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Kein Sync mit Nazis oder: Schwachsinn in der Facebook-Debatte.

Ich weiß ja nicht warum, aber wenn man bestimmte Themen anfasst, kann man sich sicher sein, leidigen Nazi-Spam zu bekommen. Einen besonders dummdreisten will ich Euch an dieser Stelle nicht vorenthalten.

Aber zuerst zur Vorgeschichte: Was ich gestern über die Anachronismen im Umgang mit persönlicher Kommunikation – also mit dem Umgang mit nicht mehr ganz taufrischer ITK-Technik auf der einen Seite und der Reduktion des eigenen Kommunikationsverhaltens auf ein sinnvolles Maß auf der anderen Seite geschrieben habe, meine ich durchaus ernst. Ich bin mir vollends darüber bewusst, dass ich nicht diktieren kann, wie ich gerne kommunizieren würde – es sei denn, ich hätte die Absicht, mich sukzessive zu isolieren – aber ich wollte schon ein wenig den Stachel ins Fleisch bohren und zeigen, dass die „natives“ von den „visitors“ durchaus lernen können. Alles in einem gerüttelt Maß, versteht sich.

Scheinbar ist es mir aber gelungen, mich so missverständlich auszudrücken, dass ein Nazi-Verschwörungstheoretiker sich gestern bemüßigt fühlte, Nonsens zu posten.

Klar – in aller Regel lösche ich solche Kommentare kommentarlos – der hier ist aber so widerlich und so dumm – dabei aber gefährlich reizwoll formuliert, sich als intelligent tarnend, dass ich Euch zumindest Auszüge daraus zumuten möchte – selbstverständlich nicht unkommentiert.

Gestern also schrieb „asdf“ über den Host bluewin.ch (ich nehme mal an, hier hatte wer Thor o. ä. im Einsatz):

Hitler und Gaddafi hatten recht: das amerikanische Zins-Judentum hat schon längst die Weltherrschaft angetreten und scheint sogar (via Facebook und Mark Zuckerberg) die Aufstände in Nordafrika zu synchronisieren bzw. zu organisieren.

Aaarg! Dass sich dieser gedankliche Sondermüll nicht abstellen lässt!! Es ist grausam. Wenn ich spekulieren sollte, woher Menschen solchen Unsinn aufschnappen, dann würde ich ja spontan auf Jan Udo Holey aka. van Helsing tippen. Zu sagen bleibt zweierlei: Erstes gibt es kein amerikanisches Zins-Judentum – das ist nicht nur antisemitischer Bullshit sondern auch sachlich schlichtweg falsch. Damit bricht aber die Verschwörungstheorie schon zusammen. Pech für asdf. Wenn man es sich genauer betrachtet: Zuckerberg mag ja einem jüdischen Elternhaus entstammen, aber weder ein Zahnarzt noch eine Psychologin haben das Geld auf dem Stack, das nun Richtung Facebook fließt, weder er noch seine Eltern konnten Gelder einbringen, die zur rein technischen Realisierung der Verschwörung vonnöten gewesen wären. Zuckerberg hatte meines Erachtens mit dieser Facebook-Sache noch nicht einmal den richtigen Riecher sondern einfach nur unverschämtes Glück. Das hat er aber schnell erkannt und festgehalten. Peter Thiel, der Zuckerberg 2004 die ersten 500k US-Dollar gab, ist kein Jude, er ist Republikaner und unterstützt massiv die fundichristliche Tea-Party-Bewegung.

Das ist allgemein bekannt. Nur scheinbar wissen das dumme Nazis nicht. Der Link zwischen Hitler und Gaddafi ist so extrem schwachsinnig – dazu nun wirklich kein Kommentar.

Und so wundert es nicht, dass auf diesen Schwachsinn gleich der nächste Schwachsinn folgt:

Wie schon Hitler wusste: das grösste Kunstwerk ist ja nicht ein Gemälde, sondern die Synchronisation von 50 Mio Leuten (bei Facebook sogar 500 Mio).

Was jeder Mensch weiß, scheinbar aber unser Nazi nicht: Die Synchronisation von 50 Millionen „Leuten“ (allein dem Duktus nach dürfte sich unser Nazi-Spammer wohl im süddeutschen Raum bewegen – wer spricht sonst von „Leuten“) führte dazu, dass ein Gutteil Europas in Schutt und Asche lag. Diese „Synchronisation“ ist nichts wofür Bewunderung gezollt werden darf – diese „Synchronisation“ ist das größte Verbrechen der Menschheit. Nicht weniger. In diesem Kontext von einem „Kunstwerk“ zu sprechen ist nur widerlich.

