blog.fohrn.com

Offener Brief an das Deutsche Rundfunkarchiv

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Stülb,

mit Entsetzen und Bestürzung musste ich heute feststellen, dass, so lässt sich der Auskunft des zum Google-Konzern gehörenden Videoportals YouTube entnehmen, das Deutsche Rundfunkarchiv Dokumentationen von o.g. Portal aufgrund von Urheberrechtsverstößen entfernen ließ. Dies dokumentiert unter anderem dieser Screenshot, aufgezeichnet am 1. Mai diesen Jahres:

Um es vorweg klarzustellen: Beim User „WasDamalsWar“ handelt es sich nicht um meine Person. Und dennoch bin ich verärgert, denn gerne hätte ich die Dokumentation „Damals in der DDR“ gesehen – auch auf Youtube. Das ist leider nicht mehr möglich, denn wenn Google hier die Wahrheit schreibt, wurde das Video auf Ihre Initiative entfernt.

Ich frage mich: Warum? Und ich frage mich: Warum gerade das DRA?

In der Selbstdarstellung auf der Webseite Ihres Hauses ist klar und unmissverständlich zu lesen:

Aufgabe und Zweck der Stiftung ist die Erfassung von Ton- und Bildträgern aller Art, deren geschichtlicher, künstlerischer oder wissenschaftlicher Wert ihre Aufbewahrung und Nutzbarmachung für Zwecke der Kunst, Wissenschaft, Forschung, Erziehung oder des Unterrichts rechtfertigt. Aufgabe der Stiftung ist ferner, die rundfunkgeschichtlich bedeutsamen Tatsachen und Dokumente auszuwählen und zu erfassen.

Wenn ich das also richtig verstehe, dann enthält die Dokumentation „Damals in der DDR“ Materialien von Ton- und Bildträgern, deren Nutzbarmachung für Zwecke der Kunst, Wissenschaft, Forschung Erziehung oder Unterricht Ihrem Stiftungsziel entspricht (anderenfalls wären diese Dokumente durch das DRA wohl nicht archiviert worden). Wer, so frage ich mich nun, sagt denn, das der Upload der vorgenannten Dokumentation nicht ebendiesen Zwecken dient? Ich bin mir sogar sicher, dass genau das der Fall ist:Zuerst einmal muss man sich vor Augen halten, dass es bei Youtube derzeit mindestens 14 Milliarden Videos (sic!) gibt. Im Jahr 2006 wurden etwa 65.000 Videos täglich hochgeladen und heute geht man davon aus, dass täglich eine MilliardeVideos auf Youtube angesehen werden. Aus diesen Zahlen lassen sich mehrere Schlüsse ziehen:

  • rein zahlemäßig sind die Bestände des DRA gegenüber derer von Youtube vernachlässigbar
  • es wird Ihnen angesichts von 14 Milliarden Videos nie gelingen, Urheberrechtsverstöße gegen das DRA angemessen zu ahnden. Lassen Sie sich die Zahl von 14 Milliarden Videos mal auf der Zunge zergehen – und geben Sie auf.
  • Wer aus einer Fülle von 14 Milliarden Videos die Dokumentation „Damals in der DDR“ herauspickt, der wird nicht zufällig darauf stoßen sondern ganz gezielt danach suchen. All diesen ist also ein Interesse am Film oder an der Materie zu unterstellen. Wie wollen Sie denn ausschließen, dass die Motivation der User, die Dokumentation anzuwählen nicht der Bildung, Forschung dem Unterricht oder der Erziehung – also Ihren ureigensten Stiftungszielen entspricht?
  • Wenn aber angenommen werden darf, dass sich das Interesse der Nutzer, die diese oder änliche Dokumentationen ansehen wollen, mit Ihren Stiftungszielen deckt, dann ist es doch widersinnig, Ihnen genau das zu verwehren.

