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1980er-Jahre Gadgets – eine Zeitreise

Was waren die Gadgets 1980 bis 1989? Diese einfache Frage verleitet mich zu einer Zeitreise in meine Kindheit (und manche Leser mit Sicherheit auch in die Jugend). Heute also nutze ich den Feiertag, um einmal Rückschau zu halten auf die Gadgets der 80er.

1. Der Walkman

Wären die 80er ohne Walkman denkbar? Ich kann es mir kaum vorstellen. Ursprünglich wurde der Walkman bereits 1977 von Sony verkauft – damals noch mit dem Feature eines eingebauten Mikrofons und einer Taste, die die Umgebungsgeräusche auf die Kopfhörer legte und die Musik vom Band für den Tastendruck untersuchte. Am Ur-Walkman konnten zudem zwei Kopfhörer angeschlossen werden, ein Feature, das in der ersten Hälfte der 80er beibehalten wurde, dann aber schnell verschwand – wohl auch, weil das Walkman-Hören ja allein prinzipbedingt eine individuelle Sache ist. Der teure Original-Sony-Walkman bekam bald Konkurrenz, auch von Billig- und Billigstgeräten und wurde somit erschwinglich.

Dem Siegeszug des Walkmans ging natürlich der Siegeszug der Kassette voran – dem Medium der 80er. Wer jetzt sagt, dass de CD anfang der Achtziger kam, der hat recht – aber sie war noch lange nicht so verbreitet (und  Medien und Geräte unglaublich teuer). Die Kassette, selbst bespielbar und verhältnismäßig günstig aber war omnipräsent. Und so ist es kein Wunder, dass viele Geräte mit einem Kassettenteil aufwarten konnten – hier sehen wir beispielshalber mal einen Radiowecker. In den Achtzigern war das Kassettenteil dann das Feature.

2. Die digitale Armbanduhr

Noch in den Siebzigern war sie ein purer Luxus – die digitale Armbanduhr. Hatte sie zu dieser Zeit einen Taschenrechner mit an Bord, kostet sie gerne ein paar tausend Dollar. In den Achtzigern aber kamen aus Japan viele günstige Digitaluhren auf den Markt – und wurden zum Symbol von Modernität und Weltläufigkeit. Casio, Citizen oder Seiko waren die Hersteller – und besonders bei männlichen Jugendlichen war sie ein Statussymbol.

Man unterschied zwischen einfachen Digitaluhren, solchen mit Beleuchtung und solchen mit Alarmfunktion. Die mit Alarmfunktion waren teurer als die einfachen und daher stellte der Träger einer digitalen Armbanduhr mit Alarmfunktion selbige so ein, dass auch jeder zur vollen Stunde akustisch vernahm, dass man eine solche hatte. Auch dieses Feature demokratisierte sich gegen Ende der Achtziger – mit dem Resultat, dass es in vielen Klassenzimmern zum Stundenwechsel zigfach piepste. Echte Geeks hatten aber schon in den Achtzigern die Digitaluhr mit Taschenrechner – das Gadget für den technikaffinen Besucher der Mathematik-Neigungsgruppe schlechthin.

3. Der Ghettoblaster (aka. Radiorecorder)

In den 80er war es für Jugendliche nicht selbstverständlich, eine Stereoanlage zu haben, aber ein guter Radiorecorder sollte es schon sein. Zum Gadget wurde er dann, wenn er ein Doppelcassettendeck hatte und fette Boxen und binnen einer Stunde zehn Monozellen leersaugte. Etwas Bling mit LED oder Lämpchen war auch immer nett und in Silber gespritzte Zierteile verliehen dem Gerät einen Touch von Professionalität.

Der Walkman bezeugt ja schon den Wunsch nach mobiler Unterhaltung. Und der Ghettoblaster macht aus daraus ein Gemeinschaftserlebnis. as oben abgebildete Gerät ist von der Sorte „Extraprotz“ – so etwas war in der Tat beliebt (und in diesem Fall noch nicht mal so teuer, Intersond ist die Eigenmarke des Schwabacher Foto- und Elektronikhändler PORST, die Geräte kamen nahezu alle aus Fernost). So einen Ghettoblaster brauchte man, um die Kassetten für den Walkman zu bespielen, indem man Bayern 3 aufnahm und vermittels Pausetaste das Gesabbel von Herrn Egner bei „Hits mit Fritz“ herauszuschneiden (Geräte ohne Pausetaste waren gänzlich unbrauchbar!).

4. CD-Player

Anfang der Achtziger wurde von Philips die Compact-Disc auf dem Markt eingeführt. Sie sollte später die gute alte Kassette ablösen – aber noch nicht gleich. Denn in den Achtzigern waren CDs sehr teuer und die nötigen Player echter Luxus. Die ersten Player waren nicht unter 2000 DM zu haben – und schon allein deswegen waren diese neuen Digitalgeräte für viele unerreichte Gadgets. Etwa gegen 1986 wurden diese Player dann mobil. Und sie waren ebenso unendlich teuer.

Wirklich günstig wurden CD-Player eigentlich erst im Laufe der Neunziger.

5. Der Videorecorder

In den Achtzigern gab es nicht nur den „Cola-War“ sondern auch den Krieg der Videoformate. Das japanische VHS stand gegen das japanische Betamax-Format und gegen das deutsch-niederländische 2×4, auch Video 2000 genannt. Video 2000 war sehr komfortabel, hatte ein gutes Bild und Stereoton. Betamax war sehr gut für den Videoschnitt geeignet und hatte ein hervorragendes Bild.

