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Die MP3 wurde 30!

Didn’t feel old today? Gut, da kommt Abhilfe: Die MP3 wurde letzten Monat 30! Krass, oder? Dreißig Jahre! Ich erinnere mich noch sehr lebendig an die Zeit, in der ich den ersten CD-Brenner kaufte und die ersten MP3s lud, denn, obwohl ich damals schon Schallplatten sammelte und neben Kassetten auch ein Bandgerät und einen Minidisc-Rekorder besaß, sollte die MP3 die Art und Weise, wie ich Musik hörte, maßgeblich verändern.

Von „der“ MP3 zu sprechen, ist freilich nicht ganz korrekt, handelt es sich dabei doch nicht allein um ein Musikdateiformat, sondern eben um das Kompressionsverfahren, mit dem sich digitale Musik, besonders von CD, erheblich verkleinern lässt. Weil die Endung der Datei .mp3 aber synonym für das heute immer noch de facto Standardformat für digitale Musik nach dem Codec MPEG-1(/2) Audio Layer III ist, behalte ich diese unscharfe Bezeichnung einfachheitshalber bei.

Die MP3 löste damals, also Mitte bis Ende der 1990er Jahre, mehrere zum Teil auch heute noch gegenwärtige Probleme, die des begrenzten Speicherplatzes, der begrenzten Bandbreite und der begrenzten Rechenleistung. Musik wanderte über das Medium CD erst auf den Rechner, dann ins Internet und letztlich auch auf mobile Player.

Die Entwicklungsgeschichte der MP3 wiederzugeben, würde den Rahmen dieses Nostalgie-Posts sicher sprengen. Ein paar Worte seien aber dennoch dazu verloren. Bereits Mitte der 1970er Jahre wurde an der Compact Disc geforscht, zu Beginn der 1980er-Jahre erreichte sie Marktreife. Zur damaligen Zeit existierte weltweit eine sehr rege HiFi-Szene, die an ein neues, digitales Tonträgerformat sehr hohe Ansprüche knüpfte. Die CD konnte diese Ansprüche übererfüllen, man gab dem Privatmann ein günstiges Medium mit professioneller, studionaher und sendefähiger Tonqualität an die Hand, allerdings um den Preis, dass der damalige Kunde keine Aufnahmen auf dem neuen Tonträger anfertigen konnte. Wer bis weit in die Mitte der 90er digitale Tonaufnahmen fertigen wollte, war auf recht teure und nur bedingt oder gar nicht mobile Lösungen angewiesen. Mit einem PCM-Vorsatzgerät konnte man seinen teuren Beta-Videorecorder in ein digitales Tonbandgerät verwandeln, ein Gerät nach dem DAT-Verfahren (qualitativ waren diese Decks selbst für Studiozwecke geeignet) war Ende der 1980er-Jahre nicht unter 3.500 DM zu haben (und scheiterte damit schon am Preis, aber auch an einem künstlich implementierten Kopierschutz, der bei einer Abtastrate von 44,1 kHz bis in die 1990er Jahre nur eine analoge Aufnahme zuließ) und auch das Heimformat DCC, das sehr viel Potenzial hatte, war teuer und kam schlicht zu spät auf den Markt.

Bis auf DCC und später auch MiniDisc hatten die digitalen Audioaufzeichnungs- und Wiedergabegeräte alle ein Problem: Sie erzeugten, weil ohne rechenressourcensparende Kompression gearbeitet wurde, für ihre Zeit enorme Datenmengen. Auf einem physikalischen Medienträger (der in aller Regel nicht billig war) konnte man damit umgehen. Musste dieser Medienträger neben der Toninformation allerdings auch digitale Bilddaten bereithalten, stieß man sehr schnell an Grenzen. Überdies war man kaum in der Lage, einen unkomprimierten digitalen Audiostream zu übertragen.

In den 90ern entwickelte sich zur Lösung dieser Probleme ein Spezialmarkt. Im Hörfunkbereich, gerade bei den Privatsendern, war das „MusicTaxi“ beliebt, ein Hardwarecodierer, der mit gebündelter ISDN-Leitung in Echtzeit ein sendefähiges, komprimiertes Stereosignal in MPEG-1 Layer 2 übertragen konnte. Man benötigte aber zwei untereinander kompatible Codiergeräte und eine bündelbare ISDN-Leitung, die beim Anwählen auch synchron verbinden mussten. Damit war das MusicTaxi nur bedingt für Liveübertragungen tauglich, denn man hatte nicht überall einen entsprechenden Telefonanschluss und die benötigte Hardware zur Verfügung. Ich habe zu Beginn meiner Tätigkeit beim Radio in den 90ern tatsächlich noch mit MusicTaxi gearbeitet und kann mich erinnern, dass man mitunter drei oder vier Anwahlversuche benötigte, bis die beiden „Taxis“ synchron waren. In der Regel benutzte man das „Taxi“, um Beträge und O-Töne von einem Studio zum anderen in einer anderen Stadt zu überspielen, ohne einen Tonträger per Post (langsam) oder Eilboten (teuer) versenden zu müssen. Aufgezeichnet wurden diese Beiträge dann beim Empfängerstudio in aller Regel auf (analogem) Tonband, „Schnürsenkel“, was bedeutet, dass bei der Überspielung sender- wie empfängerseitig mindestens ein Techniker in einem freien Studio zur Verfügung stehen musste. Im öffentlich-rechtlichen Bereich begegnete man dieser Herausforderung über ein sternförmiges Netz von Standleitungen. Das war qualitativ hervorragend, analog wie digital, zudem zuverlässig und höchst ausfallsicher. Wo dies nicht möglich war, nutzte man Richtfunkstrecken. Hierfür wurde ein Netz professioneller Sendeanlagen zu unterhalten. Fürs Fernsehen standen ab den 1980er-Jahren auch Übertragungswagen mit Satelliten-Uplink zur Verfügung. Der Unterhalt, so munkelte man, dieser Infrastruktur, kostete die jeweiligen Sendeanstalten jährlich größere Millionenbeträge.

Die Lösung des Übertragungsproblems (und damit über Bande freilich auch des Speicherproblems) boten Kompressionsverfahren. Geforscht wurde für Pro-Audio und digitale Radio-Übertragungsstandards, an einen Heimmarkt oder gar das Internet dachte Anfang der 1990er Jahre eigentlich niemand. Man war lange Zeit folgender Herausforderung unterworfen: Hohe Kompressionen mit akzeptablem Klang erforderten sowohl beim Codieren als auch bedingt beim Decodieren eine hohe Rechenleistung, die hatte man nicht. Niedrige Kompressionsraten machten eine hohe Bandbreite und im Nachgang auch große Speicherkapazitäten notwendig, die hatte man auch nicht. Es war also alles recht kompromissbehaftet.

Auch die Idee, am Erlanger Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen zu Adiokompression zu forschen, hängt, wie dieser heise-Artikel darlegt, eng mit dem Wunsch zusammen, Tonmaterial in HiFi-Qualität über das Telefonnetz zu übertragen. Mit neuen Prozessoren ließen sich Anfang der 1990er Jahre erstmals MP3-Bitstreams in Echtzeit codieren und wurden zur Radioübertragung, ähnlich dem MusicTaxi verwendet. Professor Brandenburg, so berichtet heise, setzte auf externes Anraten auf PCs und das Internet und sollte damit Erfolg haben – MP3 kam wie gerufen. Mitte der 1990er-Jahre hatten viele Büro- und Heim-PCs noch Festplatten mit wenigen 100 MB Speicherkapazität. Den unkomprimierten Inhalt einer Audio-CD hätte man auf so einer Festplatte neben dem Betriebssystem nicht unterbringen können. Einige MP3-Files abzuspeichern, war aber kein Thema. Doch mit dem Einzug des Internets hatte der Siegeszug des Kompressionsverfahrens MP3 noch nicht begonnen. Dazu bedurfe es erst des „Hacks“ eines Australiers, der mit gestohlenen Kreditkartendaten den etwa 250 US-Dollar kostenden Codec „erwarb“ und ein kleines grafisches Tool zur Verwendung dazuschrieb und dieses funktionale Bundle als „Freeware“ ins Netz stellte. Die Early Adopters verstanden sofort, dass diese „Freeware“ in der Lage war, das bisher ungelöste Problem, Musikdateien in vernünftiger Qualität über die sehr schmalbandigen Modemverbindungen jener Tage zu übertragen, zu lösen. Es dauerte nicht lange, bis im Rahmen des LAME-Projekts aus einem Patch der Fraunhofer-Software ein eigener, performanter open source-Encoder wurde: Der Siegeszug der MP3 war nicht mehr aufzuhalten. Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als man in Aufnahmesoftware noch manuell den LAME-Encoder einbinden musste, um mit MP3s arbeiten zu können.