Lassen Sie mich weiterhin eine in meinen Augen wesentliche Anmerkung machen: Das Deutsche Rundfunkarchiv selbst und die Archivalien des öffentlich-rechtlichen Tonrundfunks und Fernsehen der Bundesrepublik Deutschlands sowie die Archivalien aus Tonrundfunk und Fernsehen der DDR existieren nur, weil meine Großeltern, Eltern und ich selbst Rundfunkgebührenzahler waren oder sind. Die Mehrheit der Deutschen, die in der Lage sind, Radio zu hören und fernzusehen sind Rundfunkgebührenzahler. Ohne sie wäre das DRA schlicht nicht existent. Warum wollen Sie die von den Bundesbürgern bezahlten Inhalte Ihrer Archivalien ihren Finanziers vorenthalten? Und mit welchem Recht?

Was ich außerdem nicht verstehe: Ist das Deutsche Rundfunkarchiv überhaupt legitimiert, Urheberrechtsverstöße zu ahnden? Ich gebe Ihnen ein einfaches Beispiel: Wenn eine deutsche Universitätsbibliothek wissenschaftliche Werke – oder solche, die mutmaßlich dazu geeignet sind, der Wissenschaft dienlich zu sein – sammelt, und irgend jemand verletzt das Urheberrecht einzelner Autoren, zitiert nicht richtig, plagiiert oder veröffentlicht ein solches Werk oder Teile daraus auf einer Webseite, dann werden die Bibliothekare nicht dagegen vorgehen. Das Urheberrecht liegt ja nicht bei der Bibliothek sondern bei den Autoren (oder es wird von den Verlagen der Autoren geltend gemacht). Das gilt auchdann, wenn der Autor auf Materialien eines anderen Autors zurückgegriffen hat.Die Universitätsbibliothek wird nichts unternehmen – sie darf es gar nicht, denn sie hält keine Urheberrechte.

Wen der MDR oder der WDR Urheberrechte an besagtem Youtube-Video geltend gemacht hätte, könnte ich es nachvollziehen. Das das Deutsche Rundfunkarchiv dies tut, kann ich nicht nachvollziehen. Oder ist es gar so, dass das Urheberrecht an den Archivalien beim DRA liegt? Was ist denn dann mit dem Urheberrecht der Autoren, Kameraleute, Regisseure oder Cutter, die diese Sendungen hergestellt haben? Wurde das DRA von diesen jeweils explizit ermächtigt, in Ihrem Namen Urheberrechte durchzuseten? Und wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage geschieht das?

Einige weitere Anmerkungen: Selbst wenn das DRA rechtlich befugt ist, Urheberrechte geltend zu machen, ist es in meinen Augen mindestens töricht, davon in dieser Art und Weise Gebrauch zu machen. Es gibt nicht „den einen Weg“, Menschen Geschichte zu vermitteln. Wie Menschen mit Geschichte in Kontakt kommen und wie sie Quellen auswählen und an diese herankommen, bleibt ihnen selbst überlassen. Gerade für Jugendliche und junge Erwachsene ist das Internet das wichtigste und wesentlichste Medium, u zu recherchieren. Und im Jahr 2010 ist das Internet multimedial. Wer Quellen sucht, der fragt Google , die Wikipedia und schaut bei Youtube nach Filmen.

Bei der Wikipedia kann das Deutsche Rundfunkarchiv übrigens lernen, wie man mit seinen Archivalien in diesen Zeiten sinnvoll und konstruktiv umgeht: Das Deutsche Bundesarchiv hat seine Schubladen geöffnet und zahllose Fotografien der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt. Frei, unentgeltich und ohne Urheberrechtsgedönz. So berichtet die Stuttgarter Zeitung am 4. Dezember 2008, dass das Bundesarchiv der Wikipedia rund 100.000 Bilder gemeinfrei zur Verfügung stellt. Eine feine Sache, oder?

Genau so etwas erwarte ich eigentlich von Deutschen Rundfunkarchiv im Jahr 2010. Das Interesse der Bürger, sich unkompliziert und niederschwellig anhand von Originalquellen über geschichtliche Ereignisseinformieren zu können wiegt meiner Meinung nach wesentlich schwerer als irgend ein Urheberrecht und die daraus resultierende, mitunter kleinkarierte, Durchsetzung desselben.