VHS hatte nichts von alldem, das Bild war mies, der Ton war mono, das Format war aber billig und es gab für VHS von Anfang an Pornos auf Leih/Kaufkassetten – kurz: VHS setzte sich durch Video 2000 und Betamax gingen unter. Das antizipierte sich allerdings erst gegen Ende der Achtziger. Ąhnlich wie CD-Player waren Videorecorder sehr sehr teuer – und begehrt. Wer auf sich hielt oder gerne Pornos schaute (oder beides), hatte in den 80ern einen Videorecorder.

6. Telefon, Anrufbeantworter und erste „Handies“

Telefone sind seit den sechziger Jahren in der Bundesrepublik erstens grau wie eine Maus und haben zweitens eine transparente Wählscheibe aus Plastik. Das ändert sich in den 80er n grundlegend: Die Telefonapparate werden „bunter“, grün, weinrot und eine etwas schmutziges beige sind die Trendfarben und sie bekommen lustige Druckknöpfe.

Weitere Features der Telefone: Sie konnten piepsen (gegen den Rasselwecker eine Revolution), manche hatten Displays und richtig gut waren in den 80s Wahlwiederholung und Kurzwahlspeicher.

Wer sehr viel Geld hatte, kaufte sich einen Anrufbeantworter, wer keines hatte, aber angeben wollte, leaste sich einen. Anrufbeantworter waren sehr hip. Und teuer.

Weiterhin sehr hip waren Faxgeräte. Diese waren unglaublich teuer, denn wie Telefone musten sie bei der Bundespost gemietet werden. Und man benötigte eine separate Telefonleitung. Hatten quasi nur Firmen oder technikbegeisterte Millionäre. Aber am allerallrhippesten waren Handies. Meist waren sie in Autos von Millionären fest eingebaut, wenn sie mobil waren, dann hatten sie gerne Aktenkoffergröße. Es gab nur sehr wenige Ausnahmen und diese waren unglaublich teuer. C-Netz nannte man das. Es war, wie alles, was mit telefonieren zu tun hatte, von der Post.

7. Computer

Das Zeitalter der Computer waren? Die Achtziger! Denn in den Achzigern kam der IBM-PC, der erste Macintosh und eine schier unüberschaubare Zahl an „Heimcomputer“ für die Massen. Zuerst zu diesen Heimcomputern: Richtig los ging es mit den Commodore VC20 und dem Sicnclair ZX 81. Der war günstig, man konnte damit programmieren und spielen ging auch. Man brauchte dazu einen Fernseher und einen Kassettenrecorder . Und eine Speichererweiterung. An Bord hatte der ZX 81 ein Kilobyte (!) Speicher, aber für 200 Mark ließ sich eine 16 Kilobyte-Speicherextension nachrüsten. Dann konnte man mit den kleinen Ding schon was anstellen.

So einen ZX 81 hatte ich auch mal. Die Tastatur war eine Folie. Mehr nicht. Mechanisches Feedback der Folientasten: Null. Trotzdem ließ sich damit Frogger spielen und die ersten Gehversuche in Basic unternahm ich auch mit diese m kleinen Plastikkasten. Die „Grafik“ war eigentlich keine und sie war schwarz/weiß – aber hey! – das war trotzdem ein Computer! Dann kamen der Schneider PC, der C64, der legendäre Brotkasten (mit 64 Kilobyte Speicher, Farbgrafik und – anschnallen! – Ton). Das war ein Computer!!

Im etwas professionelleren Segment feierte der IBM-PC seinen Siegeszug.

Zum PC muss nicht viel gesagt werden, nur soviel: Natürlich war auch diese technische Errungenschaft für den Privatmann nicht zu bezahlen. Das änderte sich erst, als die ersten PC-kompatiblen Clones auf den Markt kamen. Auf den Software- und Peripherieschachteln las man dann gerne „For IBM-PC and compatibles“…

Sowohl der Macintosh als auch der PC konnten sich durchsetzen – das Betriebssystem CP/M, dass in den Achtzigern ebenfalls erfolgreich war, verschwand alsbald wieder. Die Computerfreaks träumten vom PC. Oder von den ersten Laptops …

… die mit dem PC kompatibel waren.

Ein weiteres Thema der Achtziger ist das Thema „Datenfernübertragung“. Internet gab es nicht. Entweder man betrieb im wissenschaftlichen oder betrieblichen Kontext Datenfernübertragung oder man nutze den Bildschirmtext.

Der Bildschirmtext hatte in etwa die Grafik des Videotexts und etwas wirklich besseres stand auch nicht drin.Weil BETX aber von der Bundespost war kostete es Gelde – etwa zehn Pfennig pro Seite. Daher ist es auch mit BTX nichts geworden. DFÜ war, wenn es von der Post kam, teuer wie C-Netz und Telefax. Also nichts für den Privatmann. Daher wurden manche Gadgets in den Achtzigern selbst gebastelt.

In den USA gab es zwar Modems, die aber waren von der Post verboten. Akustikkoppler (also ein Modem, auf das man den Telefonhörer legte, um zu kommunizieren), war teuer – also erfand der CCC das Datenklo, und dann ging es los – mit DFÜ.