Und dann sind wir auch schon im Jahr 1998 und 1999 angekommen – der Siegeszug der MP3 sollte durch das aufkommende Internet, die Dateitauschbörsen, aber auch die Möglichkeit, erstmals halbwegs kostengünstig CDs brennen zu können, befeuert werden. Das mit dem CD-Brennen mag aus heutiger Sicht etwas befremdlich klingen, allerdings waren gebrannte CDs für wenigstens zehn Jahre das Medium, um Musik im Freundes- und Familienkreis aufnehmen und tauschen zu können. Mein erster CD-Brenner, ein Gerät von Philips, hatte die Möglichkeit, CDs in sagenhafter doppelter Geschwindigkeit zu brennen (x2), er kostete einen für damalige Zeit (1998) auch spottbilligen Betrag von 850,- Mark. Ein CD-Rohling mit seinen 650 MB Speicherkapazität war selten unter 7,- Mark zu bekommen, das machte aber nichts, brachte man auf so einem Medium doch locker sechs bis acht Musikalben in MP3 unter. Musik hörten wir vor dem Rechner oder warfen lange Audiokabel vom Schreibtisch zur Stereoanlage. Wir hatten bald gelernt, wie man eigene CDs in MP3s konvertiert. Diese Dateiensammlungen ließen sich schnell und unkompliziert tauschen. Um die Jahrtausendwende explodierte der Festplattenspeicherplatz. Musste der Rechner von 1998 noch mit 6 GB Plattenplatz zurechtkommen, hatte mein Desktop-PC aus dem Jahr 2001 oder 2002, so genau weiß ich das gerade gar nicht mehr, bereits eine 80 GB-Platte verbaut. Und mit diesen Speichermöglichkeiten wuchsen auch die MP3-Sammlungen. Dienste wie Audiogalaxy und Napster taten ihr Übriges, auch wenn wir uns damals noch – im wortwörtlichen Sinne – mit langsamen Modems und getakteten Verbindungen über die Telefonleitung ins Internet einwählten. Die ersten billigen DVD-Player konnten MP3-CDs ohne Schwierigkeiten wiedergeben. Vielleicht genügte die Tonqualität dieser Geräte nicht, um die Bedürfnisse Audiophiler zu befriedigen, für den normalen Nutzer revolutionierte die MP3 die Art, digitale Musik zu hören.

Nur mobil ließ sich die MP3 noch nicht wirklich hören. In den ausgehenden 1990er Jahren gab es freilich erste MP3-Player, diese waren aber nicht günstig und verfügten über nur wenig Speicherplatz. Man verwendete sog. „Smart Media“-Karten, die nur wenige Megabyte Kapazität boten. Ein Mitschüler hatte tatsächlich einen Rio PMP300, ein Gerät, um das ich ihn sehr beneidete. Mit einem klassischen Kassetten-Walkman war man in jenen Tagen aber technisch nicht wirklich schlechter gestellt, denn der Rio hatte 32 MB (!) internen Speicher und war mit einer SM-Karte um weitere 64 MB erweiterbar. Damit konnte man in akzeptabler Qualität etwa genauso viel Musik speichern, wie auf eine C90-Kassette passte. Der Vorgang, eine Leerkassette mit Musik zu bespielen, dürfte wohl ähnlich lang gedauert haben wie diese ersten MP3-Player über die Parallelschnittstelle mit Musik zu befüllen. Davon, dass man diese Geräte nicht einfach im nächstbesten Elektromarkt kaufen konnte, und man, hatte man eines erstanden, sich erst einmal mit der Installation diverser Treiber und anderer proprietärer Software auseinandersetzen musste, gar nicht zu sprechen. Bevor sich der MP3-Player in der Masse durchsetzen konnte, gab es besondere tragbare CD-Player im Stile des „Discman“, die auch MP3s abspielten. Sie kosteten zwischen 200,- und 300,- Mark und lösten das Speicherkartenproblem, das die ersten MP3-Player hatten. Ich hatte auch so ein Gerät – von der Klingelton- und Handyspielemarke Jamba der Samwer-Brüder. Die hatten eben nicht nur „Paid Content“, sondern vertrieben über einen kurzen Zeitraum auch Hardware, um MP3s wiederzugeben. Das Ding hielt ein, zwei Jahre.

Der "Jamba!"-MP3-CD-Player, ein früher Vertreter dieser Gerätegattung (um 2001)

2003 kam dann der erste richtige MP3-Player, ein Mpaxx SP 4010 des Herstellers Grundig, wenn ich mich nicht irre. Hier im Fränkischen war Grundig zu dieser Zeit noch eine gesetzte Marke, der Player mit rund 100,- Euro recht günstig, zudem bot das zigarettenschachtelgroße Gerät mit angenehmem Alugehäuse zwei Slots für SD bzw. MMC-Karten. Und weil solche Karten seinerzeit vor allem dann, wenn sie eine höhere Kapazität hatten, relativ teuer waren, kam diese seltene Zweischacht-Lösung sehr gelegen. Ich kaufte zwei günstige MMC-Karten (die waren weiland einfach mal ein Viertel billiger, als SD-Karten) und hatte dann, zusammen mit dem Gerätespeicher, einen tollen kleinen Player.

Doch schon bald erreichte mich der iPod der 3. Generation und schickte den Grundig, bei dem man um jedes Megabyte Speicherplatz feilschen musste, in Rente. Okay, er war sauteuer und hielt nicht wirklich länger als anderthalb Jahre, zudem ließ er sich, ganz Apple-like nur per Firewire-Anschluss und der proprietären iTunes-Software mit Musik bestücken, doch das alles nahm man hin. Ein logisches Menü, sagenhafte 40 GB Speicher und Touch-Bedienung bei einer langen Laufzeit des internen Akkus sorgten dafür, dass ich dieses Gerät mehrere Stunden täglich nutzte. Der iPod war eine echte Revolution, denn er wischte alle Nachteile, die andere Hardware immer mit sich brachte, mit einem Handstreich vom Tisch.

Nach dem iPod kam noch ein iPod Video, dessen Videofunktion ich aber angesichts des selbst für damalige Verhältnisse schon übersichtlich dimensionierten Displays nie ernsthaft nutzte, dann waren, das mag auch der Einführung des iPhones und kurz danach auch der technisch gleichwertigen Android-Telefone geschuldet sein, iPods schnell überholt. Der Vorzug der iPods, mit einem großen internen Speicher ausgestattet zu sein, geriet freilich mit den kontinuierlich steigenden Speicherkapazitäten und dem Preisverfall der micro-SD-Karten in den Zehnerjahren ins Hintertreffen, und so kamen, neben der Musiknutzung auf dem Smartphone, neue MP3-, später auch HiRes-Audioplayer in die Hände der geneigten Kundschaft. Damit, und auch mit dem aufkommenden Musikstreaming, geriet die MP3 als Dateiformat ein wenig aus dem Zentrum der Betrachtung, andere, teils noch effektivere Kompressionsverfahren oder Lossless-Formate wurden nun alltagstauglich.

Die MP3 selbst allerdings war nie weg und ist nach all den Jahren immer noch der Quasi-Standard für komprimierte Musikdateien, sei es im Bereich der Podcasts, der Audiotheken, der Downloads, sei es im Bereich digitaler Diktier- und Aufzeichnungsgeräte und auch im Bereich des Home Entertainments – und das, obwohl es mittlerweile technisch bessere und effektivere Kompressionsverfahren gibt. Warum nur?

Ich denke, dass das daran liegt, dass jedes noch so einfache Audiogerät heute in der Lage ist, MP3-Dateien wiederzugeben. Damit sind sie im Hinblick auf die Kompatibilität dieses Dateiformats schlicht der kleinste gemeinsame Nenner (und wohlgemerkt ein in der Regel recht gut klingender und mit wenig Kompromissen behafteter gemeinsamer Nenner). Egal, ob man eine Audiodatei mit einer unbekannten Medienplayersoftware, per USB mit einem Fernseher oder per Speicherkarte mit einem Smart Speaker, Digitalradio, Auto-Unterhaltungssystem, einem Handy… wiedergeben will, die MP3 läuft eigentlich immer. Das ist ihre Stärke. Mittlerweile ist auch die Lizenzierungspflicht für die Hardwarehersteller ausgelaufen, so werden Wiedergabegeräte, wenn sie das denn sein sollen, auch noch beliebig billig.

Wie gut oder schlecht klingt eine MP3, die ja gemeinhin als veraltet gilt, heute noch? So gut wie immer – würde ich behaupten. In den letzten Jahren, zuletzt erst vor zwei Monaten, habe ich an Hörsessions teilgenommen, die MP3 und andere Formate auf guten Set-ups zu Gehör brachten. Eine ordentliche Codierung und eine Bitrate von wenigstens 320k, wie wir sie schon in den 2000ern benutzten, vorausgesetzt, sind die klanglichen Unterschiede zur CD und selbst zu höher auflösendem Audiomaterial marginal und bestenfalls in minimalen Asynchronitäten im Tiefbassbereich und quasi vernachlässigbarer Artefaktbildung bei manch hochtonigen Passagen erahnbar.

Ich bin mir vollends bewusst, dass so mancher High-End-Spezl mich jetzt als Holzohr titulieren wird, aber: Wer das vierte oder gar fünfte Lebensjahrzehnt überschritten hat, dürfte schon allein wegen des nachlassenden Gehörs im Alter kaum mehr in der Lage sein, wesentliche Unterschiede zu registrieren. Um diese wirklich sicher ausmachen zu können, bedarf es eines auf das Erkennen dieser Unterschiede geschulten Gehörs, das oft, wie ich erfahren durfte, selbst Musiker nicht haben. Ist die MP3-Datei also ordentlich codiert, wird der normale Musikhörer keine größeren Defizite hören und zufrieden sein, selbst unter Verwendung von Equipment, das mehrere tausend Euro kostet.
Wer Abweichungen durch die Codierung wirklich hören will und auch bei einem Blindtest bestehen möchte, muss wirklich gründlich darauf trainiert sein, technische Unzulänglichkeiten identifizieren zu können.

