In Nürnberg gibt es seit geraumer Zeit eine Initiative, die sich für einen für alle bezahlbaren, attraktiven öffentlichen Nahverkehr starkmacht. Kern der Bestrebungen ist das sog. „365-Euro-Ticket“. Dieses Unterfangen ist, wie sich gerade herausstellt, ein langwieriger Prozess voller Hürden. Und dennoch scheint ein Erfolg greifbar. Grund genug, in einem ausführlichen Beitrag einmal genauer hinzuschauen und über das „Wiener Modell“, das der Nürnberger Initiative Pate stand, aber auch die hiesigen Besonderheiten nachzudenken.
Bevor ich meinen Blick nach Nürnberg wende, komme ich auf den Nahverkehr in Österreichs Hauptstadt Wien zu sprechen. Der hat es nämlich in sich: Er ist recht großräumig ausgelegt, man fährt auf den Hauptlinien, also der U-Bahn und Straßenbahn, zum Teil beachtlich enge Takte und die Wiener schätzen ihre Wiener Linien nicht nur wegen des guten Angebots und der Pünktlichkeit, sondern auch…
…weil es in Wien etwas gibt, das hierzulande geradezu revolutionär klingt: Ein Abonnement, bei dem eine Person ohne Einschränkungen den Nahverkehr benutzen kann, sooft sie will – zum Preis von einem Euro pro Tag, ohne Ausschlusszeit. Bereits im Mai 2012, also annähernd vor zehn Jahren, hat die rot-grüne Stadtregierung diese Tarifbesonderheit beschlossen. Seinerzeit war das ein Wagnis, denn zuerst einmal bedeutete der als „Wiener Modell“ bekannt gewordene Abonnementtarif ein großes finanzielles Risiko. Würden sich die Abonnentenzahlen nicht erheblich erhöhen, hätten die Mindereinnahmen durch den Fahrkartenverkauf ein mehr als großes Finanzloch in die Kasse des kommunalen Eigenbetriebs gerissen. Passiert ist aber genau das Gegenteil: Die Wiener Linien gewannen im ersten Jahr nach Einführung des Jahrestickets rund 140.000 Neukunden hinzu, von 2012 bis 2018 gewann man sogar über 400.000 Neukunden. Damit nutzen heute knapp 800.000 Menschen den Nahverkehr in der Stadt Wien und im Umland mit einer Jahreskarte. Ein gigantischer Erfolg, den sich selbst die stärksten Befürworter des „Wiener Modells“ so nicht zu erträumen gewagt hätten. Anders ausgedrückt: In Wien gibt es heute mehr Inhaber einer gültigen Jahresmarke für den ÖPNV als zugelassene Autos. Und die Wiener Linien fahren profitabel, weil sie gut ausgelastet sind.
Wien hat in dieser Zeit sein Netz kontinuierlich ausgebaut und die Takte verdichtet. Das geht, auch das ist ein Teil der Wahrheit, nicht ohne Zuschüsse. Gemessen an der Größe des Verkehrsraums Wien (die Stadt Wien hat allein knapp viermal mehr Einwohner als Nürnberg), an den Investitionen (es wurde beispielshalber mit dem Bau einer weiteren U-Bahnlinie begonnen, was naturgemäß hohe Baukosten mit sich bringt), nehmen sich diese Zuschüsse für deutsche Verhältnisse lediglich moderat erhöht aus. Der städtische Zuschuss zur VAG, dem kommunalen Verkehrsbetrieb der Stadt Nürnberg, beträgt pro Jahr etwa 70 Millionen Euro (Quelle, Seite 41). Im mit 1,9 Millionen Menschen bevölkerten Wien werden jährlich um die 170 Millionen Euro zugeschossen (Quelle, Achtung, es werden Zahlen von 2015 und 2017 verglichen, der Unterschied, der innerhalb zweier Jahre entsteht, dürfte für eine Darstellung der Größenverhältnisse aber vernachlässigbar sein). Auch in Nürnberg fiel ein Ausbau der U-Bahn-Linie 3 in den Betrachtungszeitraum. Im Detail muss der Vergleich beider Städte hinken, in seiner Gesamtheit und auf die jeweilige Bevölkerungszahl skaliert, scheint er mir aber fair – es bleibt festzustellen, dass das 365-Euro-Ticket in einer Vielzahl an Gesichtspunkten erfolgreich ist. Mit zum Erfolg der Wiener Linien und damit auch indirekt zur Attraktivität des Jahrestickets tragen aber auch noch zwei andere Faktoren bei, von denen man in Deutschland unabhängig vom 365-Euro-Ticket lernen kann: Die Wiener Linien haben selbst in den Boomphasen des innerstädtischen Autoverkehrs ab den 1960er-Jahren, also seit Beginn der Massenmotorisierung, nie aufgehört, den ÖPNV sukzessive auszubauen. Es mag Jahre gegeben haben, in denen in Wien wenig vorangegangen ist, einen Rückbau des ÖPNV in größerem Stil gab es aber nie. In Nürnberg wurden beispielshalber in diesen automobilen Boomphasen viele Straßenbahnlinien stillgelegt (bis heute sieht man noch in manchen Straßen „tote“, also noch nicht zurückgebaute Straßenbahngleise). Weil in Wien in der Vergangenheit solche planerischen Fehler nicht begangen wurden, sind knapp 50% der Stadtfläche an die (Nahverkehrs-)Schiene angebunden, was technisch eine schnelle und zuverlässige Versorgung ermöglicht.
