsky.social

Was mir am meisten Angst macht an den USA ist, dass Konservative und Rassisten es geschafft haben, medial, bildungspolitisch und gesellschaftlich, dass für über 50% der Menschen, Wissenschaft und Fakten bedeutungslos wurden.

Sie leben in einer Traumwelt aus Lügen und Hass.

Vollkommen absurd. — @realalbundy.bsky.social

Am 26. Juli dieses Jahres sagte Donald Trump:

In four years, you don´t have to vote again.

Willkommen in der Diktatur. Adieu, USA.

Wirtshaus-Explorer: „Mezze“ am Weinmarkt in Nürnberg

Man muss es ganz klar so sagen: Wo Licht ist, ist auch Schatten. So zumindest möchte ich nach meinem zweiten Besuch den Eindruck zusammenfassen, der sich uns im „Mezze“ einprägte und unsere Erfahrungen vom ersten Mal bestätigt. Doch der Reihe nach:

In direkter Nachbarschaft zum berühmten „Essigbrätlein“ – und damit malerisch am Weinmarkt gelegen, befindet sich seit 2022 das Restaurant Mezze, das sich selbst als „Turkish Kitchen & Bar“ bezeichnet. Es ist modern eingerichtet und bietet dem Gast überraschend viele Sitzplätze im Erd- und Kellergeschoss.

Beim ersten Besuch waren wir zu viert, diese Woche zu dritt. Getreu dem Namen des Restaurants sind wir bei beiden Besuchen bei Tisch schnell übereingekommen, unsere Speisen als „shared table“ servieren zu lassen. Somit hat jeder am Tisch die Gelegenheit, viele Gerichte probieren zu können; diese Art des Essens ist nicht nur kulinarisch bereichernd, sondern auch sehr kommunikativ. „Der Fokus des Restaurants“ liege, so liest man auf der Webseite, „auf der türkischen Küche und deren raffinierten kleinen Köstlichkeiten“, es gibt „Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte oder Gemüse“.

Mezze - Turkish Bar & Kitchen am Nürnberger Weinmarkt

Ich bestellte als Vorspeise Pulpo in Tomatensoße, „Domates Soslu Ahtapot“ zu 9 Euro. Die Portion war großzügig, die Soße überzeugte durch ihre Fruchtigkeit, doch der Tintenfisch, der mit scharf marinierten Zwiebeln serviert wurde, schmeckte unangenehm alt.

Mezze Nürnberg - Vorspeisen

Zudem wurden mit Shrimps gefüllte Teigtaschen, Manti, die auf einem Joghurtbett gereicht wurden, bestellt – diese waren rundheraus hervorragend; weiterhin orderten wir „Saksuka Patlikan“, ein leider reichlich geschmacksarmes Gericht in einer wässrigen Soße, welches nicht zu überzeugen vermochte und aufgrund seiner dünnen Lake mit den Saksukas, die man andernorts angeboten bekommt, kaum vergleichbar ist. Dazu wurde heißes, weiches Fladenbrot gereicht, das wir dankbar annahmen, um die Soßen der Mezze zu tunken.

Mezze Nürnberg - Hauptgerichte

Zu den Hauptgerichten: Herausragend waren die „Yogurtlu Kasap Köfte“ (20,90 Euro), fein gewürzte und knusprige, saftige Hackfleischstücke nach Art einer kleinen Bulette mit frittierten Kartoffelspalten an Joghurt und fruchtig-milder Tomatensoße, garniert mit zwei Spitzpaprika. Eine schöne Portion, die wirklich gut geschmeckt hat. Ebenso überzeugen konnten „Karides Güvec“, dampfend heiß direkt aus dem Ofen servierte Garnelen in Knoblauchbutter. Irritierend, dass man zu diesem Gericht wirklich keinerlei Beilagen bekommt, weder Brot, Salat noch Reis – und man so um den Preis von 19,90 Euro, selbst bei kleinem Hunger, nicht satt werden kann. Fairerweise sei dazu gesagt, dass auf der Karte keine Beilage verzeichnet ist, aber einfach „nackte“ Garnelen – ohne alles – serviert zu bekommen, na ja…
Die dritte Hauptspeise steht als „Tavuclu Mutancana (Saray yemegi)“ auf der Karte, an den Tisch gebracht werden kleine, etwas gummiartige Hühnerwürfel an einer Soße aus Silberzwiebeln, Honig und getrockneten Früchten (Aprikosen, Feigen und Rosinen) mit Mandeln. Dazu gab es einen sehr feinen, raffiniert gewürzten Reis. Das Gericht wäre geschmacklich sehr interessant gewesen, wäre es nicht von den Hühnerbrocken durchzogen – der Reis allerdings konnte überzeugen. Wir haben mit großer Lust versucht, herauszuschmecken, wie er gewürzt sein könnte. Minze war deutlich erkennbar, Nelken, möglicherweise Kardamom und Zimt ebenfalls. Wir wissen es nicht sicher – schön, wenn so ein Gericht sein kleines Geheimnis behält.

Mezze Nürnberg am Weinmarkt

Der Service ist flott, verbindlich und bemüht, an kleinen Details mangelt es. Sehr deutlich haben wir zu verstehen gegeben, dass wir uns alle Portionen teilen werden, die Vorspeisenteller und das Besteck wurden nach den Mezze dennoch nicht getauscht. Schön wäre auch gewesen, wenn die Hauptspeisenteller vorgewärmt gewesen wären, so waren die Gerichte zum Teil leider kalt. Solche vermeintlichen Kleinigkeiten verraten, dass der sonst nicht zu beanstandende Service dem Preisniveau des Restaurants nicht wirklich gerecht werden kann. Und weil ich gerade vom Preisniveau spreche:

Die (was positiv auffällt) wenigen Hauptgerichte auf der Karte bewegen sich in einem Preisrahmen von 16,90 Euro (vegetarisch) bis 25,90 Euro. Ein Bier, Efes, 0,33 Liter, kostet 4,50 Euro, 0,2 Liter Wein schlagen mit stattlichen 7,90 Euro zu Buche. Softdrinks gibt es nur als 0,2 Liter-Variante. Während die Hauptspeisen sich in einem normal-gehobenen Preisbereich bewegen, empfinde ich die Getränkepreise als unangenehm. Man möge allerdings nicht vergessen, dass die Portionsgrößen es aus meiner Sicht nötig machen, dass man mindestens eine Vorspeise wählt – die Mezze sind ja auch gastronomisches Programm und Konzept; das schlägt sich freilich auf der Rechnung nieder.