Um die Jahrtausendwende habe ich mir in einer Tonregie mal den Unterschied zwischen MP3 und einer CD vorführen lassen, aus der Erinnerung heraus war er nicht hörbar, und das, obwohl allein die Geithain-Monitore dieses Regieraums um die 20.000 Mark gekostet haben dürften und der Raum bereits beim Bau des Studiokomplexes auf das Abhören von Audiomaterial optimiert war. Heute ist gute Elektronik – Stichwort „HD Audio“ – relativ günstig geworden, auch vernünftige Lautsprecher verfügen gegenwärtig über Leistungsparameter, die vor dreißig Jahren in annehmbaren Preisregionen kaum denkbar gewesen wären. Und selbst mit sehr analytischen und „hochauflösenden“ Kopfhörern sind echte Unterschiede mehrheitlich nur sehr schwer feststellbar. Das Detail, dass Brandenburg auf den alten Fotos im heise-Artikel, Elektrostatenkopfhörer der Edelmarke Stax trägt, finde ich ganz witzig, denn die damals (wie übrigens auch noch in hoher Zahl heute) gängigen und tausendfach in Studios verwendeten Monitorkopfhörer von AKG, Beyer oder Sennheiser waren sicherlich nicht in der Lage, Unterschiede hörbar zu machen.

Freilich gibt es auch viele miese MP3s, schlecht codiert, fehlerhaft gepegelt, mit geringer Samplingrate und niedrigen Bitraten, Joint Stereo, aus unzureichenden Webstreams mitgeschnitten, von verkratzten selbst gebrannten CDs gerippt oder von längst verschwundenen defizitären Ausgangsformaten wie RealMedia laienhaft umgewandelt… Gerade in den späten 90ern und frühen 2000ern waren solche Dateien ein Ärgernis. Sie waren, es stand ja wenig Bandbreite zur Verfügung, leider recht verbreitet und begründeten nach meinem Dafürhalten den schlechten Ruf von MP3. Wandelt man aber die Titel einer CD sorgsam in gute MP3-Dateien, so muss man schon genau wissen, worauf man zu achten hat, um überhaupt einen Unterschied hören oder sogar messen zu können. Oft gelingt das auch gar nicht.

So komme ich zu der Überzeugung, dass uns die MP3 auch noch in den nächsten Jahrzehnten begleiten wird, als Manko betrachte ich das nicht. Es werden neue Audioformate kommen. Und gehen. Die MP3 hat sich aber als Standard in einer Welt etabliert, in der neue Standards allein um Willen der Profitmaximierung und der Festigung der eigenen Marktmacht in eben jenen Markt gedrückt werden. Das wird immer wieder versucht, klappt aber (wenig überraschend) nur sehr selten. Die für einen Gutteil der Zwecke absolut hinreichende Qualität der MP3, die hohe Kompatibilität und Akzeptanz werden dem Format, freilich neben anderen auch, noch auf Jahrzehnte die Existenz sichern. Es hätte schlechter kommen können.

fefes Blog ist 20! Herzlichen Glückwunsch!

Bereits zum 10. Geburtstag habe ich Fefes Blog, dem wohl wichtigsten Watchblog der Republik, gratuliert, nun, zum 20. Geburtstag, darf an dieser Stelle freilich auch der Glückwunsch und meine tief empfundene Respektsbekundung (in aller Kürze) nicht fehlen.

Man muss, so habe ich weiland sinngemäß geschrieben, mit Fefe ja nicht übereinstimmen, aber das Lesen seines Blogs ist mehr als nur Teil der täglichen Informationsbeaufschlagung, es ist die fortwährende Übung in Medien- und Verstehenskompetenz und es ist, wie bereits ausgeführt, oft auch eine philosophische Fingerübung anhand tagespolitischer Ereignisse. Seine lakonisch bis zynischen Einwürfe widerspiegeln einen teils rustikalen, teils aber auch außergewöhnlich feinsinnigen Humor, der sich erst mit der Zeit der Lektüre entfaltet. Sein Blick auf unser vom Kapitalismus dominiertes Weltgeschehen ist nüchtern und ungeschminkt.

Nicht nur bei seinen Posts, sondern auch das seit zwanzig Jahren unveränderte Design betreffend, gelingt es von Leitner, sich auf das Nötige zu beschränken und einen heute quasi schon ungekannt erfrischenden Purismus zu pflegen. 2015 schrieb ich dazu: „fefes Blog ist hinsichtlich von Funktionalität und Design im Internet das, was Hirche oder Rams für Braun waren. Bei fefes Blog ruhen sich die Augen aus, nicht der Geist“; das hat freilich auch heute noch in selbem Maße Gültigkeit.

Interessanterweise sind die vielen lautstarken „Kritiker“ (diese Kritik war in den frühen und mittleren Zehnerjahren recht en vogue) des vermeintlichen „Fefismus“ heute alle stumm – vielleicht, weil kaum einer im Diskurs so lange durchhalten konnte, vielleicht aber auch, weil sie in einer stillen Stunde zur Kenntnis nehmen mussten, wie viele der von Leitnerschen Thesen schon heute Realität wurden und dass da am anderen Ende dieses Internets eben kein wirrer Verschwörungsmystiker sitzt, sondern ein Typ mit klarem Verstand, der unideologisch das präsentiert, was es zu präsentieren gilt.

Mancher von uns ist mit fefe erwachsen geworden, fefes Blog ist bis heute beileibe nicht der schlechteste Ort in diesem Internet. Dafür mein aufrichtiger Dank.

Möge fefe auch in den nächsten zwanzig Jahren (besser noch länger) Stachel in unserem Fleische sein.

Treffen der fränkischen Mastronauten und Blueskyer in Fürth im April 2025

Lange war das Treffen der (mittel-)fränkischen Mastronauten und Blueskyer „in größerem Rahmen“ angekündigt, jetzt haben wir einen Termin und eine neue Location!

Eingeladen sind ganz ausdrücklich alle Mastodon- und Bluesky-Nutzer in der Region (und natürlich auch alle, die sich mit den fränkischen Mastronauten und BlueSkyern verbunden fühlen).

Inzwischen haben wir durch unsere nuudel-Umfrage ein knappes, aber dennoch klares Termin-Statement:

Dienstag, 8. April 2025
18 Uhr
Gasthaus „Zum Tannenbaum“
Helmstraße 10, 90762 Fürth

Ursprünglich wollten wir uns ja im „Stadtwappen“ treffen, das an diesem Tag aber Ruhetag hat, daher weichen wir ins Nebenzimmer der in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Gaststätte „Zum Tannenbaum“ aus. Das Gasthaus ist gut mit der U-Bahn (Fürth Rathaus) und den Buslinien erreichbar und bietet neben vegetarischen Gerichten auch eine vegane Alternative an.

Gaststätte "Zum Tannenbaum", Fürth

Gaststätte „Zum Tannenbaum“, Fürth

Bitte verbreitet den Termin und die neue Location, gerne mit Hinweis auf diesen Post in Eurem Mastodon- und Bluesky-Netzwerk!

Spontane Zu- oder Absagen richtet Ihr zur besseren Planung bitte möglichst frühzeitig per Mastodon oder Bluesky an Karl oder mich oder hinterlasst auch gerne einen Kommentar unter diesem Post.

Wir freuen uns auf eine rege Beteiligung und dass wir uns alle am 8. April in Fürth wiedersehen!

Herzlichst,
Karl und Michi

Disclaimer: Die Teilnahme am Treffen ist grundsätzlich kostenlos, die entstehenden Spesen und Kosten im Gasthaus trägt jeder selbst. Ein reines Twitter-Treffen werden wir nicht mehr organisieren, schon allein deshalb, weil nach der Übernahme durch Musk und die Umbenennung in „X“ die meisten uns persönlich bekannten Nutzer die Plattform verlassen haben.

Wie aussagekräftig sind heute noch Google-Bewertungen?

Wer auf der Suche nach neuen Restaurants, Geschäften oder nach speziellen Dienstleistungen ist, hat in vergangenen Tagen gerne auf das Branchen-Telefonbuch oder Empfehlungen aus dem persönlichen Umfeld zurückgegriffen. Heute nutzt wohl die Mehrzahl der Menschen auch die Dienste von Google – und gerade bei Google Maps finden sich zu nahezu jedem niedergelassenen Geschäft entsprechende Bewertungen. Nur allzu gerne lassen wir uns von solchen durch die Nutzer generierten Bewertungen leiten – verfügt ein Unternehmen über viele gute Bewertungen, kann es so schlecht nicht sein, sind viele negative Bewertungen vorhanden, ist zumindest eine gewisse Vorsicht geboten – so möchte man meinen.

Doch es gibt inzwischen Anhaltspunkte, die am System der Google-Bewertungen sehr ernste Zweifel aufkommen lassen. Denn viele Unternehmer lassen heute fundierte negative Bewertungen nach einiger Zeit löschen – und der Bewerter ist kaum in der Lage, sich hiergegen adäquat zur Wehr zu setzen. Einige solcher Fälle möchte ich im Folgenden dokumentieren.

Die zentrale Frage lautet: Sind Google-Bewertungen für den Verbraucher überhaupt noch relevant, können sie den Nutzer noch bei der Entscheidungsfindung, welche Dienstleistungen sie wo einkaufen, welche Ärzte sie aufsuchen oder welche Restaurants sie besuchen, inzwischen noch unterstützen?

Eine Antwort darauf fällt schwer. Klar ist: Hat ein Unternehmen viele ausschließlich gute oder sehr gute Bewertungen, sollte man auf jeden Fall misstrauisch werden. Natürlich kann dieses Misstrauen auch die Falschen treffen, allerdings liegt bei Unternehmen, die nur gute oder sehr gute Bewertungen haben, der Verdacht nahe, dass diese dadurch zustande kamen, dass der Inhaber einer Unternehmung in das Bewertungssystem eingegriffen hat bzw. hat eingreifen lassen.