Kurz gesagt: Wien ist derzeit auf einem recht guten Weg hin zur Verkehrswende. Und Wien ist nicht allein. Das Modell übernommen haben unter anderem auch Tallinn oder Kopenhagen.
Was aber hat das alles nun mit Nürnberg zu tun? Nun, in Nürnberg gab es (und es gibt sie nach wie vor) eine sehr erfolgreiche Initiative, die sich zum Ziel gesetzt hat, für die Stadt (und darüber hinaus auch für den Verkehrsverbund oder zumindest Teile davon) ebenfalls ein 365-Euro-Ticket und damit verknüpft auch ein Sozialticket zu initiieren. Angeführt vom Linken-Stadtrat Titus Schüller stieß man 2020 ein Bürgerbegehren an, deutlich mehr als zwanzigtausend Nürnbergerinnen und Nürnberger unterschrieben. Der nächste Schritt auf dem Weg zum 365-Euro-Ticket wäre jetzt ein Bürgerentscheid gewesen, der sich mit den Unterstützerunterschriften aus dem Bürgerbegehren auch komfortabel hätte einleiten lassen.
Doch es kam anders. Im Juni 2020 griff der Stadtrat, CSU-Mann König war gerade relativ knapp per Stichwahl zum Oberbürgermeister gewählt worden, dem Bürgerentscheid vor, wohl auch aus der Sorge heraus, sich beim Plebiszit ein blaues Auge zu holen, und beschloss die Einführung des Tickets für den 1. Januar 2023. Auch das Sozialticktet, das Inhaber des Nürnberg-Passes, also finanziell schwächer gestellte Bürger der Stadt, für monatlich 15 Euro bekommen sollen, wurde im Zuge dessen beschlossen – sowie ein 365-Euro-Ticket für Schüler und Auszubildende, das man schon heute kaufen kann. Damit sollte eigentlich klar sein: In Nürnberg gibt es im kommenden Jahr ein 365-Euro-Jahresabonnement nach dem „Wiener Modell“ – oder doch nicht?
Die Initiatoren des Bürgerbegehrens schreiben auf Ihrer Webseite dazu knapp:
Dieser Beschluss wird nun von der Stadtspitze offensiv in Frage gestellt. Es droht, dass dieser Beschluss und damit die soziale und ökologische Verkehrswende auf den letzten Metern gekippt wird. Das wollen wir mit diesem Bürgerbegehren verhindern. (Quelle)
Der Vorgang ist so wichtig, dass es sich allemal lohnt, hier ein wenig genauer hinzusehen. Zuerst einmal ist bis heute der Beschluss des Stadtrates noch nicht zurückgezogen worden. Technisch gesprochen bleibt es also dabei, dass das 365-Euro-Ticket in Nürnberg Anfang 2023 eingeführt wird, solange man nichts anderes aus dem Stadtrat hört. König und seine schwarz-rote Stadtratsmehrheit könnte nun auf Zeit spielen und den eigenen Beschluss wieder kassieren. Und danach sieht es derzeit aus.