Das Fazit der fünf Personen, mit denen wir das Mezze besucht haben, fällt, wen wollte es wundern, ambivalent aus. Interessante Geschmäcker und ungewöhnliche Gewürzkombinationen in stilvollem Ambiente treffen auf alten Fisch und wenig appetitliches Huhn. Ein zurückhaltend-flotter Service trifft auf ungemütliche Hochstühle und das nervös flackernde LED-Licht im Keller. Man kann also schlecht sagen, man wolle dem Mezze keine Empfehlung aussprechen, reinen Gewissens weiterempfehlen möchte man das Restaurant, das die ein- oder andere angenehme wie unangenehme Überraschung für den Gast bereithält, aber auch nicht.

Wer einen Platz reservieren möchte und nicht gerne an den ungastlichen Hochstühlen Platz nimmt, sollte darauf bei der Reservierung explizit hinweisen. Im Keller gibt es auf der Stirnseite einige normal hohe Stühle und Bänke, an denen man gemütlich sitzen kann.

Mezze - Turkish Bar & Kitchen, Sitzplätze im Keller

Gemessen an der Portionsgröße und leider auch teilweise an der Qualität der Speisen ist das Mezze kein ganz billiges Restaurant. Den Benchmark, den in Nürnberg andere türkische und arabische Restaurants gesetzt haben, vermag man im Mezze bedauerlicherweise nicht zu überspringen. Das Ambiente hingegen ist zeitlos modern und angenehm, der Service verbindlich und auch schnell und die ein- oder andere Speise sticht auch geschmacklich positiv aus dem Angebot heraus.

Mezze, Weinmarkt 5, 90402 Nürnberg, Telefon 89 21 40 01

In memoriam Lothar König.

Viele meiner Leserinnen und Leser wird der Tod des Jenaer Pfarrers und Antifaschisten Lothar König mindestens getroffen haben. König wurde für sein konsequentes Engagement für die Menschenwürde, seinen ausdauernden und unermüdlichen Kampf gegen alte und besonders neue Nazis und seine unbändige, schier unendliche Kraft, sich für Gerechtigkeit und eine freie und offene Gesellschaft zu engagieren, weit über die Grenzen Deutschlands berühmt, selbst Springers Bildzeitung kommt nicht umhin, von „Deutschlands berühmtestem Pfarrer“ zu sprechen. Und so war König vielen ein Vorbild, auch und gerade, weil er für seine Ideale bis an die Grenze der Selbstaufgabe geradestand. König war Verfolgter des Ministeriums für Staatssicherheit, er war aber auch Verfolgter der sächsischen Justiz, die sich allzu bereitwillig und mit inzwischen allesamt aufgehobenen, rechtswidrigen Urteilen moralisch und ideologisch auf die Seite rechtsextremer Gewalttäter geschlagen hatte. Er wurde selbst Opfer von Gewalttaten Rechtsextremer und hat all dies geduldig ausgehalten – einer trage des anderen Last. Als konsequenter und widerständiger Kämpfer gegen den Faschismus und pointierter Theologe wird er mit seinem bedingungslosen Eintreten für Schwächere immer ein Vorbild bleiben.

2022 drehte sein Sohn einen viel beachteten und mehrfach preisgekrönten Dokumentarfilm, „König hört auf“, der einen überraschend jetztzeitigen König zeigt. Anlässlich seines frühen Todes möchte ich auf diesen Film hinweisen, der gerade in der ARD-Mediathek kostenlos zu sehen ist und leider bereits am 20. November, also in gut drei Wochen, depubliziert wird.

Ein kleiner Test: Was die KI über mich weiß – und was nicht…

Nachdem innerhalb dreier Wochen in unserem Haushalt zwei neue Mobiltelefone Einzug gehalten haben, ein Google Pixel 8 und ein Google Pixel 9, und diese, eines nativ, eines mit einer kleinen Nachinstallation, beide ja tief mit Googles AI-Assistenten Gemini ausgeliefert werden, bot sich natürlich die Gelegenheit, mit diesem Feature ausgiebig zu spielen.

Mit den gegenwärtig von der KI generierten Ergebnissen muss man recht vorsichtig sein, das dürfte gemeinhin bekannt sein. Es gilt also, die KI mit Inhalten oder Sachverhalten auszutesten, mit denen man sich gut, bestens, auskennt. Mancher googelt sich selbst und wir – wir haben recht spontan die KI bzw. die Assistenten nach uns selbst befragt.

Das mag nun ein wenig selbstreferenziell klingen (und vielleicht ist es das auch), doch für dieses Vorgehen spricht objektiv, dass ich ja sehr gut selbst beurteilen kann, ob die über mich dargebotenen Informationen zutreffend sind, oder nicht. Und ich muss mit einem gewissen Erschrecken feststellen, dass gerade manche politische Positionsbestimmung erstaunlich treffsicher, wenn vielleicht auch nicht in Gänze, wiedergegeben wird.

Diesen kleinen Test habe übrigens nicht ich gemacht, sondern ein enger Freund. Der hat auf seinem iPhone die Pro-Variante des Dienstes Perplexity laufen und war neugierig, die Ergebnisse dieses Anbieters mit den Ergebnissen von Gemini zu vergleichen. Wir saßen vor zwei Wochen zusammen im Biergarten und erkundeten mehr spielerisch und ohne ein definiertes Testsetting einfach die AI-Funktionen unserer Telefone. Im so einem Rahmen haben wir uns natürlich auch keine Gedanken über das Prompting gemacht (und im Falle von Gemini muss man das auch nicht, zumindest nicht dezidiert, denn der Dialog schlägt einem verschiedene Fragestellungen, mit denen sich ein Gegenstand tiefer erkunden lässt, gleich selbst vor). So denn – frisch ans Werk. Was sagt also Gemini zu meiner Person?

Michael Fohrn ist eine bekannte Persönlichkeit in den Bereichen Internet, Medien und Technik, insbesondere in der Region Nürnberg. Er ist häufig in der regionalen Berichterstattung zu finden und engagiert sich in der Medienpolitik. Seine Expertise erstreckt sich auf Technikkultur und er arbeitet mit verschiedenen Auftraggebern zusammen.

Nun gut, das mag so zutreffen. Ich selbst hätte meinen Bekanntheitsgrad hier durchaus etwas zurückhaltender bewertet, aber das machen Leute, die regelmäßig ihre Einschätzungen zu tagespolitischen Geschehnissen oder fachlichen Debatten öffentlich kundtun, gerne.

