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BVG und Vorratsdatenspeicherung. Sind wir jetzt glücklich?

Mir ist bislang nicht bewusst gewesen, dass ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts so janusköpfig sein kann. Auf der Fahrt von Erlangen nach Nürnberg konnte ich, als ich die Nachricht vom BVG-Urteil hörte, meinen Jubel kaum in Zaum halten, und im Grunde hat das Urteil auch bejubelnswerte Seiten, aber wirklich glücklich bin ich damit nicht. Es ist schon mehr als ärgerlich, wie sehr doch die Richter in den roten Roben den Schwanz vor der EU einkneifen!

Wo liegt das Problem? Den Initiatoren wie Befürworten des Gesetzes hat das BVG doch eine schallende Watschn gegeben. Zwar – so berichtet die Welt – ist die Durchführung der Vorratsdatenspeicherung grundgesetzwidrig und die gesammelten Daten seien unverzüglich zu löschen – was ein Erfolg ist. Zwar darf das Telekommunikationsgeheimnis nicht so eingeschränkt werden, wie das derzeit der Fall ist. Und das wäre ein Sieg nach Punkten für die über 35.ooo Bürger, die vor dem BVG klagten (ich zähle auch zu diesen) aber:

Zum ersten Mal wird vom Karlsruher Gericht die Speicherung von Daten auf Vorrat zu noch unbestimmten Zwecken für zulässig erklärt, ohne dass es einen konkreten Anlass oder gar einen Verdacht geben muss.

So berichtet die Süddeutsche. Anlasslose Datenspeicherung sei nicht zur Gänze und schlechthin verfassungswidrig. Und hier liegt das eigentliche Problem: Unter Berücksichtigung diverser Einschränkungen und Hürden kann das gerade gekippte Gesetz nämlich wieder aufgelegt werden und das ändert im Kern nichts daran, dass Daten auf Vorrat gespeichert werden. B5aktuell berichtete, dass das Procedere der Speicherung und Verwertung der Daten für „Dritte“ transparent gemacht werden müsse – wenn dem so ist, ist das auch nicht ganz ohne. Des Pudels Kern: Wer auf die Daten draufsehen kann, ist nicht, was an der Vorratsdatenspeicherung primär interessiert, der Fakt, dass Daten verdachts- und anlassunabhängig gespeichert werden dürfen stellt das Problem dar.

Und daran hat sich heute, im Wesentlichen, nichts geändert. Ich halte es für gut vorstellbar, dass sich in kürzester Zeit die Regierung daran machen wird, das Gesetz umzustricken. Weiterhin ist bei den Telcos meines Wissens die Infrastruktur bereits eingerichtet – wenn die diese nun für nichts und wieder nichts gekauft worden wäre, könnten die Telcos ja den Bund auf Schadenersatz verklagen – billig wäre das nicht.

Die Zeit wird zeigen, was sich auf Basis dieses Urteils noch für Unfug anstellen lässt. Weiterhin lesenswert: Der Kommentar von netzpolitik.org.

Elena.

Was ist ELENA? Klingt wie eine russische Nutte, so möchte man meinen. Weit gefehlt – ELENA ist viel schlimmer: ELENA, der Elektronische Entgeltnachweis ist eine noch nicht mal neue Datenkrakerei des Staates.

Vorab: Wer hat es zu verantworten? SchWesterwelle? Merkel? Nein – verzapft hat das kein geringerer als die ehemalige rot-grüne Regierung unter Schröder und erdacht wurde es auf Druck der Arbeitgeber von der Hartz-Kommission. Triple fuck! Da ist natürlich schon fast alles gesagt. Aber die sind natürlich nicht allein schuld, denn auch schwarz-rot hat im Nachgang mit entsprechenden Gesetzen kräftig nachgeholfen. Obwohl: Der IT-Sicherheitsexperte Guido Strunck sieht die Wurzeln des Übels nicht erst bei der Hartz-Komission sondern bereits im Jahr 1997:

Ihren Anfang nahmen die Entwicklungen, die letztlich zum ELENA-Verfahrensgesetz geführt haben, bereits im Jahr 1997. Damals schaffte der Bundestag durch das Signaturgesetz die rechtlichen Grundlagen für elektronische Unterschriften. Diese sollten dazu dienen, den Handel im Internet anzukurbeln, da auf Basis einer elektronischen Signatur leichter rechtsgültige Verträge geschlossen werden können. Das System konnte sich aber nicht durchsetzen, da die nötige Authentifizierung für alle Beteiligten die Anschaffung von Lesegeräten erfordert hätte. Ein wirklicher Anreiz dafür fehlte bisher.

