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Eine kleine Nachlese zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt

Eigentlich hatte ich die ganze Woche schon vor, etwas zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt zu schreiben, ich bin unter der Woche einfach nicht dazu gekommen. Daher, weil der Schinken ja inzwischen gut abgehangen ist, nur ein paar wenige Gedanken in Stichpunkten:

  • „Ich verstehe ja nicht, wieso in Sachsen-Anhalt die CDU die meisten Stimmen kriegen konnte. Ich dachte die haben da inzwischen Westfernsehen.“ schreibt Felix von Leitner und liefert die Analyse prompt nach: „Meine Vermutung: Demographie. Die, die noch was vor haben, die Hoffnung und Wünsche an das Leben haben, sind schon weggezogen.“ Dem ist im Wesentlichen nichts hinzuzufügen.
  • Bodo Ramelow hat schon Recht: Eine große Koalition ist eine Koalition der beiden stärksten Parteien. Wenn also jemand schnodderigerweise bei der angedachten Koalition von CDU und SPD von „Großer Koalition“ spricht, ist das schlicht falsch. CDU und SPD als Große Koalition zu bezeichnen, hat sich eingebürgert zu Zeiten, wo die SPD regelmäßig die zweitstärkste Partei war. Tempi passati. Zum Glück.
  • Das Demokratieverständnis der SPD ist ja sowas von kaputt, schlimmer gehts ja nicht. Will doch der Bullerjahn die Linke dazu nötigen, darauf zu verzichten, den Ministerpräsidenten zu stellen. Ja wo sind wir denn? Ich bin jedenfalls froh, dass sich die Linke auf so einen Mist nicht einlässt. Wenn die SPD drittstärkste Kraft ist, hat sie halt keine Chance, den Ministerpräsidenten zu stellen. Ich frage mich, wie diese Sozialdemokraten überhaupt auf die Idee kommen, sowas zu fordern. Matschie (in meinen Augen eine persona non grata) hat das weiland in Thüringen schon versucht. Und was ist er nun? Jedenfalls nicht Ministerpräsident. Aber die Sozn lernen halt nix dazu…
  • Ich denke nicht, dass sich die SPD damit einen Gefallen tut. Sie will die Linke isolieren – und isoliert sich damit erst einmal selbst. SPD-Wähler sind ja tendenziell leicht links, Linkswähler sind links. Weder die SPD-Wähler noch die Linkswähler freuen sich, wenn die CDU an die Macht kommt (Grünen-Wähler wahrscheinlich auch nicht alle, obwohl die Grünen ja inzwischen eine „CDU plus Ökoanstrich“ sind – wer konservatriv wöhlen will, der soll halt gleich CDU wählen, die Grünen braucht man dafür nicht). Diese linksorientierten Wähler sind aber deutlich in der Mehrheit. Und diese Mehrheit hat keinen Prass auf die Linke sondern die SPD, denn niemand anders verhindert linke Mehrheiten in Regierungen als die SPD. Ja, man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Sozialdemokraten verhindern linke Mehrheiten. Gut, dass sich die SPD gerade selbst abschafft. Braucht ja auch keiner mehr.
  • Die FDP ist auf ein realistisches Maß zurückgestutzt worden – unter 5%. Gut so. Wenn ich FDPler wäre, würde ich mir jetzt aber ernstliche Gedanken machen, denn die NPD (sic!) ist in Sachsen-Anhalt stärker (sic!) als die FDP. Man kann nur froh sein, dass es diese Nazisprallos nicht geschafft haben. Aber es war knapp – und das ist ein Warnschuss für alle Demokraten.
  • Die Grünen freuen sich über ihre 7,1 Prozent. Ich wüsste nicht, was es da zu freuen gibt – denn schließlich sammeln sich die Bürgerrechtler aus dem Bündnis ´90 bei den Grünen. Das Interesse im Osten an denen ist scheinbar gering (kein gutes Zeichen) oder haben die Grünen die Bündnisler „assimiliert“? Wäre auch nicht gut. Sollen sie sich freien, dann freue sie sich noch in BaWü und vielleicht noch ein bisschen in RLP und dann werden die – analog zur FDP – auch wieder auf ein Normalmaß heruntergestutzt. Das kann man getrost abwarten.

Hörenswertes Interview mit Dr. Pflugbeil

Wer die Ereignisse rund um Fukushima-Daiichi verstehen will, wer sich generell für die vieldiskutierte Sicherheit von Kernkraftwerken informieren will, der tut gut daran, noch einmal das Reaktorunglück von Tschernobyl zu rekapitulieren. Einige werden an dieser Stelle wohl einwerfen wollen, dass Fukushima und Tschernobyl zwei verschiedene Paar Stiefel sind – das stimmt aber nicht ganz: Eine Kernschmelze ist eine Kernschmelze und wie man heute morgen im Radio vernehmen konnte, geht man nun von einer solchen selbst von Seiten der japanischen Offiziellen aus.

Vor nicht einmal einem Jahr wurde im Blog Elementarfragen ein wirklich interessanter Podcast mit Dr. Sebastian Pflugbeil veröffentlicht. Pflugbeil ist ein Mann mit einer höchst interessanten Biographie: Er studierte in der DDR, konnte dort wegen seiner politischen und wissenschaftlichen Arbeit als Oppositioneller nicht promovieren, holte dies aber nach der Wende nach.

Er war Mitglied des „Runden Tischs“ und ist heute Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz.

Dr. Sebastian Pflugbeil ist nicht nur ein ausgewiesener Kenner der Materie, er ist auch einer der wenigen, die den Sarkophag in Tschernobyl selbst betreten hat. Außerdem begfasst er sich forschend mit dem Leukämiecluster Elbmarsch.

Der Podcast kann hier angehört (und unter diesem Link heruntergeladen werden).

In meinen Augen ist es notwendig, sich die Zeit zu nehmen, diesen Podcast anzuhören.

Und zum Schluss habe ich noch einen ganz kurzen Interviewschnipsel mit Dr. Pflugbeil. Der machte erst über twitter die Runde und war dann auch bei fefe zu sehen, infolge dessen kann man das schon quasi als bekannt voraussetzen – aber für alle, denen das dennoch entgangen sein sollte, ist er hier noch mal: Dr. Pflugbei zweifelt an der Richtigkeit bundesdeutscher Strahlenmessergebnisse.

Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg (auf Zeit, vulgo Moratorium)

Nach den dramatischen Ereignissen in Japan, die Atomreaktorfarm Fukushima entwickelt sich gerade zu einer hochgefährlichen Strahlenschleuder, will unsere schwarz-gelben Bundesregierung nun sieben AKWs in Deutschland abschalten – natürlich nur vorläufig.

Das ganze Ding sieht nach einem durchsichtigen Wahlkampfmanöver aus und man darf sich sicher sein: Wären nicht diese und nächste Woche Landtagswahlen, die AKWs blieben am Netz.

Die infolge des Tsunamis stark beschädigten Atomkraftwerke in Japan zeigen auf tragische Weise, welch reale und nicht zu verleugnende Gefahr von der Technik der Kernenergie auskennt. Wurde die Bevölkerung seitens der Atommafia bei Tschernobyl mit der Argumentationslinie, die russischen Reaktoren seien generell unsicher so etwas könne bei uns nicht passieren, belogen, so bricht ebendiese Argumentationslinie im Falle der japanischen AKWs wie ein Kartenhaus bei einem Windstoß zusammen: Japan ist ein Hochtechnologieland, die betroffenen Reaktoren sind teilweise deutlich moderner als unsere hiesigen und zu allem Überfluss kommt dort auch deutsche Technik zum Einsatz.

Wir werden nun durch die Fernsehbilder aus Japan und die Berichterstattung gewahr, was wir schon lange wussten: Atomkraft ist und bleibt eine unbeherrschbare Risikotechnologie. Der gesunde Menschenverstand lässt nach Abwägung aller ins Feld geführten Argumente über das Für und Wider der Kernenergie letztlich nur einen Schluss zu: Kernenergie ist gefährlich und muss abgeschaltet werden. Sofort.

Unsere schwarz-gelbe Regierung hatte aber im Herbst letzten Jahres nichts besseres zu tun, als die Laufzeiten der AKWs zu verlängern, die die rot-grüne Bundesregierung weiland vernünftigerweise beschloss und in Gesetzesform goss.

Nun, da die Landtagswahlen vor der Tür stehen kommt nun ein plötzlicher Sinneswandel – ein Moratorium über den Ausstieg aus dem Ausstieg – begrenzt auf drei Monate. Na bravo.

Man kann sich sicher sein dass die von der Atomlobby gesteuerte schwarz-gelbe Bundesregierung nach diesen drei Monaten versuchen wird, den status quo wieder herzustellen – bis auf Neckarwestheim. Die Alten Reaktoren wie Neckarwestheim, Biblis oder Isar I kann man aber sowieso kaum mehr wirtschaftlich sinnvoll weiterbetreiben – so hoch wäre der zukünftig zu tätigende Sicherheitsinvest.

So schaltet man also ab, was sowieso abgeschaltet worden wäre und feiert dies als großen politischen Fortschritt, als Läuterung, dem Machterhalt dienend, verhindern wollend, bei den bevorstehenden Wahlen ins Bodenlose zu stürzen. Irreführend, halbherzig.

Das Dumme an der Sache ist nur, dass bereits jetzt schon erste Tendenzen sichtbar sind, die vermuten lassen, dass ein Gutteil des Stimmviehs diesem „Moratorium“ auf den Lein kriechen wird – frei nach dem Motto: „Besser als nichts“.

Was wird nach den drei Monaten? Sagen kann das mit Gewissheit niemand, anzunehmen ist aber, dass dann der Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg kommt, es sich also kaum etwas ändern dürfte. Das Moratorium hat noch nicht einmal Gesetzescharakter, das bedeutet, dass sich die Atommafia noch nicht einmal daran halten müsste.

Wahlkampf-Firlefanz. Ich hoffe von Herzen, dass es der Bundesregierung nix nützt!

Darum sage ich noch einmal ganz deutlich: Wer den Ausstieg aus der Atomenergie will, darf NICHT CDU, CSU oder FDP wählen!

Guttbuy und seine Fratzbuchgroupies.

Es ist eine Tragödie unserer Zeit. Politiker werden vom Souverän, vulgo dem Volk nicht ob Ihres einwandfreien Leumunds, ihrer Redlichkeit oder gar ihrer Kompetenz goutiert sondern ob ihrer Kompatibilität für die Boulevardmedien. So ist es auch kein Wunder, dass der Plagiator und notorische Lügner Karl-Theodor zu Guttenberg, der wohl größte Fälscher seit Konrad Kujau, jetzt über Facebook eine Art der Scheinsolidarität von ebendiesen Konsumenten besagter Boulevardmedien erfährt.

Zur Plagiatsaffäre habe ich bislang nichts gemacht, weil mir alles klar schien: Guttenberg, so dachte ich, habe seine Dissertation outgesourced, die Ghostwriter wollten sich vor dem Freiherren nicht blamieren und am Ende hat das weder zu Guttenberg noch die Profs in Buyreuth richtig gelesen, ihn durchgewunken unsd nun haben sich einmal ein paar Interessierte die Mühe gemacht, den Schmonzens zu lesen und das Ding ist halt aufgeflogen.

Leid dürfen einem ja nur die Dissertanten tun, die zu Guttenberg in ihren Arbeiten zitiert – ja vielleich sogar kritisch gewürdigt haben. Die dürfen ihre Arbeit – sofern noch nicht eingereicht – nun in den entsprechenden Teilen abändern (das ist auch kein Spaß). Wobei – auch hier hält sich mein Mitleid in Grenzen: Wer zu Guttenberg um Willen des „name droppings“ zitierte, um seine Arbeit vermeintlich aufzuwerten, dem gehört auch nicht mehr.

Nun rotten sich also im Fratzenbuch – wo sonst – die Guttenberg-Groupies zusammen, zweihunderttausend sollen es schon sein (was ich ermangels eine Facebook-Accounts nicht verifizieren kann) und belfern gegen die Opposition. Haben wir es hier mit einem Haufen Halb- bis Volldebiler zu tun? Wieso freut man sich nicht, den Lügenbaronfreiherr nun endlich los zu sein?