Hier hat das DRA aber noch großen Nachholbedarf. Die Webseite entspricht dem technischen Standard von etwa 2005. Einen Youtube-Channel des DRA sucht man vergebens. Twitter? Fehlanzeige. Ein Blog? Nö. Man muss sich das vor Augen halten: Das sitzt das DRA auf tausenden Zeitdokumenten unseres Landes. Und was macht das DRA im Internet? Es hat eine leidlich altmodische Webpräsenz. Es gibt ein bisschen Video und ein klein wenig Ton. Und sonst? Nichts.

Gut, wenn das DRA ein solch zeitgemäßes Vorgehen nicht als seinen Auftrag versteht (der zweifelsohne mit dem Stiftungszweck korrespondieren würde), dann mag das so sein. Ich werde daran nichts ändern können – auch wenn es schade ist. Dass es dann aber die Internetnutzer dadurch gängelt, Videos von Youtube entfernen zu lassen, die Archivalien des DRA verwenden, hat schon eine andere Qualität.

Einige Zweifel an der sinnvollen Verwendung einer Rundfunkgebühren, man möge mit verzeihen, kommen angesichts dieses Vorgehens aber schon auf.

Über ein Feedback aus Ihrem Hause würde ich mich freuen.

Mit freundlichen Grüßen aus Nürnberg,

Ihr

Michi.

Drei alkoholfreie Ammidrinks

Es muss nicht immer Coca-Cola sein. Nachdem der Herldsberger Importeur Naschbox oHG es geschafft hat, US-amerikanische Softrinks in die hiesigen Premiumsupermärkte zu lancieren, habe ich mal drei Büchsen davon gekauft und gekostet.

Canada Dry ist ein Ginger Ale, der auf der Büchse damit wirbt, aus echtem Ingwer hergestellt zu werden. Er ist – im Vergleich zum hier bekannten Schweppes – weniger intensiv im Geschmack, auch ist er nicht so stark gefärbt. Ich finde Canada Dry eigentlich ganz gut, aber er schmeckt schon ein wenig leer, wenn man de hiesigen Ginger Ales gewöhnt ist. Für sehr feine und nuancierte Cocktails mag er eine gute Basis bilden.

Country Time Lemonade hält nicht, was sie verspricht. Die Zitronenlimo, die ohne Kohlensäure daherkommt, ist im Glas eine trübe, süße Lurke, die zwar leer schmeckt, dafür aber einen recht strengen Nachgeschmack hinterlässt. Zwar sei „Country Time Lemonade“ laut Büchsenaufdruck eine „good source of vitamin c“, das Gesöff enthält aber keinen einzigen Tropfen Saft. Pur schmeckt das Zeug nicht, ich habe auch keine Idee, welche Cocktails man damit versauen könnte.

A&W Root Beer – ein Klassiker: Auch wenn das root beer gerne mit unserem Malzbier verglichen wird, es schmeckt gänzlich anders. Zimtig, leicht scharf, im Prinzip wie flüssiger Big Red Kaugummi – das mag man oder man mag es nicht. Ich mag es sehr. Der sehr eigene Geschmack des root beers wird durch die in rauen Mengen enthaltene Kohlensäe noch verstärkt. A&W Root Beer ist richtig süffig und hochkalorisch. Damit lässt sich ein Cotton Candy herstellen, die Ammis servieren es als float auch alkoholfrei, indem sie einfach eine Kugel Vanilleeis reinpacken.

Stellenausschreibung.

Die Linke hat eine sehr interessante Stellenausschreibung veröffentlicht: Sie suchen eineN Referenten/In für die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“. Das wäre an und für sich nichts Besonderes, nur nimmt mich Wunder, dass gerade die Linke diesen Posten nicht intern besetzen kann oder will, ist sie doch die Partei, der ich netzpolitisch noch am ehesten zutraue, sinnvolle Inhalte in die Kommission einzubringen.