Geht das so einfach? Nun, ich habe es selbst erlebt. Ich bin nun kein großer Local Guide (mehr), habe noch etwa 130 Bewertungen bei 3.500 Punkten online und dennoch bin ich schon mehrmals Opfer von Zensurmaßnahmen, die durch Unternehmen oder Wirte angestoßen wurden, geworden.

Ein kleines Beispiel: Vor einiger Zeit waren wir zu fünft „zu Gast“ in einem wohl als gutbürgerlich bezeichneten Steiner Restaurant, das ich hier nicht namentlich nennen möchte. Die Speisen und der Service waren deutlich unterdurchschnittlich, die Preise gehoben. Nach der äußerst mäßigen Erfahrung dort fühlte ich mich bemüßigt, das im Rahmen einer kurzen Rezension mitzuteilen.

Unser heutiger Besuch im {average Gasthaus} konnte uns nicht überzeugen – zuvorderst ist anzumerken, dass leider das Preis-Leistungsverhältnis überhaupt nicht stimmt. Das relativ biedere Gasthaus mit seinem doch leicht abgegriffenen Interieur vermag nicht das Gefühl von Gemütlichkeit zu verströmen, die Toiletten […] sind alt und lieblos, die frühen 80er Jahre lassen hier grüßen. Der Hausschoppen, ein relativ nichtssagender Franke ohne Ecken, Kanten und Geschmack, wird im verkratzten Römer serviert – das kann heute jede Dorfwirtschaft besser. Das Essen reicht man auf Porzellan im Stile der Serie „Salzburg“ und dieser Standard der späten 1970er, frühen 1980er Jahre wird konsequent beibehalten. Die Beilagensalate schwimmen welk und traurig in wässrigem Dressing. Zwei Schäufele kamen an den Tisch mit gummiartiger Kruste – aber staubtrockenem Fleisch, zwei verkochten Klößen und einer schleimig-sämigen Soße. Kein volles Fiasko, aber auch eben so niedriger Standard, dass es einfach nicht mehr in unsere Zeit passt. Dafür {hoher, wenig marktüblicher Betrag} Euro zu nehmen ist, gelinde gesagt, frech. Der Service war aufgesetzt freundlich und – obwohl wir zu Beginn die einzigen Gäste waren – etwas überfordert. Um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Unser Abend im {average Gasthaus} war nun kein kompletter Reinfall – aber eine Zeitreise in die Durchschnittsgastronomiekultur der frühen 80er. […] Eher ein Restaurant für Gäste in höherem Alter mit niedrigen Ansprüchen, das ich bei allem Wohlwollen leider nicht weiterempfehlen kann. ★★

Die Auslassungen in eckigen Klammern mögen verhindern, dass die beschriebene Gastronomie allzu leicht wiedererkannt werden kann, das soll an dieser Stelle nämlich nicht das Thema sein.

Das Löschersuchen wurde vonseiten des „Bevollmächtigten“ wie folgt begründet (Auszug aus der Mail, die ich von Google erhielt und das an Google, nicht an mich als Rezensenten, gerichtet war):

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir sind Bevollmächtigter in dieser Angelegenheit.

Unser Mandant hat eine negative Bewertung erhalten, unser Mandant teilte uns mit, dass der Verfasser sowie der Inhalt der Bewertung unbekannt ist.

Wir sind zugelassener Rechtsdienstleister unter dem Aktenzeichen {average Aktenzeichen} beim Amtsgericht {average Nniedersächsische Stadt}.

 

Der Inhalt der Bewertung konnte keine Informationen auf die Echtheit des Bewerters geben. Es besteht auch kein anderweitiger Berührungspunkt, (Telefon, E-Mail, Anfrage, Angebot, Termin), durch den sich die Bewerter eine Meinung über das Unternehmen gebildet haben könnten. Somit können die Bewertungen nur unwahre Tatsachenbehauptungen darstellen.

 

Ebenso ist die Veröffentlichung unwahrer Tatsachenbehauptungen sowie diffamierende Inhalte in Bewertungen, unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit, kein schützenswertes Gut (BVerfGE 54, 208 (219)).

Wir bitten Sie das Prüfverfahren einzuleiten.

 

Wir erteilen Ihnen hiermit eine Rüge, Sie haben daher eine Prüfungspflicht nach aktuellem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshof, siehe Az. VI ZR 1244/20, Urteil vom 09.08.2022.

Den Nachweis Ihrer Prüfungspflicht bitten wir zur Weiterleitung an unseren Auftraggeber uns zuzuleiten. Dazu wird unser Mandant ggf. dann Stellung nehmen.

Es war ein wenig Recherche, die es erforderte, um herauszufinden, wer denn der „Rechtsdienstleister“ ist, der meine Rezension löschen ließ. Es handelt sich hier mitnichten um einen Anwalt oder eine Kanzlei, sondern ein Inkassounternehmen, welches gleichzeitig auch Suchmaschinenoptimierung, Suchmaschinenwerbung, Vertriebsdienstleistungen, aber auch Löschungen von „rechtswidrigen Negativrezensionen im Internet“ anbietet. Wenn Honest Achmed Used Cars and Certificates wüsste, womit man hierzulande so alles Geld machen kann, würde er sein Business sicher um einige lukrative business cases erweitern ;).

Dass ich die Firma, die hier tätig wurde, überhaupt recherchieren konnte, liegt an einem kleinen Fehler, den Google machte: Erhält ein Rezensent per E-Mail einen Hinweis auf eine eingegangene takedown notice, so wurde bis vor kurzem der Text des Beschwerdeführers, um den Namen, Adresse und Kontaktdaten des Beschwerenden gekürzt, in Kopie in die Mail eingefügt.

Bei der oben zitierten Mail hat dieser Automatismus allerdings versagt, es wurde mir ein Aktenzeichen mitgeschickt, bei dem ich dann bei Gericht die Firmierung in Erfahrung bringen konnte. So habe ich gleich eine ladungsfähige Anschrift und den Vertretungsbevollmächtigten, den ich nun juristisch belangen lassen kann. Leider ist das die absolute Ausnahme, Google teilt den Rezensenten nämlich nicht mit, wer da zur Durchsetzung von wessen Interessen beauftragt wurde. Die oft dubiosen Firmen, die aus der Löschung von negativen Google-Bewertungen ein (sicher auch recht leicht nahezu vollständig automatisiertes) „Business“ entwickelt haben, bleiben so lange in der Grauzone verborgen, bis sich ein Rezensent, der Zensuropfer geworden ist, die Mühe macht und einen Anwalt auf die Sache ansetzt. Und das dürfte in Anbetracht des Aufwands und der Kosten wohl die absolute Ausnahme sein.

Ich möchte an dieser Stelle zum wichtigsten Punkt, der „Begründung“, der zufolge die Bewertung zu löschen sei: Hier wird mit der Aussage „Der Inhalt der Bewertung konnte keine Informationen auf die Echtheit des Bewerters geben. Es besteht auch kein anderweitiger Berührungspunkt, (Telefon, E-Mail, Anfrage, Angebot, Termin), durch den sich die Bewerter eine Meinung über das Unternehmen gebildet haben könnten“ schlicht unterstellt, ich wäre nie Gast in dieser Wirtschaft gewesen, obschon augenfällig das Gegenteil der Fall ist – meine sehr eindeutigen Beschreibungen der Örtlichkeiten, des Speisenangebots, des Service… legen nahe, dass ich vor Ort war und das schlechte Schäufele dieses Durchschnittsgasgenoms auch gegessen habe. Noch dreister ist allerdings der Schluss, der vom dubiosen Löschdienstleister gezogen wird: „Somit können die Bewertungen nur unwahre Tatsachenbehauptungen darstellen.“ Das ist – für jedermann offensichtlich – nichts anderes als eine Lüge.

Wohl die meisten gelöschten Bewertungen dürften rechtlich gesehen absolut zulässig sein, in aller Regel sind die Bewertungen vom Recht auf freie Meinungsäußerung vollständig gedeckt. Also bedient man sich des „Kniffs“, einfach zu unterstellen, der Rezensent wäre nie Kunde des bewerteten Unternehmens gewesen – das ist mir in der Recherche zu diesem Post mittlerweile regelmäßig untergekommen. Gerne wird dann wie folgt argumentiert (alle Zitate sind den removal notices von Google entnommen):

Vorweg möchten wir darauf hinweisen, dass berechtigte Kritik ausdrücklich erwünscht und zur Verbesserung der eigenen Leistung genutzt wird.

 

Bei der vorliegenden Bewertung ist für das bewertete Unternehmen jedoch nicht nachvollziehbar, inwiefern ein nötiger Anknüpfungspunkt vorliegt.

 

Daher bitten wir um Einleitung des Prüfverfahrens.

Dieses Prüfverfahren soll dazu dienen, gefälschte Bewertungen zu verhindern, damit sichergestellt ist, dass nur solche Personen bewerten, die auch tatsächlich über eigene Erfahrungen verfügen.

Vorliegend kann das bewertete Unternehmen leider nicht rekonstruieren, inwiefern ein Kontakt vorgelegen hat.