Es gibt ja auch so etwas wie einen Bekanntheitsgrad „über Bande“, da ist man den Leserinnen und Lesern vermeintlich bekannt, weil man auf unterschiedlichen Social-Media-Präsenzen aktiv ist und vor allem responsiv auftritt. Lassen wir das einmal so stehen, recht viel Neues ist hier ja bis jetzt nicht zu erfahren.

Gehen wir nun aber einmal ins Eingemachte – wofür stehe ich eigentlich, was sind meine Meinungen und Forderungen? Gemini sagt es uns:

Michael Fohrn ist für seine klaren und oft kritischen Standpunkte in der Medienpolitik bekannt. Er engagiert sich stark für eine offene und freie Internetkultur und setzt sich für Netzneutralität ein. Fohrn ist ein Befürworter von digitalen Bürgerrechten und warnt vor den Gefahren einer Überwachung im Internet.

Seine Meinungen sind häufig geprägt von:

  • Kritik an großen Tech-Konzernen: Er sieht in ihnen eine Gefahr für die Vielfalt im Internet und für die Privatsphäre der Nutzer.
  • Förderung von Open-Source-Software: Fohrn ist ein Anhänger von Open-Source-Lösungen und setzt sich für eine stärkere Verbreitung dieser ein.
  • Unterstützung von unabhängigen Medien: Er plädiert für eine Stärkung der unabhängigen Medienlandschaft und kritisiert die Konzentration von Medienmacht in wenigen Händen.

Das ist, für sich genommen, sehr zutreffend. Diese Treffsicherheit frappiert, sie erschreckt. Gut, meine Standpunkte sind vielfach in unterschiedlichsten Publikationen und diversen Posts in sozialen Netzwerken zu lesen – so gesehen ist obiges keine Überraschung; aber dass es dann doch trotz vielfältiger Betrachtungsgegenstände so zutreffend und knapp gefasst ist, erstaunt mich dann doch.

Im Kern ist das alles richtig. Meine politischen Forderungen sind, soweit sie dargestellt worden, sogar recht gut zusammengefasst. Hier ein weiteres Beispiel:

Netzneutralität ist ein Thema, das Michael Fohrn sehr am Herzen liegt. Er ist ein vehementer Verfechter einer offenen und freien Internetkultur, in der alle Daten gleich behandelt werden.

Was versteht er unter Netzneutralität?

  • Gleiche Behandlung aller Daten: Für Fohrn bedeutet Netzneutralität, dass alle Daten im Internet gleich behandelt werden sollten, unabhängig davon, wer sie sendet oder empfängt. Das heißt, Internetanbieter dürfen keine bestimmte Art von Daten bevorzugt behandeln oder blockieren.
  • Offener Wettbewerb: Netzneutralität ist die Grundlage für einen offenen Wettbewerb im Internet. Ohne Netzneutralität könnten große Unternehmen kleinere Konkurrenten benachteiligen, indem sie ihren eigenen Traffic bevorzugen.
  • Innovation: Netzneutralität ist ein wichtiger Treiber für Innovation. Wenn alle Ideen und Dienste gleichberechtigt im Internet verbreitet werden können, entsteht ein fruchtbarer Nährboden für neue Entwicklungen.

Warum ist Netzneutralität für ihn so wichtig?

  • Freiheit im Internet: Netzneutralität ist für Fohrn ein Garant für eine freie Internetkultur. Ohne sie könnten Internetanbieter die Inhalte, die wir im Internet sehen, kontrollieren und zensieren.
  • Demokratie: Netzneutralität ist ein wichtiger Baustein für eine funktionierende Demokratie. Ein offenes und freies Internet ermöglicht es den Bürgern, sich zu informieren, zu diskutieren und sich politisch zu engagieren.
  • Wirtschaft: Netzneutralität ist auch aus wirtschaftlicher Sicht von großer Bedeutung. Sie sorgt für einen fairen Wettbewerb und fördert Innovationen, die letztendlich der gesamten Wirtschaft zugutekommen.

Konkrete Forderungen:

Fohrn fordert unter anderem:

  • Verbot von sogenanntem „Zero Rating“: Dabei werden bestimmte Dienste von Internetanbietern kostenlos angeboten, während andere kostenpflichtig bleiben.
  • Transparenzpflichten für Internetanbieter: Internetanbieter müssen offenlegen, wie sie ihren Traffic behandeln.
  • Stärkung der Regulierungsbehörden: Die Regulierungsbehörden müssen über ausreichende Befugnisse verfügen, um die Einhaltung der Netzneutralität zu überwachen und durchzusetzen.

Okay, jetzt sind wir zumindest so spezifisch unterwegs, dass es sich lohnt, genauer hinzusehen: Auch diese Aussagen treffen erst einmal zu, zuvorderst freilich die Bewertung der Wichtigkeit und Bedeutung der Netzneutralität. Netzneutralität als zentralen Innovationsermöglicher und Garant des freien Wettbewerbes, das ginge schon zu weit und ich kann mich auch nicht erinnern, das einmal so geschrieben oder auf einem Panel gesagt zu haben – denn es fiele mir aus dem Stand weit mehr und bedeutenderes ein, was zu mehr Innovationen und zu einem freieren Wettbewerb führen würde. Wirtschaftlich verwertete Innovation ist immer von sozialer Innovation begleitet. Um zu gewährleisten, dass sie überhaupt entstehen kann und wirtschaftliche und soziale Innovation Hand in Hand gehen, sind in den Innovationsprozess wirklich und ausnahmslos alle Mitarbeiter im Unternehmen einzubinden. Wirklich freier Wettbewerb entsteht da, wo Wettbewerbsbedingungen bestmöglichen sozialen Standards unterworfen sind und Produktkosten und Produktionsfolgekosten nicht ganz oder teilweise von der Gesellschaft getragen oder aufgefangen werden müssen, während Gewinne in die Taschen weniger abfließen. Diese Fragestellungen zielen auf Partizipationsmöglichkeiten und Verteilungsgerechtigkeit ab – ohne Teilhabe und Gerechtigkeit kann kein nachhaltiger und sinnstiftender wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Fortschritt erlangt werden. Eigentlich ist das eine Binse und dennoch werde ich nicht müde, bei allen Einlassungen zu den vorgenannten und von der KI untersuchten Themen diese beiden zentralen Dimensionen in meine Betrachtungen immer gut erkenn- und reflektierbar einzuflechten. Dies sei nur als kleines Beispiel meiner Grundhaltungen genannt – es gäbe hier weit mehr zu schreiben…

Und hier bin ich bei einer zentralen Kritik an den von der AI getroffenen Statements: Diese über jeder meiner Betrachtungen schwebenden Dimension wird bei der Darstellung meiner Positionen und Forderungen keine oder nur unzureichend Beachtung geschenkt, weil das Modell schlicht nicht in der Lage ist, diese nicht in jedem Satz expressis verbis genannte Dimension mit dem Gesagten zu verknüpfen.

