Einheit? Der Osten ist arm!
Im November jährt sich der Mauerfall zum zwanzigsten Mal. Ein gutes Jahr später hörte die DDR auf zu existieren und ging in die Bundesrepublik Deutschland über. Das das nicht ohne Brüche und Verwerfungen hat vonstatten gehe n können, ist nicht verwunderlich. Aber wie weit ist die „Einheit“ nach nun knapp zwanzig Jahren gediehen?
Am Montag stellte der Paritätische Wohlfahrtsverband nun eine Landkarte der besonderen Art vor: Die Armutsquoten 2007 verortet nach Bundesländern und Regionen. Und das Ergebnis dieser Studie vermag nicht nur zu erschrecke n und zu verstören – es lässt sogar Zweifel an der Qualität der Einheit zu. Deutliche Zweifel.
Ein Beispiel: In der Industrieregion Mittelfranken (dazu gehört aber unter anderem auch das verhältnismäßig reiche Schwabach) verfügten im Jahr 2007 12,7 Prozent der ein Einkommen, dass mindestens 40% unter dem Durchschnittseinkommen liegt – oder anders ausgedrückt: Diese Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze. Und diese definiert sich dadurch, dass der Betroffene 60% oder weniger eines mittleren Einkommens zur Verfügung hat.
Blickt man in andere Regionen, sieht es oft nicht besser aus: Der gesamte Osten kann den Wert Nürnbergs nicht erreichen – und in Nürnberg sagte man 2007 noch, dass mindestens ein Viertel der Einwohner arm sind oder akut von Armut bedroht sind. Es gibt nur ein Bundesland im Westen, dass sich mit den schlechten Werten Ostdeutschlands messen lassen kann: Bremen.
Oder etwas provokativer: Es gibt eine „Armuts-DDR“ in Deutschland – Bremen kann man da dann als Exklave gleich miteingemeinden. Treffender als das Neue Deutschland am Dienstag lässt es sich kaum noch formulieren – die Zeitung titelte: „Die DDR in den Grenzen von 2009“. Es ist ein unumstößlicher Fakt: Das sogenannte „Beitrittsgebiet“ ist in ökonomischer Hinsicht deutlich vom Rest Deutschlands diskriminiert. Abgehängt. Oder einfacher: Das Land ist geteilt. Nach wie vor. Das ist eine Tatsache, die nun auch wissenschaftlich erwiesen ist. Und allen Wahlkämpfern rufe ich zu: Dieser Fakt ist nicht verhandelbar.
Gerne werden in „westlicher“ Arroganz die Jammer-Ossis abgeurteilt, so zum Beispiel Anfang Februar relativ einhellig in Plasbergs Fernsehshow „hart aber fair“. Aber kaum jemand macht sich die Mühe, nachzufragen, ob das, was schnell als Gejammer abgetan wird, nicht doch Substanz hat. Es geht hierbei nämlich um mehr als die Höhe des individuellen Einkommens. Jeder weiß, dass diese individuellen Einkommensfaktoren auch Wirkung auf Strukturen und Landschaften haben. Die von Armut betroffenen sind also nicht z7wingend in ein stabilisiertes Umfeld eingebunden und diese Umstände sind meines Erachtens durchaus in der Lage, die Auswirkungen von Armut zu potenzieren. Schlimm genug, dass einzelne Regionen von Armut gezeichnet sind. Das wissen wir aber. Doch der Armutsatlas des Paritätischen zeigt das ganze Ausmaß der Situation: Nicht nu die Regionen sind betroffen – ganze Bundesländer unterliegen den Verhältnissen ihrer Bewohner. Wer möchte in diesem Zusammenhang noch von der deutschen Einheit sprechen, ohne sich der Gefahr auszusetzen, dass es zynisch klingen könnte? Von den „blühenden Landschaften“ will ich gar nicht sprechen – hat sich doch selbst in konservativste Kreise herumgesprochen dass dies eine der Kardinalslügen Kohls war.
Beachtet muss zudem werden: Die im Armutsatlas dargelegten Zahlen bilden die Verhältnisse von 2007 ab – also die einer Zeit, zu der noch nicht Kurzarbeit in der Fläche existierte und eine Zeit, in der Deutschland nicht der „globalen Finanz- und Wirtschaftskrise“ unterworfen war. Wie weit sich diese Umstände inzwischen verschärft haben, kann nur geschätzt werden. Das sie sich verschärft haben, steht zu erwarten.
Was aber tun? Der Paritätische fordert eine deutliche Aufstockung des Hartz IV-Regelsatzes. Dieses könnte – sieht man einmal davon ab, dass es die Schärfe der finanziellen Situation Betroffener mildern könnte, auch dem Lohndumping entgegenwirken. Unsere saubere Bundesregierung bekommt es seit Jahren nicht gebacken, etwas gegen Dumpinglöhne zu unternehmen, von der Einführung eines Mindestlohns ganz zu schweigen. Denn wenn Mensche n mit Hartz IV – so schlimm das klingen mag – mehr Geld zur Verfügung haben als Wachleute, Friseure oder Helfer in Discountern (nebst Zweit- und Drittjob), dürfte das Lohndumping sich erledigen. Und dann muss noch schnell diese unsägliche Ausbeuterei mit der Zeitarbeit weg.