Nach dem Laptop und dem Datenklo interessierten sich die Geeks auch für Taschencomputer, also Taschenrechner mit etwas mehr Display und ein bisschen Basic. Aber immerhin waren das die legitimen Vorfahren von PDAs (wenn man einen Taschencomputer auf ein Teleport C gepappt hat, hatte man aber noch nicht zwingend ein Smartphone).

8. Der Game Boy

Wo ich gerade bei den Taschencomputern war – Ende der 80er erfreute der Game Boy von Nintendo nicht allein Kinderherzen.

Kultteil. Brauche ich nichts dazu zu sagen.

9. Der Taschenfernseher

Miniaturisierung auf dem Consumermarkt trieb gelegentlich auch skurrile Blüten – und trotzdem verkauften sich in den 1980er und 1990er Jahren Taschenfernseher ganz hervorragend …

.. obwohl die Dinger ein Display in Briefmarkengröße hatten und kaum was empfingen. Aber sie waren sehr sehr nifty.

10. Der Mikrowellenherd

Die Mikrowelle gehörte nicht schon immer zur Familie sondern kam in den 80ern. Was hätte ich als Student ohne Mikrowelle gemacht??

Bildnachweise: Eigenrs Bild, Rundfunkmuseum der Stadt Fürth (mit freundlicher Genehmigung, Wikipedia (gemeinfrei), Wikipedia (CC-BY-SA), Wikipedia (GDFL-GNU), Wikipedia (gemeinfrei), Wikipedia (gemeinfrei).

iSlate?

Bisher habe ich nicht an dem Gerüchteschleudern um Apples Tablet-Computer teilgenommen. Als heute morgen aber auf B5aktuell eine Meldung kam, dass nun das „iSlate“ (was´n das für ein Scheißname) Ende Januar vorgestellt werden soll, habe ich es doch gegoogelt.

So um das Jahr 2001 herum, Windows XP war gerade frisch am Markt, kamen auch „Tablets“ in die Läden – gekauft hat die keiner – wofür auch. Neun Jahre später, der Kunde ist inzwischen durch das iPhone daran gewöhnt , mit seinen Patschepfoten auf einem Display herumzudrücken, denkt sich Apple, dass es wohl Geld bringt, den Leuten ein Riesen-iPhone (ohne Phone) in ebendiese Patschepfoten zu geben.

Nun frage ich mich ernsthaft, was man damit will. Schreiben auf einem Touchscreen? Das fand ich vor zehn Jahren schon merkwürdig und wollte es nicht. Die Display- und Touchtechnologie dürfte inzwischen deutlich besser sein, das gebe ich zu. Aber Tastatur ist Tastatur und mechanisches Feedback bleibt mechanisches Feedback.

Sonst verspricht die Konfiguration (sodenn sie denn echt ist) nichts revolutionäres – mit einer Ausnahme: Wenn es denn stimmt, will Apple dem Dingli wohl einen Pico-Beamer spendieren (aber was die taugen, wissen wir ja).

Nun muss ich mal was loswerden: Ich habe nch ein bisschen hin bis zu menem dreißisten Geburtstag. Und dennoch komme ich mit diesem ganzen Touch, Flip und Gestikulierzeugs nicht klar. Ich will entweder tippen (das soll auch schön klackern) oder auf einem Display mit einem „Stift“/Stylus oder wtf. schreiben. Mit der Pseudo-Tastatur auf dem iPhone mehr als zwei Sätze schreiben ist für mich ein Elend. Beim Palm pre hat man das mit einer ausklappbaren Tastatur zwar elegant geregelt – die ist aber so klein, dass man sich beim Tippen verstohlen umblickt, ob nicht irgendwo ein mit Zahnstochern gefülltes Schnapsstamperl auf dem Tisch steht. Das Tippen am E71 war ganz nett, aber „ganz nett“ langt m.E. noch nicht und so habe ich im letzten Jahr tatsächlich auf den E90 Communinator downgegraded.

Termine, Notizen und ToDos verwalte ich immer noch den Palm Tungsten. Graffiti ist in meinen Augen immer noch das Beste, was je auf den Markt gekommen ist. Das ist alles sehr sehr retro und unsophisticated – und ich bin zufrieden damit.

Und nun wird also die Tastatur sterben und alle werden auf ihrem „iSlate“ herumpatschen? Grausiger Gedanke!

Schreiben ist doch auch etwas Sinnliches. Und etwas Sinnliches darf durchaus auch spürbar sein und Geräusche erzeugen. So etwas funktioniert mit einer mechanischen Schreibmaschine gut , mit einer Tastatur am Rechner immer noch hinreichend und mit einem iSlate wohl gar nicht. Und sowas funktioniert auch zu Musik sehr gut:

Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand zum Takt der Musik dumpf auf seinem Slate (=Schiefertafel – auch retro und klingt phonetisch so, als ob die Apple-Marketingabteilung einen Gothic gefrühstückt hätte) herumdapft. Nö, mag ich nicht.

Elena.

Was ist ELENA? Klingt wie eine russische Nutte, so möchte man meinen. Weit gefehlt – ELENA ist viel schlimmer: ELENA, der Elektronische Entgeltnachweis ist eine noch nicht mal neue Datenkrakerei des Staates.