Das Ticket war insbesondere der CSU schon immer ein Dorn im Auge, denn die Initiative ging vom politischen Erzfeind, der Linken aus. Die wurde 2020 freilich selber vom Erfolg ihrer Initiative überrascht – binnen kurzer Zeit kamen über 20.000 Unterschriften für das Bürgerbegehren zur Einführung des Tickets zusammen. Und so geriet die Stadtspitze in Zugzwang. Man beugte sich Volkes Willen, ohne ihn herausgefordert zu haben – und will jetzt von seinem eigenen Beschluss nichts mehr wissen.
Dabei dürfte den Stadtoberen sehr zupasskommen, dass unlängst der Bezirk Mittelfranken die Stadtfinanzen rügte (ein in Nürnberg recht normaler Vorgang) und sie im Zuge dessen auch rüffelte (durchaus eine Besonderheit). Inhalt des Rüffels war, ganz diplomatisch gesprochen, eine eindeutige Aufforderung zur Sparsamkeit im kommunalen Haushalt. Und man wurde dabei seitens des Bezirks ganz konkret:
Sie warnte in diesem Kontext laut Kämmerer Harald Riedel (SPD) ausdrücklich vor der Einführung eines 365-Euro-Tickets für den öffentlichen Nahverkehr ab dem Jahr 2023. (NN, 21.02.22, Paywall)
Niemand erhält gerne einen Rüffel, das ist klar. Dennoch nahm Oberbürgermeister König den Ball, den ihm die Regierung von Mittelfranken ins Spielfeld schoss, gerne auf. Das Projekt 365-Euro-Ticket beginnt zu wackeln. Und auch einige Landräte, deren Kirchtürme im VGN-Verkehrsverbund liegen, leisten Widerstand gegen das Ticket.
Denn eines ist gewiss: Die Einführung des „Wiener Modells“ kostet erst einmal Geld. Es kursieren hier nun unterschiedliche Zahlen, deren Zustandekommen nicht immer transparent ist, und auf die ich mich daher nicht beziehen möchte. Aber die Zuschüsse für den ÖPNV werden aufgestockt werden müssen. Das ist für sich genommen eine Binse, es gibt in Deutschland kein Nahverkehrsunternehmen, das seine Kosten selbst erwirtschaftet. Nahverkehr ist ein Zuschussgeschäft, bleibt ein Zuschussgeschäft (das sind Autobahnen und Landstraßen aber auch). Die Frage ist nur, wie viel man bereit ist, dafür auszugeben.
Man kann nun über die Motivlage der schwarz-roten Rathausregierung nur spekulieren. Ob man indessen tatsächlich angesichts der finanziellen Mehrbelastung kalte Füße bekommen hat, oder die derzeitige Gemengelage einfach als (nicht besonders elegante) Ausrede nutzt, um sich des aus der Not getroffenen eigenen Beschlusses zu entledigen, spielt dabei aber nur eine untergeordnete Rolle. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle nur, dass gerade die CSU recht offen eine sehr autofreundliche Verkehrspolitik in der Stadt betreibt.
Das 365-Euro-Ticket wackelt. Und seien wir ehrlich: Niemand, wirklich, niemand wäre ernsthaft verwundert, würde Marcus König wortbrüchig werden würde.
Was wären aber die konkreten Vorteile, würde Nürnberg das „Wiener Modell“ umsetzen?
Der Krieg in der Ukraine führt uns allen in erschreckender Unmissverständlichkeit vor Augen, wie sehr wir von Gas und Erdöl im Allgemeinen und russischem Gas und Erdöl im Speziellen abhängig sind. Neben den energiehungrigen Industrien ist auch der Verkehr ein großer Energieverzehrer, besonders ineffizient ist, auch das ist allgemein bekannt, der Individualverkehr. Der macht vielfältige Probleme, die nicht allein politischer Natur sind. Er ist gerade in den Städten ein Platzräuber, bindet sehr viele weitere Ressourcen (man denke nur an den Straßenbau und Erhalt) und verursacht Lärm und Abgase. Um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Komplett auf diesen Individualverkehr verzichten können wir nicht. Das soll auch gar nicht das Ziel sein. Es muss aber möglich sein, ihn in sinnvolle Bahnen zu lenken. Zum Wohle des Klimas, zum Wohle der Stadtbevölkerung, zur Vermeidung weiterer Flächenversiegelung für immer breiter werdende Straßen, größere Parkplätze… Gerade die Parkplatzproblematik illustriert sehr schön, dass wir uns in Nürnberg mit dem Autoverkehr bereits am obersten Limit bewegen. In vielen Stadtvierteln wird allabendlich ein Kampf um die doch reichlich vorhandenen, aber dennoch knappen öffentlichen Parkplätze geführt. Hauptverkehrsstraßen sind kaum mehr in der Lage, weitere Autos aufzunehmen, was sich durch regelmäßige Staus äußert. Ein für jeden günstiger und attraktiver Nahverkehr wird hier Linderung, später vielleicht sogar Abhilfe schaffen.