Guttenberg bedient ein ganz eigenes Klientel, das der unselbstständig „Denkenden“ Konsumenten, die Politik nicht allein in Häppchen sondern auch in einfachen Kategorien geliefert zu bekommen wünschen. Und da es dieser Klientel bekanntermaßen recht schnell langweilig wird, bietet der Adels-Background des Plagiators eine gute Projektionsfläche – dass das ganze mit Politik nichts zu tun hat sondern sich im Nimbus von Bild, Brigitte und Constanze Rick (man reiche mir einen Eimer) abspielt, nimmt mich hier noch nicht einmal Wunder – Guttenberg im Speziellen und die CDU(CSU im Algemeinen nutzen inzwischen bewusst Mechanismen, die Menschen ansprechen, die sich nicht für Politik interessieren siodern sich innerhalb der gut eingefahrenen Rinnen der Regebogen Society-Press „informieren“ lassen. Und aus diesem Holze sind alljene geschnitzt, die dem Fälscher-Freiherren im Fratzenbuch die Fahne halten.

Schwer gegessen? Brechreiz gefällig? Hans-Peter Friedrich, der Mann, der durch den Guttbuy-Rücktritt nun nach dem Stühlerücken den Posten des Innenministers annimmt, sagt in einem Interview mit dem DRadio, dass man in Teilen auf seiner Webseite transkribiert findet, auf die Frage, wer auf zu Guttenberg Jagd gemacht habe:

Nun, also wenn Sie sich erinnern an die Debatte im Deutschen Bundestag, wo er mit unglaublichen Ausdrücken belegt wurde, vom politischen Gegner, von der Opposition, wenn diejenigen, die ihn noch gestern als Hoffnungsträger sehen, ihn jetzt als Sargnagel der Demokratie bezeichnen, dann spürt man auch, wie man ihm doch geneidet hat all seinen Erfolg und vergisst dabei, dass viele Menschen ihn als Hoffnung gesehen haben und heute noch sehen, und ich glaube, es ist auch eine Beschimpfung dieser Menschen.

Eine Beschimpfung dieser Menschen? Das klingt erst einmal dreist – und das Bittere ist: Der Mann hat zumindest hiermit recht: Die Äußerungen der Guttenberg-Fans geben allen Anlass zu der Vermutung, dass ihnen das mit dem Plagiat der Doktorarbeit völlig wurscht ist, sie weder wissen, wie eine Dissertation aufgebaut ist noch was ein Plagiat ist. Diese Menschen fühlen sich beschimpft, weil sie einfach nicht in der Lage sind, zu verstehen, in welcher Sache sich zu Guttenberg schuldig gemacht hat. Und dann wird ihnen ihr Popstar genommen und sie können noch nicht einmal nachvollziehen, warum. Ein Guttenberg-Groupie schreibt:

Also ehrlich mal, er ist zwar kein Doktor mehr, aber ist doch egal!
Ich würde mich trotzdem von ihm behandeln lassen!!
Bester Doktor der Welt 4ever. (Quelle)

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Ja, es ist eine Tragödie unserer Zeit. Die Art und Weise, wie sich Altkanzler Schröder seinerzeit den Medien anbiederte war für mich schon grenzwertig fremdschämbehaftet. Zu Guttenberg hat da noch eine Schippe zugelegt – und ist damit durchgekommen. Der Pöbel will seine Stars und wenn dieser der Sternschnuppe gleich mit einem medial deutlich wahrnehmbaren Lichtschweif verglühend fällt, ist er beleidigt und macht seinem Unbill auf die ihm so typisch zueigene Weise Luft.

Dass es soweit gekommen ist, kann man aber dem Pöbel nicht anlasten. Die Ursache für den kometenhaften Aufstieg des zu Guttenberg und sein Verglühen in der Stratosphäre (um dieses Bild nun vollends ausgereizt zu haben) liegt in der politischen (Un)Kultur unserer Tage, die sich – nicht erst seit gestern, sondern sukzessive – von einer Kultur der Subsidiarität, eingebettet in ein Gemeinwesen hin zu einer rücksichtslosen Individualkultur entwickelt hat. In die passte ein „shooting star“ wie Guttbuy gut rein, er bediente den Zeit(-un)geist wie kein Zweiter und nun wird die Realität dieser Person und ihres Politikstils am Beispiel einer zusammengestohlenen Dissertationsschrift coram publico durchdekliniert. Wer ihn mochte und wer in etwa verstanden hat, was zu Guttenberg getan hat, der sieht sich nun in aller Härte dem Phänomen der eigenen kognitiven Dissonanz gegenübergestellt.

Um dem zu begegnen hat man in der Regel zwei Strategien zur Auswahl: Selbstreflexion oder Nachtreten. Die Fratzenbuch-Freunde des Adeligen haben sich für das Nachtrissonanzeten entschieden.

Update: Das hier ist geil!

Der großartige Holger Klein diskutiert mit einer Bild-Leserin. Wasser auf die Mühlen. Das sagt alles, meinen Rant hätte ich mir da komplett sparen können. Das ist geil!

Update 2. Juli 2017: Leider depubliziert 🙁

Cyber? Attacke™!

Irgendwie muss den Damen und Herren auf der Münchener Sicherheitskonferenz langweilig gewesen sein, denn wer sich so einen Dummfug mit den „Cyber-Attacken“ ausdenkt, der hat wohl nichts besseres zu tun.

Verstehen kann ich es ja – zumindest ein bisschen – der Kumpel der Ammis und der EU, Husni Mubarak, verliert gerade ordentlich an Macht, die Terrorwarnstufe musste auch zurückgesetzt werden, da sich trotz massiver Aufstockung der Sicherheitskräfte an Bahnhöfen und Flugplätzen einfach keine Terroristen anfinden wollten und nun brauchts halt ein neues Gefahrenszenario mit möglichst hollywoodkonformem Titel: „Cyber-Attacken„.