Vorab: Wer hat es zu verantworten? SchWesterwelle? Merkel? Nein – verzapft hat das kein geringerer als die ehemalige rot-grüne Regierung unter Schröder und erdacht wurde es auf Druck der Arbeitgeber von der Hartz-Kommission. Triple fuck! Da ist natürlich schon fast alles gesagt. Aber die sind natürlich nicht allein schuld, denn auch schwarz-rot hat im Nachgang mit entsprechenden Gesetzen kräftig nachgeholfen. Obwohl: Der IT-Sicherheitsexperte Guido Strunck sieht die Wurzeln des Übels nicht erst bei der Hartz-Komission sondern bereits im Jahr 1997:

Ihren Anfang nahmen die Entwicklungen, die letztlich zum ELENA-Verfahrensgesetz geführt haben, bereits im Jahr 1997. Damals schaffte der Bundestag durch das Signaturgesetz die rechtlichen Grundlagen für elektronische Unterschriften. Diese sollten dazu dienen, den Handel im Internet anzukurbeln, da auf Basis einer elektronischen Signatur leichter rechtsgültige Verträge geschlossen werden können. Das System konnte sich aber nicht durchsetzen, da die nötige Authentifizierung für alle Beteiligten die Anschaffung von Lesegeräten erfordert hätte. Ein wirklicher Anreiz dafür fehlte bisher.

Was will ELENA? ELENA will Daten aller Arbeitnehmer sammeln und zentral (kotz! Die haben weder etwas gelernt noch begriffen!) abspeichern. Welche Daten? Quasi alle, die im Entgeltnachweis anfallen – das alles. Und noch viel mehr: Abmahnungen und deren Gründe, Entlassungen und deren Gründe, mögliches „Fehlverhalten“ des Arbeitnehmers, Arbeitszeiten und Urlaubszeiten, Streiktage und Art des Streiks, Aussperrungen – alles! Bei Deutschland Debatte finden sich die derzeit erwogenen Abfrage-Codes und deren Entsprechungen. Und dazu natürlich auch Name, Adresse, Versicherungsnummer …

Was will ELENA noch? Wenn wir uns das obige Zitat von Guido Strunck genauer ansehen, werden wir feststellen, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit Recht hat. Bislang hat sich nämlich niemand für diese trusted Signaturkarten interessiert – weil man sie, das zeigt die Realität – nicht wirklich braucht. Weil ELENA aber keine freiwillige Sache ist sondern verpflichtend eingeführt wird, bekommt nun jeder eine Signaturkarte. So schreibt unter anderem die deutschsprachige Wikipedia:

Durch das ELENA-Verfahren soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung die Nutzung digitaler Signaturen („qualifizierte elektronische Signaturen“, die auf Zertifikaten auf Chipkarten basieren) gefördert werden. Sofern knapp die Hälfte der deutschen Bevölkerung mit Signaturkarten und qualifizierten Zertifikaten ausgestattet sei, könne man damit rechnen, dass dies den Handel im Internet antreibe und somit sich fördernd für die Wirtschaft allgemein auswirke.

Aha. Meine Daten werden also auf Vorrat gespeichert, damit das die Internetwirtschaft ankurbelt? Denen brennt doch der Kittel!

Was kostet das? 55 Millionen Euro als Anschubfinanzierung und Infrastruktur (was auch immer das sein soll), jährlich 133 Millionen Euro pro Jahr für den Betrieb – so wird das kommuniziert. Dass sowas ohne Probleme um den Faktor 5 oder 10 teurer werden kann, haben die großen IT-Projekt der Bundeswehr oder die elektronische Gesundheitskarte ja in der Vergangenheit gezeigt. Ich bin mir sicher, das kostet wesentlich mehr!

Wer bezahlt das? Erstens: Der Steuerzahler und zweitens der Arbeitnehmer. Also nur der Arbeitnehmer, welcher Arbeitgeber zahlt schon Steuern? Für die Arbeitgeber, die den Scheiß gefordert haben, wird das Ding mindestens kostenneutral. Der Steuerzahler löhnt für Installations- und Betriebskosten, der Arbeitnehmer muss sich eine Karte mit Signatur zulegen – und die zahlt er natürlich selber.

Warum soll es das geben? Der Slogan für ELENA lautet:“Weniger Bürokratie, mehr Effizienz“. Ob zentrale Datenspeicherung  wirklich zu weniger Bürokratie führt, darf stark bezweifelt werden, sicher ist aber, dass eine Speicherung von Daten auf Vorrat mit Effizienz nicht das geringste zu tun hat. %0% des Slogans sind also mit Sicherheit Lüge…

Taugt das was? Heute erreichte mich eine Mail, aus der ich zitiere:

Sicher eines der nächsten „Bastelprojekte“ der Jungs vom CCC, die Daten zu hacken.
Da wird ja alles drauf gespeichert. Einkommen, Abmahnungen, Kündigungsgrund, Streikzeiten. Super klasse!
Datenschutz ade.

Ich darf an dieser Stelle nochmal Schweinchen Schlau spielen und wiederholt auf folgenden Umstand hinweisen: „Da wird“ eben nicht „alles drauf gespeichert“, es wird zentral (in Würzburg) gespeichert. Das ist ja das Schlimme!

Wenn ich an ELENA denke, ist eines augenfällig: Es ist ein historischer Fakt, dass das Ministerium für Staatssicherheit der ehem. DDR niemals auch nur in annäherndem Umfang Daten der Bürger erhoben, gespeichert und verarbeitet hat.