Das ist freilich sehr perfide. Denn, anstatt dass das Unternehmen nachweist, dass man nicht Kunde dort gewesen sein kann, wird die Beweislast zuungunsten des Bewerters umgekehrt und man selbst soll einen Nachweis darüber erbringen, dass ein Kundenverhältnis bestand. Google schreibt hierzu:

Sofern der Beschwerdeführer behauptet, Sie seien nie Kunde, Patient etc. gewesen bzw. ihm nicht bekannt, möchten wir Sie bitten, uns Ihren richtigen Namen mitzuteilen und uns ggf. Nachweise für die tatsächlichen Hintergründe Ihres Erfahrungsberichts zu übermitteln, soweit solche vorliegen (vgl. BGH, Urt. 01.03.2016, VI ZR 34/15).

 

[…]

Wir bitten Sie daher freundlich, die Angaben Ihrer Erfahrungsberichts sowie die Hintergründe wie insbesondere den Zeitraum, in dem Sie die beschriebenen Erfahrungen gemacht haben, möglichst konkret darzulegen. Bitte gehen Sie dabei auch explizit auf die einzelnen Punkte des Beschwerdeführers ein und schicken Sie uns Nachweise. Dies können je nach Leistung z.B. Rechnungen, Lieferscheine, Terminkarten, Eintragungen auf Bonuskarten, Rezepte oder ähnliche Nachweise sein. Es steht Ihnen dabei frei, bestimmte Informationen zu schwärzen, bevor Sie uns diese Dokumente senden. Die zur Verfügung gestellten Informationen werden wir dann gegebenenfalls an den Beschwerdeführer übermitteln, damit dieser dazu Stellung nehmen kann.

Das mag aus Sicht Googles recht und billig sein, kein Rezensent wird sich aber gegenüber Google oder dem Unternehmen, das die Zensur anstoßen ließ, so umfänglich selbst bloßstellen und entsprechende, teils hochsensible Daten, herausgeben, nur um sich gegen eine ungerechtfertigte Rezensionsentfernung zur Wehr zu setzen.

Praktisch gesprochen bedeutet das, dass man gezwungen wird, sich seiner informationellen Freiheitsrechte quasi selbst zu berauben, anderenfalls hat man niederschwellig keine Möglichkeit, gegen die Zensur der eigenen Bewertung in Form von, wie es Google als „Konsequenz“ betitelt, einer „Zugangsbeschränkung“ vorzugehen. Das ist nämlich der nächste feine juristische Kniff, den Google anwendet: Der Inhalt wird ja nicht gelöscht – gegen so eine Löschung könnte man rechtlich relativ einfach vorgehen, der Inhalt wird ja nur nicht mehr angezeigt, das nennt sich dann „Zugriffsbeschränkung“. Das Resultat ist für die Nutzer, für die Community, dasselbe – juristisch macht es einen Unterschied, der ein Vorgehen gegen diese zumeist automatisiert getroffenen „Entscheidungen“ deutlich verkompliziert.

Interessanterweise glaubt man bei Google der Argumentation, der Rezensent wäre nie Kunde des Unternehmens gewesen, selbst dann, wenn sehr aussagekräftige Fotos, die darstellen, dass man vor Ort war, Teil der Rezension sind.

Verkompliziert wird die Sache noch durch einen weiteren Umstand: Inzwischen erhalten Rezensenten nur noch äußerst selten eine um die Kontaktdaten der Beschwerdeführer gekürzte Abschrift der takedown notice. Man ist dazu übergegangen, lapidar die Kategorie der Beschwerde mitzuteilen.

Weitere gerne ins Feld geführte Gründe für das Löschen oder „Unsichtbarmachen“ einer Rezension durch Google ist die Behauptung, der Beitrag erfülle den Tatbestand der „Diffamierung“ oder „Verleumdung“.

Ein weiteres Beispiel: Ein guter Freund bewertete die Filiale eines Nürnberger Burgerrestaurants im Osten der Stadt, gab der Gastronomie sogar zweimal eine Chance und berichtete in seiner Google-Bewertung ehrlich und transparent darüber. Er bewertete übrigens unter seinem Klarnamen.

Edit 01.06.23: Zweite Chance: wir holten zwei Bacon Burger mittags. Es war nix los, nur 4 Gäste auf zwei Tische verteilt. Die Burger waren schnell fertig. Und dann die nächste Entäuschung: lieblos belegt, der Bacon war total labbrig, das Patty schmecke nach nix, nur die Soße hatte einen Geschmack. Ich hab den Verdacht, dass die Pattys irgendwelche Fertigteile waren. Geht mal in die anderen guten Burgerläden, da könnt ihr schmecken wie gute Pattys sein können. Und der Burger kostete 11€. Das war’s mit {average Burgerrestaurant}, nie wieder geh ich dahin. Sehr schade.

Die Freude war groß! Eine Filiale des {average Burgerrestaurant} kommt in den Nürnberger Osten. Wenn man hier arbeitet freut man sich über jede kulinarische Ergänzung. Heute war der Tag des erstens Besuchs, wir bestellten zwei Chicken Mango Sandwiches und Curry Fries. Und leider war die Enttäuschung groß. Die Sandwiches waren wirklich fad zubereitet. Das Sandwich wurde gefühlt dreimal mit grünen Salat umwickelt, der Toast [nicht] richtig getoastet. Die Belegung an sich ließ sehr zu wünschen übrig und der Geschmack war auch nicht gut, und das für 10.50€. Da Coca Cola war aber super. Einen Versuch gibt es noch mit einem Burger. Ich hoffe, der wird besser. ★★

Diese Bewertung wurde nach Beschwerde wegen „Diffamierung“ „bei Google Local Reviews für Nutzer weltweit“ zugriffsbeschränkt. Der Witz: Das deutsche Strafrecht kennt keinen Tatbestand der Diffamierung. Der einer Diffamierung wohl am ehesten nahekommende Tatbestand wäre die „üble Nachrede“, damit üble Nachrede überhaupt als Delikt infrage zu ziehen ist, muss die Tatsachenbehauptung nachweislich falsch und zudem geeignet sein, den Betroffenen oder sein Unternehmen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Lesen wir die obige Bewertung noch einmal durch, so ist auch Nichtjuristen sofort plausibel, dass keine der genannten Verdachtsmomente begründet sind.

Ganz klar ist es wesentlich einfacher und erfolgversprechender, unliebsame Google-Bewertungen löschen zu lassen, als positive Bewertungen einzukaufen (letzteres ist nicht nur ein Verstoß gegen die Richtlinien Googles, auch die Gefahr, eine Abmahnung zu erhalten, ist nicht gering). Wer den Versuch unternimmt, Google-Bewertungen löschen zu lassen, trägt, wie wir später noch sehen werden, kaum ein Risiko. Das „Schlimmste“, was ihm passieren kann, ist, dass die negative Bewertung einfach stehen bleibt, oder man, wenn man ungeschickt vorgeht, beim Versuch des Entfernenlassens etwas Geld verliert.

Zusätzlich perfide: Google teilt nicht mit, welche Anbieter, „Rechtsdienstleister“, Anwälte oder Kanzleien hier in wessen Auftrag tätig sind oder wie ihre Bevollmächtigung nachzuweisen ist. So ist es den in ihren Rechten verletzten Rezensenten noch nicht einmal möglich, Informationen darüber zu erhalten, zu veröffentlichen oder zu sammeln, wer die beteiligten Akteure sind und ob sie überhaupt berechtigt sind, Bewertungen löschen zu lassen.

Wer bei Google einfach „negative google bewertungen löschen lassen“ sucht, erhält zahllose bezahlte Werbeanzeigen und weitere Angebote von Firmen und Kanzleien, die teils zum Pauschalpreis, der nur um Erfolgsfall fällig wird, Google-Bewertungen löschen lassen.

Die Preise sind, wie sich allein anhand des Screenshots leicht ablesen lässt, gering. Mancher Anbieter wirbt mit einer über 90-prozentigen Erfolgsquote.

Dieses Vorgehen ist aus Verbrauchersicht ein Fiasko. Hier werden nicht nur wertvolle Beiträge aus der Community unter teils fadenscheinigen Begründungen wegzensiert und die freie Meinungsäußerung der Beitragenden beschnitten, auch der Wettbewerb wird von unlauteren Gewerbetreibenden verzerrt. Wer sich nicht entsprechende Hilfe sucht, um Bewertungskosmetik zu betreiben, ist der Dumme. Wer manipulierend in das Bewertungswesen eingreift, erschleicht sich nicht nur das Vertrauen argloser Kunden, sondern verbessert auch sein Ranking und seine Umsätze. Google schützt seine Rezensenten und ihre wichtigen Beiträge nur wenig. Es ist für mich nicht erkennbar, dass Google solche Angriffe auf das eigene Bewertungssystem adäquat abwehrt. Ich werfe Google weiterhin fehlende Transparenz vor – gegen alle ausnahmslos unzutreffenden Anwürfe habe ich bei Google Einspruch erhoben, in keinem einzigen Fall wurde ihnen stattgegeben, ob die Einsprüche überhaupt sinnstiftend behandelt und warum sie abgeschmettert wurden, habe ich nie erfahren.

Hier offenbart sich im kleinen, im Detail, freilich auch das Grundproblem der Ideologie des sogenannten „freien Marktes“ (den es, wie jeder weiß nicht gibt, den es nie gegeben hat) – denn auf ihm besteht ja nicht der, der die besten Produkte anbietet, sondern der, der finanzstark und skrupellos in die Absatzpolitik eingreift. Den Schaden tragen die Verbraucher, die Arbeitnehmer, die Gesellschaft – alles wie immer.