Das Modell scheint gegenwärtig zudem bisher nicht in der Lage zu sein, eine der einzelnen Forderung innewohnende und in der Vielzahl der Forderungen problemlos erkennbare conclusio als quasi kleinsten gemeinsamen Nenner zu subsumieren. Damit sind die gefassten Aussagen auf der einen Seite formal richtig und auf der anderen Seite dennoch so verkürzt, dass man annehmen muss, dass das Modell außerstande ist, die hinter den Aussagen und Forderungen stehende Haltung sichtbar zu machen.

Zufälligerweise ist mir heute ein Artist/AI-Meme über den Bildschirm gescrollt, das das, was ich gerade geschrieben habe, sehr schön illustriert, wenn auch auf eine andere, als die ursprünglich intentionierte Art.

Artists and AI-Meme, via Irene Buzarewicz

Während dieses Meme freilich kritisiert, dass sich die AI aus der Arbeit des „fischenden“ Künstlers (kostenlos) bedient und sich damit seine Arbeitsleistung aneignet, kann man dieses Meme aber noch sinnerweitert lesen: Die Künstlerkatze fischt im „Meer der Möglichkeiten“ nur bestimmte Fische, die, die sie mag und attraktiv findet, die ihr essbar erscheinen oder die, derer sie habhaft werden kann. Damit schöpft sie aus der Vielfalt.
Bedient sich die KI nun nicht aus dem „Meer der Möglichkeiten“, sondern aus dem Eimer der Künstlerkatze, hat sie in jedem Fall ein Ziel erreicht – sie hat den Fisch. Sie beraubt sich damit aber der Möglichkeit, alle verfügbaren Fische zu fangen und bleibt darauf angewiesen, welchen Fisch die Katze gerade geangelt hat; das Bild verengt sich, aus vielen möglichen Fischarten wird ein, werden zwei, bestenfalls eine Handvoll Fische. Dieser Tage hat das auch Felix von Leiter in seinem Blog kritisiert: Er sagte, KI liefere nicht zwingend Ergebnisse, die richtig sind, sondern solche, die mutmaßlich von der Zielgruppe erwartet würden.

Nun müsste man freilich zugrunde legen, dass die KI wirklich so arbeitet, dass sie außerstande ist, im Meer der Informationen zu fischen und sich nur des Kondensats, den Ergebnissen von Künstlern, Kulturschaffenden und Journalisten bedient. Das stimmt freilich so nicht. Aber die KI hat das Problem der Verifizierung, sie kann aus sich heraus auch nur bedingt die Plausibilität und den Wahrheitsgehalt der von ihr erzeugten Aussagen kontrollieren. Sich nun künstlerischer oder journalistischer Arbeiten seröser und gut beleumundeter Leute oder Organisationen zu bedienen, mag dieses Problem nicht lösen, „verdünnt“ es aber. Und so erhalten wir eben auch „verdünnte“ Inhalte.

Und das gilt auch für die Abfrage zu meiner Person. Denn, wer hier mitliest weiß, dass mein netzpolitisches Engagement nur einen kleinen Teil meiner vielfältigen Betätigungen und Interessen abbildet. Wie lässt sich dieses Problem sinnstiftend lösen? Ich weiß es nicht. Für meinen Teil werde ich in den nächsten Tagen wohl eine Art „Kurzbiografie“ hier einbauen, die auch Bezug auf meine Haltung zu bestimmten Themen nimmt und diese in möglichst eindeutige Statements kleidet. Mal sehen, was die KI dann daraus bastelt.

Elektronische Patientenakte: Widersprechen!

Dieser Tage erreichte mich ein Schreiben der Ortskrankenkasse, in dem man mir mitteilte, dass bereits Anfang nächsten Jahres die sogenannte elektronische Patientenakte kommen wird. Genau genommen wird sie ja nicht kommen, es gibt sie bereits heute – allerdings nur für all jene, die sie sich proaktiv bei ihrer Krankenkasse haben freischalten lassen. Und das haben, aus gut nachvollziehbaren Gründen, bislang nur sehr wenige Versicherte getan.

Nun, auch das ist Teil des Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens, muss man aber, wenn man keine zentral gespeicherte elektronische Patientenakte haben möchte, aktiv bei der Krankenversicherung widersprechen – in meinen Augen ein Ärgernis. Denn damit steht zu erwarten, dass viele Mitbürger, die entweder nicht verstehen, worum es geht, die Information aufgrund sprachlicher oder anderer Barrieren nicht under nur unzureichend erhalten haben, kein Interesse an der Thematik haben oder sich gegenwärtig einfach noch nicht entscheiden wollen (was eigentlich jedermanns gutes Recht ist), in die Akte gezwungen werden.

Gegen die ePA spricht so manches – ich kann hier natürlich nur meine persönlichen Bedenken artikulieren und keine allgemeinen Ratschläge erteilen, so zum Beispiel, dass ich in eine zentrale Speicherung meiner sensiblen Gesundheitsdaten keinerlei – wirklich absolut keinerlei – Vertrauen habe. In Deutschland sind große IT-Projekte in der Vergangenheit regelmäßig mit Ansage und Anlauf (nennen wir es mal euphemistisch) verkackt worden. Funklöcher allerorten, das gescheiterte PKW-Mautsystem, De-Mails, die kaum Akzeptanz genießen…, die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Eine zentrale Datenhaltung so sensibler Daten wie Gesundheitsdaten verbietet sich meines Erachtens, denn wer wollte schon für die Sicherheit und Integrität dieser Daten ernsthaft garantieren? Und wir alle wissen: Wo ein Trog ist, da kommen die Schweine. Diese große Datensammlung ist sicher nicht nur für Forschende, sondern auch Arbeitgeber, Versicherungen, Vermieter… interessant – also für Leute, denen solche Daten besser niemals zur Kenntnis gelangen sollten.

