MP3-Player waren vor zwanzig Jahren mal der absolut heiße Scheiß. Wer auf sich hielt und gewisse Ansprüche an so ein Produkt stellte, leistete sich einen iPod, wer nicht so viel Geld ausgeben wollte, fand eine passende Alternative in der quasi unendlich breiten Produktpalette. In Zeiten des Smartphones und des Musikstreamings scheinen MP3-Player aus der Zeit gefallen, ja überflüssig. Und dennoch gibt es sie – und nicht nur als Billigprodukt für technisch etwas weniger ambitionierte ältere Herrschaften – sondern auch als “High End”-Player für eine anspruchsvolle Kundschaft.
In diesem Segment haben sich die Firmen FiiO und Sony besonders hervorgetan und einige hervorragende sog. “HiRes-Player” auf den Markt gebracht. Deren Vorteile bestehen im Wesentlichen darin, dass sie nicht nur Lossless-Dateien wiedergeben können, sondern durch einen besonders guten Digital-Analog-Wandler die klanglichen Vorteile solcher verlustfreier Audiodateien zur Geltung bringen. Zudem sind diese im höheren Preissegment angesiedelten Produkte in der Regel auch haptisch gut gemacht. Diese Player besetzen damit eine Lücke, denn bei vielen Streamingdiensten kommt der Sound unter die Räder und die in etlichen Handys verbauten Signalprozessoren lassen selbst Lossless-Dateinen oft nur mäßig klingen.
Aber auch diese Nische ist in den letzten zwei Jahren deutlich kleiner geworden – und gute Geräte sind mittlerweile teuer. Gegenwärtig ist nur noch ein High-End-Player von FiiO zum stolzen Preis von 700,- Euro zu haben. Und auch die wenigen Sony-Geräte, die man bekommt, sind reichlich kostspielig. Kein Wunder also, dass sich nun weniger arrivierte Hersteller (chinesischer Provenienz) daran versuchen, diese Marktnische zu bedienen. Und so bin ich dieser Tage auf ein Produkt der mit bis dahin unbekannten Marke “PHINISTEC” gestoßen, das verspricht, hier ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zu liefern – der Player hat die Typenbezeichnung “Z6”.
Phinistec Z6 – MP3-Player
Auch ich habe mich zum Kauf hinreißen lassen (in Deutschland z.B. via Amazon und Ebay, international über diverse Plattformen und auch die üblichen China-Wholesale-Verdächtigen). Derzeit wird der Phinistec Z6 in zwei Varianten angeboten – mit einem internen Speicher von 32 GB für 49,99 Euro, die Variante mit 96 GB Speicher ist zwischen 70,- und 119,- zu haben. Die Spezifikationen des Players haben für den Kauf den Ausschlag gegeben. Das Gerät wartet mit einigen bemerkenswerten Features auf (zumindest auf dem Papier):
- Wiedergabe der Formate APE, FLAC, MP3, OGG, AAC, ACELP, WMA und WAV
1500mAh starker Akku
- FM-Radio mit der Möglichkeit, vom Radio in WAV und MP3 aufzunehmen
- USB-C (das ist ein Feature, weil die bei Playern dieser Art sonst üblichen Micro-USB-Buchsen schnell zum Ausleiern neigen)
- der Player mountet 256GB microSD-Karten
- ein eingebauter Lautsprecher, Diktierfunktion und ein AUX-Out-Anschluss sowie Bluetooth 5.0 runden das Angebot ab
Das ist eine eierlegende Wollmilchsau! Mehr kann man von so einem Player doch kaum erwarten, oder? Nun, um es kurz zu machen, man kann nicht nur, man muss. Denn trotz dieser langen und klangvollen Featureliste ist der Player vor allem eines: gruselig!
Will man den Rezensionen, die über diesen MP3-Player kursieren, Glauben schenken, dann handelt es sich beim Z6 um ein absolutes High-End-Produkt. Als “Next Level”-Player wird er da angepriesen, man attestiert ihm eine besondere Soundqualität und rühmt seine audiophilen inneren Werte. Um es kurz zu machen: Das ist leider alles Bullshit.
Phinistec Z6 – Seitenansicht
In der angenehm sachlich-schlichten, funktionalen Versandverpackung findet man einen stattlich 180 Gramm schweren, sich erst einmal sehr gut anfühlenden Player vor. Das Gehäuse ist aus Metall, dich mechanischen Funktionstasten ebenso. Vorder- und Rückseite sind aus Glas, die Anschlüsse für Kopfhörer und AUX funkeln gülden. Das Teil ist ein echter Handschmeichler, hier wurde nicht an Material gespart. Diese angenehme Haptik lässt darüber hinwegsehen, dass Glas bei einem Mobilgerät, das auch mal herunterfallen kann, eigentlich ein Werkstoff ist, der sich verbietet. Zudem ist das Gehäuse relativ scharfkantig und, wenn man es sich recht überlegt, auch unnötig schwer.
