Das Jay-tech Jaybook 9901 im Test
Es taucht immer wieder auf und inzwischen dürften bei Real, Netto, eBay, flip-tech und HSE24 schon ordentliche Stückzahlen dieses sog. „Mini-Notebooks“ (gemeint ist das Jay-tech Jay book 9901 mit der genauen Bezeichnung UMPC 9901) über den Ladentisch gegangen sein. Seit kurzer Zeit gibt es das Netbook auch im Onlineshop des Discounters Schlecker und es sollte mich wundern, wenn es zum Weihnachtsgeschäft nicht auch wieder anderswo auftauchen sollte.
99 Euro – was kann man dafür schon erwarten?
Das 9901 ist ein absoluter Low-Budget-Computer, denn mittlerweile hat sich der Straßenpreis des Geräts auf 99 Euro eingependelt. Was will man für 99 Euro erwarten? Einen Rechner? Ich kann sagen, dass ein guter wissenschaftlicher Taschenrechner von HP auch in etwa hundert Euro kostet. Daher bitte ich, beim Lesen des Tests diesen Preis im Hinterkopf zu behalten – er relativiert manche der teils eklatanten Schwächen des Netbooks.
Der Rechner kommt…
… in einer wenig spektakulären Box, die neben einer gedruckten – wenn auch rudimentären Anleitung das Netzteil enthält. Der Akku ist bereits vormontiert. Weiter findet man nichts in der Box.
Ein erster Eindruck
Das Netbook ist komplett aus schwarzem Kunststoff gefertigt, etwas „unsaubere“ Spaltmaße fallen in Auge – und man bemerkt, dass das 9901 angenehm leicht ist.
Schon beim Aufklappen fällt auf, dass der Bildschirm (7 Zoll – nicht gerade groß aber überraschend gut) nicht mechanisch mit Funktionen gekoppelt ist und auch über keinen Verschluss verfügt. Wenn das 9901 geladen ist, wird es mit einem Druck auf den silbernen Power-Schalter hochgefahren. Das Netbook bootet sehr schnell – schon empfängt einen der Desktop. Klappt man das Display wieder zu, bleibt der Rechner an – keine Standbayschaltung wird aktiviert – auch geht die Hintergrundbeleuchtung des Bildschirms nicht aus.
Optisch gemahnt das nun gebootete Windows CE deutlich an Win NT – lediglich die Widgets auf der rechten Seite nehmen Anleihen an das Design von Vista. Diese Widgets zeigen den Akkustand, den Status der WLAN-Karte und Datum und Uhrzeit – weitere Funktionen gibt es nicht und es sind auch keine neuen Widgets hinzufügbar.
Auf dem Jaybook 9901 ist eine kleine Softwaresammlung vorinstalliert, die die wesentlichen Funktionen abbildet. Unter anderem – und das ist ein echtes Feature – ist eine SoftMaker Office-Suite für CE vorinstalliert, die sich hervorragend macht und vor allem eine zu Word kompatible Textverarbeitung namens TextMaker mitbringt, die in Sachen Kompatibilität Standards setzt und auch sonst über den Funktionsumfang, look and feel einen Word 2003- Installation verfügt. Auch ein Mailprogramm, eine Präsentationssoftware und eine Tabellenkalkulation gehören zur Suite. Zudem: Der Browser Internet Explorer, ein Medienplayer, ein Youtube-Client, ein „Audio-Recorder“, Bildbetrachtung, Microsoft Messenger, Rechner, WinRar und ein WLAN-Powermanagement gehören zur Ausstattung.
Zum ersten Mal ins Internet
Es gibt out of the box zwei funktionierende Möglichkeiten, um ins Internet zu kommen: Entweder kabelgebunden über die Ethernetbuchse oder aber per WLAN. Beides funktioniert stressfrei: Sowohl PPPoE funktioniert an der Netzwerkbuchse als auch Netz über einen Router. Die Konfiguration ist Windows-üblich.
Wer mit WLAN verbinden will, der muss zuerst die integrierte WLAN-Karte mit dem Desktopsymbol „WiFi Power“ einschalten und dann warten, bis das WLAN in der Statusleiste als aktiv angezeigt wird (was manchmal ein wenig dauern kann). Dann kann man das Funknetz konfigurieren. Unverschlüsselt, WEP, WPA und WPA2 funktionieren problemlos – fein. Nach ein paar Klicks ist man online.
Das 9901 bringt kein Bluetooth mit – auch die Aufrüstung über ein Dongle dürfte sich schwierig gestalten, fehlen hierfür in der Regel doch passende Treiber. Wer mit einem UMTS-Stick mit dem 9901 online gehen will, der wird auch erfolglos bleiben, es sei denn, man besitzt zwei ganz bestimmte Huawei-Sticks, für die Treiber mitgeliefert werden (bzw. nachinstalliert werden können).
