Derblecken á la Wikileaks
Wenn der Ernst nicht mitlaufen würde, wäre es schlicht und ergreifend einfach nur ein kleines, feines Stück Realsatiere: Die Veröffentlichung der US-Diplomatendepeschen bei Wikileaks. Derbleck´n nennt man hierzulande das, was da gestern in allen Hauptnachrichten gelaufen ist und im Bayernlande kanalisiert man dieses humoristische Spiegeln von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens auf einen jährlichen Termin im Münchner Paulaner-Festsaal zur Fastenzeit.
Nun, viel neues hat man nicht erfahren aus den Depeschen – Das Seehofer „unberechenbar“ ist und über einen lediglich „begrenzten Horizont“ verfügt, hat keinen Nachrichtenwert liefert keinen weiteren Erkenntnisgewinn. Dass Westerwelle aggressiv auftritt – wir wissen es seit seiner Entgleisung mit der „spätrömischen Dekadenz“. Und auch, dass er offensichtlich kein besonderes Interesse an Außenpolitik hat, dürfte interessierten Beobachtern der medialen Berichterstattung kaum entgangen sein. Der Satz „He´s no Genscher“ – dieser Satz ist selbstverständlich wahr (und fördert darüber hinaus nichts Neues zu Tage).
Eine wenig kreative „Teflon-Merkel“ – wen wunderts. Ich finde das, was in den Depeschen zu unserer unfähigen, regierungsunfähigen und gelangweilten Bundeskanzlerin bezeugt wird, noch äußerst euphemistisch. Besser hätte man schreiben mögen: Sie kann nichts, ist langsam, hat weder Idee noch Plan und schmollt tagein, tagaus.
Der Taschenduce Berlusconi haut sich die Nächte saufenderweise um die Ohren und kann dann tagsüber nur mit Mühe stehen. Auch hurt er gerne mit Minderjährigen herum. Auch schätzt er zu diesen Anlässen die Gegenwart junger Damen. Das ist bekannt, allgemein bekannt.
Die US-Diplomatie merkt dazu sinngemäß an:
Er habe ein aktives Nachtleben und eine Vorliebe für ausschweifende Feiern. (Quelle: Reuters)
Das mag nicht den Standards internationaler Diplomatie genügen – aber es ist immer noch sehr fein ausgedrückt.
Weitere Details zum Politiker seiner Wahl lassen sich bequem ergoogeln, daher erspare ich mir an dieser Stelle weitere Beispiele. Der Gag war gut und hat gezündet. Es ist Balsam auf der Volksseele, wenn man aus „berufenem Munde“ hört, was man sowieso schon wusste – es ist ein kleines Stückchen Kabarett.
Wesentlich lustiger finde ich die angepisste Reaktion der US-Außenministerin Clinton: Die rief bereits am Sonntag ihre Kollegen aus den „verbündeten Staaten“ an und entschuldigte sich artig im Vorfeld. Das bedeutet nichts anderes, als dass sie bereits gewusst haben muss, wer in den Depeschen sein Fett weg kriegt. Einmal mehr kriechen die USA auf der internationalen Bühne zu Kreuze – ein herrliches Schauspiel. Man stecke mir das Kissen tiefer in den Nacken und reiche mir Pepsi-Cola und Popcorn.
Die Tante schäumt vor Wut, kündigt „aggressive Schritte“ gegen die Whistleblower im eigenen Stall an. Und weiterhin entfährt es dem Washingtoner Rumpelstilzchen:
Die Veröffentlichung der Dokumente sei ein Angriff auf Amerika und die internationale Gemeinschaft – und bedeute eine „reale Gefahr für reale Menschen“. (Quelle)
Jaja, schon recht – ein Angriff auf die internationale Gemeinschaft, BWAHAHAHAHA!! Die haben sich halt einfach nur blamiert – leugnen nutzt nichts und jeder weiß jetzt, was die Ammi-Diplomaten über den Rest der Welt denken – nichts gutes. Aber das ist der internationalen Gemeinschaft doch wurscht. Hey, was wollen die denn? Die sind erstens pleite, zweitens dumm wie ein Meter Feldweg, deren Gesellschaft ist zerrüttet, einen Sozialstaat haben die nicht und drittens tun die gerade alles, um sich politisch noch mehr zu isolieren. Und was will man von einer Regierung eines Landes erwarten, in dem es möglich ist, dass eine Sarah Palin oder eine Bewegung, die sich da „Tea Party“ schimpft, überhaupt in der Lage ist, Anhänger zu finden? Eben: Nichts! Hand aufs Herz – wer denkt denn besser über die Ammis?
Ich halte von der US Regierung nichts – deren Politik spielt sich auf einem Niveau unterhalb der Scheuerleiste ab (da nutzt auch ein Friedensnobelpreisträger Obama nix). Ich kann ihnen nicht nachtragen, dass sie vom Rest der Welt nichts halten, schließlich hält der Rest der Welt auch nichts von ihnen. Scheint auf Gegenseitigkeit zu beruhen.
Von diesem Leak war ich ein wenig enttäuscht, ihr hat es bereits gemerkt. Für einen Moment war es lustig – besonders komplex war es auch nicht – nette Unterhaltung also. Aber von Wikileaks erwartete ich eigentlich bahnbrechendere Erkenntnisse.
Diese sollen nun kommen – und ich bin gespannt, welche Dokumente diesmal „befreit“ werden: Auf die Enthüllungen über eine US-Großbank freue ich mich schon jetzt – vielleicht lässt sich da wieder was erkennen bzw. lernen.
Mit gefällt übrigens das Prinzip: Man kündigt einen Leak an, lässt den potenziellen Betroffenenkreis gehörig schwitzen und delektiert sich daran, zu sehen, wie die Urheber des geleakten Materials in blinden Aktionismus verfallen. Und dann kommt der Leak. Hoffentlich hält er diesmal, was er verspricht.