„Cyber-Attacke„, am besten noch mit Ausrufezeichen versehen, das klingt doch gleich viel geiler und gefährlicher als ein schnöder „Hackerangriff“ je klingen könnte. „Attacke“ ist schon geil – bis zu fünf Attacken täglich sollen gegen die IT-Infrastruktur der Bundesregierung gefahren werden – mit fällt vor Angst ein Ei aus der Hose…

Auch die Zahl, dass alle drei Sekunden eine Attacke™ auf irgendeinen deutscher Server stattfinden soll, schockt mich jetzt eher wenig. Wie ist so eine Attacke™ definiert? Wenn jemand einen Angriff auf einen Server fährt? Ist dann jedes einzelne Angriffsmoment eine Attacke™? Das würde heiße, dass die Statistik mit einigen wenigen DDoS-Attacken™ erfüllt wäre…

Wenn ein neugieriger Eheman einfach Passwörter ausprobiert, weil er aufs Mailkonto der Frau zugreifen will, um zu gucken, ob sie ihn betrügt – sprechen wir dann schon von einer Attacke™?

Wie dem auch sei – bleiben kann es so auf gar keinen Fall! Überall nur Attacken™! Es wird zeit etwas zu tun – wir rüsten auf und schreiben ganz oben auf den Speisezettel: „Nationales Zentrum zur Abwehr von Cyber-Attacken™“.

Man lasse sich dies einmal auf der Zunge zergehen: „Nationales Zentrum zur Abwehr von Cyber-Attacken™“! Man muss schon verdammt viel geraucht haben, dass einem solch ein Unsinn einfällt. Wo fange ich an? Am besten mal beim Wort „Cyber“ (über „Attacke™“ habe ich mich ja bereits ausgiebigst echauffiert): In den 1990s gab es mal einen Hype – jeder gedruckten Publikation fügte man eine CD-ROM bei – denn dann war man Multimedia. Wenn der Inhalt der CD-ROM dann auch noch irgendwie Anstalten machte, sich mit dem Internet verbinden zu wollen, war man nicht nur Multimedia sondern auch cyber – der allerletzte Schrei!

Cyber avancierte schnell zum Buzzword der 90er. Genau so wie online. Wer etwas hatte, was sich schlecht verkaufte, drucke einfach das Wort cyber auf den Artikel, und schon verkaufte sich das Zeug. Cyber stand bald auf Federmäppchen, Kugelschreibern und T-Shirts, chinesischen Aktentäschen und Erfrischungsgetränken fragwürdiger Herkunft. Minderwertiger Elektronikkrempel wurde mit dem Stempel cyber zur latest technology.

Mitte/Ende der 1990er war man also gut beraten, Dinge, die sich da cyber schimpften oder denen ein gleichlautendes Etikett anhaftete, einfach liegen zu lassen. Das ist für die Münchener Sicherheitskonferenzler aber kein Hinderungsgrund, dämlich über „Cyber-Attacken™“ daherzuschwadronieren.

Wenn daraus etwas wird (und das nicht wie so viele IT-nahe Projekte der Bundesregierung einfach versandet), dann ist mit einer weiteren millionenschweren Steuerverschwendung für ein derartiges „Abwehrzentrum“ zu rechnen:

Die Bundesregierung plant den raschen Aufbau eines nationalen Zentrums zur Abwehr von solchen sogenannten Cyber-Attacken. Damit sollen insbesondere solche Computernetze geschützt werden, die wichtige Infrastruktur kontrollieren, etwa die Energieversorgung, Flughäfen, Bahnhöfe oder Börsen. (Quelle: Thüringer Landeszeitung)

Ganz große Klasse: Was wollen die denn damit? Ich halte es für besser, wenn sich die Betreiber kritischer Infrastrukturen selbst mit der Sicherung derselben befassen. Ein „nationales Abwehrzentrum“ wird im Zweifel nicht viel ausrichten können. Zudem muss gesagt sein (ich weiß – das ist die X-te gebetsmühlenartige Wiederholung – aber dennoch:) dass offene IP-Netze, noch dazu, wenn sie nicht mit ausreichend Redundanz aufgebaut sind, einfach nicht die Optimallösung für kritische Infrastrukturen sind. Das sollten die IT-Experten der Bundesregierung eigentlich klarhaben und es auch Mutti der Bundeskanzlerin kommunizieren, bevor sie sich coram publico zum Vollhonk macht.

Weiterhin bleibt anzumerken, dass die IT-Projekte des Bundes eigentlich immer irgendwie schief gingen , zu teuer wurden und keinen wirklichen Nutzen/Fortschritt brachten, man erinnere sich an dieses Maut-Desaster, die elektronische Gesundheitskarte oder unseren vielgepriesenen E-Perso, den keiner benutzt und der mit Herauskommen quasi gehackt war.

Ich denke, dass das mit der Ahbwehrzentrale gegen Cyber-Attacken™ eine Nullnummer wird – eine verbale Nullnummer ist ja schon jetzt.

Wozu Mailboxen heute noch gut sein können…

Gerade stört die ägyptische Regierung dort ja massiv das Internet. Damit will man freie Kommunikation verhindern.

Wie nun lässt sich mit diesem Problem umgehen? Man besinnt sich auf althergebrachte Technologien!

Amateurfunk: Liebe Funkerkollegen, die ihr hier mitlest, bitte überlegt Euch ernsthaft, was ihr Gutes tun könnt.

Mailboxen: Das ist mal eine feine Idee – zwar sind die alten BBSen nach heutigen Maßstäben museumsreif und vertragen auch nicht zwingend „heavy loads“ – aber diese Systeme laufen stable.

Und dann kann man noch über schwedische Einwahlnummern via Analogmodem in Netz – auch eine geile Idee!

(Anmerkung am Rande, durchaus erntsgemeint: Wer weiß,  ob uns unsere Regierung nicht auch irgendwann mal das Internet abklemmt? Daher: Schmeißt Eure olle BBS-Box, Euer Faxgerät, Eure ollen Funkgeräte und vor allem die guten 56k-Modems nicht weg, packt sie gut ein und legt das Zeug sicher ab.)

Fleischhauerei.

Mich nimmt ja Wunder, warum man beim Spiegel diesem Herrn Fleischhauer immer noch Platz bzw. Traffic einräumt um seine schwachen Texte zu verbreiten. Gut, das ist des Spiegels Ding, nicht meins, aber was ich da heute auf SPON lesen musste, gereichte doch zum Brechreiz.