Als Browser wird eine spezielle CE-Variante des Internet-Explorers verwendet. Dieser IE ist aber keineswegs mit dem vom Desktop bekannten Browser vergleichbar, er erinnert eher an einen ältlichen Mobilbrowser – und er ist elend langsam! Zudem unterstützt der Browser kein richtiges Flash (und auch kein Java) – bei aktuellen Seiten ist man mitunter ziemlich aufgeschmissen. Auch wenn man das 9901 mit VDSL verbindet – die Performance steigt nicht. Der Browser ist nicht mehr zeitgemäß. Mal eben ein Video bei Youtube oder Vimeo ansehen ist nicht – Twitter funktioniert nur mit der für Handys optimierten Mobilseite problemlos und auch GMX und GMail machen im „Retrobrowser“ nur begrenzt Spaß. Richtig lahm wird die Sache bei mehreren geöffneten Browserfenstern (Tabs gibt es nicht). Es nutzt, den Seitencache von 2 MB auf 4 MB anzuheben. Aber eine Offenbarung wird der Browser trotzdem nicht.
Das 9901 als „mobile Schreibmaschine“?
Über die Vorzüge des vorinstallierten Officepakets von SoftMaker habe ich schon geschrieben. So liegt der Schluss nahe, dass sich das Netbook zum Abfassen von Texten unterwegs durchaus eignen müsste – und dem ist auch so, wenn man sich mit der bauartbedingt kleinen Tastatur zurechtfindet.
Das Keyboard ist gar nicht so schlecht, das Feedback der Tasten könnte zwar deutlicher sein, aber man lernt das Tippen schnell. Die Umlaute Ü und Ä liegen nicht an gewohnter Stelle – auch mit dieser Besonderheit lernt man umzugehen. Das Touchpad ist sehr klein geraten, lokalisiert den Cursor aber sehr präzise. Nichts desto trotz empfehle ich unbedingt, sich eine USB-Maus einzustecken. Sonst steht dem mobilen Texten aber nichts im Weg – auch die Akkuleistung ist ok, wenn man nicht nebenbei noch surft.
Auch das Abfassen von Mail funktioniert gut, der Mailclient von Softmaker ist für POP/SMTP-Postfächer gut, IMAP geht nicht.
Zusätzliche Software
Beim Jay-tech Jaybook 9901 handelt es sich um ein „Netbook“, das auf Basis eines VIA 9505 Prozessors läuft (das ist ein ARM!), der mit 300 MHz getaktet ist. Dieser Prozessor lässt das Installieren eines klassischen Windows-OS wie ME, NT, XP oder gar Win 7 nicht zu, da keine Kompatibilität zur Intel-Architektur gegeben ist. Demach ist man, sofern man nicht über Linux-Superkräfte verfügt, darauf angewiesen, mit dem mitgelieferten CE 6.0 zurechtzukommen. Bei CE 6.0 handelt es sich um ein Betriebssystem für „embedded-Geräte“ – es ist auch anders als Windows mobile – obwohl mobile auf CE basiert. Dies bedeute auch, dass Software für Windows mobile nicht zwingend (im Gegenteil: eher selten) auf CE läuft. CE selbst wurde in der Vergangenheit auf Handheld-Devices verwendet – für diese entwickelte Software könnte im Prinzip dann lauffähig sein, wenn die Prozessorarchitektur unterstützt wird. Aber auch der Umstand, dass ein Handheld in der Regel andere Tasten definiert als ein Netbook, macht die Sache nicht einfacher. Es gibt aus der CE-Zeit eine handvoll Software, die auf dem 9901 läuft – aber sie ist rar und (die Zeiten von CE als Handheld-OS wie die Zeit der Handhelds selbst ist schon etwas länger vorbei) oft alt.
Und ein alternatives Betriebssystem?
Die Frage, ob sich auf dem 9901 ein alternatives Betriebssystem installiert werden kann (und ob sich das lohnt) kann nur mit einem „Jein“ beantwortet werden:
Im Netz gibt es einige Berichte über geglückte Linux-Installationen, die aber meist mit Klagen über fehlende oder fehlerhafte Hardwareintegration verbunden sind. So gerät wohl das gesamte Powermanagement unter Linux durcheinander, es wird gehäuft berichtet, dass ein Akkubetrieb unter Linux nicht mehr möglich ist.
smartbook PICO, Screenshot. Quelle: smartbook.de
Eine Alternative könnte Android sein. Es wurde bereits von etlichen erfolgreichen Installationen berichtet – und das 9901 wird auch mit voristalliertem Android 1.6 verkauft. Hier ist nicht Jay-tech der Anbieter sondern die in Köln ansässige Smartbook AG, die das entsprechend vorkonfigurierte Gerät als Smartbook Pico anbietet. Von der Hardware aber ist das Pico und das 9901 identisch.
Nun weiß ich nicht, was das Pico an Software mitbringt (bei Android dürfte es aber doch etwas besser mit der Softwareversorgung aussehen, als bei CE), aber die SoftMaker-Suite ist halt Windows vorbehalten. Wenn jemand also auf dem 9901 Android an den Start bekommen möchte, so ist abzuwägen, was man mit dem Rechner machen will.