Was ist daran gefährlich? Im Blog „Meine Meinung“ wird zu bedenken gegeben:

Die Datenübertragung soll dabei direkt vom Arbeitgeber erfolgen. Nur wer kontrolliert den Arbeitgeber, ob der nicht nach dem Abgang eines Beschäftigten demnicht durch Falschmeldungen einen auswischen will? Da ist schnell mal eben ein rechtmässiger Streik in einen Unrechtmässigen umgewandelt und schnell wird man so zum besonders Aufmüpfigen erklärt.

Scheiße.

Wann geht das los? Heute!

Wer ist dagegen? Der DGB. Und das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein. Peter Schaar sowieso. Und viele andere auch…

TV-Tipp: Vorne ist verdammt weit weg

Das Bayerische Fernsehen beschert uns einen guten Start ins neue Jahr. Heute Abend um 20.15 Uhr sendet der BR nämlich die gesellschaftskritische Komödie von Frank-Markus Barwasser (aka. Erwin Pelzig) Vorne ist verdammt weit weg.

Der Film ist absolut sehenswert – auch für Nicht-Franken und Nicht-Pelzig-Freunde. Und der Ende 2007 bereits im Kino angelaufene Film nimmt einen konkreten Bezug zur derzeitigen globalen Wirtschafts- und Finanzkrise™, auch wenn diese zum Zeitpunkt des Drehs und Kinostarts quasi noch nicht bekannt war (eine besondere Leistung Barwassers, der nicht nur als Erwin Pelzig zu sehen ist sondern auch das Drehbuch schrieb).

Bevor ich weitere Lobeshymnen anstimme (den Film haben wir damals im Lieblings-Rio-Palast-Kino gesehen), schaut Euch den Trailer an – dann ist schon fast sicher, dass ihr heute Bayern 3 einschaltet:

Pelzigs Nachbar Johann bricht sich das Bein. Das kann vorkommen und wäre nicht weiter schlimm, würde Johann nicht Angst vor dem Verlust seines Arbeitsplatzes – er ist Chauffeur für Herrn Bieger, den Chef eines mittelständischen Einkaufswagenherstellers – hätte. Pelzig hat ein großes Herz und nichts zu tun. Also springt er kurzerhand für Johann ein.

Der neue Chauffeur des Chefs bekommt eine Menge Firmeninterna mit und so erfährt er auch, das nicht nur der Job seines Nachbarn – sondern alle Jobs bei Bieger in Gefahr sind, weil ein Unternehmensberater namens Kienze die Produktion von Franken in die Mongolei verlagern will. Wenn Pelzig nun aber den Job von Johann retten will, dann muss er das ganze Unternehmen retten…

Barwasser ist super! Philipp Sonntag als Eduard Bieger ist super!! Christine Paul als Hure Chantal ist? Super! Der ganze Film ist super – hier merkt man dann doch den Unterschied zwischen Kabarett und Kotze Comedy. Und wie ist der Humor des Films? Teilweise sehr leise und hintergründig:

Und eben manchmal auch: Urfränkisch!

Daher eine dringende Empfehlung: Heute abend, viertel nach acht, das dritte Programm anschalten! Bildquellen: Screenshots.

Mein persönlicher Jahresrückblick 2009

Der Altjahresabend (und mehr und mehr auch die Tage davor) wird landauf, landab genutzt, auf das zurückliegende Jahr zu blicken. Das ist eigentlich albern, aber nicht albern genug, dass ich es nicht auch täte. Und daher ist hier mein ganz persönlicher, individuell gefärbter und in keinem Fall vollständiger Jahresrückblick:

Januar 2009:

  • Seit Jahreswechsel sind CT1+ Funktelefone offiziell verboten. Und das, obwohl in vielen Haushalten diese äußerst strahlungsarmen Geräte vorhanden sind. Ich habe mich daher nach einigen Alternativen umgesehen
  • Das Warten auf das Palm pre beginnt. Im dritten Quartal gelangt es via o2 auch in die Hände deutscher Interessenten
  • Schwarz-Rot ist an der Macht. Und beschließt – schließlich ist ja Krise – das Konjunkturpaket. Von der Abwrackprämie spricht man zu dieser Zeit noch nicht, ähnlich unsinnig ist es aber trotzdem
  • Die Loveparade hat zwar zwanzigsten Geburtstag, wird aber dennoch abgesagt
  • RIM baut das erste Telefon, dass keiner will: Das BB Storm. Es weicht vom bisher gekannten BB-Konzept völlig ab und funktioniert nicht richtig. Auch nicht nach etlichen Updates. Vodafone greift es trotzdem dankbar auf, schließlich haben die kein iPhone

Februar 2009:

  • Das G1 – das erste Android-Handy kommt in die Läden – mit Tarifen, die wenig sexy sind
  • Die Bundesregierung diskutiert über DE-Mail. Braucht keiner. Deshalb ist es darum auch ziemlich still geworden…
  • Langsam, aber sicher werden Netbooks attraktiv. Sie befreien sich von schlechten 7-Zoll-Displays und bieten mehr Komfort. Nichts desto trotz habe ich in diesem Jahr keines gekauft.
  • Eine Ära geht zu Ende: Die Entwicklung von PalmOS wird eingestellt
  • Premiere fährt ein übles Geschäftsergebnis ein. Mitte des Jahres wird aus Premiere „sky“
  • Mistkäfer Mißfelder macht sich sorgen um die Alkohol- und Tabakindustrie