Herr Fleischhauer, der schon mit seinem Buch Unter Linken kein Meisterstück ablieferte, schwadronierte gestern in seiner Kolumne bei besagtem ehemaligen Nachrichtenmagazin über unseren Außenkasperl Außenminister Westerwelle, dass sich einem die Zehennägel aufrollen!

Er hebt zu einer Verteidigungsrede (sic!) an:

Es ist zugegeben ein heikles Unterfangen, Guido Westerwelle verteidigen zu wollen. Man setzt sich sofort der Gefahr aus, mit in den Verachtungsstrudel zu geraten, der ihn in die Tiefe gerissen hat.

Ja, ganz richtig erkannt! Und wer um (metaphorische) Schelln (für norddeutsche Leser: Das Wort Schelln ist synonym mit Backpfeifen) bettelt, der kann sie auch bekommen. Wer Westerwelle verteidigt, muss zudem mit ins Kalkül ziehen, dass die Hörer oder Leser solcher Verteidigungsreden in der Regel nicht zwischen dem Außenminister und dem Parteivorsitzenden der FDP zu unterscheiden pflegen – was auch gut so ist, denn schließlich kann man diesen Westerwelle nicht in der Mitte auseinanderreißen. Wer Westerwelle kritisiert, der kritisiert ihn sowohl im einen wie auch im anderen Amt – und in Summe ist selbst bei gesonnenen und geneigten Parteifreunden nicht viel übrig, worüber lobende Worte fallen können. Daher darf man davon ausgehen, dass der Fleischhaueresche Ritt auf der Klinge bei der Verteidigung Westerwelles nicht gelingen wird – weil er nicht gelingen kann.

Nichts desto trotz versucht er es dennoch. Und dann kommen dabei solche Aussagen herum:

Westerwelle kann machen, was er will, am nächsten Tag steht in den Zeitungen, warum es falsch war.

Genau das ist das Problem – das hat Herr Fleischhauer (vielleicht ohne, dass es ihm zu Bewusstsein gekommen ist) richtig erkannt und gefasst: Westerwelle macht, was er will (nicht das was die FDP oder die Koalition will, vom Volk ganz zu schweigen). Und wer sich recht egozentrisch präsentiert, sein Gschmusi mit auf Dienstreise nimmt, wer das lex mövenpick nicht nur durchdrückt sondern auch noch die Stirn hat, es wider besseres Wissen öffentlich zu verteidigen, der darf sich nicht wundern, wenn das von „den Zeitungen“ nicht goutiert wird.

Aber halt, bevor ich mich dem Vorwurf stellen muss, Zitate aus dem Zusammenhang zu reißen, schiebe ich noch eins nach (im Zusammenhang, wohlgemerkt):

Erst schreibt man ihn unisono herunter, dann nimmt man die sinkenden Sympathiewerte als Bestätigung, dass man mit seiner Einschätzung richtig lag und setzt noch einen drauf.

Einen Eimer! Schnell! Einen Eimer!! Man muss schon verdammt frech sein, um so eine Argumentation aus dem Hut zu zaubern.

Wir erinnern uns an den Ausgang der letzten Bundestagswahl. Westerwelle war seinerzeit kaum in der Lage, vor Kraft zu laufen. Und so jazzte er nicht minder leise die Bedeutung der FDP sowie seine eigene in der ihm zu eigenen und unnachahmlich lächerlichen Intonation hoch. Und dann wollte sich der Erfolg einfach nicht einstellen: Ausnahmslos alles, was er und die von ihm geführte FDP anfasste, misslang. Und so ist es auch kein Zufall, dass er mitsamt seinen „Liberalen“ hart auf den Drei-Prozent-Bohlen des demoskopischen Bodens aufschlug.

Das ist aber mitnichten die Schuld der Zeitungen, das haben Westerwelle, Brüderle und Rösler in einer dreisten Gemeinschaftsarbeit verbrochen – und ich sage es, auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, noch einmal: Das haben sie unter Westerwellescher Führung verbrochen. Wenn in den Zeitungen darüber geschrieben wird, machen die Journalisten dort nur ihren Job.

Ich erkläre es noch einmal für die Landwirtschaft: Westerwelle wunde nicht runtergeschrieben. Er hat sich selbst runtergeschrieben – in dem er nur Mist verbockt hat. Was sollen denn Zeitungen anderes schreiben? Guter Westerwelle, braver Westerwelle? Gesundheitsreform prima, Einknicken vor der Atomlobby prima, Hotelierssteuerentlastungen prima? Fleischhauer würde das vielleicht tun – aber er käme nicht weit damit.

Die Argumentationslinie enthält nicht nur einen Fehlschluss, sie ist schon von den Annahmen her falsch.

Das vermeintliche Argument wird im Übrigen nicht stärker, wenn man mit dem Finger auf andere zeigt:

Sicher, Westerwelle ist ein politischer Freak, aber ist das Claudia Roth nicht auch?

Zuerst einmal dreht es sich hier um Herrn Westerwelle und nicht um Frau Roth. Glatte Themaverfehlung, setzen, sechs. Weiterhin ist es zwar zweitens wahr, dass die öffentlichen Auftritte Frau Roths eher selten eine Zierde sind, die des Herren Westerwelle übertreffen diese an Peinlichkeit aber um Welten (und die von Herrn Lafontaine um ganze Universen). Doch – und damit kommen wir zum dritten Punkt – es geht hier nicht um die Auftritte in der Öffentlichkeit und da hat, dies ist ein unumstößlicher Fakt, den auch Herr Fleischhauer nicht ins Gegenteil verkehren kann, Westerwelle schlicht nichts Vernünftiges zu bieten.

Ok, ich stelle an diesem Punkt fest, dass Herr Fleischhauer Westerwelle zwar verteidigen möchte – aber offenbar selbst nichts findet, was er ihm zu Gute halten kann. Was liegt da näher, als in die unterste Schublade zu greifen?

Nicht einmal sein Bekenntnis zur Homosexualität hat ihm geholfen, dabei ist die Zugehörigkeit zu einer allgemein anerkannten Opfergruppe zumindest im linken Lager normalerweise ein verlässlicher Schutz gegen hässliche Bemerkungen […] Bei Westerwelle sind alle Schmähungsbarrieren außer Kraft gesetzt, was einen zu der Vermutung bringen kann, dass sich in Bezug auf seine Person Vorbehalte artikulieren, die man sonst in den progressiven Kreisen nicht zu äußern wagt.