Bei ersten Einschalten fällt auf, dass das Display groß und scharf ist, dann aber folgt schon die erste Ernüchterung: Auf den ersten Blick ist erkennbar, dass wir es mit einem nur wenig logischen und kaum intuitiv bedienbaren Schachtelmenü zu tun haben. Die englische Bedienoberfläche ist okay, die deutsche Sprachvariante enthält teils ziemlich blöde Übersetzungsfehler, man bekommt auf dem Display ein deutsch-englisch-chinesisches Kauderwelsch angezeigt. Die Bedienung geht, sofern man den Menüpunkt, den man anzusteuern beabsichtigt, denn auch findet, flüssig von der Hand.
Phinistec Z6 – Seitenansicht
Die gut gefüllte 256GB-SD-Karte mountet der Player halbwegs schnell. Man kann die Dateien in den jeweiligen Ordnern ansteuern, der bordeigene “Dateibrowser” tut den Job prinzipiell, aber leider nicht ganz fehlerlos: Wurde ein Album in einem Ordner wiedergegeben, folgt nicht der nächste Ordner, sondern der Player stoppt. Das lässt sich auch nicht beheben oder einstellen. Die Dateien werden nicht in der Reihenfolge, in der sie auf der SD-Karte abgelegt sind, wiedergegeben, sondern der Player hat den alten „Dateinamenfehler“ und spielt die Dateien in der Ordnung „1, 11, 2, 21…“ Wenn Player der „early 2000s“ solche Bugs haben, na gut, heutzutage darf das nicht mehr vorkommen. Und damit ist der Z6 eigentlich schon durchgefallen. Doch es kommt, wen will es wundern, noch schlimmer:
OGG Vorbis, FLAC, MP3 und WAV-Dateien klingen allesamt flach, komprimiert, leblos und irgendwie auch dumpf. Es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass ich noch nie einen so schlecht klingenden MP3-Player besessen habe. Damit ist das Elend aber nicht zu Ende, im Gegenteil: Selbst bei mäßigen Lautstärken neigt der Player zum Clipping. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Der im krude verschachteln Menü gut versteckte Equalizer schafft hier keine Besserung, im Gegenteil: Der Sound wird noch schlimmer. Alleine wegen des schlechten Tons ist der Player ein Fall für die Mülltonne.
Es ist mir ein Rätsel, wie Rezensenten auf Amazon diesem Gerät einen guten Klang attestieren können. Wer der irrigen Meinung ist, dieser Player klinge gut, der hat entweder sehr niedrige Standards oder sollte sich umgehend bei einem HNO-Arzt vorstellen.
Da fällt dann schon nicht mehr ins Gewicht, dass das eingebaute FM-Radio selbst bei starken Ortssendern einen schlechten Empfang hat. Ist das Display eingeschaltet, dann wird der Empfang noch von zusätzlichen Störgeräuschen unterzogen. Auch wenn die Aufzeichnung der Radiosendungen prinzipiell ganz ordentlich funktionieren würde, nutzt sie halt nichts, wenn der Empfang so gestört ist, dass man mit dem Ergebnis nichts anfangen kann. Warum sich Aufzeichnungen nur auf dem internen Gerätespeicher, nicht aber auf der SD-Karte ablegen lassen, weiß allein der chinesische Hersteller. Der eingebaute Lautsprecher klingt reichlich leise und blechern – hier hatte ich aber auch nichts anderes erwartet. Ärgerlich ist aber, dass Bluetooth mal funktioniert – und mal nicht. Und wenn es funktioniert, dann klingt es fies.
Das traurige Fazit: Dieser Player ist leider ab Werk Elektroschrott. Keine der vielen Funktionen ist ordentlich umgesetzt und man ärgert sich jedes Mal, wenn man diesen Player in die Hand nimmt. Die solide Haptik scheint einzig und allein dem Verkauf zu dienen, denn im edlen Gewand kommt billigste Elektronik daher – die “Brot und Butterfunktionen” sind so schlecht, dass ich dringend raten möchte, vom Kauf dieses Players abzusehen. Wer “HiRes” oder gar “High End” (bei diesem Preis ist das aber freilich nicht zu machen) erwartet, sieht sich bitter enttäuscht, aber selbst für einen “normalen” MP3-Player ist das Teil einfach nicht ausreichend.