Es wäre höchst Zeit, solchen „Unternehmern“ ein für alle Mal das Handwerk zu legen und drakonische Strafen gegen sie, aber auch die handlangenden Kanzleien und Agenturen zu verhängen. Ihnen allein die Schuld an der Misere aufzubürden, wäre aber zu kurz gegriffen. Dass ganz offensichtlich auch missbräuchlich schlechte Bewertungen ohne größeren erwartbaren Widerstand gelöscht werden, ist grundsätzlich auch nur durch ein Versagen des Gesetzgebers und der Gerichte ermöglicht.

Nun bleibt freilich nur noch, die eingangs gestellte Frage zu beantworten: Welche Aussagekraft haben heute noch Google-Bewertungen? Hier muss sich freilich jeder diese Frage selbst beantworten. Ich persönlich halte nach den geschilderten Fakten die Aussagekraft von Google-Bewertungen mittlerweile für relativ gering. Jeder Gewerbetreibende kann nach meinem Dafürhalten, ohne mit größerem Widerstand rechnen zu müssen, mit geringen Kosten und mit nur ein wenig Know-how Bewertungskosmetik betreiben und missliebige Kommentare löschen lassen. Da ich als Nutzer nicht wissen kann, ob Bewertungsprofile (wie oben beschrieben) manipuliert wurden oder nicht. Einfach auf die Aussagekraft der Bewertungen zu vertrauen, wäre reichlich naiv. Dazu kann ich persönlich niemandem raten.
Noch vor einigen Jahren war das besser, da trat das Problem mit entfernten Bewertungen noch nicht in der heutigen Häufung auf. Wieder einmal haben es „Geschäftsleute“ geschafft, sich der durch Schwarmintelligenz getragenen, öffentlich transparent gemachten Kundenmeinung zu entziehen.

Einladung zum Treffen der fränkischen Mastronauten und BlueSkyer

Schon einige Male trafen sich insbesondere mittelfränkische Mastodon-Nutzer in kleinem Kreis in der Fürther Gustavstraße ganz ungezwungen, um sich bei einem (oder mehreren) Seidla Bier, Schoppen Wein oder Spezi kennenzulernen, sich zu vernetzen und einfach ein wenig miteinander zu ratschen – wie man hierzulande so schön sagt.

Bei unserem letzten kleinen Treffen Anfang Januar, wir waren zu viert, beschlossen wir, das nach langer Zeit einmal wieder in einem etwas größeren Kreis anzubieten und damit auch ein wenig an die alten „Twanken“-Twitter-Treffen, von denen ich früher auch zwei organisierte, anzuknüpfen.

Eingeladen sind ganz ausdrücklich alle Mastodon- und Bluesky-Nutzer in der Region (und natürlich auch alle, die sich mit den fränkischen Mastronauten und BlueSkkyern verbunden fühlen). Ein reines Twitter-Treffen werden wir nicht mehr organisieren, schon allein deshalb, weil nach der Übernahme durch Musk und die Umbenennung in „X“ die meisten uns persönlich bekannten Nutzer die Plattform verlassen haben.

Update: Inzwischen hat sich als geeignetster Termin der Dienstag, 8. April 2025, 18 Uhr herauskristallisiert. Da an diesem Tag das „Stadtwappen“ geschlossen hat, weichen wir ins Nebenzimmer der Gaststätte „Zum Tannenbaum“, Helmstraße 10, 90762 Fürth, in unmittelbarer Nähe aus. Das Gasthaus ist gut mit der U-Bahn (Fürth Rathaus) und den Buslinien erreichbar und bietet neben vegetarischen Gerichten auch eine vegane Alternative an. Mehr Info im entsprechenden Post.

Um allzu weitverzweigte Diskussionen zu vermeiden und die Terminfindung zu vereinfachen, verständigten Karl und ich uns darauf, Anfang April zwei Termine zur Auswahl zu stellen, die nicht in der Ferienzeit liegen und eine Gaststätte für das Treffen zu wählen, die nicht nur genügend Platz zur Verfügung hat, sondern auch sowohl mit der U-Bahn, als auch mit den Stadtbussen gut erreichbar sein sollte. Beginn ist um 18 Uhr, um auch Menschen mit Familie eine Teilnahme zu ermöglichen, wer zu einem späteren Zeitpunkt nachkommen möchte, ist selbstverständlich ebenfalls herzlich willkommen.

Als Termine schlagen wir
Donnerstag, den 3. April 2025 ab 18 Uhr oder
Dienstag, den 8. April 2025 ab 18 Uhr
vor.

Über den Termin könnt ihr im Nuudel-Umfrage-Tool abstimmen – hier geht’s zur Umfrage.

Bitte abstimmen, damit wir entsprechend reservieren können. Für Anmerkungen gerne ein Reply an Karl oder mich, die Kommentare stehen aber auch offen.

Aller Voraussicht nach buchen wir den Tisch in der Gaststätte „Zum Stadtwappen“, Bäumenstraße 4, 90762 Fürth. Sie liegt in unmittelbarer Nähe zum Fürther Rathaus und ist mit zahlreichen Buslinien und der U-Bahn-Linie 1, Haltestelle „Rathaus“ zu erreichen.

Wir freuen uns auf eine rege Beteiligung und dass wir uns alle im April in Fürth wiedersehen!

Herzlichst,
Karl und Michi

Hot Take: Eine Forderung nach Alt-Texten und CWs in sozialen Netzwerken ist oft purer Ableismus

Hot Take: Wer von anderen Nutzern in sozialen Netzwerken permanent die Verwendung von Bildbeschreibungstexten (Alttexten), content warnings oder trigger warnings einfordert, verhält sich ableistisch.

Nun, Twitter ist ohnehin an die Nazis verloren, da beißt die Maus keinen Faden ab, aber selbst im Fediverse, auf Mastodon und Bluesky, wo gewöhnlich ein respektvoller Umgang miteinander und eine vernünftige Diskussionskultur gepflegt werden, muss ich beobachten, dass Nutzer, die unter ihre Bilder keinen Bildbeschreibungstext (Alttext) setzen oder bei bestimmten Themen kein „content warning“-flag setzen, scharf angegangen, gerügt werden. Diese Beobachtung mache ich seit wenigstens zwei Jahren, leider täglich – und nun bin ich es leid.

Man möchte ja meinen, dass diese Hinweise wohlmeinend sind und sich die „Hinweisgeber“ um die Barrierefreiheit sorgen. Dass es aber Menschen gibt, die aufgrund einer Behinderung vielleicht gar nicht in der Lage sind, ein Bild zu „beschreiben“, das Gesehene in Worte zu überführen, einer Aussage oder Beobachtung eine „content warning“ voranzustellen, und diese Menschen dann mit der Forderung nach Alttexten oder CWs gesilenced werden, wird gerne vergessen.

Ich denke, dass es an dieser Stelle hilfreich sein kann, meinen „Hot Take“ ein wenig zu illustrieren. Man stelle sich beispielshalber einen Menschen mit hochgradiger Sehbehinderung vor. Das Smartphone unterstützt ihn, ein Bild der Umgebung aufzunehmen und dann aus der Nähe mit der Möglichkeit der Vergrößerung Dinge auf dem Bild wahrzunehmen, die er ohne Hilfsmittel in der Ferne mit seinem Sehrest oder aufgrund einer Gesichtsfeldeinschränkung nicht sehen kann. Wenn er nun dieses Bild postet, verzichtet er vielleicht ganz bewusst auf eine Bildbeschreibung. Möglicherweise verzichtet er darauf, weil die Bedienung der taktil nicht erfassbaren Bildschirmtastatur auf dem Smartphone-Touchscreen für ihn einen nicht im Verhältnis stehenden Aufwand bedeutet. Möglicherweise verzichtet er darauf, weil er die Erfahrung gemacht hat, dass sich ein Sehender eine Fotografie anders erschließt – mit einer „Draufsicht“, er sich allerdings dieselbe Fotografie über Details erschließen und über die Summe der gesehenen Details und seinem Weltwissen und Erfahrungsschatz (der von dem der Sehenden abweichen kann) das Gesamtbild extrapolieren muss. Vielleicht verzichtet er darauf, weil er die Erfahrung gemacht hat, dass ihm bei dieser Extrapolation Fehler unterlaufen, mögliche Fehler, die er in einem Bildbeschreibungstext nicht verfestigen möchte. Es gibt, das zeigt dieses Beispiel, gute Gründe, ganz bewusst auf eine Bildbeschreibung zu verzichten, selbst dann, wenn man sie setzen könnte und selbst dann, wenn man zu einem Kreis von Menschen gehört, der selbst von einer Bildbeschreibung profitiert.

Ein anderes Beispiel: Ein Mensch mit einer möglicherweise über den Social Media-Kanal nicht als solche sofort erkennbaren, sogenannten geistigen Behinderung postet ein Bild. Er kann das Bild erkennen, alles darauf Abgebildete auch erfassen, er ist aber außerstande, das Gesehene zu verbalisieren. Sollte er gezwungen werden, sein Bild mit einer Bildbeschreibung zu versehen? Ist es nicht diskriminierend, ihn, oft leider sogar mit scharfem Ton, auf sein „Versäumnis“ hinzuweisen?

Ein drittes Beispiel: Ein Mensch hat eine Lese-Rechtschreibschwäche oder ist funktionaler Analphabet. Er postet ein Bild. Eine Bildbeschreibung zu erstellen, ist ihm ohne fremde Hilfe nicht möglich. Sollte er gezwungen werden, sein Bild mit einer Bildbeschreibung zu versehen? Ist es nicht diskriminierend, ihn, oft leider sogar in scharfem Ton, auf sein „Versäumnis“ hinzuweisen?