Ach Herr Fleischhauer, der wäre jetzt aber nicht nötig gewesen, der zündet eh nicht. Zuerst einmal interessiert mich schon, wie Herr Fleischhauer dazu kommt, dass es sich bei Homosexuellen um eine Opfergruppe handelt. Auf so einen Mist muss man erst mal kommen, allerdings kann ich erklären, wie man auf so einen Mist kommt: Zwar verkneift man sich seitens der konservativen Presse direkte Angriffe auf das Schwulsein bestimmter Personen, allerdings sind es gerade die konservativen männlichen Schreiber, die auf derartige Seitenhiebe nicht verzichten wollen – und wie uns das Beispiel hier lehrt, gehört auch Fleischhauer zu besagten Schreibern. Mit einem Unterschied: Während seine konservativen Kollegen es meist beim Seitenhieb belassen (was auch nicht ok ist), instrumentalisiert Fleischhauer Westerwelles Homosexualität zu allem Überfluss.

Ich will es ganz klar sagen: In meinen Augen ist der Westerwelle ein Depp, aber das hat er nun wirklich nicht verdient! Ganz schlechter Stil!

Und überhaupt, was ist das denn bitte für ein Argument? Wo sind wir denn bitte hier? Wenn jemand schwul ist und Dünnsinn labert, dann kann ich mich doch nicht hinstellen und sagen: Der Mann labert Dünnsinn, aber man darf ihn deswegen nicht kritisieren, denn er ist ja schließlich schwul.

Westerwelle wird der Rollenerwartung nicht gerecht, die gerade in linken Vierteln an Homosexuelle gerichtet werden, das ist möglicherweise der tiefere Grund für die nahezu pathologische Abneigung, die ihm von dort entgegenschlägt.

Infolgedessen sind solche Sätze auch nichts anderes als blühender Unsinn! Hier geht es nicht um schwul oder nicht-schwul, hier geht es um gute Politik oder schlechte Politik.

Kommt da noch was? Nein, im Grunde nicht. Fleischhauer verliert noch ein paar nichtige Zeilen zur Rollenerwartung der „Linken“ an Homosexuelle (ebenfalls substanzlos) und dann ist schon Schluss. die Kolumne zu Ende.

Nun, ganz nüchtern betrachtet ist Herrn Fleischhauer eine Entlastung Westerwelles nicht gelungen. Das ist schon deshalb wenig verwunderlich, weil es von der inhaltlichen Warte betrachtet nichts gibt, was ihm zugute gehalten werden kann (und darin ist mithin auch der Grund für das derzeitige miserable Image der FDP im Algemeinen und von Herrn Westerwelle im Besonderen).

Aber auch für eine konservative Imagepflege genügt der Fleischhauersche Text nicht, das argumentative Eis ist dünn, brüchig. Auf der Seite des Faktischen findet keine Entlastung statt. Das Ding zündet nicht – nicht im Ansatz.

Ich frage mich nur, warum so etwas im Namen des Spiegels überhaupt den Weg an die Öffentlichkeit findet. Darf beim Spiegel eigentlich jeder alles schreiben? Diese paar substanzlosen Zeilchen hätte ich mir zwischen Feierabend und Abendbrot auch noch zusammengeklappert.

Fritz, Su Holder und Kristina Schröder

Einstmals tönte aus den Sendestudios des Rundfunk Berlin-Brandenburg (ehem. ORB) ein Jugendradio namens Fritz, das man unbescholten als den Innovationsmotor des deutschen Tonrundfunks bezeichnen durfte. Fritz war weit vorne mit dabei, wenn es um das Ausprobieren im Radio ging, wenn neue Sendungen, Formate kreiert wurden. Der Fritz-Hörer hatte oft den Eindruck, dass hier eine Insel der Glückseligen existierte, ein Sender, in dem viel Experimentelles zum Erfolg wurde. Fritz stand für eine ganz eigene Hörqualität: Man bemühte sich um Musik fernab des von Media Control gepushten Normgedudels und man schaffte etwas bislang Einzigartiges: Ein Jugendradio mit verhältnismäßig hohem Wortanteil, das nicht nervte.

Wäre es mir möglich, ein Destillat des Erfolgsrezepts des Senders Fritz zu generieren, wäre ich zweifelsohne stinkreich. Inzwischen aber braucht sich niemand mehr die Mühe machen – Fritz ist auf dem absteigenden Ast, auch wenn Leute wie beispielsweise ein Holger Klein noch wacker dagegen ankämpfen ansenden.

Vorgestern ging bei besagtem Sender Fritz ein Kommentar der Journalistin Su Holder über den Äther: Sie befasst sich mit einem Thema, das ähnlich spannend wäre, wie der sprichwörtliche Reissack im Reich der Mitte – das Kohl-Groupie Christina Köhler Schröder ist schwanger – wenn sie sich nicht, dummdreist wie immer, dazu verstiegen hätte, auch in dieser Situation albernen Dünnsinn abzusondern:

„Wir werden dann vor den gleichen Herausforderungen stehen wie viele andere Paare in Deutschland, bei denen beide beruflich sehr gefordert sind“, sagte sie dem Blatt. „Aber wir sind zuversichtlich, dass wir das auch mit Unterstützung unserer Familien hinbekommen“. (Quelle: RP)

Dem geneigten Leser dieser Zeilen ist natürlich aufgefallen, dass das hochgradiger Stumpfsinn ist, die Schröders verdienen ausgezeichnet und können als Mitglieder der „politischen Elite“ mit quasi allen Arten der Unterstützung rechnen und sich wohl jeder denkbaren Ressource bedienen. Das neide ich ihnen nicht und wünsche ihnen darüber hinaus, dass das Kind gesund zur Welt kommt und sie als Eltern glücklich sein mögen.

Aber dass dieses Paar „vor den gleichen Herausforderungen steh[t] wie viele andere Paare in Deutschland“ ist schlicht und ergreifend gelogen.