Hardware und Performance
Kommen wir zum Kern: Das 9901 verfügt über den besagten VIA 8505 Prozessor, getaktet mit 300 MHz und in ARM-Architektur. ARMs sind weit verbreitet, stabil, und kühl – das ist ein Vorzug. Nachteilig sind die 300 MHz, denn das ist wirklich nicht schnell. Ich würde diese Geschwindigkeit aber immerhin als ausreichend bezeichnen. Noch stärker auf die Bremse wird aber nicht von der CPU sondern vom Speicher getreten: 128 MB DDRII-RAM werkeln im 9901 – für ein flüssiges Arbeiten ist das im Prinzip schnell genug – allerdings oft zu wenig. Als internen Speicher bietet das Gerät eine 2GB NAND-Flash-„Platte“ – auch nicht wirklich prall, aber weniger kritisch, denn das Netbook ist via SD-Karte um bis zu 32 GB (Slot) erweiterbar.
Weiterhin steht ein Stereo-Kopfhöreranschluss (3,5 mm-Klinkenbuchse) und ein Mikroeingang (mono, ebenfalls 3,5 mm-Buchse), zwei USB-1.0-Ports und ein USB 2.0-Ports zur Verfügung. Und es gibt natürlich Ethernet.
Der Stromversorgung dient ein Li-Ion-Akku mit einer Kapazität von 1800 mAh an 8,4 Volt. Der Akku in meinem Gerät macht sich nicht so prall. Versorgt wird das 9901 mit einem für das eigentliche Gerät relativ großen Netzteil (das wäre mit Sicherheit schlanker gegangen).
Für wen ist das 9901 das richtige Netbook?
Wir haben es beim 9901 mit einem Rechner zu tun, der sich durch sehr kleine Abmaße auszeichnet und wenig wiegt – und damit erstaunlich mobil ist. Allerdings wird diese Mobilität durch einige deutlich spürbare Limitationen im Bereich der Hardware erkauft.
Der günstige Preis von 99 Euro für ein Neugerät (bei eBay gehen die Dinger gerne auch mal für einen Fünfziger raus) ist ein weiterer Vorteil.
Wer eine „mobile Schreibmaschine“ sucht, der wird mit dem 9901 dann gut fahren, wenn man sich an das Handling eines so kleinen Gerätes gewöhnen kann. Zur surfen ist es bedingt brauchbar, die Multimediafunktionen sind eher enttäuschend.
An dieser Stelle muss ich auch deutlich sagen, dass das 9901 nicht für jeden Nutzer etwas ist: Wer auch in Zukunft mit der vorinstallierten Softwareausstattung zurechtkommt, der kann einen günstigen Mobilcomputer bekommen. Wer sich sehr gut auskennt, gerne bastelt, in CE programmieren kann und Software sowie Treiber modifizieren kann, der wird ebenfalls seine Freude haben.
Wer XP gewohnt ist und die Flexibilität von XP wünscht, wer nicht programmieren kann – der lege etwas Geld drauf und kaufe sich ein Netbook mit XP oder Windows 7.
Kritisch anzumerken ist, dass gerade real, HSE24 oder Schlecker jetzt nicht die Nerdstores sind sondern sich an „Otto Normalverbraucher“ wenden – und gerade diese Zielgruppe braucht meines Erachtns eine andere Rechnergattung (bei der sich „intuitiv“ neue Hardware anflanschen, Software nachinstallieren lässt und die nicht ein gewisses Frickelgeschick vom Nutzer abverlangt wird).
So möge jeder vor der Anschaffung kritisch prüfen, ob die mitgelieferte Hardwareausstattung genügt oder ob er die Skills mitbringt, das 9901 im Zweifelsfall komplett umzuprogrammieren. Wenn nicht, dann gibt es andere Geräte, die etwa das Doppelte kosten, aber ein Vielfaches an Ausstattung mitbringen.
Fazit
Es ist verwunderlich, dass sich dieses Einsteigergerät (das unfreiwilligerweise einige Herausforderungen mit sich bringt) sich so beharrlich im Markt hält. Wie groß die Usergruppe des 9901 tatsächlich ist, darüber kann nur spekuliert werden, weil nicht sicher ist, wieviele Leute das kleine Ding irgendwann frustriert aus der Hand legen. Bei eBay stehen interessanterweise immer eine ganze Menge dieser „Mini-Notebooks“ zum Verkauf.
Wer sich bewusst über die Einschränkungen des 9901 ist, wer Spaß am Basteln und Ausprobieren hat und wer ein sehr kleines Gerät möchte, der kann durchaus Spaß am Gerät haben.
Als das Gerät im Juni dieses Jahres bei Netto angeboten wurde, entstand hier im Blog eine sehr rege Diskussion – mit einigen sehr vielversprechenden Tipps rund um das Netbook. Wer das Ding hat oder zu kaufen plant, findet hier eine recht gute Informationsbasis.