Facebook „synchronisiert“ in erster Linie mal niemanden, dazu ist Facebook schlichtweg nicht in der Lage. Ob die Aufstände in Ägypten oder Tunesien historisch richtig als „Facebook-Aufstände“ bewertet werden dürfen , ist für mich indes höchst fraglich. Mubarak seterschwörungsthete neben kabelgebundenen IP-Netzen auch weite Teile der Mobilfunkkommunikation temporär aus – die Kommunikation klappte dennoch. Daher steht auch zu bezweifeln, dass expressis verbis Facebook das auslösende Element war. Ich will auf eine Erfahrung hinaus, die Mitglieder des Berliner Chaos Computer Clubs in ihrer monatlichen Sendung Chaosradio vom 24. Februar 2011 beschrieben: Hier ging es um Gateways für die abgeschaltete IP-Kommunikation und wie diese mit etwas outdateter Technik aus dem Ausland in Ägypten bereitgestellt werden könnte. Augenfällig hier: Auch ein Speech/SMS to twitter-Gateway, Amateurfunkstationen, Faxdienste… waren in diesen Tagen wertvoll wie IP-Kommunikation, die man via 28.8/56k-Modem bereitstellte. Facebook hat zweifelsohne eine wichtige Rolle gespielt – dies liegt aber nach meinem Kenntnisstand nicht an der spezifischen Beschaffenheit sondern der Verfügbarkeit.

Und unser Nazi-Sprallo schreibt weiterhin:

Wann gibt es mal einen Aufstand bei den Facebook-Mitgliedern?
Wann rotten sich nicht mal 5 Mio davon zusammen (z.B. via Facebook) und beschliessen, heute um 12.00 Uhr (GMT) ihren Facebook-Account zu löschen?

Oh, Du Depp. Ich soll also via Facebook organisieren, aus Facebook auszutreten? Nun, das klappt genau einmal. Dann kann ich via Facebook nichts mehr organisieren, weil ich kein Facebook mehr habe. Dann hat Facebook also 1% seiner Mitglieder verloren und der Rest bekommt davon nichts mit (gesetzt den Falles, dass Facebook 500 Mio. aktive Mitglieder hat, woran ich ebenfalls zweifle). Nee, Nazi-Dumpfbacke, so funktioniert das mit Social Media nicht, denn so sägt man sich nur den sprichwörtlichen Ast ab, auf dem man gerade sitzt. Wer eine Austrittswelle organisieren will, muss sich erstens einen Verbreitungsweg suchen, der Wellenbewegungen zulässt (Facebook zum Beispiel) und zweitens den „leavern“ auch eine gangbare Alternative anbieten – denn sonst wollen die Leute nicht weg. Die von mir gestern beschriebenen Anachronismen sind gangbare Alternativen – aber eins sind sie definitiv nicht: Kampagnenfähig. Ich will auch keine Kampagne – Du, spammender Nazisprallo, willst eine. Dann sieh mal zu, wie Du das hinbekommst – so jedenfalls wird das nix. „Wellen“ im Netz sind ja nichts anderes als zyklisch ablaufende Prozesse mit einer vorhandenen, aber sich stetig reduzierenden Schubkraft, deren Peaks sich deutlich über ein existierendes Grundrauschen erheben. Um diese Wellen in Gang zu bekommen, bedarf es einer ersten Anschubkraft. Die allein bringt niemand auf, daher bedarf es vielen Gleichgesinnten, die ein unterstützenswertes Ziel voranbringen. Damit sie das tun, müssen sie erst einmal überzeigt werden und sich dann „in Bewegung“ setzen. Aus der Summe dieses Schwarms ergibt sich die benötigte Schubkraft. Es steht gottlob nicht zu erwarten, dass dieser Schwarm so dämlich ist, auf das Geseiere von Nazi-Verschwörungstheoretikern hereinzufallen. Deshalb wird auch nichts aus dem rechtsradikelen Facebook-Quit zur Stichzeit.

Aber eben: heute wird alles zensiert und Mutige gibt es eh schon längst nicht mehr. DSK wird übrigens dank bester Anwaltschaft in New York sowieso frei kommen.

Dummes Nazi-Geseiere zu zensieren ist in der Tat keine Option, denn dann würde ja niemand mitbekommen, wie hohl ihr Faschos eigentlich seid. Aber diesen Dumpfsprech unkommentiert durchzulassen, ist auch nicht. Daher, lieber Fascho der Du dich hier „asdf“ schimpfst: You made my day und ich widme deiner Scheiße ein ganzes Post. Du hast das Exempel Deiner eigenen Dummheit hier öffentlich selbst statuiert. Na, Fascho, bist Du jetzt stolz?

P.S.: Was hat Dein Sermon denn bitte mit Strauss-Kahn zu tun? Bekloppter…

P.P.S.: Disclaimer: Der in den Zitierfeldern abgebildete Kommentar ist hier vollständig wiedergegeben. Der Kommentar wurde zum Artikel „Anachronismen für ein freieres Leben“ vom 15. Mai 2011 unter der IP: 81.62.251.230 , 230-251.62-81.cust.bluewin.ch uam 15. Mai 2011 um 23:47:57 Uhr abgegeben. Derr Autor distanziert sich von allen in den Kommentarfeldern getätigten Äußerungen, die hier nur zu dokumentarischem Zwecke dargestellt wurde.

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