Auf nichts anderes – und hier sind wir wieder bei Fritz – wies Frau Holder hin. Sie tat dies mit einem Kommentar, der sowohl gesendet wurde als auch als „Manuskript“ auf der Fritz-Seite zu finden war. War? Ja, war, den heute ist das Manuskript weg (gut wenigstens, dass sich einmal gesendete Radiowellen nicht mehr zurückholen lassen).

An dieser Stelle ist es Zeit, darauf aufmerksam zu machen, dass Text und Ton zwar nicht mehr bei Fritz, dafür aber beim Kraftfuttermischwerk zu finden sind. Wer den Kommentar bislang nicht gehört oder gelesen hat, der verlasse diese Seite jetzt bitte, folge dem Link und kommen nach der Lektüre wieder zurück. Bis gleich.

Der Kommentar ist nicht der ganz große Wurf, das ist keine Frage. Ich habe besseres gehört und gelesen. Aber der Kommentar geht für mich schon in Ordnung, weist er doch klar und unmissverständlich darauf hin, aus welchem Holz unsere Bundesfamilienministerin geschnitzt ist (aus ziemlich morschem Holz nämlich). Was uns Köhler Schröder da wieder einmal zumutet ist nicht allein Jammern auf hohem Niveau sondern auch eine Verarsche der Bürger und nicht zuletzt – und am Schlimmsten – ein Hohn gegenüber allen jungen Eltern, die für das Auskommen ihrer Familie arbeiten müssen. Und gerade diese jungen Eltern haben unter der sog. „Familienpolitik“ Köhlers Schröders zu leiden. Darauf weist Frau Holder hin – nicht besonders höflich – aber das muss nicht nur nicht sein (sondern wäre auch unangemessen).

Ich halte Frau Holder zu Gute, dass sie in wenigen Zeilen den Hörern in einer gut verständlichen Sprache klar macht, dass das Kohl-Groupie Schröder sich einmal wieder aufs Peinlichste anzubiedern sucht. Auch die nicht ganz frommen Wünsche, die Frau Holder der Köhler am Ende des Kommentars mitgibt, gehen im Kontext des minderbegabten Geschwafels der Familienministerin in Ordnung. Man muss diese Frau nicht lieben und es spricht auch nichts dagegen, das zu sagen.

Und nun ist der Text weg von fritz.de. Warum? Der Programmchef von Fritz, Stefan Warbeck, liefert eine peinliche Erklärung:

Erstens erweckt der Artikel aus unserer Sicht mit der Formulierung „Offener Brief“ sehr stark den Eindruck, als handele es sich hier um die Meinung der Redaktion.

Herr Warbeck, das ist doch bitte nicht Ihr Ernst? Ich bin gleich beleidigt! Halten Sie ihre geschätze Hörerschaft für so medieninkompetent, dass sie nicht in der Lage ist, zu erkennen, dass es sich um einen Kommentar, einen namentlich gekennzeichneten Meinungsbeitrag eines einzelnen Journalisten handelt? Bitte, wenn sie uns Hörer wirklich für so doof halten, dann sperren Sie Fritz doch einfach zu und übernehmen auf den so frei werdenden Frequenzen das Programm von Energy, Antenne Bayern oder RTL Radio. Btw.: Der Beitrag war in Ton und Text deutlich namentlich gekennzeichnet, also bitte keine Ausflüchte. Und: Wer ist eigentlich dieser ominöse „Wir“, der da beim Satzfetzen „aus unserer Sicht“ durchschimmert? Ich bitte um ein wenig mehr Präzision. Und dann ist Ihnen da noch dieser Satz aus der Feder geronnen, Herr Warbeck:

Dieser Kommentar verletzt, so sehen wir es, an einigen Stellen eindeutig die Persönlichkeitsrechte von Frau Schröder.

Ich muss zugeben, dass meine Einführung ins Medien/Presserecht gut und gerne zehn Jahre her sein mag. Ich habe mich über die Zeit auch nicht immer up to date gehalten, ich bin nämlich kein Journalist sondern nur ein lumpiger Blogger, aber ich kann beim Kommentar von Frau Holder beim besten Willen – auch dann nicht, wenn ich mich in die Rolle eines beliebigen stockkonservativen Rundfunkratsarschloches hineinversetze (was mir zugegebenermaßen sehr schwer fällt) – keine Verletzung irgendwelcher Persönlichkeitsrechte feststellen. Eine „eindeutige“ Verletzung des Persönlichkeitsrechts ist schon mal genau gar nicht feststellbar. Das oben zitierte Argument ist nicht nur tönern sondern auch unbewiesen.

Herr Warbeck, jetzt mal ernsthaft: Eine richtige und nachvollziehbare Erklärung, warum der Kommentar von der Seite genommen wurde (ich versteige mich hier gar nicht, von Zensur zu sprechen, denn, Herr Warbeck – ob sie wollen oder nicht – der Kommentar kann von Ihnen nicht zensiert werden – der ist im Netz und beibt auch dort) liefern sie nicht. Erst etwas von der Seite nehmen und dann noch eine plausible Antwort schuldig bleiben, warum das so gemacht wurde, ist wahrlich ein beschissener Stil.

Nicht ganz zu Unrecht kommentiert der User ben gunn auf der Fritzseite:

traurig, dass die vierte gewalt in vorauseilendem gehorsam sich selbst beschneidet…

Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Ich bin der Meinung, dass man diesen Kommentar locker hätte mittragen hätte können, wenn man gewollt hätte. So aber bleibt ein Gschmäckle, ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier jemand Angst vor der eigenen Courage der Courage seiner Mitarbeiter bekam.

Was bedeutet das für Fritz? In jedem Fall verlieren Hörer das Vertrauen darauf, dass das Programm unbeschnitten ist, man querdenken nicht nur toleriert sondern auch wünscht und Missstände klar und deutlich, in jugendgerechter Sprache benennt. Ich bin, Herr Warbeck, erschüttert über Ihre Mutlosigkeit Feigheit, damit tun sie Fritz keinen Gefallen. Ich war schon angenervt, als ihnen nichts besseres einfiel, als den Blue Moon auf zwei Stunden herunterzukürzen, das habe ich Ihnen und Frau Reim seinerzeit auch geschrieben (geantwortet haben Sie nicht, wunderte mich auch nicht wirklich). Das könnte man noch verschmerzen, das Ding, das sie heute abgeliefert haben, verschmerze ich nicht so leicht. Und, wenn man die Reaktionen in anderen Blogs, auf twitter, auf der Fritzseite ansieht, bin ich damit nicht allein.