Was nun genau in dieser Kommission getan werden soll, erschließt sich mir immer noch nicht. Hey, wir haben 2010. Der „digital gap“ ist zwar vorhanden, verkleinert sich aber zusehends. Gegen Schäubles, Zensursulans und Censilias macht das Netz selbst Front. Und das zieht dann vors BVG. Und das kassiert dann die Analoggesetze, die die Welt retten verkaufen wollen. Wozu die Kommission?

Die Linke hat in einem Änderungsantrag übrigens hierauf eine Antwort gegeben (zumindest zum Teil), leider ist der nicht durchgegangen:

Nicht nur Wirtschaft und Umwelt erfahren durch das Internet und die allgegen- wärtige Digitalisierung nachhaltige Veränderungen, sondern auch die Arbeits- und Produktionsbedingungen selbst. Das Internet lässt neue Formen kreativer Arbeit entstehen, die sich oft außerhalb der traditionellen Branchen bewegen und bisher getrennte Arbeitsformen neu mischen und verbinden. Neue, teils kollaborative Arbeitsbedingungen lassen neue Inhalte und Geschäftsmodelle entstehen und verändern Produktion, Vermarktung, Distribution und Rezeption ebenso wie sie ganz neue Qualifikations- und Ausbildungsprofile erzeugen. Zu- gleich verändern sich mit der rasanten technischen Entwicklung durch die Digi- talisierung die konkreten Ausgestaltungen von Arbeitsverträgen, die finanzielle Absicherung bei Erwerbslosigkeit und im Krankheitsfall sowie das Maß an gesellschaftlicher Teilhabe und sozialer Integration schlechthin. Unter dem Stichwort „Prekarität“ ist eine zunehmende perspektivische Verschiebung in den gesellschaftlichen Problemlagen zu beobachten. Diese Unsicherheit wird von den Betroffenen in der Internetökonomie ganz unterschiedlich reflektiert. „Netz- sklaven“ und „Cyber-Prekariat“ nennen sich die einen, andere sehen sich als neue Informationseliten und „Digitale Bohème“. Das Themenfeld Arbeit und Arbeitsbedingungen 2.0 kann eine Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ nicht ausblenden.

Das ist aber nur eine Seite der Medaille. Die andere könnte unter anderem sein, dass Freiheitsrechte im Netz immer auch mit denen RL korrespondieren – hier sehe ich den eigentlichen Arbeitsauftrag. Dies inkludiert auch die Belange der „Web-Arbeiter“, denn Arbeitnehmerrechte sind meiner Meinung nach ebenso Freiheitsrechte.

Ach ja, wenn ihr Linken von digitaler Boheme sprecht, nehmt bloß nicht den Lobo!! Ach nee, geht ja nicht, dass ist ja ein Sozn.

Nichts desto trotz: Der Referent sollte sich in den Kreisen der Linken wohl finden lassen. Und vielleicht kann das auch jemand sein, der nicht nur den Themenkomplex „Arbeit“ fokussiert sondern diesen auch in ein „großes Ganzes“ einordnen kann. Zu wünschen wäre es. Die Kommission ist sowieso sehr spät dran. Mit Schäuble und Zensursula sind wir ja nicht erst dieser Tage geschlagen und deren Gesetzesauswürfe, die in schöner Regelmäßigkeit vom BVG kassiert wurden, sind auch kein Erscheinung des heutigen Tages.

Und heute?

Nur ein paar wenige „News“, weil ich heute gerade keine Zeit finde für ein ausführliches Post (obgleich die Themen das locker herben würden).