Und das Umverteilen muss endlich richtig angepackt werden. Von oben nach unten. Konsequent und schnell. Dass das mit dieser SPD und Union nicht zu machen ist, versteht sich von selbst. Dass auch die „Liberalen“ (sie sind inzwischen noch nicht einmal neoliberal sondern einfach nur rechtslibertär, wie Stephan Balling einmal trefflich festzustellen wusste) hier genau gar keinen Auftrag (geschweige denn ein Konzept) haben, ist ebenso bekannt.
Wenn es mit der Einheit mal was werden sollte, dann müssen jetzt die Armen gestärkt werden – umfänglich gestärkt werden. Mit unserer derzeitigen Papiereinheit kommen wir nicht weiter (und wachsen schon gar nicht zusammen). Denn: Was nutzt armen Menschen denn die theoretisch hinzugewonnene Freiheit, wenn sie mangels der Mittel nicht daran partizipieren können?
Bildnachweis und weiterführende Informationen zur Studie, nebst Regionalsuche: Der Armutsatlas des Paritätischen.
Wir spüren nun die Folgen und Fehler der Administration Kohl. Die Wiedervereinigung ging doch zu schnell und ohne Plan über die Bühne. Hier hätten ähnliche Programme seitens der EU greifen müssen wie es andere ehemalige Ostblockländer haben.
Auch hätte der BRD einige Jahre jegliche EU-Zahlungen gestundet werden müssen. Schließlich haben wir ein ehemaliges Ostblockland bekommen, dass weit vom Level eines westeuropäischen Land entfernt war.
Auch war die DDR das Billiglohnland der BRD.
Wir haben im Osten seit jeher ein strukturelles Problem.
Hier wurde nur in einigen Städten und Region gehandelt.
Außerdem gibt es Regionen in der SBZ die seit Jahrhunderten nur landwirtschaftlich geprägt waren und sind (zB MeckPomm).
Vielleicht hätte es geholfen aus der DDR einen Sonderhandelszone zu machen und einen längeren Übergang gebraucht.
Bremen leidet vor allem durch den Arbeitsplatzabbau und Automatiesierung der Deinstleistungen rund um den Hafen. Hamburg kann das mit seiner starken Wirtschaft und hohen Anzahl von Unternehmen außerhalb des Hafens ein Stück weit kompensieren.
Passt auch zum Thema:
Mittlerweile haben wir nicht nur die USA kopiert, sondern einige Dinge des Turbokapatilismus verstärkt. Eine soziale Marktwirtschaft existiert nicht mehr und das Tafelsilber wurde verscherbelt.
Wir werden in vielen Bereichen nicht um eine Verstaatlichung herum kommen (z.B. Energiesektor).
Zur Zeit loben Politiker die BRD und das Grundgesetz als Erfolgsmodell. Meiner Meinung nach ist aber die Zeit reif für eine Neuorientierung.
Die Menschen (besser gesagt Wähler) werden mehr in die linke oder rechte Extreme abrutschen. Davon erhoffen sie sich einen Wandel oder zumindest Reaktionen.
Wir brauchen eine neue Verfassung (die gerne zu 90% mit dem jetzigen Grundgesetz über einstimmen kann). Sowie eine Neuorietierung der Wirtschaft, ein Umdenken in Sachen Globalisierung und Stärkung der Binnenwirtschaft. Des Weiteren gehören die Aktienmärkte stärker überwacht und reguliert.
Wir stärken zurzeit immer mehr die Großkonzerne und nehmen das Geld dem einfachen Mann weg.
Ich teile die Meinung einiger Politiker das es zu sozialen Unruhen kommen könnte. Über das wer und was bin ich aber anderer Meinung.
Der Osten hat keine Arbeitskräfte und vergreist immer mehr. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht lohnt sich dort ein Betrieb nur aufgrund der Subventionen.
Auch ein Fehler war im Osten, dass nach der Wende keine Staatsbürgerkunde in Sachen Demokratie gemacht wurde. Schließlich waren unsere Landsleute in der DDR, bis auf den Fehlversuch Weimarer Republik, immer unter einer Administration mit stark herrschaftlich und feudal Ausrichtung (Kaiserreich, NS-Zeit und DDR). Auch daher kommen die starken Strömungen in Richtung links und rechts, welche im Westen nicht so stark ausgeprägt sind.
Für die fünf neuen Bundesländer müssen jetzt Pläne erstellt werden, die Struktur und Potential stärken. So was wird 15-20 Jahre dauern.
Man wird in vielen Jahrzehnten kritischer als jetzt auf die Wende gucken und auch die Leistungen der Kohl-Administration anders bewerten.
Und um die Wirtschaft der Volksgenossen zu stärken mache in diesen Sommer wieder meinen DDR-Urlaub. 😉
Auf gehts nach Rügen!