Diese drei (wohlgemerkt nicht konstruierten) Beispiele zeigen aber nicht nur, dass es vollkommen legitim ist, die Entscheidung zu treffen, keine Bildbeschreibungen zu verwenden – niemand ist anderen über seine Beweggründe dieser Entscheidung Rechenschaft schuldig. Hier direkt oder indirekt Rechenschaft einzufordern, ist ebenfalls ableistisch. Und als conclusio darf daher gelten: Ich kann nur und ausschließlich dann von meinem Gegenüber einen Alttext oder eine content warning einfordern, wenn ich mir absolut und zweifelsfrei sicher bin, dass mein Gegenüber ohne Hinderungsgrund diese Informationen nicht zur Verfügung stellt, weil er dazu nicht Willens ist. Und das kann man, wenn man die Menschen nicht persönlich gut kennt, kaum gewährleisten.

Richtig geil wird es aber, wenn man für die Verwendung von KI-Diensten wie dem Alt-Bot kritisiert wird. Kurz erklärt: Der Alt-Bot sorgt über Googles KI-Dienst Gemini dafür, dass in Form einer Reply eine automatisch generierte Bildbeschreibung unter einen Post gesetzt wird, sofern der postende User das möchte. Das funktioniert in 90 Prozent der Fälle überraschend gut, in 10 Prozent der Fälle hat die KI mit der Interpretation schon noch Probleme. Diese KI-Bildbeschreibungen sind mitunter auch nicht ganz unproblematisch. Zuerst einmal ist eine Bildbeschreibung als Reply nicht optimal (aber besser als nichts!), zum anderen beschreibt die KI nicht nur, sondern interpretiert auch, beispielshalber, indem Bildstimmungen als „angenehm“, „warm“, „freundlich“, „nüchtern“, „kühl“… bezeichnet werden. Meine größte Schwierigkeit mit der KI liegt im Umstand, dass sie leider häufig gängige, erlernte Vorurteile repliziert. Dennoch: Wer heute Dienste wie den Alt-Bot zur automatischen Generierung von Bildbeschreibungen verwendet, wird, das darf und möchte ich annehmen, die Vorteile und Nachteile gegeneinander abgewogen haben. Nun aber einem Menschen mit Behinderung vorzuwerfen, wie es der Post im Screenshot zeigt, ein Hilfsmittel wie den Alt-Bot zu verwenden, ist unter den miesen Moves nochmal ein besonders mieser Move.

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die allzu lauten „Mahner“ oft selbst nicht von einer Behinderung betroffen sind, dass ihre mitunter unangenehm persistenten „Mahnungen“ vielmehr Ausdruck ihrer Selbstgefälligkeit und damit auch Vehikel eines deplatzierten moralischen Überlegenheitsgefühls sind. Unter den Menschen mit Behinderung, mit denen ich regelmäßig im Kontakt bin (allein meine beruflichen Kontakte belaufen sich hier auf etwa 350 bis 400 Personen) erlebe ich mehrheitlich, dass man in diesen Fragen jedenfalls eine ganz andere, von Toleranz und Wohlgesonnenheit geprägte Tonlage pflegt und durch geduldiges Erklären versucht, die erkannten Barrieren zu benennen und ihre Dysfunktion begreifbar zu machen und nicht zuletzt auch Vorschläge zur Beseitigung der Barriere unterbreitet. Das gilt auch für ihre Angehörigen und Freunde. Freilich mag gelegentlich auch mal jemandem aufgrund der nicht selten durchgängigen Diskriminierungserfahrung der Geduldsfaden reißen, aber das ist die Ausnahme.

CWs, das ist unbestritten, können bedeutungsvoll und angebracht sein und das Filtern echter verstörender Inhalte für Zielgruppen, für die sie nicht geeignet sind, durchaus erleichtern. Wer aber bei quasi jedem alltäglichen Anlass eine content warning einfordert oder setzt, macht nicht nur für Menschen mit und ohne Behinderung die Timelines unlesbar, er macht aus den CWs ein verdammt stumpfes Schwert.
In dem von mir zu im Screenshot herangezogenen Beispiel habe ich mit dem Vermerk „Netzfund“ eine Karikatur gepostet, die in eindeutiger Weise dazu Stellung bezieht, dass Musk im Zuge der Trump-Inauguration 2025 öffentlich und nach meinem Verständnis auch eindeutig den Hitlergruß „entbot“. Ist ein CW für eine das tages- wie weltpolitische Geschehen karikierenden bildliche Darstellung nötig, sinnstiftend, angemessen?
Wer gerade abnehmen möchte und einfordert, dass vor jedem geposteten Schokoladentafel-Bild, vor jedem geposteten Bild eines schön angerichteten Tellers im Restaurant eine content warning zu setzen sei, der delegiert nicht nur sein individuelles Problem in die Community, sondern beraubt die CW ihres Sinns und Nutzens. Wer vor jedem Post, das sich mit Rassismus, Faschismus, Klassismus, mit Trump, mit Musk, mit Putin… auseinandersetzt, eine Rassismus-CW, Faschismus-CW, Klassismus-CW, Trump-CW, Musk-CW oder Putin-CW fordert, erschwert die notwendige Diskussion, erschwert den Austausch, erschwert, dass Betroffene ihre Betroffenheit – auch ungefiltert, auch unkategorisiert, auch ohne entsprechende Zuordnung – artikulieren können. Und in letzter Konsequenz silenced er dadurch marginalisierte Personengruppen. Im Übrigen gilt hier analog das zum Thema Alttext Gesagte: Wer CWs einfordert, fordert von seinem Gegenüber ein, immer in der Lage zu sein, seine Aussage oder den Inhalt seines Posts in eine – wohlgemerkt dem Gegenüber genehme, von jenem als sinnvoll erachtete – Verschlagwortung zusammenzufassen und ignoriert, dass es Menschen gibt, die das, z.B. aufgrund von geistiger oder psychischer Behinderung, einer grundsätzlich anderen Weltwahrnehmung oder aufgrund kultureller Unterschiedlichkeiten vielleicht gar nicht kann. Und das ist nichts anderes als nackter Ableismus.
Und wenn wir schon beim Thema Verschlagwortung sind: Es gibt aus unterschiedlichsten Gründen genug Menschen, die mit den Begriffen CW, TW, content warning, trigger warning… gar nichts anzufangen wissen. Wollte man dann etwa einem verstörenden Inhalt das Wort „Inhaltswarnung“ oder im Geiste Leichter Sprache „Inhalts-Warnung“ voranstellen, hätte ich wieder zwei neue Begriffe für die Filterliste. Irgendwann wird dieses Konstrukt nicht nur für Menschen mit Behinderung, sondern für alle unbedienbar. Die CW-Thematik trägt ein aus meiner Sicht bislang ungelöstes Nomenklatur-Problem mit sich: Man müsste sich, damit es funktionieren kann, im Vorfeld und bei allgemeiner Akzeptanz darauf einigen, was verstörende Inhalte überhaupt sind und wie sie zu kennzeichnen sind. Nach meiner persönlichen Beobachtung tragen die selbstberufenen „CW-Anmahner“ weder zu dieser Diskussion, geschweige denn zur Lösung dieses Problems, etwas Sinnstiftendes bei.

Und es vergeht eigentlich kein Tag, an dem ich nicht Zeuge der Forderung nach einer „Gschmarri“-Triggerwarnung werden muss. Dein Haustier ist gerade verstorben? Fordere doch eine TW für niedliche Katzenbilder. Leute posten bei jeder Gelegenheit Bilder ihres Dopes und mokieren sich dann, wenn bei einem Essensbild aus dem Wirtshaus im Hintergrund unscharf ein Seidel Bier zu sehen ist – „Eine Alkohol-CW kann ja wohl nicht zu viel verlangt sein!“. Jemand isst Fleisch? Jemand trinkt Milch? Geht eigentlich gar nicht, aber wenn man das unbedingt posten muss, dann nur mit „TW Tierleiche“ und „TW Eutersekret“.

Mir ist klar, dass das gerade Gesagte viele Leute verärgern mag. Manche sind im besten Willen vielleicht überzeugt, sie würden gerade aus dem Fediverse einen inklusiveren Ort machen, wenn sie nur möglichst viele Nutzer mit ihrem Unterlassen von CWs oder Alttexten konfrontieren. Dass das so unmöglich klappen kann, erklärt sich aber allein schon mit dem sozialpsychologischen Konzept der Reaktanz: Selbst wenn der Nutzer die Sinnhaftigkeit von CWs oder Alttexten prinzipiell versteht und mit der Aussage, sie seien sinnvolle und barrierenmindernde Maßnahmen, wird er sie dann aus einer Abwehrhaltung heraus nicht setzen, wenn er allein bei anderen Usern nur sieht, wie sie permanent und ubiquitär – und leider oft in unangemessenem Ton – dazu aufgefordert werden. Man verdirbt es sich so recht schnell (und ohne Not) mit den wohlwollendsten Zeitgenossen (und erweist der guten Sache einen Bärendienst).

Fazit: Wenn Du also User permanent für ihre fehlenden Alttexte, content oder „trigger“ warnings oder (wegen der für Screenreader mitunter schwierigen Ausspielbarkeit) der Verwendung von Emojis kritisierst, dann bist Du eben kein Mensch, der sich für Rechte von Menschen mit Behinderung einsetzt, dann schaffst Du eben kein Verständnis für Menschen mit Behinderung, schaffst keine Räume für Inklusion, nein, Du bist ableistisch. Stell das ab.