Zwei hochinteressante Sachen kommen via Fefe:

  • wusstet Ihr, dass Fotokopierer eine interne Festplatte haben, und die alles mitsnifft und wegspeichert, was über das Vorlagenglas gezogen wird? Ich wusste das bislang nicht, aber das ist ja schrecklich! Stellt Euch vor, ihr habt das Dingens geleast und nach zwei Jahren kommt der Büromaschinenservice und stellt euch einen Neuen hin. Könnt ihr garantieren, dass die vorher anständig die Harddisk löschen, bevor die den Leasingrückläufer verscherbeln? (Ich bin nur froh, dass mein Olivetti schon fast antik ist :)).
  • Diese Grafik von Google ist auch mehr als krass! Bei „removal request“ belegt die BRD einen satten zweiten Platz. Wenn man bedenkt, worauf bei Fefe völlig zurecht hingewiesen wird, dass der Impact in Brasilien wegen orkut so hoch ist, und das in Relation sieht… Da schämt man sich schon….

Weiterhin:

  • Ob das stimmt? Immer mehr Deutsche rauchen Selberg´wuzlte und angeblich 20% Schmuggelzigaretten.
  • Um die Batzen aus meinem Vanilleshake zu bekommen, habe ich die Flasche heute den halben Tag lang immer wieder geschüttelt.
  • gerade bei Twitter gesehen (weil die NN das retweeted haben): Der Nichtraucher-Volksentscheid ist am 4. Juli.
  • Und was unsere „Familienministerin“ für ein Zeug nimmt, will ich lieber nicht wissen. Das geht mit Sicherheit schief.
  • Im BR-Fernsehen, komisch, dass mir das jetzt ers auffällt, läuft allerhand komisches Zeug.
  • willblogforfood: Die Aktion startet bald. Vita-Cola hat schon ein Packerl avisiert…

In Austria….

Ich bin bis zum Wochenende unterwegs – und werde wohl kaum Zeit fürs Bloggen finden. Aber vielleicht habe ich eine Internetverbindung und für diesen Fall gibt es hier einen kleinen Button 😉

Follow michif2010 on Twitter

So long…

Erst mal Pause…

Liebe Leserin, lieber Leser,

bis Mitte April mache ich hier wegen der Diss und vielen Terminen erst mal eine kleine Pause. Un den 19. oder 20. April geht es dann wieder weiter.

Liebe Grüße vom Michi.

Map Envelope

Eine witzige Idee für alle, die gerne einen sehr individuellen und stylishen Briefumschlag versenden möchten ist Map Envelope.

So stellt man seinen Google-Maps-Umschlag her:

  1. mapenvelope.com besuchen und die gewünschte Adresse eingeben
  2. Druckvorlage generieren lassen
  3. ausdrucken
  4. den Ausdruck ausschneiden und zusammenkleben
  5. fertig ist der Umschlag

Eine sehr coole Idee als „Geschenkumschlag“. Wenn man ihn aber mit der Post versendet und ihn komplett zuklebt, dann kann es sein, dass der Empfänger den Gag gar nicht bemerkt (nämlich dann, wenn er den Umschlag – wie üblich – mit einem Brieföffner öffnet).

Milgram 2.0

1961. Der US-amerikanische Sozialpsychologe Stanley Milgram will es wissen: Sind Deutsche autoritätshöriger als andere Völker? Und ließe sich so erklären, warum so viele Deutsche den Nationalsozialismus mittrugen und sich von ihm zu schweren Verbrechen verleiten ließen? Milgram startet ein Experiment, dass, einem Theaterstück ähnlich, mit Schauspielern auf einer „Bühne“ – dem definierten räumlichen Versuchsaufbau – durchgeführt wurde. Nur ein Teilnehmer des Experimentes war nicht in das Setting eingeweiht – und um dessen Verhalten bzw. Reaktion ging es.

In Zeitungen wurde 1961 inseriert. Für eine im Dienste der Wissenschaft geopferte Stunde sollte der Proband vier Dollar bekommen. Etliche bewarben sich. An der Hochschule angekommen, wurde unter dem Schauspielern und dem echten Versuchsteilnehmer ein fingiertes Los gezogen, der echte Teilnehmer erhielt die Rolle eines „Lehrers“, der einem einen „Schüler“ verkörpernden Schauspieler – dieser befindet sich festgeschnallt auf einer Art elektrischem Stuhl – immer dann in der Stärke ansteigende Stromschläge mittels einem Schalterkasten verabreicht, wenn dieser bei der Wiedergabe vorher erlernter Wörter einen Fehler macht. Bei etwa 70 Volt beginnt ein Stromstoß – und reicht bis zu 400 Volt.