Wir wissen nicht, wer uns in Zukunft regieren wird. Wir können uns aber ausrechnen, dass diese Daten von einer FDP-Regierung höchstwahrscheinlich verkauft würden und die Gewinne in den Taschen der Konzerneigner versickern würden. Wir können uns ausrechnen, dass diese Daten von einer AfD-Regierung Faschisten zur Selektion von Menschen verwendet wird, um sie ihrer Rechte zu berauben oder gar sie zu töten. Wir können uns ausrechnen, dass CDU und SPD mit diesen Daten das weitere Schleifen von Arbeitnehmerrechten betreiben werden. Das alles wird dann erschwert oder verunmöglicht, wenn diese Daten erst gar nicht zentral anfallen oder abgerufen werden.

Ebenso gruselig ist die Vorstellung, dass die sogenannte „KI“ eines Tages über die Verteilung knapper Medikamente oder Krankenhausbetten entscheiden wird. Die Bedeutung der Triage ist uns zu Beginn der Corona-Pandemie deutlich zu Bewusstsein gekommen. Wer in Zukunft verhindern will, dass eine von den Reichen und Mächtigen betriebenen und in ihrem Interesse programmierte KI mit Lern-Algorithmen, die auf deren Weltsicht und Grundannahmen basiert, im Falle von Pandemie, Krieg oder wirtschaftlichen Verwerfungen triagiert, der tut dies immer noch am effektivsten, in dem er bestimmte Daten gar nicht anfallen lässt.

Auch wenn das vorgenannte Gesetz in entscheidenden Teilen der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit nicht standhalten wird, so wird die elektronische Patientenakte gegenwärtig ausgerollt – und daher ist für all jene, die ihre empfindlichen Gesundheitsdaten nicht zentral gespeichert wissen wollen, nun die höchste Zeit gekommen, der Einrichtung einer ePA bei der Krankenkasse aktiv zu widersprechen.

Nicht nur datenschutzbewusste Menschen und Verfechter der informationellen Selbstbestimmung wenden sich gegen die ePA, auch Ärzte sind alles andere als begeistert. Manche äußern ihre Kritik verhalten, andere fordern ihre Patienten sogar öffentlich auf, der ePA zu widersprechen.

Einen wirklich tiefen, gut verständlichen Einblick lieferte der Kölner Hausarzt Dr. med Stefan Streit anlässlich der letzten GPN.
In einem rund einstündigen Vortrag zeigt Streit die Gefahren der ePA auf, auch wenn er vom Nutzen eines – nur vernünftig geregelten – digitalen Systems grundsätzlich überzeugt ist.

Das sehr interessante Video kann auf den Seiten des CCC oder auf Youtube angesehen werden.

Eine kleine Anekdote am Schluss: Auch wenn dieses Thema in der gegenwärtigen Berichterstattung kaum Beachtung findet, sind die Leute durch den Pflichtbrief der Krankenkassen alarmiert. Gestern im Wirtshaus kam das Gespräch recht unvermittelt auf das Thema – und siege da: Nicht ich allein widerspreche dieser gefährlichen zentralisierten Datensammelei. Ich kann jeden meiner Leser*innen daher nur bitten: Sucht das Gespräch mit Euren Mitmenschen und klärt sie darüber auf, wie gefährlich die neue Patientenakte kurzfristig jedem Einzelnen werden kann – denn: Das Thema ist in den Köpfen bereits angekommen, leider aber bisher nicht besonders viel Information.

Weiterführende Links:
Die taz hat eine kurze und knackige FAQ veröffentlicht, die schnell und übersichtlich informiert.
MDR: „Jurist empfiehlt Widerspruch gegen die elektronische Patientenakte“.
Bericht beim Deutschlandfunk.

Last but not least beinhaltet dieser Bericht von Heise auch die Links zu Widerspruchsformularen bei den größten Krankenkassen – sehr nützlich!

Armut.

Zwei Fakten, schmerzlich, unumstößlich, unverhandelbar:

Armut ist eine politische Entscheidung. Armut ist politisch gewollt. Und:

Armut tötet.

Wirtshaus-Explorer: Hidden Kitchen in Muggenhof

Im besten Wortsinne gut versteckt in der Tassilostraße im (von mir – zumindest bis heute – als wenig hip wahrgenommenen) Stadtteil Muggenhof unweit der Stadtgrenze liegt ein gastronomisches Kleinod, das die Nürnberger Restaurantszene auf interessante Weise bereichert. Es ist weniger das Ambiente der „Hidden Kitchen“, das mich so nachhaltig beeindruckt hat, sondern das Speiseangebot und die Form der Präsentation. Aber der Reihe nach…

Orientalische Cross-over-Küche liegt gerade voll im Trend, besonders dann, wenn die Gerichte als Mezze, also den Tapas ähnlich, auf kleinen Vorspeisentellern angerichtet werden. Diese stellt man dann in die Mitte des Tischs und hat so nicht nur einen wunderbar bunten und vielfältigen shared table, sondern auch einen unglaublich kommunikativen Abend.

Die Hidden Kitchen bietet zwei Voraussetzungen, dass der Genuss der Mezze auch ein tatsächlicher Genuss ist: Zuerst einmal gibt es „Running Mezze“, also eine Art „all you can eat“, aber eben nicht in Buffetform, sondern mit Tischservice, außerdem werden Tische nicht in Zeitslots vergeben (wie inzwischen leider viel zu oft), sondern man kann in aller Ruhe und ohne Zeitdruck sitzen bleiben. Wer möchte, kann aber auch selbstverständlich à la carte speisen.

Das Konzept des Mezze-All-You-Can-Eat ist schnell erklärt: Es kostet pro Person knapp 28 Euro und ist als shared table gedacht, je nach Gästezahl am Tisch sind die Portionen der jeweiligen Mezze eben größer oder kleiner. Es wird eine Vorauswahl an den Tisch gebracht, jeder Gast kann entscheiden, ob er vegetarisch, vegan oder normal essen möchte. Was leer ist und schmeckt, kann jederzeit nachbestellt werden. Zuerst werden Vorspeisen und hausgebackenes Fladenbrot an den Tisch gebracht, danach serviert der flotte Service nach und nach die Mezze. Das ist eine wirklich entspannte und entschleunigte Art des Essens, die alle belohnt, die gerne etwas Neues entdecken.

