Für eine detaillierte Analyse fehlt mir gegenwärtig die Zeit, allerdings muss ich ein paar Sätze zum Thema „rechte Narrative“ loswerden – und zwar zu solchen im Umfeld der Klimaproteste. Weil es sich aber gerade anbietet und die Parallelen erschreckend sind, werde ich im folgenden auch über rechte Narrative sprechen, die im Zuge der Coronapandemie aufgekommen sind. Beide Themen sind, betrachtet man sie aus tagespolitischer Perspektive, nicht ganz einfach miteinander vergleichbar, sie wurden aber sehr ähnlich kommuniziert – mit durchaus unterschiedlichen Auswirkungen.
Vorab: Der Klimawandel ist real. Das ist nicht nur wissenschaftlicher Konsens, es ist inzwischen selbst in unseren einstmals klimatisch gemäßigten Breiten direkt erlebbar. Wer diese Umstände leugnet, hat sich aus dem ernstzunehmenden Diskurs genauso verabschiedet, wie der, der behauptet, Corona sei nur eine Grippe. Wissenschaft verhandelt nicht. Weder mit Coronaleugnern, noch mit Klimaleugnern. Um diese Leute soll es im engeren Sinne aber auch nicht gehen, wer wissenschaftliche Erkenntnisse in Abrede stellt, ist aus der Diskussion draußen. Punkt.
Eines muss man aber leider immer wieder in aller Klarheit sagen: Hinter den Klimaleugnern wie den Coronaleugnern (die sind hier durchaus miteinander vergleichbar) stehen nicht einzelne Verwirrte, sondern knallharte wirtschaftliche und machtpolitische Interessen. Bei den Klimaleugnern (und auch den „Klima-Verharmlosern“) sind das die Interessen großer Energiekonzerne und die Interessen besonders energieintensiver Industrien, bei den Coronaleugnern die Machtinteressen rechtsnationaler bis rechtsextremer Parteien und Gruppierungen, die durch eine Verunsicherung der Bevölkerung Ängste schüren und durch die vermeintlichen „Proteste“ eine Spaltung der Gesellschaft zu erzeugen versuchen – getreu dem alten Prinzip „divide et imera“.
Im Prinzip könnte man die Stimmen der Wissenschaftsleugner einfach ignorieren, mit dem Hinweis auf das eigene Erleben, dass es immer einen kleinen Anteil Unbelehrbarer geben wird, die rationalen Argumenten nicht zugänglich sind und auch nicht sein werden. Deren „postfaktische“ Äußerungen allerdings greifen in der öffentlichen Debatte gegenwärtig allerdings derartig Raum, dass sie kaum mehr zu ignorieren sind und (ich denke, das ist ein Teil der Kommunikationsstrategie rechter Kreise) auch bei aufgeklärteren Zeitgenossen „immer etwas hängenbleibt“.
Interessant ist, dass wir weder dem Klimawandel noch Corona fatalistisch völlig ausgeliefert sind: Die Ausprägung (und damit die Brisanz) beider Phänomene können wir beeinflussen. Jeder Einzelne muss etwas dagegen tun. Aber: Dieses Tun jedes Einzelnen wird wirkungslos bleiben, wenn die Politik nicht für entsprechende Rahmenbedingungen sorgt. Wir wissen, was zu tun ist, um den Klimawandel so gut es geht, in Schach zu halten: Einsparen von Energie, konsequenter Ausbau erneuerbarer Energien, unnütze Autofahrten, Flüge vermeiden, ÖPNV ausbauen, das Verbrennen fossiler Energieträger auf ein Minimum reduzieren, wirtschaftliches Wachstum aufgrund von Ausbeutung natürlicher Ressourcen und Menschen in Frage stellen… Analog dazu wissen wir, was zu tun ist, um Corona Einhalt zu gebieten: Impfen, Masken tragen, Abstand halten, Situationen mit hohem Aerosolaustausch vermeiden, um Risiken zu minimieren, Homeoffice-Pflicht, durchaus auch Einschränkungen des öffentlichen Lebens…. All diese Maßnahmen zeigen Wirkung, die Wirkung entfaltet dann die notwendige Wirkmächtigkeit, wenn alle mitmachen. Wer diese Fakten leugnet, ist ebenfalls nicht befähigt, an einem sinnstiftenden Diskurs teilzunehmen.