März 2009:

April 2009:

Mai 2009:

  • Die Gewerkschaften begehen den 1. Mai im Krisenjahr und setzen wichtige Impulse – die leider ungehört bleiben, wie wir wissen
  • Ärztepräsident Hoppe antizipiert, was Rösler nun zu zerschlagen gedenkt. Beide gehören eindeutig: Weg!
  • Der Armutsbericht des Paritätischen zeigt: Deutschland ist auch zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer geteilt – in einen reichen Westen und einen armen Osten
  • Kurras – ja, genau, der Kurras! – war bei der Stasi! Die Geschichte muss trotzdem nicht neu geschrieben werden

Juni 2009:

Juli 2009:

August 2009:

September 2009:

Oktober 2009:

November 2009:

Dezember 2009:

Liebe Freunde, liebe Leserinnen und Leser,

ich wünsche Euch einen „Guten Rutsch!“ und ein friedvolles, gesundes, gesegnetes und erfolgreiches 2010!

Hörbuch: Politiker-Märchen von Dieter Hildebrandt

Relativ frisch hat diese CD das Presswerk verlassen und landete nun im Schacht meines Players: „Politiker-Märchen“, eine CD von Dieter Hildebrandt. Der Altmeister des politischen Kabaretts kommentiert anhand von Original-Tondokumenten Politikerlügen – so viel versprechen die Rezensenten bei Amazon.

Also habe ich diese CD auf meine Wunschliste gepackt und tatsächlich geschenkt bekommen (Danke!) und nun will ich auch ein paar Worte darüber schreiben.

Es ist, das wissen wir, keine Kunst, Lügen von Politikern aller Parteien aufzuspüren – zu oft wurde gelogen, unehrenhafte Ehrenworte gegeben, die Wahrheit verdreht, verzerrt manipuliert oder eben eine andere „Wahrheit“ kreiert. Der Untertitel „Die schönsten Lügen aus 60 Jahren Bundesrepublik“ grenzt das Betrachtungsgebiet auf das Territorium der BRD ein, eine Eingrenzung, die immer noch reichlich Stoff übrig lässt für Hildebrandts Unterfangen.

Wir erleben einen zwar wortgewaltig-witzigen Dieter Hildebrandt, der pointiert die Politiker-Lügen kommentiert, aber „zahmer“ als gewohnt auftritt. Wir erleben kurze und treffende Einführungen in den Kontext der jeweiligen Politikerlüge und Kommentare, die es wert sind, gehört zu werden. Wir werden also auf eine – zugegeben recht lückenhafte – Zeitreise in die Geschichte Deutschlands anhand der Lügen genommen.

Hildebrandt betrachtet die Wiederbewaffnung der BRD, die Spiegel-Affäre, Filbingers Position im Dritten Reich, das „Celler Loch“, die Flick-Affäre, Barschels „Ehrenwort“, Kohls „blühende Landschaften“, Kochs „Aufklärung“, Blüms sichere Rente und Ypsilantis Versprechungen wider die Linke.

Knapp 50 Minuten Audio ist dabei herumgekommen – und wäre da nicht Dieter Hildebrandt, diese CD würde unglaublich nerven: Die Auswahl der Tondokumente ist recht lieblos, sie sind kurz und beim Celler Loch und der Flick-Affäre schlicht nicht vorhanden. Die einzelnen Themen werden akustisch getrennt – durch jeweils ein paar Takte Nationalhymne, die auf einem angestaubten Keyboard mit angestaubten Sounds in peinlicher Weise neu „interpretiert“ wurden. Das fanden die Macher der CD beim Verlag Diederichs wohl lustig, ich finde es nervig und zu Kotzen. Und dann der Sound der CD: Hildebrandts Stimme wurde nach der Aufnahme mit einem zu starken und zu billige Echo unterlegt. Es klingt, als lese er in einer großen Blechtonne. Entweder versteht man in dem produzierenden Tonstudio nichts von seinem Handwerk oder der Praktikant hat das Ding abgemischt und sich dabei ordentlich dumm angestellt – schade!

Die CD ist hörenswert – das ist einzig und allein Dieter Hildebrandt zu verdanken – als Hörbuch aber ist sie aufgrund der o.g. handwerklichen Fehler weniger zu empfehlen.

Hier findet sich eine andere Rezension, die ich lesenswert finde.

Zahlensender oder „Achtung! Achtung! Wir rufen Krokodil! Gebiss schleifen!“

Gestern habe ich mal wieder am Kurzwellenradio gekurbelt. Und für einen kurzen Moment war es mir so, als ob ich einen dieser legendenumwobenen Zahlensender reinbekommen habe (es war dann aber doch nur eine Wetterübertragung). Nichts desto trotz – eine spannende Sache, das mit den Nummernstationen.

Oben verlinkter Wikipedia-Artikel stellt den Kontext der Zahlensender sehr gut dar. Weiterhin sehr interessant und aufschlussreich ist eine Sendung des Deutschlandfunk aus dem Jahr 2003 mit dem Titel „Achtung: Fünnef, zwo, null, null, Trennung“, die hier im WM-Format heruntergeladen werden kann. Wer sich etwa 45 Minuten für das Thema Zeit nehmen möchte, findet hier nicht nur viele Hörproben sondern auch eine recht vollständige Hinführung ans Thema.