Besonders interessant ist die Vielfalt veganer Mezze, hier werden unter anderem ganz klassisch Hummus, Baba Ganoush und gebackene Falafeln gereicht, es gibt aber auch eine sehr schmackhafte Paste von Roter Bete, Shawandar, diverse Oliven und eine sehr feine, dezent scharfe Paste namens Muhammara aus Paprika, Zwiebeln, Tomaten und Walnüssen, Kichererbsensalat und Tabouleh. Aber auch Vegetarier kommen mit dem hausgemachten weißen Käse, Mutabbal und Makdous (beides auf Grundlagen von Auberginen) und einem etwas seltsamen kalten Blumenkohl an einer Art Käsesoße auf ihre Kosten. Wirklich fleischlastig sind die Mezze nicht, wer möchte, dem serviert man gegrillte Hähnchen- und Kebapspieße, Albondigas (Lammhackbällchen in Tomatensoße) und es wird auch Hühnerfleisch in einer Soße auf Basis des hausgemachten Weißkäses angeboten. Dazu werden vielfältige Salate, Couscous und ein besonders interessant gewürzter Reis, Mandi, serviert. Letzterer hat es mir aufgrund seiner speziellen Würzung und subtilen Schärfe besonders angetan und so fragten wir, wie er denn zubereitet werde. Das bleibt freilich das Geheimnis des Hauses, es sei aber so viel verraten, dass er neben der Verfeinerung mit Safran auch über einem Kohlenfeuer geräuchert wird. Diese Zubereitungsart, so erklärte man uns, lehne sich eng an die traditionelle jemenitische Küche an.

Vermisst haben wir lediglich die Datteln im Geflügelbacon und die Garnelenmezze, diese waren nicht Bestandteil des „Running Mezze“-Angebots. Geschmacklich waren alle Mezze mindestens interessant, die meisten schmeckten ausgezeichnet – und angesichts der Vielfalt am Tisch fand jeder schnell seinen Favoriten. Und so ist das Essen in der Hidden Kitchen nicht nur eine sehr kommunikative Angelegenheit, sondern auch ein in ungekannter Vielfalt nicht ganz alltäglicher Genuss.

Was man wissen muss, ist, dass weder Schweinefleisch noch Alkohol angeboten werden. Alkoholfreies Helles von Zirndorfer bekommt man aber, genauso wie Softdrinks, Säfte und Saftschorlen.

Der Service ist aufmerksam, fragt alle Gäste nach Unverträglichkeiten und Allergien und erklärt jeweils kurz, worum es sich bei den Gerichten, die da an den Tisch kommen, handelt.

Die Hidden Kitchen bietet sowohl im Innen-, als auch im Außenbereich viel Platz – wir waren überrascht, wie weitläufig der Hinterhof sich in die Wohnbebauung erstreckt. Das Restaurant dürfte etwa im Jahre 2022 eröffnet haben, zuerst (da kann mich aber meine Erinnerung trügen) als Pop-Up-Gastronomie, mittlerweile aber ist die Hidden Kitchen fester Bestandteil der Muggenhofer Wirtschaftsgeografie. Und der Zuspruch ist groß, man sollte auf jeden Fall einen Tisch reservieren.

Hidden Kitchen, Tassilostraße 10, 90429 Nürnberg, (0911) 384 51 778. Bild 5 und 6 dieses Beitrags mit freundlicher Genehmigung von Karl Heindel.

Test: Raddy RF757 – Ein Kurzwellenradio mit schier unendlichen Features

Was? Schon wieder eine Rezension über ein Raddy-Radio? Ja, denn der Hersteller Raddy (das ist die Radiosparte des Funktechnikherstellers Radioddity) liefert für knapp unter 100,- Euro ein kompaktes Gerät, das mit wahnsinnig vielen Features ausgestattet ist.
In Deutschland ist das Radio seit Mai 2024 in verschiedenen Shops verfügbar, es lohnt sich also, einen genaueren Blick auf diesen interessanten, brandneuen Weltempfänger zu werfen.Raddy RF757

Und um das dem Test voranzustellen – es gibt zwei für mich sehr interessante Features, die mich bewogen, dieses Gerät zu besorgen und darüber zu schreiben: Zuerst einmal ist das RF757 mein erstes per App steuerbares Radiogerät; ich bin einfach ein neugieriger Mensch und möchte herausfinden, ob die App-Steuerung einen echten Mehrwert für mich bringt. Und zum anderen interessiert mich die Aufnahmefunktion. Meine anderen Kurzwellenradios verfügen leider nicht über eine solche, um ehrlich zu sein werde ich sie wohl auch nicht oft benötigen, aber gelegentlich hätte ich es schon interessant gefunden, einfach auf “Record” zu drücken und das ein- oder andere Empfangserlebnis aufgezeichnet zu haben. Diese Lücke soll dieses kompakte Radio nun also schließen.

Kommen wir aber zuerst einmal zu den wichtigsten technischen Daten. Folgende Frequenzbereiche werden empfangen:

UKW: 87.5-108 MHz sowie 64.0-108 MHz, mono und stereo
VHF/UHF: 25.0-999.0 MHz, FM
MW: 520-1710 kHz sowie 522-1710 kHz AM im 9 kHz / 10 kHz-Raster
KW: 3.2-30.0 MHz, AM, Raster 0.005MHZ
AIR-Band: 118.0-138.0 MHz, AM
Weather Band: 162.400-162.550 MHz, FM (hat hierzulande keine Relevanz)

Mit einem Gesamtgewicht von etwa 250 Gramm inkl. Akku ist das Radio relativ leicht. Es verfügt über einen 3,7 Volt-Standardakku (Rundzelle) mit 2500 mAh Kapazität, der problemlos getauscht werden kann. Das schätze ich sehr, denn wer seine Radios oft und gerne verwendet, wird früher oder später mit einem Kapazitätsverlust des Akkus konfrontiert sein. Hier schnell und günstig standardisierten Ersatz beschaffen zu können, ist ein echtes Feature (und sollte, Stichwort “geplante Obsoleszenz”, eigentlich selbstverständlich sein – ist es aber leider nicht!).
Geladen wird das Radio per USB-C, das empfinde ich ebenfalls als einen Vorteil. Allerdings (wie so oft bei Geräten chinesischer Provenienz) ist die USB-C-Buchse nicht ganz standardgerecht ausgeführt – das Gerät akzeptiert nur einen Ladestrom von 1 A (werden potentere Ladegeräte angeschlossen, lässt sich der Akku nicht aufladen; ich finde, das sollte man wissen, um nicht einfach mit seinem aktuellen Handylader in den Urlaub zu fahren und dann das Radio nicht laden zu können).