Die notwendigen Maßnahmen erfordern Anstrengungen und haben (im weitesten Sinne) eben auch ihren Preis. Es darf nun trefflich darüber gestritten werden, wer welchen Preis in welcher Höhe zahlen kann, zahlen muss. Anstrengung und „Preis“ gehören zu den unangenehmen Pflichten, die uns im Angesicht der jeweiligen Situation erwachsen. Es ist also klar, dass wir immer wieder auf Zeitgenossen treffen werden, die nicht damit einverstanden sind, die nötigen Konsequenzen aus den Erfordernissen der Zeit zu ziehen und zu tragen. Verharren in einer gewohnten Situation ist entweder bequem, nicht angstbelegt oder temporär billiger. Und so kommt es, wie es kommen muss: Es entsteht ein Interessenkonflikt.
Wir leben, das nehme ich leider als gesetzt an, in postfaktischen Zeiten. Auch wenn vorgenannte Punkte allesamt bewiesen sind, gibt es dennoch Interessengruppen, die, an der Faktenlage vorbei, auf die Gefühlswelt abzielend, „argumentieren“, um durch Verbreitung dieser vermeintlichen Argumente eine Meinungs- bzw. Deutungshoheit zu gewinnen. Diese Strategie ist altbekannt: Der Mensch ist auf der Gefühlsebene leichter, schneller und langanhaltender ansprechbar, als auf der kognitiven Ebene. Ob nun Werbung, Verkaufsförderung oder Debatte: Die Verschiebung einer Argumentation zu Gunsten emotionaler Ansprache, „getarnt“ als vermeintliches „Argument“ ist allgegenwärtig. Daher spreche ich bei dem, was gerade als Debattenbeitrag von rechtskonservativer, rechtspopulistischer und in zunehmendem Maße auch rechtsradikaler Seite eingebracht wird, auch nicht von Argument, sondern von Narrativ: Ein Narrativ ist entweder eine Erzählung oder ein Teil einer Erzählung, die sich durch einen gemeinsamen kulturellen Zeichensatz komplettiert (Du willst hier tiefer einsteigen? Das Konzept des major consensus narrative gibt Dir hier wichtige Hinweise, einfach mal googeln). Die Narrative unterscheiden sich in den Kulturkreisen, „die (quantitativ) vorherrschende Geschichte einer Gemeinschaft, aufbauend auf und definiert durch den (nationalen) Kulturkreis und grundlegende Archetypen“ (Quelle) und können folglich neben der Sprache tatsächlich als weiteres Distinktionsmerkmal begriffen werden. Der „consensus“ sorgt dafür, dass Narrative überhaupt wirksam werden können*. Knapp (und mithin auch etwas holzschnittartig) gesagt: Während das Argument entweder widerlegbarer oder stichhaltiger Punkt einer Beweisführung ist, ist das Narrativ einfach ein Teil einer (zumeist aber nicht immer zwingend) emotionalisierten „Erzählung“ oder ein Bruchstück aus so einer Erzählung, die in einem bestimmten Kulturkreis mit Kontext unterfüttert und damit verstehbar wird. Und es sei noch einmal zur Präzisierung und Ergänzung gesagt: Eine gute Erzählung ist emotional nach- bzw. miterlebbar. Narrative haben sich im Laufe der Jahrzehnte gewandelt, inzwischen erlebe ich den Begriff als mindestens latent negativ konnotiert, was auch damit zusammenhängen mag, dass sich der vermeintliche Wahrheitsgehalt etlicher historischer Narrative bei einer historisch-kritischen Betrachtung doch recht rasch verflüchtigte.
Ein Teil der Wirksamkeit von Narrativen liegt nicht nur in ihrer direkten Emotionalität, sondern auch darin, dass sie sehr einfach weitererzählt werden können. Durch die emotionale Komponente lässt sich das Narrativ auch bei der Weitergabe im Alltag inhaltsstabil transportieren. Die Herausforderung – und das ist ein echtes Problem – gegenwärtiger politischer Kommunikation ist also leider nicht, die eigene Anhängerschaft mit guten Argumenten zu versorgen, sondern sie mit einem möglichst wirksamen Narrativ zu munitionieren. Und das wird gerade von rechten Kreisen in erschreckender Wirksamkeit mit erstaunlicher Durchsichtigkeit betrieben. Warum von rechten Kreisen? Deren echte Argumentationsdecke ist so dünn, dass diese schlicht und ergreifend nicht mehr trägt (man kann den Klimawandel oder Corona nicht wegargumentieren, die Konsequenzen sind abseits jeder Debatte unausweichlich – und: Sie sind nicht mehr nur abstrakte Größen sondern beeinflussen schon heute vielfach unser tagtägliches Leben).