So schließt sich auch der Kreis zur Innovation: Neue Ideen und Formate können erst dann zünden, wenn Redakteure und Moderatoren die Sicherheit haben, auch mal nonkonformistisch agieren zu dürfen, sich querzustellen, mal auszuteilen. Wenn das nicht gegeben ist, dann ist die Authentizität im Einer und damit die Innovation im Arsch. Ich möchte nich in der Haut der Redakteure und Journalisten bei Fritz stecken, die werden sich jetzt zwei, drei, vier Mal überlegen, was sie sagen oder schreiben und alles tun, nicht der Fritzschen Selbstzensur (oops! Da war es, das böse Wort! Verdammt!) anheimzufallen. Gut gemacht, Herr Warbeck. Ist es nicht an der Zeit, mal darüber nachzudenken, den Sessel für Mutigere freizumachen?

Ach, scheiß doch auf das Briefgeheimnis!

Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich. (Artikel 10, Abs. 1, Grundgesetz)

Na bravo – unsere Bundesregierung scheißt dermaßen offensichtlich auf das Grundgesetz – man hält es im Kopf nicht aus. Gestern Abend wurde bekannt, dass die Feldpostbriefe der im Schutzbataillon Masar-I-Scharif stationierten Soldaten in die Heimat systematisch geöffnet wurden und die verwendeten Kuverts die Empfänger teils offen, teils gar ohne Inhalt erreichte (Quelle).

Als sicher darf gelten, dass dieser massive Verstoß gegen die Grundrechte nicht durch die afghanische Post geschehen ist sondern entweder durch die Feldpost der Bundeswehr, durch die Deutsche Post AG oder dazwischengeschaltete Stellen. Daher ist zwar nicht bewiesen, aber anzunehmen, dass hier staatliche Organe ihre Finger im Spiel haben. Wer die Briefe geöffnet hat ist – natürlich – unbekannt.

In früheren bundesdeutschen Regieruingen wäre es üblich gewesen, dass nach einer so systematisch durchgeführten Straftat (Verletzung des Briefgeheimnis in Tateinheit mit Unterschlagung) der Verteidigungsminister zurücktritt. Wie gesagt: Früher. Heute ist das in unserer Junta Bundesregierung natürlich nicht der Fall, ganz im Gegenteil: Zu Guttenberg lässt sich jetzt auch noch als großer Aufklärer feiern.

Ok, Leute, so steht es heute also um Freiheit und Demokratie. A propos Freiheit: Sollte diese Freiheit gemäß Peter Struck nicht am Hindukusch verteidigt werden? Dieser zynische und schmerzliche Treppenwitz zeigt, wie sehr unsere Bundesregierung auf Recht, Rechtsstaatlichkeit, Gesetze und damit in letzter Konsequenz auf uns Bürger spuckt.

Wir wollen uns nur einmal kurz in Erinnerung rufen, welche „Regierungen“ auf deutschem Boden systematisch Briefe zu öffnen pflegten. Den bekannten, Max Liebermann zugesprochenen Ausruf verwende ich in der Regel gar nicht, wenn überhaupt, dann nur in homöopathischen Dosen, hier aber verwende ich ihn bewusst. Liebermann sagte angesichts eines Fackelzuges anlässlich der Machtübername Hitlers:

Ich kann gar nicht soviel fressen, wie ich kotzen möchte.

So fängt das an.

Es ist an der Zeit, inne zu halten und darüber nachzudenken, wohin wir gekommen sind in Zeiten des großen Lauschangriffs, des Bundestrojaners, der Vorratsdatenspeicherung, der omnipräsenten Kameraüberwachung. In Zeiten, in denen es wieder möglich ist, dass systematisch Briefe geöffnet werden.

Ich wäre froh, in einem Staat zu leben, in dem – wenn so etwas geschieht – unverzüglich politische Konsequenzen gezogen würden. Heute haben wir alle Gewissheit: Die Bundesrepublik Deutschland ist weit von rechtsstaatlichen Prinzipien abgerückt. Es ist hohe Zeit, dass diese Regierung zurücktritt. So kann und darf es nicht weitergehen.

Warum öffnen die eigentlich Briefe? Wovor haben die eigentlich eine so verdammte Angst?

Oury Jalloh, verbrannt am 7. Januar 2005

Heute jährt sich der Todestag des aus Sierra Leone stammenden Asylbewerbers Oury Jalloh, der in einer Dessauer Polizeizelle unter mysteriösen und bis heute nicht geklärten Umständen verbrannte – obwohl er gefesselt war (!) – zum sechsten Mal.

Nachdem im Prozess um den Tod Oury Jallohs (manche sprechen von Mord, was rein von der Argumentation her und der Faktenlage nicht ganz von der Hand zu weisen scheint) zwei Polizisten, die verdächtigt wurden, am Geschehen beteiligt gewesen zu sein, vom Landgericht Dessau freigesprochen wurden, hat der BGH (sic!) dieses Urteil postwendend kassiert. Es muss neu verhandelt werden; das beste, was einem Rechtsstaat passieren kann.

Es ist ein Glücksfall für den Rechtsstaat, dass der Fall neu aufgerollt werden muss.

Im Web habe ich einen Mitschnitt der Hördukumentation „Verbrannt in Polizeizelle Nr. 5„, produziert vom NDR Ende des vergangenen Jahres, gefunden. Ich kann wirklich jedem empfehlen, sich diese Dokumentation anzuhören.

Sie rüttelt auf, beklommen nur kann man ihr folgen und wird gewahr, wie Polizeigewalt im Nachhinein vertuscht wird, wie sich mögliche Täter zu Opfern stilisieren lassen.

Diese gut 50 Minuten sind nach meinem Dafürhalten eine der wenigen Sternstunden des deutschen Tonrundfunks im vergangenen Jahr. Die Sendung ist nicht nur informativ sondern auch eine angemessene Möglichkeit, Oury Jallohs zu gedenken.

Link zum Mitschnitt. (Mirror)

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