Zu den Funktionen, die man bei so einem Gerät immer häufiger antrifft, gehört, dass das Radio auch als Bluetooth-Lautsprecher verwendet werden kann (alle drei Raddy-Geräte in meinem Besitz haben diese Funktion) und sich zudem Musik von der micro-SD-Karte wiedergeben lässt. Das RF757 mountet Karten mit einer Speichergröße von bis zu 256 GB und gibt die Formate MP3, WMA, WAV, APE sowie FLAC wieder. Neben diesen Features verfügt das Radio weiterhin über eine helle und damit annehmbare Taschenlampe und eine recht laute Notfallsirene (die man vermittels Schiebeschalter der Taschenlampe anschaltet und die man daher auch versehentlich mal aktiviert).

Ein kurzer Blick auf den Lieferumfang: Neben dem Radio, dem Akku und der Bedienungsanleitung findet sich ein mehr oder weniger brauchbarer Stereo-Ohrhörer, eine Handschlaufe und eine Drahtantenne für Kurzwelle und das USB-C-Ladekabel (nicht aber der Netzadapter) in der Schachtel.

Zur App-Steuerung: Das Gerät arbeitet mit einer App namens “Android-c”, die im Wesentlichen das Display und die Bedienelemente des Radios auf dem Handybildschirm abbildet. Sie ist im engeren Sinne also nichts anderes, als eine Fernbedienung für das Radio. Und als solche ist sie weitestgehend entbehrlich. Ich hätte erwartet, dass man per App Frequenzen programmieren, Timer setzen und ähnliche Funktionen mit dem Komfort eines Smartphones bedienen kann, das ist jedoch leider nicht der Fall. Ein Screenshot der "Radio-c"-App unter AndroidAktiviert man beim RF747 die Bluetooth-Funktion, so bekommt man am Handy zwei Bluetooth-Geräte angezeigt – eines ist die Verbindung zur Ansteuerung des Radios, die andere Bluetooth-Verbindung verhält sich wie ein Headset, man kann das Radio also als Freisprecheinrichtung verwenden und Musik über den Lautsprecher wiedergeben lassen. Diese Trennung der BT-Verbindungen ist eigentlich ganz schlüssig, gerade bei der Verbindung mit der Radio-C-App hatte ich allerdings immer wieder meine Probleme – zumindest dann, wenn man der App nicht dauerhaft gestattet, den Standort des Geräts abzufragen. An einer Stelle war mir die Steuerung per Software dennoch ganz angenehm, und zwar dann, wenn es um die Aufnahmefunktion geht. Diese lässt sich per App starten und stoppen und zeigt auch die gegenwärtige Dauer der Aufzeichnung an. Ersteres geht freilich auch am Radio, letzteres liest man nur in der App komfortabel ab.

Und damit komme ich auch schon zur Bedienung: Wie bei allen vernünftigen Kurzwellenradios haben wir es auch beim Raddy-Radio mit einem Gerät mit einer gewissen Komplexität zu tun. Man muss sich erst einmal an die Bedienung gewöhnen und sich mit den Funktionen vertraut machen. Zu behaupten, das Radio ließe sich einfach bedienen, wäre sicher nicht ganz richtig. Hat man sich aber einmal der Logik eines solchen Geräts geöffnet, kommt man recht gut damit klar. Irgendwie kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass beim Design dieses Radios die Weltempfänger von Sony Pate gestanden haben. Das Display des RF757 ist sehr auskunftsfreudig und nur bedingt gut abzulesen. Obwohl es gleichmäßig hintergrundbeleuchtet ist und die Blickwinkelstabilität für so ein klassisches Flüssigkeitskristalldisplay ganz prima ist, sind die vielen Symbole schon reichlich klein – Lesebrille bereithalten! Alle Betriebsmodi werden angezeigt, zudem verfügt das Radio über ein Thermometer, welches die Umgebungstemperatur anzeigt.
Die Frequenzabstimmung erfolgt nicht nur mit den großen Pfeiltasten, der Direkteingabe über die Zifferntastatur oder frei definierbare Frequenzsprünge, es gibt zusätzlich auch noch einen rückseitig hochkant verbauten, drehbaren Abstimmknopf mit fühlbarer Rasterung. Dieser Abstimmknopf, von Raddy als “seamless fequency control” bezeichnet, ist leider nicht ganz so “seamless”, wie der Name glauben macht: Bei jedem Rasterpunkt durchs Frequenzband ist der Empfang für einen ganz kurzen Moment, einen Sekundenbruchteil, unterbrochen. Man kann an diesem Empfänger also nicht so “durchkurbeln”, wie man das von analogen oder sehr hochwertigen digitalen Empfängern gewohnt ist. Ja, gewohnt… Für mich ist das schlicht eine Frage der Gewöhnung, mein letztes analoges Kurzwellenradio hatte ich 1999. Ab dann war die Abstimmung immer digital. Aber aus Gesprächen mit einem Radiofreund weiß ich, dass für manchen dieses analoge Feeling echt wichtig ist. Irgendwie kann ich das auch verstehen, die alten Kurzwellenprofis verlassen sich gerne eher auf ihr geschultes Gehör, als auf eine mehr oder weniger hohe Selektivität eines automatischen Bandscans.Raddy RF757

Zum Empfang: Den Empfang betreffend macht das Radio gerade auf der Kurzwelle eine hervorragende Figur. Ich würde den Empfänger, sofern man die mitgelieferte Drahtantenne (Länge rd. drei Meter) verwendet, sogar als ausgezeichnet und schön empfindlich bezeichnen. Alle hier hörbaren Auslandssender werden klar und laut empfangen, lediglich das Fading macht bei diesem Radio deutlich mehr Probleme, als beispielshalber bei meinem Tecsun-Radio, das ich hier ja auch schon mal beschrieben habe. Der Kurzwellenscan geht superflott, lange Kurbeln durch die Bänder kann man sich sparen, natürlich kann man auch die Frequenzen direkt eingeben. Daumen hoch, mit dem RF757 lässt sich sehr ordentlich Radio hören.
Im Mittelwellenbereich ist das Radio allerdings verhältnismäßig taub, ein Problem, dass ich bei allen drei Raddy-Geräten wahrgenommen habe. Mich wundert ein wenig, dass der Mittelwelle in anderen Tests ein guter Empfang attestiert wird – ich habe ihn offen gesagt als eher mittelmäßig wahrgenommen.
Der Empfang im AIR-Band ist auch überraschend gut und klar, allerdings muss ich dazu sagen, dass ich keine vier Kilometer vom Nürnberger Tower entfernt wohne, da sollte auch ein entsprechend guter Empfang gewährleistet sein.
Im UKW-Band ist wieder alle prima, die Local/Distant-Schaltung funktioniert auch hier ausgesprochen gut.