Um auf die Brisanz der Folgen des Klimawandels aufmerksam zu machen, schaffen sich Anhänger der Bewegung „Letzte Generation“ durch ein mindestens unkonventionelles Vorgehen Öffentlichkeit: Sie überschütten Gemälde alter Meister in renommierten Museen mit Flüssigkeiten (Öl, Tomatensuppe, Kartoffelpüree…). Damit gelingt es ihnen, ihre Aktivitäten und auch Positionen in alle relevanten Medien zu bringen und über die Berichterstattung hinaus eine öffentliche Debatte am Laufen zu halten. Dieser Move ist genial, wenn auch kritikwürdig. Ein millionenschweres Kommunikationsbudget könnte kaum mehr Aufmerksamkeit generieren.
Der Erhalt der Werke alter Meister für zukünftige Generationen ist zweifelsohne eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Die Zerstörung dieser Werke ist eine Freveltat. Auch das ist Teil eines Konsenses.
Dass der Erhalt der Werke für künftige Generationen absurd ist, wenn durch das Geschehenlassen des Klimawandels just diesen künftigen Generationen die Existenzgrundlage entzogen wird, ist ein Argumentationsstrang, den jeder versteht, der aber auch bei jedem, der sich nicht um den Einhalt des Klimawandels bemüht, zu kognitiver Dissonanz führen muss. Das Symbol ist stark**.
Auffällig ist: Die Aktivisten wählen ihre Zielobjekte sehr sorgfältig aus. Es handelt sich um gut gesicherte Kunstwerke hinter Glas, die bei den „Attentaten“ keinen Schaden nehmen. Der „Angriff“ geschieht mit organischen Substanzen (Lebensmittel, Öl), die zwar mit Aufwand, aber dennoch rückstandsfrei entfernt werden können (das sind, um es einfach auszudrücken, eben keine Säureanschläge irgendwelcher Irren). Auch wenn die Wand hinter den Kunstwerken verschmutzt ist, die Aktivisten sich an ihr festkleben, handelt es sich hier um Schäden, die jeder Anstreicher zu beheben in der Lage ist. Der ungewollte, aber unweigerlich vorhandene „Werbeeffekt“ für die betroffenen Museen dürfte unbeabsichtigterweise deutlich höher sein, als die Kosten, eine Wand neu streichen lassen zu müssen. Auch dieser Effekt sollte in einer Gesamtbetrachtung nicht unerwogen bleiben.
Nun ist diese Aktionsform gerade so öffentlichkeitswirksam, weil sie polarisiert. Das soll so sein, das ist beabsichtigt – und das gibt freilich, neben aller berechtigter Kritik an der Form des Protests, auch genug Gelegenheit, die Aktivisten zu diskreditieren.
Hier beginnt, das rechte Narrativ zu greifen, Die Vorwürfe sind zum Teil absurd: Kunst werde zerstört, geschändet, selbst Museen seien nicht mehr sicher vor der rohen Gewalt des „linksgrün-versifften“ Mobs. Wie die Taliban würden die „pubertierenden Klima-Gören“ unsere westlichen Kulturgüter zerstören, „weil sie unsere Freiheitswerte hassen“ und abschaffen wollen. Wir alle haben solche oder so ähnliche Aussagen gehört – und schlimmer noch: Gelesen. Nichts davon ist wahr, eine Lüge wird auch nicht wahrer, wenn sie oft wiederholt wird und dennoch: Das Narrativ sitzt.