Was will ELENA? ELENA will Daten aller Arbeitnehmer sammeln und zentral (kotz! Die haben weder etwas gelernt noch begriffen!) abspeichern. Welche Daten? Quasi alle, die im Entgeltnachweis anfallen – das alles. Und noch viel mehr: Abmahnungen und deren Gründe, Entlassungen und deren Gründe, mögliches „Fehlverhalten“ des Arbeitnehmers, Arbeitszeiten und Urlaubszeiten, Streiktage und Art des Streiks, Aussperrungen – alles! Bei Deutschland Debatte finden sich die derzeit erwogenen Abfrage-Codes und deren Entsprechungen. Und dazu natürlich auch Name, Adresse, Versicherungsnummer …

Was will ELENA noch? Wenn wir uns das obige Zitat von Guido Strunck genauer ansehen, werden wir feststellen, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit Recht hat. Bislang hat sich nämlich niemand für diese trusted Signaturkarten interessiert – weil man sie, das zeigt die Realität – nicht wirklich braucht. Weil ELENA aber keine freiwillige Sache ist sondern verpflichtend eingeführt wird, bekommt nun jeder eine Signaturkarte. So schreibt unter anderem die deutschsprachige Wikipedia:

Durch das ELENA-Verfahren soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung die Nutzung digitaler Signaturen („qualifizierte elektronische Signaturen“, die auf Zertifikaten auf Chipkarten basieren) gefördert werden. Sofern knapp die Hälfte der deutschen Bevölkerung mit Signaturkarten und qualifizierten Zertifikaten ausgestattet sei, könne man damit rechnen, dass dies den Handel im Internet antreibe und somit sich fördernd für die Wirtschaft allgemein auswirke.

Aha. Meine Daten werden also auf Vorrat gespeichert, damit das die Internetwirtschaft ankurbelt? Denen brennt doch der Kittel!

Was kostet das? 55 Millionen Euro als Anschubfinanzierung und Infrastruktur (was auch immer das sein soll), jährlich 133 Millionen Euro pro Jahr für den Betrieb – so wird das kommuniziert. Dass sowas ohne Probleme um den Faktor 5 oder 10 teurer werden kann, haben die großen IT-Projekt der Bundeswehr oder die elektronische Gesundheitskarte ja in der Vergangenheit gezeigt. Ich bin mir sicher, das kostet wesentlich mehr!

Wer bezahlt das? Erstens: Der Steuerzahler und zweitens der Arbeitnehmer. Also nur der Arbeitnehmer, welcher Arbeitgeber zahlt schon Steuern? Für die Arbeitgeber, die den Scheiß gefordert haben, wird das Ding mindestens kostenneutral. Der Steuerzahler löhnt für Installations- und Betriebskosten, der Arbeitnehmer muss sich eine Karte mit Signatur zulegen – und die zahlt er natürlich selber.

Warum soll es das geben? Der Slogan für ELENA lautet:“Weniger Bürokratie, mehr Effizienz“. Ob zentrale Datenspeicherung  wirklich zu weniger Bürokratie führt, darf stark bezweifelt werden, sicher ist aber, dass eine Speicherung von Daten auf Vorrat mit Effizienz nicht das geringste zu tun hat. %0% des Slogans sind also mit Sicherheit Lüge…

Taugt das was? Heute erreichte mich eine Mail, aus der ich zitiere:

Sicher eines der nächsten „Bastelprojekte“ der Jungs vom CCC, die Daten zu hacken.
Da wird ja alles drauf gespeichert. Einkommen, Abmahnungen, Kündigungsgrund, Streikzeiten. Super klasse!
Datenschutz ade.

Ich darf an dieser Stelle nochmal Schweinchen Schlau spielen und wiederholt auf folgenden Umstand hinweisen: „Da wird“ eben nicht „alles drauf gespeichert“, es wird zentral (in Würzburg) gespeichert. Das ist ja das Schlimme!

Wenn ich an ELENA denke, ist eines augenfällig: Es ist ein historischer Fakt, dass das Ministerium für Staatssicherheit der ehem. DDR niemals auch nur in annäherndem Umfang Daten der Bürger erhoben, gespeichert und verarbeitet hat.

Was ist daran gefährlich? Im Blog „Meine Meinung“ wird zu bedenken gegeben:

Die Datenübertragung soll dabei direkt vom Arbeitgeber erfolgen. Nur wer kontrolliert den Arbeitgeber, ob der nicht nach dem Abgang eines Beschäftigten demnicht durch Falschmeldungen einen auswischen will? Da ist schnell mal eben ein rechtmässiger Streik in einen Unrechtmässigen umgewandelt und schnell wird man so zum besonders Aufmüpfigen erklärt.

Scheiße.

Wann geht das los? Heute!

Wer ist dagegen? Der DGB. Und das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein. Peter Schaar sowieso. Und viele andere auch…