Klang: Von einem so kleinen Gerät mit noch viel kleinerem Lautsprecher erwartet man hinsichtlich des Klangs keine Wunder – doch gerade in dieser Disziplin vermag der kleine Kasten zu überraschen. Denn der Lautsprecher klingt für seine Größe durchaus voll und angenehm. Raddy hat es sich nicht nehmen lassen, den Lautsprecher separat verkapselt zu verbauen und geräterückseitig einen klitzekleinen Bass-”Radiator” mit Passivmembran einzubauen. Ein lustiges Feature, das nun nicht allzu viel Gewinn bringt, den Ton dennoch ein wenig stützt. Nun liefert der Lautsprecher weder einen kräftigen Bass, noch möchte man mit diesem Radio ausdauernd Musik hören, trotzdem klingt es für seine Größe recht erwachsen, die Sprachverständlichkeit ist prima.Raddy RF757 - Rückseite

Aufnahmefunktion: Micro-SD-Karten mit einer Speicherkapazität von bis zu 256 GB soll das Radio mounten können – leider habe ich das nicht probiert, weil ich entweder nur größere oder wesentlich kleinere Karte zur Hand hatte. Mit einer 64 GB-Karte, die im Normalfall für die Aufzeichnung eine ganze Weile reichen sollte, funktioniert alles bestens. Die Aufnahme klappt auf allen Frequenzbändern, während der Aufzeichnung sind alle Tasten, außer der Lautstärkeregelung, gesperrt.

Aufgezeichnet wird im MP3, bei 44.1 kHz und 160 kbps, stereo. Jetzt ist bei einer analogen Aufnahme hier freilich eine Art Limiter oder “auto level control” aktiv, die macht aber einen super Job. Ungünstigerweise wird in den Metadaten der Audiofiles nicht hinterlegt, wann oder auf welcher Frequenz die Aufnahme gemacht wurde. Bei vielen aufgenommenen Files auf der Karte wird das nach einiger Zeit zum Ratespiel. Und dennoch: Die Aufnahmefunktion ist ein tolles und gut umgesetztes Feature.

Verarbeitung: Für sich genommen ist die Verarbeitung des kleinen Geräts recht ordentlich und bietet nur bei genauerem Hinschauen Anlass zur Kritik. Im Rahmen eines so ausführlichen Tests allerdings möchte ich mir doch die Zeit nehmen, tatsächlich einmal genauer hinzuschauen und da fallen zwei Punkte ins Auge: Das Gehäuse ist nicht ganz verwindungsfrei und weist mehrere kleine, aber unschöne Spaltmaßabweichungen zwischen Vorderschale und Gehäuserückseitenteil auf. Das ist technisch erst mal kein Problem, alles funktioniert erwartungsgemäß prima, mindert aber dennoch den optischen Eindruck. Dieses Manko bemerkt man aber nur bei sehr genauem Hinsehen. Der zweite Kritikpunkt ist die wirklich lumpige Ausziehantenne. Sie besteht aus vielen Segmenten und die sind teils recht biegsam und dünn. Das wäre sicher etwas besser gegangen. Auch die Hintergrundbeleuchtung des Tastenblocks fällt sichtbar unregelmäßig aus. Alles andere hingegen ist tadellos verarbeitet, insgesamt macht das Gerät nicht nur einen guten, sondern robusten Eindruck.

Fehlt etwas? Nun, es gibt mehrerlei, was ich mir von so einem Multifunktionsradio noch wünschen würde: Zum einen wäre da ein DAB+-Band. Ja, ich mag analoge Technik und bin nach wie vor fasziniert von der Kurzwelle, DAB+ ist aber im Alltagsgebrauch einfach verdammt praktisch. Und DAB-Empfang würde den Nutzwert so eines Geräts sehr steigern. Auch ein Langwellenband fände ich prima. Die Langwelle dümpelt gerade ziemlich vor sich hin, in Europa gibt es nur noch Sender in Großbritannien, Polen, Rumänien und Norwegen, aber aus nostalgischen Gründen fände ich es schon interessant, während des Urlaubs mal wieder Langwelle zu hören (früher, Anfang, Mitte der 90er bis in die 2000er habe ich oft den DLF auf Langwelle gehört, öfter als auf Mittelwelle). Bei der Aufnahmefunktion wünsche ich mir eine Timeraufnahmefunktion – gerade in Verbindung mit der App-Steuerung stelle ich mir das auch komfortabel programmierbar vor. Das Radio selbst bringt ja einen Wecker und einen Sleep-Timer mit, das wären doch ideale Voraussetzungen, um zumindest rudimentär eine programmierbare Aufnahmefunktion zu integrieren. Wenn hier jemand von Raddy mitliest – ihr wisst, was ihr zu tun habt! Was allerdings ein echtes Manko ist, ist das Fehlen von SSB. Das sollte so nicht sein, die preisgleiche Konkurrenz von Tecsun etwa ist grundsätzlich mit SSB-Empfang ausgestattet. Und dann wäre natürlich noch chic, wenn das Radio nicht bei der Abstimmung bei jedem Frequenzschritt für den Bruchteil einer Sekunde muted, sondern sich einfach “durchkurbeln” ließe. Diese Funktion bleibt aber offensichtlich nur teureren Geräten vorbehalten.

Fazit: Mit der Firma Raddy hat ein neuer, fernöstlicher Akteur die Bühne der Hersteller kompakter, ernst zu nehmender Kurzwellenradios betreten. Mir gefallen die Tecsun- und Sangean-Geräte hinsichtlich ihres Bedienkonzepts und der Verarbeitungsqualität zwar besser, das ist aber auch immer ein wenig eine Frage des eigenen Geschmacks. Und letztlich ist das Raddy-Gerät mit einem Straßenpreis von etwas unter 100,- Euro auch recht günstig, vor allem, wenn man hier die vielfältigen Features des Radios bedenkt.

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