Kleben sich Aktivisten der Extinction Rebellion oder der „Letzten Generation“ an vielfrequentierten Kreuzungen auf der Fahrbahndecke fest, schäumt die Bürgerseele vor Wut. Erst wurde nur von „Nötigung“ gesprochen, man „nötige“ den „freien Bürger“, der nun nicht rechtzeitig zu seinen ach so wichtigen Terminen kommen könne. Jedem Demokraten ist klar: Das Blockieren von Verkehrswegen zu Demonstrationszwecken ist das Recht jedes Bürgers. Protestieren Landwirte gegen die Agrarpolitik, so ist es selbstverständlich legitimes Mittel, mit den Traktoren, die weder eine Umweltplakette noch eine Zulassung für Fernstraßen haben, gen Berlin zu fahren und vor dem Landwirtschaftsministerium stinkende Gülle abzulassen. Die Vielzahl der einer solchen Protestform inhärenten Rechtsverstöße wird in diesem Falle natürlich nicht geahndet, kein Bauer saß für seinen Protest jemals im Gefängnis, auch nicht präventiv. Das Narrativ der „Nötigung“, das natürlich Unsinn ist, arbeitet selbstredend nicht mit dem Rechtsbegriff der Nötigung, sondern mit dem emotionalisierten Begriff. Nun sind aber auch eher arglose Zeitgenossen gewahr, dass Staus nicht allein von den (Achtung – Narrativbegriff!) „Klimaklebern“ verursacht werden, sondern ein Zuviel an motorisiertem Individualverkehr gerade in Stoßzeiten ganz ohne politisch motiviertes Zutun Staus verursacht – und das nicht zu knapp. Also musste ein neues Narrativ her: Die „Klimakleber“ verhinderten durch ihre Aktionen, dass Rettungskräfte rechtzeitig zu in Not geratenen Menschen kommen und gefährden damit – man höre und staune! – Menschenleben! Besonders die konservative Presse hat sich begierig auf dieses Narrativ gestürzt und – wen nimmt es Wunder – totalen Schiffbruch erlitten. Im falle der durch einen Unfall durch einen Betonmischer in Berlin getöteten Radfahrerin goss selbst Bürgermeisterin Frau „Doktor“ Giffey Öl ins Feuer – und konnte selbst nach einem Gutachten, dass dem Senat nun in Gänze vorliegt, nicht beweisen, dass das späte Eintreffen in direktem oder indirektem Zusammenhang mit einer Protestaktion der „Letzten Generation“ an völlig anderer Stelle der Hauptstadt in Verbindung steht. Die Kommunikation der „Letzten Generation“ zu diesen Anwürfen war reichlichst unglücklich, so konnte das Narrativ der „Menschenleben gefährdenden Klimakleber“ freilich nicht aus der Welt geschafft werden. Und dennoch: Wer sich Videos der Proteste ansieht, kann entdecken, dass sich die Aktivisten grundsätzlich nur an mehrspurigen Straßen festkleben und eine Fahrspur für Rettungskräfte „freihalten“, in dem sie sie zwar mit einem Sitzstreikenden besetzen, dieser aber nicht angeklebt ist, sondern sich im Zweifel von der Polizei wegtragen lässt. Um den Protest aufrecht zu erhalten, stehen dann im Hintergrund „Nachrücker“ bereit, die freilich die Spur wieder sitzend sperren, ihre Blockade im Notfall jedoch auflösen. Manch Autofahrer hat sich in solchen Situationen schon zur Selbstjustiz verleiten lassen und die Demonstranten angegriffen. Werden tatsächlich Rettungsfahrzeuge blockiert, so liegt das weniger an den Protesten, vielmehr ist der Umstand, dass das Bilden von Rettungsgassen in den Städten bei Stau generell eher schlecht klappt, Ursache hierfür. Das Narrativ hat natürlich keinen Platz für Einlassungen über komplexere Strategien des Protestes. Das ist aber auch nie das Ziel gewesen. Das Narrativ ist erdacht, um den Hass auf die Demonstranten zu schüren, Fakten sind hier im Wege.
Rechte Narrative sind kein neues Phänomen. Wir erinnern uns an das Narrativ des „faulen Asylanten“, das nach unendlicher Wiederholung heute zum „ukrainischen Asyltouristen“ mutiert ist. Öl in dieses Feuer gießt gegenwärtig Friedrich Merz. Den Unsinn vom „Sozialschmarotzer“ finden wir in der gegenwärtigen Debatte um das Bürgergeld wieder. Müßig zu erwähnen, dass der Sozialbetrüg bei Hartz-IV-Leistungen nach Schätzungen der Bundesagentur für Arbeit (wohlgemerkt!) jährlich etwa 60 Millionen Euro beträgt, dem deutschen Fiskus im selben Turnus aber etwa 100 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung entgehen (Quelle). Neue Narrative wurden während der Corona-Pandemie geboren, eines absurder als das andere: Das Virus sei in chinesischen Laboratorien gezüchtet worden und eine Biowaffe zur Reduzierung der Überbevölkerung (=Bullshit!), Masken seien für eine kritisch verringerte Blutsauerstoffsättigung verantwortlich (=Bullshit!), die „Genspritze“ sei für eine vermehrte Anzahl von Herzmuskelentzündungen verantwortlich (=Bullshit!), die „Ausgangssperren“ seien ein Unterdrückungsinstrument der Regierung/Echsen/Illuminaten/you name it (=Bullshit!), Bill Gates versuche mit Hilfe der WHO, die Weltherrschaft an sich zu reißen (=Bullshit!)…
Auch wenn manches davon arg überzogen klingt – semper aliquid haeret.
