Oury Jalloh, verbrannt am 7. Januar 2005
Heute jährt sich der Todestag des aus Sierra Leone stammenden Asylbewerbers Oury Jalloh, der in einer Dessauer Polizeizelle unter mysteriösen und bis heute nicht geklärten Umständen verbrannte – obwohl er gefesselt war (!) – zum sechsten Mal.
Nachdem im Prozess um den Tod Oury Jallohs (manche sprechen von Mord, was rein von der Argumentation her und der Faktenlage nicht ganz von der Hand zu weisen scheint) zwei Polizisten, die verdächtigt wurden, am Geschehen beteiligt gewesen zu sein, vom Landgericht Dessau freigesprochen wurden, hat der BGH (sic!) dieses Urteil postwendend kassiert. Es muss neu verhandelt werden; das beste, was einem Rechtsstaat passieren kann.
Es ist ein Glücksfall für den Rechtsstaat, dass der Fall neu aufgerollt werden muss.
Im Web habe ich einen Mitschnitt der Hördukumentation „Verbrannt in Polizeizelle Nr. 5„, produziert vom NDR Ende des vergangenen Jahres, gefunden. Ich kann wirklich jedem empfehlen, sich diese Dokumentation anzuhören.
Sie rüttelt auf, beklommen nur kann man ihr folgen und wird gewahr, wie Polizeigewalt im Nachhinein vertuscht wird, wie sich mögliche Täter zu Opfern stilisieren lassen.
Diese gut 50 Minuten sind nach meinem Dafürhalten eine der wenigen Sternstunden des deutschen Tonrundfunks im vergangenen Jahr. Die Sendung ist nicht nur informativ sondern auch eine angemessene Möglichkeit, Oury Jallohs zu gedenken.
Kann mich der Empfehlung des Downloads vorbehaltlos anschließen, weniger dem Lob, was „unseren Rechtsstaat“ angeht. Die geäußerte Skepsis betrifft ausdrücklich nicht die doch noch ausreichende Zahl an engagierten Medienproduzenten bzw. Journalisten und nicht zuletzt dem Richter, auch wenn er aufgrund der absichtlich mangelnden Faktenlage mit dem Hinweis darauf ein (Freispruch)-Urteil hätte verweigern sollen.
Nun gut, jetzt ist –bei vermutlich unveränderter gerichtsverwertbarer Faktenlage– die Aufgabe der Quadratur des Kreises erneut beim Landgericht. Erst wenn ALLE Polizei- und Ermittlungsbeteiligten Gegenstand des Prozesses sind, kann die Nuß geknackt werden.
Danke für den Upload !!!
Das mit dem Richter ist mir aber klar – und ich bin mir auch nicht sicher, ob bei der Revision da etwas anderes rauskommt – eine dünne Faktenlage bleibt eine dünne Faktenlage .
Und ich muss ganz deutlich sagen, dass der Rechtsgrundsatz in dubio pro reo auch dann Anwendung finden muss, wenn man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass etwas verschleiert wurde.
Ich wollte mich nicht zu einer unreflektierten Lobhudelei auf den Rechtsstaat aufschwingen (auch wenn man das so lesen mag), erkenne aber an, dass so geurteilt wurde. Du schreibst ja selbst von der „Quadratur des Kreises“ – ich möchte nicht in der Haut der Richter stecken, die darüber zu entscheiden haben.
Froh bin ich darüber, dass neu verhandelt werden muss. Das ist mehr als ein Signal, dass man (klar auf Betreiben der Freunde Oury Jallohs) bereit ist, zumindest den ernstgemeinten Versuch zu unternehmen, aufzuklären.
Oben verlinktes Hörstück sollten sich möglichst viele zu Gemüte führen. Es kann auch nicht die Täter benennen – aber es schärft doch den Sinn, wie Vertuschungen systematisch stattfinden (können) und lässt uns über diese Mechanismen gewahr werden. Das halte ich – nicht nur im Kontext des Todes Oury Jallohs, hier aber besonders – für nötig.