Ich begreife den ÖPNV als einen (nicht einmal unwesentlichen) Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Das ist er sogar per definitionem, allein diese Definition sagt nichts über den notwendigen Umfang aus. Und hier ist er: der berühmte „Knackpunkt“. Auch ein schlecht ausgebauter, in seiner Art rudimentärer ÖPNV, „zusammen“-gespart bis an seine funktionale Grenze, ist manchem Bürgermeister auf dem Lande, manchen Land- und Bezirksrat recht und im besten Wortsinne „billig“. Damit ist aber die Verkehrswende nicht zu schaffen.
Unabhängig von allen parteipolitischen Grenzen: Der Impuls zum 365-Euro-Ticket muss von der Stadt ausgehen. Denn nur bei einem urbanen Nahverkehrsangebot wird ein solches Jahresticket als günstig und attraktiv erlebt. Seine Strahlkraft wird es auch in den ländlichen Raum entfalten – aber das ist eine Zukunftsvision. In Dörfern, in denen viermal am Tag der Bus fährt (und zweimal davon ist das der Schulbus), werden die Bürger ein 365-Euro-Ticket als Hohn empfinden, empfinden müssen. Nürnberg als zweitgrößte Stadt Bayerns ist für die Initiative der ideale Ausgangsort. Auch Fürth und Erlangen, in gewissem Umfang auch die Stadt Schwabach, dürften darauf vertrauen, dass die Einführung eines solchen Tickets einen positiven Effekt auf die Reduzierung des Autoverkehrs haben wird (am Rand: In Erlangen wird bereits auf einzelnen Linien mit dem Konzept eines völlig kostenlosen ÖPNVs experimentiert). Doch schon in Städten wie Stein ist das Konzept für den innerstädtischen Verkehr fraglich, eine entsprechende MobiCard allein für den Stadtverkehr käme nämlich billiger. Insofern sind auch die Störgeräusche einzelner vom Kirchturmdenken „beseelter“ Landräte zu vernachlässigen. Ein nur in Nürnberg, ggf. auch in Fürth gültiges 365-Euro-Ticket würde mit den Jahren genug Attraktivität für den Gesamtraum des VGN entwickeln. Man müsste es einfach nur darauf ankommen lassen.
Eine mit dem Holzhammer durchgedrückte Verkehrswende kann und wird nicht klappen. Viele klagen gegenwärtig über die im Kontext des Kriegs in der Ukraine massiv gestiegenen Benzinpreise. Diese Klage ist aus der Perspektive des Individuums oft auch allzu gut nachvollziehbar. In den NN vom 9. März gibt es eine sehr spannende Übersicht, wie viel Geld in bayerischen Haushalten in welche Zwecke fließt. Spitzenreiter sind, wen wundert es, mit einer Summe von fast tausend Euro die Mieten. Doch der zweithöchste Ausgabenposten ist im bayerischen Durchschnittshaushalt mit 462 Euro der Verkehr – und der steht damit noch mit weitem Abstand vor den Ausgaben für Lebensmittel, die Freizeit, Gesundheit, Kleidung oder Bildung. Eine ökologisch sinnvolle und sozial gerechte Verkehrswende hätte das enorme Potenzial, die Haushalte massiv zu entlasten. Wer die Verkehrswende will, der muss gangbare Alternativen anbieten können. Für den ÖPNV heißt das nichts anderes als: Er muss zum einen funktional, schnell, sauber, begreifbar, engmaschig und gut getaktet sein uns zum anderen muss er preislich nicht nur konkurrenzfähig, sondern wirklich günstig sein. Die VAG hat im Bundesvergleich relative teure Tickets. Das 365-Euro-Ticket setzt bei der VAG auf einem im Städtevergleich hinsichtlich der Attraktivität gutem Level auf, nur der Preisnachteil würde egalisiert. Und es funktioniert genial einfach und ist in seiner Struktur auf den allerersten Blick sofort verständlich: Ein Jahr, ein Euro pro Tag, so viele Fahrten, wie es beliebt. Der Erfolg und der Charme des „Wiener Modells“ liegt in dieser einfachen Formel. Mehr ist es nicht.