Was passiert?

(hier noch einmal der Link zum Video – Google-Videos lassen sich ja wirklich scheiße eibetten!! Und hier findet sich eine Zusammenfassung in unter drei Minuten)

Zweck des Experiments war, herauszufinden, wie weit Menschen unter dem Einfluss des autoritären Versuchsleiters und den Schmerzensschreien des Schülers bereit sind, einem Fremden Qualen zuzufügen. Das erschreckende Ergebnis aus dem Jahr 1961: Von 40 untersuchten Personen brachen 14 das Experiment vorzeitig ab, 26 Personen verabreichten den maximalen Stromstoß mit einer Spannung von 450 Volt.

Im Film I wie Ikarus (Frankreich, 1979) wird das Milgram-Experiment im Übrigen (zwar nicht zu 100 Prozent wissenschaftlich korrekt – aber) gut verständlich nachempfunden:

Knappe 50 Jahre später wird das Experiment in Frankreich wiederholt, mit einer wesentlichen Änderung: Statt der Autorität eines Wissenschaftlers wird die Autorität einer „Gameshow“ herangezogen. Der „Versuch“ wird wiederholt, allerdings in einem Fernsehstudio – vor Publikum. Der Versuchsaufbau ist dem des Originalexperiments sehr ähnlich.

81 Prozent der 80 „Kandidaten“ gingen, so wird berichtet, bis zum Letzten, waren also bereit, dem „Schüler“ den (in der Realität gegebenenfalls tödlichen) maximalen Stromstoß zu versetzen – und taten dies.

(Hier ein Video vom Stern, der die aktuelle Situation in Frankreich aufzeigt).

Der viel publizierte Schluss: Was beim Milgram-Experiment die Autorität des Wissenschaftlers (vgl. hierzu den o.g. Wikipedia-Artikel) abbildete und zu einem verheerenden Ergebnis führte, ist heute die Autorität des Apparates Fernsehen – und verleitet Menschen wie Du und ich zu unvorstellbarer Grausamkeit.

Wirklich?

Man ist angesichts der Tatsache, dass sich Menschen in einem Format wie Deutschland sucht den Superstar von einem Typen, der sich Dieter Bohlen schimpft, vor einem Millionenpublikum demütigen lassen, geneigt, diesen Schluss als richtig anzuerkennen.

Gestern hörte ich erstmals in der Früh von der Wiederholung des Milgram-Experiments auf B5. Und heute werden erste Zweifel laut: Telepolis will wissen, dass zumindest einige der Probanden „eingeweiht“ waren oder den hinter dem Originalexperiment stehenden Versuchsaufbau kannten. Man könnte meinen, dass sich die „Kandidaten“ ertappt fühlten, aber in Anbetracht der Tatsache, dass mir das Milgram-Experiment bereits in einer der ersten sozialpsychologischen Vorlesungen, die ich je hatte, serviert wurde und dass es in Filmen und in der Literatur reichlich bemüht wurde, kann ich mir das vorstellen.

Frankreich, so ist zu lesen, diskutiert. Das ist ein Gewinn – nicht nur für Frankreich, schließlich fand die Erstausstrahlung der „Show“ auf dem Sender France 2 ein internationales Medienecho. Ich gebe aber zu bedenken, dass für mich noch nicht abschließend geklärt ist, ob dem Fernsehen in der Tat so viel Macht zukommt, wie der Film glaubhaft machen will.