Nicht neu, in diesem Zusammenhang aber dennoch erwähnenswert ist, dass rechte Narrative besonders im (klein)bürgerlichen Milieu auf besonders fruchtbaren Boden fallen. Die Melange aus der der Lohnabhängigkeit entspringenden Angst vor dem sozialen Abstieg, dem dauerhaften Einfluss rechtskonservativer Meinungsmedien und den weitestgehend entsolidarisierten Strukturen, in denen sie leben, bereitet diesen fruchtbaren Boden. Dabei wäre es gerade für das Kleinbürgertum um Willen der Verbesserung ihrer Verhältnisse von zentraler Bedeutung, sich gegen rechte Narrative nicht nur abzuschotten, sondern sich ihrer zu erwehren.
Wie also kann man sich davor schützen, rechte Narrative zu glauben und weiterzugeben, sie also zu reproduzieren? Nun, man muss sie als erstes einmal als solche erkennen. Sind sie erkannt, dann muss man sich von ihrem emotionalen Kern lösen und das, was übrig bleibt, auf Wahrheit, Logik, Plausibilität prüfen. Diese „Dekonstruktion“ ist nicht ganz unaufwändig, gerade dann, wenn man nicht gewohnt ist, politische Aussagen dergestalt zu prüfen.
Die Notwendigkeit, sich und seine Mitmenschen von diesen Narrativen zu befreien, liegt auf der Hand. Wohl niemand möchte sich wissentlich zum Büttel jener Interessen machen, die eigentlich den eigenen Interessen und Werten entgegenstehen. Rechte Narrative fischen aber nicht bei Rechtsextremen um Aufmerksamkeit und Akzeptanz (hier werden ganz andere Töne angeschlagen), sondern im bürgerlichen Milieu. Das lässt sich leider nur allzu gern von ihnen abholen und leistet oft sogar einen eigenen Beitrag zur Verbreitung. Und somit steht es in einer besonderen Verantwortung, diesen Narrativen keinen Vorschub zu leisten.
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*) Ein Wort zur Distinktion, das hat Frank Rieger einmal sehr schön herausgearbeitet: Durch die Auswirkungen besonders des US-amerikanischen Kulturimperialismus schwindet die Distinktionsfähigkeit des major consensus narrative. Man nimmt zum Beispiel an, dass Märchenerzählungen einen nicht unwesentlichen Teil zu diesem Konsens beitragen. Nicht nur die Völker hatten und haben unterschiedliche Märchen, sondern es gibt teilweise sogar regionale Unterschiede. Damit ist der Konsens kleinteiliger. Wenn jetzt zum Beispiel Großkonzerne wie Disney regionale Märchenerzählungen durch global wirksame wie beispielshalber „Winnie Pooh“ & Co. verdrängen, ändert sich damit über die Generationen auch ein Teil des Konsenses. Auch solche Entwicklungen kann man als Teil des Selbstreproduktionsmechanismus der kapitalistischen Gesellschaftsordnung begreifen. Allerdings zulasten einer funktionierenden Distinktion. Ob dieser Effekt gewollt ist oder eher ungewollt auftritt, soll hier weder betrachtet noch bewertet werden.
** allerdings nur so stark, bis die Protestform überstrapaziert ist und sich daher abgreift. Darin sehe ich persönlich auch die Gefahr: Diese Form des Protestes kann, verliert man das Gespür für eine sinnvolle Dosierung, sehr schnell zu Reaktanz führen. Damit würde sich die eigentlich gut gemeinte Wirkung ungewollt ins Gegenteil verkehren. Das ist auch einer der wesentlichsten und nicht von der Hand zu weisenden Kritikpunkte wohlwollender Zeitgenossen. Vereinfacht ausgedrückt ist dem der Appell inhärent, „den Bogen nicht zu überspannen“.