Eine Verkehrswende kann aber nur gelingen, wenn sie alle Teile der Bevölkerung, auch die finanziell Schwachen, von Anfang an konsequent einbezieht. In Nürnberg gibt es leider, gemessen am Durchschnitt bayerischer Kommunen, relativ viele Menschen, die auf Transferleistungen wie Hartz IV oder Grundsicherung angewiesen sind oder zu den „working poor“ zählen. Das hat vor allem mit dem Strukturwandel in der Region und dem Niedergang ganzer Industrien zu tun. Würde man die Bedürfnisse dieser Menschen ausblenden, die Verkehrswende wäre ohne sie schlicht nicht zu schaffen. Unbemerkt von weiten Teilen der Öffentlichkeit hat die Initiative aber bereits ein Sozialticket durchgesetzt, dessen Einführung sich Oberbürgermeister König nun auf die Fahnen schreibt (und schlichtere Gemüter glauben ihm das auch). Das Monatsticket für eine Person ohne Ausschlusszeit kostet 15,- Euro. Allein an diesem Erfolg lässt sich die Schlagkraft der Initiative messen.
Die Sache ist noch nicht ganz rund: Ein 365-Euro-Ticket ist in Nürnberg eine schöne Sache, erstrebenswert wäre aber, dass es im gesamten VGN-Tarifgebiet, und das ist nicht gerade klein, ein solches Ticket gäbe. Dazu müssten sich aber sehr viele Player, kleine Verkehrsunternehmen, Stadtwerke kleinerer Kommunen, Landräte und Bürgermeister einig werden. Und eine solche Einigung ist weit entfernt. Schade, aber eigentlich kein Problem, denn wenn in Nürnberg doch ein 365-Euro-Ticket kommt, wird der Erfolg nicht lange auf sich warten lassen und andere Städte werden sich anschließen. Die Attraktivität des Projekts ist dadurch – zumindest aus der Perspektive der Nürnberger Bürger – nicht gemindert. Und genau das ist der Knackpunkt: Kommt es zu einem Bürgerentscheid, wird der in Nürnberg stattfinden – es dürfen bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheid nämlich nur die Nürnberger unterschreiben und abstimmen.
Und so geht es also in der Noris um das große Ganze: Das 365-Euro-Ticket soll definitiv kommen. Dazu benötigt man ein die Kommune bindendes Bürgerbegehren oder eine Garantie, dass der bereits gefasste Beschluss nicht wieder kassiert wird. Letztere existiert nicht, kann verwaltungstechnisch auch nicht existieren. Nun findet sich die Initiative in einer relativ bescheidenen Situation wieder: Obwohl sie 2020 bereits Unterschriften gesammelt hat, muss sie das nun erneut tun. Ein Vorgang, der sich nicht jedem Bürger so leicht erklären lässt, denn letztlich muss man Folgendes erklären: Die Linke ist leider auf OB König und seine schwarz-rote Stadtratsmehrheit hereingefallen und jetzt von deren Worttreue abhängig. Ein externes Beratungsunternehmen, dessen Votum von Fachleuten allerdings nicht als unabhängig gewertet wird, hat sich ebenfalls gegen das 365-Euro-Ticket ausgesprochen, auch darauf beruft sich die Stadtratsmehrheit. Nun kann man entweder zittern und hoffen, oder man muss einen neuen Anlauf für Bürgerentscheid und Bürgerbegehren nehmen, um wirklich Sicherheit für etwas herzustellen, das doch eigentlich schon beschlossen ist. Linkes Auge blau, unverschuldet zwar, aber nicht unvermeidlich.
An zahlreichen Stellen in der Stadt sammelt man bereits heute Unterschriften für das 365-Euro-Ticket. Zudem kann man sich auf der Initiativen-Webseite auch das Unterschriftenformular herunterladen und selbst sammeln gehen.