Mit dem Alt Bot mehr Inklusion bei Mastodon

Erst gestern berichtete ich über ein wertvolles Tool im Fediverse, die Fedikarte, heute widme ich mich erneut diesem dezentralen sozialen Netzwerk und beleuchte ein Tool, das ich fast noch wertvoller finde – den Alt Bot, den ich über Karlimann kennengelernt habe.

Ihr wisst, dass ich AI generell recht kritisch sehe – gerade, weil die Large Language Models mittlerweile zwar sehr süffige und kompakte, gut lesbare Inhalte liefern, es damit aber immer schwieriger wird, Fehlschlüsse und Falschinformationen zu erkennen. Solche Falschinformationen tradieren sich dann weiter, gerade wenn die Ergebnisse der AIs unkritisch in Webseiten übernommen werden.

Gleichwohl liefert die künstliche Intelligenz auch richtig coole Use Cases ab. Der Alt Bot analysiert Fotos, die Nutzer auf Mastodon posten, mithilfe von Googles AI Gemini und erstellt auf Grundlage dieser Ergebnisse Bildbeschreibungen als Reply auf den ursprünglichen Bilder-Post mit dem Ziel, die Bildinhalte für blinde oder sehbehinderte Menschen zugänglich zu machen.

Screenshot https://fuzzies.wtf/@altbot

Den Alt Bot benutze ich seit nunmehr drei Wochen und ich bin positiv überrascht und gleichzeitig auch ein wenig beunruhigt ob der Treffsicherheit, Präzision und Fokussierung aufs Wesentliche bei den durch Gemini generierten Bildbeschreibungen. Ich habe kaum Anlass zur Kritik, im Gegenteil: Der Bot arbeitet aus den Fotos wissenswerte Details heraus, die ich so schlicht übersehen hätte. Mitunter gibt die AI auch eine Kontextualisierung oder vorsichtige Szenenbewertung ab, das eine halte ich für sehr gelungen, das andere betrachte ich freilich, ihr kennt meine Haltung dazu, nicht unkritisch.

Dennoch ist der Bot ein Tool, welches Mastodon zu einem wesentlich zugänglicheren Ort für Blinde und Menschen mit Sehbehinderung macht.

Die Nutzung ist übrigens sehr einfach – übersetzt heißt es in der Anleitung für den Bot:

So benutzt du den Alt Bot:

  • Erwähne mich: Erwähne einfach @altbot in einer Antwort auf einen Beitrag, der ein Bild enthält, und ich werde eine Alt-Text-Beschreibung dafür generieren.
  • Folge mir: Folge @altbot, und ich folge dir zurück, um auf deine Beiträge zu achten. Wenn du ein Bild ohne Alt-Text postest, werde ich automatisch einen generieren, um das Fediverse zugänglich zu halten!

Wegen der Funktionsweise der Mastodon-API kann Alt Bot dir NICHT automatisch entfolgen, wenn du deine Meinung änderst. Bitte führe das Entfolgen manuell durch.

Hinweis zum Datenschutz: Der Inhalt deiner Beiträge wird nicht ausgewertet. Nur Bilder ohne bestehenden Alt-Text werden verarbeitet.

Der Alt Bot ist unter @altbot@fuzzies.wtf zu finden.

Die Fedikarte – ein großartiges Tool zur lokalen Vernetzung

Gerade habe ich von einer neuen Initiative des Nutzers @wolfmond@troet.cafe erfahren, die unter @fedikarte@troet.cafe bei Mastodon und im Web unter fedikarte.de zu finden ist.

Mit diesem Tool kann man auf Basis der Open Street Map Fediverse-Nutzer – im besonderen Mastodon-User – in seiner Nähe identifizieren und sich lokal vernetzen. Eine örtliche Suche gibt es bei Mastodon ja nicht, hier schließt die Fedikarte eine große Lücke.

fedikarte.de - Screenshot

Ich für meinen Teil bin begeistert und kann nur darum werben, dass sich jeder Nutzer in die Karte einträgt, damit unser Netzwerk noch größer wird. Vielen Dank den Machern!

Lesetipp (kurz & knackig): Jürgen „tante“ Geuter zum Thema KI

Bei turi2 findet ihr gegenwärtig ein Augen öffnendes Interview mit dem Technikphilosophen Jürgen Geuter: „KI ist keine magische Box, die alle Probleme löst“.
Sehr lesenswert, nicht nur für KI-Fanbois.

Mein persönlicher Pulitzer in diesem höchst lesenswerten Interview:

Die Qualität von Sprachmodellen wird sich doch aber weiter verbessern und sich damit immer mehr lohnen – oder sehen Sie das nicht kommen?
Unterschiedliche Studien zeigen, dass sich die Qualität der Texte von ChatGPT verändert – aber nicht unbedingt verbessert. Und das hat einen ganz trivialen Grund, den man in der Mathematik “Model Collapse” nennt. In ChatGPT steckt bereits das gesamte Internet – ein zweites Internet haben wir nicht. Ein großer Teil der Inhalte, die jetzt und in Zukunft im Internet dazukommen, werden bereits durch KI erzeugt. Es wurden jetzt schon durch Künstliche Intelligenz mehr Bilder erzeugt, als jemals Fotos von Kameras geschossen wurden. Wenn ich aber nun ein KI-System mit KI-generiertem Zeug füttere, dann wird es schlechter. Die Informationsdichte in dem Ding sinkt. Es wird dümmer. Ein Bekannter von mir nennt es immer “Habsburg-KI”. (Quelle)

Wer Zeit und Muße hat, findet in der Rubrik „Themenwoche: KI in der Kommunikation“ weitere lesenswerte Interviews.

Paywalls schaden der Demokratie

Ich muss hier einen Debattenbeitrag verlinken, mit dem ich in manchen Punkten vielleicht nicht exakt übereinstimme, den ich aber dennoch für sehr wertvoll und damit für lesenswert halte: Thomas Knüwer stellt fest, „Warum Journalist*innen sich mit Händen und Füßen gegen Paid Content wehren müssen“ und trifft mit seiner Analyse mehrere wunde Punkte.

Es gibt praktisch kein Medium außerhalb des öffentlich-rechtlichen Spektrums mehr, bei dem Instrumente des Boulevardjournalismus nicht Alltag wären.

WORD! Das ist eigentlich bekannt – aber so prägnant formuliert, verleiht diese Feststellung der Analyse die nötige Schärfe. Nun könnte man meinen, dass der einfache Ausweg aus der Misere einfach im Mehr-Konsum öffentlich-rechtlicher Angebote läge, in Zeiten, in denen der ÖRR allerdings von Rechten und Rechtsextremen – leider nur allzu oft von Konservativen flankiert –  diskreditiert wird, wird dieser Ausweg gesamtgesellschaftlich nicht den gewünschten Effekt bringen.

Knüwer führt aus, dass insbesondere (zum Zwecke der Klickgenerierung geschaffene, marktschreierische) emotionalisierende Überschriften, die im Zweifel nur wenig mit den Artikeln zu tun haben und oft gar nicht von den für den Artikel verantwortlichen Journalisten stammen, zur Polarisierung und damit letztlich zur gesellschaftlichen Spaltung beitragen. Denn die hier klärend wirkenden  der Überschrift folgenden Artikel bleiben der Mehrheit der Leser, die über kein Abo des jeweiligen Mediums verfügen, aufgrund der Paywall verborgen (das funktioniert im Kern aber nur dann, wenn, ich sage es jetzt mal etwas holzschnittartig, die Überschrift emotionalisierender Schrott ist und es im Artikel dann seriös, klärend quasi, weitergeht – und das wird bedauerlicherweise auch immer seltener).

Möchte man dieser Spaltung entgegentreten, so Knüwer, müssen die Inhalte frei und zugänglich bleiben.

Denn Schwurblermedien, von Putin bezahlte Text- und Videoknechte, Fake News und rechtsradikale Medienangebote – die gibt es umsonst. Jeder Text, jedes Video und neuerdings jeder Podcast, vor dem eine Paywall steht, hilft Faschisten und Antidemokraten, weshalb die Behauptung „Journalismuss MUSS Geld kosten“ ein Beitrag zur Spaltung der Gesellschaft darstellt.

Insofern ist die sehr süffige Conclusio

„Journalismus DARF kein Geld kosten – aber wir müssen alles tun, um ihn zu finanzieren.“

schon zutreffend.

Jetzt muss natürlich zwangsläufig die Frage aufpoppen, wie denn bitte dann Geld verdient der Journalismus finanziert werden kann. Interessanterweise hat Herr Knüwer dazu vor bereits knapp fünf Jahren einen mehr als interessanten und erstaunlich hellsichtigen Longread, ein kleines Meisterstück, abgefasst.

Was ich allerdings zur Überschrift dieses Posts dennoch fallen lassen muss: Freilich müssten sich gerade Journalisten gegen ein Bezahlmodell zur Wehr setzen, das in letzter Konsequenz ihre eigenen Arbeitsmöglichkeiten substanziell bedroht, allerdings können wir ihnen diese Verantwortung nicht allein aufbürden. Eine staatliche Regulierung der „vierten Gewalt“ ist für mich persönlich auch nicht denkbar – im Gegenteil, sie könnte, ginge sie insbesondere von rechten Regierungen aus (was, gegenwärtig gesprochen, für die Zukunft ja fast zu befürchten steht), schnell zu einem Angriffsinstrument auf die Pressefreiheit missbraucht werden. Wir Leserinnen und Leser müssen uns disziplinieren, den Klick-Affen keinen Zucker zu geben und Seiten, die sich der Paywall-Wegelagerei verschrieben haben, konsequent blockieren.

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