Was macht den Reiz dieser Sendungen aus? Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen – schlussendlich ist die Übertragung für sich genommen stinklangweilig und es wird einem Nicht-Insider zudem wohl kaum gelingen, etwas zu entschlüsseln – aber das Gefühl, dass etwas geheimes gerade über den Äther geht und irgendwo auf dieser Welt ein Spion am Radio sitzt und gerade seinen nächsten Auftrag erhält, hat schon seinen Reiz.

Wer nicht das Glück oder die Geduld hat, selbst Nummernsender aufzuspüren, kann sich einige Samples auch bei archive.org anhören: Im Rahmen des „Conet Project“ wurden etliche Mitschnitte von Zahlensendern gesammelt und sind hier abrufbar. Besonders gruselig ist gleich das erste Sample: Die schwedische Rhapsodie und die weibliche Kinderstimme – mechanisch, wie von einer Sprechpuppe kann einem schon einen Schauer über den Rücken jagen.

Was es allerdings mit der in Youtube zu findenden, recht jungen Übertragung des wiederkehrenden „Achtung! Achtung! Wir rufen Krokodil! Gebiss schleifen!“ auf sich hat, will sich mir nicht erschließen:

Hier das Gleiche nochmal, aufgefangen von einem anderen Nutzer mit einem anderen Empfänger.

Das erinnert mich eher an die zur „Feindverwirrung“ eingesetzten flotten Sprüche der Stasi auf dem Deutschen Freiheitssender 904 (vgl den Wikipedia-Artikel hierzu).

Wer ernsthaft an den Zahlensendern Interesse hat, der findet hier auch ein Board von „Eingeweihten“, dem sich etliche nützliche Informationen und aktuelle Frequenzen entnehmen lassen.

Ingrid Schmidt schlägt über die Stränge

Man stelle sich vor: Jemand klaut mir eine Semmel vom Frühstückstisch. Und weil eine trockene Semmel weder besonders schmeckt noch besonders satt macht, klaut er auch noch zwei Gramm Butter und eine Scheibe Wurst. Von meinem Frühstückstisch! Skandal!

Was werde ich tun? Natürlich rufe ich die Polizei, denn dieser Diebstahl muss geahndet werden. Die Polizei allein genügt aber nicht – das GSG9 muss ausrücken, Hubschraubereinsatz ist gefragt. Straßen und die Landesgrenzen werden gesperrt. Der Semmeldieb ist zu fassen – besser wäre es, ihn auf der Flucht zu erschießen.

Das ist – wer das nicht bemerkte, hat kein Hirn – maßlos übertrieben. Würde man mir eine Semmel stehlen, eine Frikadelle oder sechs Maultaschen (sowas würde man mir nicht stehlen, weil ich sowas nicht esse, aber sei´s drum) und ich würde den Diebstahl anzeigen, würde ich mich – mit Recht – zum Gespött machen.

Wenn man mir einige Millionen oder gar Milliarden vom Konto entwenden würde (sowas würde man mir nicht stehlen, weil ich weder Millionen noch Milliarden besitze, ich behaupte, dass ich ein ehrlicher Mensch bin), würde ermittelt werden und der Täter, sodenn er gefasst würde, würde ordentlich verknackt. Das ist weder peinlich noch unangemessen. Das ist richtig so. Und in der Regel würde das auch funktionieren.

Nun blicken wir im Jahre der Wirtschaftskrise – 2009 – einmal in die Arbeitswelt:

Ein Mitarbeiter klaut. Silberne Löffel? Nein. Es werden Maultaschen „geklaut“, die sowieso weggeworfen werden. Es werden Frikadellen verspeist. Oder Pfandbons werden gemopst – mit einem Gegenwert von Centbeträgen.

Es werden andererseits ganze Banken in den Ruin getrieben, Gelder, die der betrieblichen Altersvorsorge hätten dienen sollen, verspekuliert. Fehlentscheidungen im Management kosten Arbeitsplätze. Nicht einige, nicht hunderte sondern tausende und Abertausende. Auch das haben „Diebe“ zu verantworten. Sie werden oft „verurteilt“ – ihre Strafe sind Abfindungen, nicht selten in Millionenhöhe.

Wer die Presse der letzten Monate verfolgt hat, weiß wovon ich rede: Arbeitgeber entlassen Mitarbeiter fristlos wegen angeblicher Diebstähle. Diebstähle, bei denen ein klar denkender Mensch im Allgemeinen bezweifelt, ob es sich überhaupt um Diebstähle handelt. Hier werden nicht en groß Briefmarkenblöcke oder päckchenweise Kopierpapier entwendet – hier werden Lebensmittel verspeist, die sonst weggeworfen würden, Pfandbons werden verwahrt und Diebstahl wird unterstellt. In all diesen Fällen wurden die Arbeitnehmer fristlos entlassen und wehrten sich vor Gericht. Und diese Arbeitgeber führten dann nicht selten den „Verlust des Vertrauensverhältnisses“ ins juristische Feld.

Im DwD-Blog bringt man es mit einem Satz auf den Punkt:

Wenn Manager großer Banken Milliarden in Luft auflösen, bekommen sie eine dicke Abfindung. Nimmt sich ein alt gedienter Arbeitnehmer eine Frikadelle vom Buffet, so ist das Diebstahl und er bekommt die Entlassung.