Nach wissenschaftlicher Kritik zum Milgram-Experiment muss man nicht lange suchen. Das irritiert mich selbst weniger, mehr aber irritiert mich, dass ein Experiment, dassder Faschismusforschung diente, kopiert wird, um die Machit des Fernsehens zu demonstrieren und zu hinterfragen. Es steht außer Zweifel, dass Massenmedien zur Zeit des Nationalsozialismus einen erheblichen Anteil an der Ermöglichung der Verbrechen hatten. Das Milgram-Experiment aber auf diesen einen Aspekt durch Umdeutung zu reduzieren, scheint mir zumindest unwissenschaftlich.

Über die Inkonsequenz manches Nürnberger Polizisten (Oder: …But some are more equal than others II)

Heute morgen fuhren in unserer Straße drei (!) Polizisten in einem Wagen Streife und schrieben, so gegen etwa 10 Uhr, einen Strafzettel für eine abgelaufene TÜV-Plakette aus. Das ist ok, wer die HU ablaufen lässt, muss eben löhnen.

Das mit der HU kommt in dieser Straße nicht besonders oft vor; wenn bei uns Strafzettel von der Nürnberger Polizei rausgeschrieben werden, dann in der Regel wegen einer anderen Ordnungswidrigkeit, nämlich dem Parken gegen die Fahrtrichtung.

Interessanterweise scheint beim Ausstellen der Strafzettel aber mit verschiedenerlei Maß gemessen zu werden. Es ist nicht so schlimm, dass ich von Willkür sprechen will, aber es ist doch auffällig, dass man bei manchen Beamten entgegen der Fahrtrichtung parken darf und bei anderen wiederum alles geahndet wird.

Ein wenig inkonsequent ist das schon.

Mir ist wohl klar, dass es einen deutlichen Unterschied macht, ob die HU abgelaufen ist oder man gegen die Fahrtrichtung parkt (für das eine bekommt man mit Pech einen Flensburger Punkt, das andere kostet 15 Euro). Aber darum geht es mir nicht:

Auf dem Handyfoto sieht man drei Fahrzeuge falsch und eines davon sogar im Parkverbot parken. Dem weißen Kleinlaster ist die Plakette abgelaufen. Er bekommt, als einziger, einen Strafzettel.

Man kann nun darüber spekulieren, was es mit dem Rechtsverständnis des Kleinlasterfahrers macht, wenn der zu seinem Fahrzeug zurückkommt und sieht, dass er ein Knöllchen hat, die anderen Falschparker aber nicht. Ich würde mich aber darüber ärgern, denn wenn mein Vergehen geahndet wird, andere Vergehen in unmittelbarer Umgebung und für jeden, auch für die Polizei ersichtlich, aber nicht, ist das ungerecht.

An und für sich ist es mir ja wurscht – im Umkreis vom Klingenhof und Ziegelstein gibt es, besonders an Wochenenden andere, wesentlichere Probleme als ein paar Falschparker oder eine abgelaufene HU. Und: „Isch gar kein Auto!“ Nichts desto trotz muss klar sein: Solche Aktionen sind nicht geeignet, das Vertrauen des Bürgers in unseren Rechtsstaat zu verbessern und zur Beliebtheit der Nürnberger Polizei trägt das auch nicht bei. Entweder alle – oder keinen. Und nicht selten ist letzteres auch die schlechtere Alternative.

Oder anders ausgedrückt: Wenn ich bei Saturn einen mp3-Player für 50 Euro klaue und zeitgleich wird ein anderer erwischt, der eine Videokamera für 500 Euro geklaut hat, dürfte ich mir dann sicher sein, nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden?

Welche Hausaufgaben?

Dieser Sarrazin. Soll ich den noch ernst nehmen?

Thilo Sarrazin will Eltern, deren Kinder die Hausaufgaben nicht gemacht haben, das Kindergeld kürzen. (süddeutsche.de)

Wenn es das früher gegeben hätte, dann hätten wir jetzt einen Arsch voll Schulden, schließlich habe ich nur sehr selten diese überbewerteten Hausaufgaben gemacht.

1 31 32 33 34 35 47