Dieser Satz spiegelt zum einen das Problem der deutschen Gesetzeslage und der Rechtsprechung wieder und zum anderen stellt es eine einfache Gerechtigkeitsfrage.

Für die Rechtsprechung ist unter anderem Frau Ingrid Schmidt, die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, verantwortlich (eine Notiz am Rande: 1994 wurde sie von der SPD ins Bundesarbeitsgericht lanciert). Kurz vor Weihnachten will nun die SPD auf sich aufmerksam machen: Ein Gesetzentwurf über „Bagatelldiebstäle“ soll ins Kabinett eingebracht werden, der zukünftig regeln will, dass Arbeitnehmer bei Bagatelldiebstälen zuerst abgemahnt werden müssen, bevor im Wiederholungsfall die Kündigung ausgesprochen werden darf (btw: Der Gesetzentwurf hat mehrere Fehler: Der erste ist, dass die SPD nichts zu melden hat. Der zweite ist, dass die Rechtslibertären FDP da mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mittun wird und dass das mit der Bagatelle förmlich nach eine hieb- und stichfesten Definition schreit). Was hat das mit Frau Schmidt zu tun? Sie äußert sich heute in der Süddeutschen Zeitung im Interview. Auf eine, wie ich finde, feige wie unangemesse Weise.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse bezeichnete die Rechtsprechung deutscher Arbeitsgerichte als „barbarisch und asozial“, damit wurde Schmidt im Interview konfrontiert. Ihre Antwort schlägt dem Fass den Boden aus:

Diese Kritik war völlig daneben. Seit Jahrzehnten sagt die Rechtsprechung: Diebstahl und Unterschlagung auch geringwertiger Sachen sind ein Kündigungsgrund. Es gibt in dem Sinne also keine Bagatellen. Jeder frage sich mal, wie viel er sich denn aus der eigenen Tasche nehmen lassen würde, bevor er reagiert. (Schmidt in der Südeutschen Zeitung)

Gut, Frau Schmidt, was passiert, wenn mir jemand eine Semmel, eine Frikadelle oder eine Handvoll Maultaschen klaut, habe ich zu Beginn dieses Posts ausführlich dargestellt. Dieses Argument zieht wohl nicht so richtig. Leider verloren. Auch ein souveräner Umgang mit Kritik sieht anders aus, aber lassen wir es mal dabei bewenden.

Viel schlimmer und schwerwiegender ist aber, dass die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts (sic!) sich zentralen Fragen zu Rechtsprechung und im Besonderen zu Gerechtigkeit durch ein durchsichtiges wie billiges Ausweichmanöver zu entziehen versucht. Die Süddeutsche fragt:

Und wie steht es mit Artikel eins des Grundgesetzes: Wird nicht die Würde des Menschen verletzt, wenn wegen – sagen wir – 2,39 Euro seine Lebensleistung nichts mehr gilt?

Chapeau! Und was sagt Frau Schmidt?

Meine Frage ist eine andere: Wie kommt man eigentlich dazu, ungefragt Maultaschen mitzunehmen?

Ich glaub´, ich muss gleich kotzen. Danke, Frau Schmidt, das wars dann auch mit Ihrer Reputation. Frau Schmidt entblödet sich nicht, in der ֖ffentlichkeit Verständnis für Entlassungen wegen Bagatellen zu zeigen. Das ist schlimm. Wirklich schlimm. Viel schlimmer finde ich aber, dass man der Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts (sic!!!) offensichtlich noch erklären muss, dass es hier weder um Pfandbons, Semmeln, Maultaschen oder ähnliches geht, sondern um den Versuch der sog. Arbeitgeber, treue, altgediente Arbeitnehmer hinauszuschmeißen – und zwar nicht, weil sie mal was geklaut hätten, was für den Ascheimer bestimmt war (welch tiefe Schuld!) sondern weil sie sie loswerden wollen – ohne Abfindungen zahlen zu müssen, Fristen wahren zu müssen etc. Und das wirklich Schlimmste ist, dass sich Frau Ingrid Schmidt willfährig vor den Karren der Arbeitgeber spannen lässt. Und sowas ist Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts – unfassbar!

Diese neue Mache der sog. Arbeitgeber ist durchsichtig. Wenn sich die FDP mit ihren Vorhaben, Arbeitnehmerrechte und den Kündigungsschutz abzuschaffen durchsetzt, bedarf es keiner zu Diebstählen hochstilisierten Bagatellen mehr, um Arbeitnehmer nach Lust und Laune auf die Straße zu setzen.

Ein Blick in die Blogs: Es ist kein Wunder, dass sich noch andere auf diese Scheinargumente einlassen. Und andere wiederum Partei für die Arbeitnehmer ergreifen. Oder die aus Entsetzen einfach nur losschlagen. Eine andere Sicht der Dinde, nämlich die auf den Gesetzentwurf der SPD findet man bei Spreeblick. Undo Vetter vom lawblog kann sich mit dem SPD-Gesetzentwurf ebenfalls nicht so richtig anfreunden. Unzufrieden mit der Gerichtsbarkeit ist man hier.

Detektorradio basteln

Es ist nun absolut nichts neues – aber nett auf Youtube anzusehen: Das Detektorbasteln.

Der erste Film zeigt einen Wiener Uniprofessor beim Radiobasteln:

Ein noch einfacheres Modell frickeln die Jungs vom Make-Magazine…

Guten Empfang!

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