Soll die Bundesregierung die Steuerdaten kaufen?
Wir kennen das ja aus dem Jahr 2008: In irgend einem Land, dessen Banken der ein oder anderen am deutschen Fiskus vorbeigeschmuggelten Million Asyl gewähren, ist ein Mitarbeiter unzufrieden und zieht sich die Daten der Steuerflüchtlinge auf eine beschreibbare CD. Und diese Daten bietet er dann dem Land zum Kauf an, in dem die Steuerhinterzieher sitzen. Wenn ich mich recht erinnere, dann klappte das vor zwei Jahren recht gut: Die Steuerhinterzieher waren aufgeschreckt, viele zeigten sich selbst an, andere wurden angezeigt und der Staat machte einen ganz guten Schnitt.
Dieser Tage muss die Bundesregierung wieder eine derartige Offerte erreicht haben. Zum Kauf werden Daten von Steuerhinterziehern angeboten, die ihr Geld in der Schweiz vor dem Zugriff deutscher Steuerbehörden zu verstecken suchten. Auch ein Versucherle hat es gegeben: Bei fünf Datensätzen hätten die „Gefickten“ jeweils mehr als eine Million Euro zurückzuzahlen gehabt. Wenn die anderen Datensätze diese Qualität auch nur annähernd halten, ergibt sich für den Fiskus ein prima Deal: 2,5 Millionen Euro soll die selbstgebrannte CD-ROM kosten, der Fiskus könnte damit vielleicht sogar 100 Millionen einnehmen – der return on invest steht außer Zweifel – wenn sich der Fiskus nur das Geld aus den „Versucherles“ holt, ist die CD-ROM doppelt finanziert. Und die Steuerbetrüger hätte man prima an den Eiern, schlaflose Nächte inklusive. Prima, oder?
Nun hat sich seit 2008 aber etwas geändert – die Regierung. Jetzt mischt die FDP, die bekanntermaßen ausschließlich die Interessen der Besserverdienenden (und damit all jener, die überhaupt die finanziellen Mittel haben, um Steuern hinterziehen zu können). Und schon geht der Streit los: Kauft man jetzt die auf illegalem Wege erworbenen geklauten Daten? Eigentlich wäre das ja Hehlerei. Aber andererseits füllt es den Staatssäckel und wäre ja auch irgendwie gerecht…
Der Kölner Stadtanzeiger erklärt recht gut das Dilemma, das, sieht man mal von der Klientelpolitik von FDP, CDU und CSU ab, aus rechtsstaatlicher Sicht entsteht: Zwar dürfen zur Aufklärung von Straftaten keine anderen Straftaten begangen (oder unterstützt) werden, aber es ließe sich da ja ein Weg über den Bundesnachrichtendienst (!) zurechtzimmern. Der BND bewegt sich als Geheimdienst ja sowieso in rechtlichen Graubereichen, darf auch illegal erworbene Kenntnisse und Daten den Behörden weitermelden und hat daher bereits 2008 diesen Deal so über die Bühne gebracht, dass sich die Regierung über den Rechtsstaat keine grauen Haare hat wachsen lassen müssen. So ein Vorgehen ist zwar ethisch genauso gut oder schlecht, als wenn die Regierung die CD-ROM gleich selbst kaufen würde, so aber lässt sich zumindest umgehen, dass die am Deal beteiligten irgendwann mal von irgendeinem Gericht eine Klatsche bekommen…
Damit wäre doch alles klar, oder? Man lässt die Schlapphüte die CD kaufen und holt sich von den Steuerhinterziehern die Kohle (mehr passiert denen eh nicht, siehe die Kausa Zumwinkel). Wo ist das Problem? FDP und die Union wollen noch nicht so recht. Es ist ja nicht so, dass wir das Geld nicht gebrauchen können und es ist ja nicht so, dass man Steuersündern nicht gerne mal eine verplätten würde. Aber irgendwie, das wissen FDP und Union, ist so eine Aktion ja auch Verrat an ihrem Stammwählerklientel und man könnte damit auch potenzielle Spender verärgern. Also ist Vorsicht geboten!
In der SPD ist man im Umgang mit der Frage „Kaufen oder nicht?“ wesentlich unverkrampfter. Man sagt einfach, es dürfe „auf keinen Fall Rücksicht genommen werden auf die Wählerklientel von Union oder FDP, die in der Regel zu den Besitzern großer Vermögen zählt“ (Joachim Poß in der Deutschen Welle) und gut ist. Es steht außer Frage, dass er damit recht hat, aber so einfach ist die Sache dann doch nicht:
Zum einen ist zu erwarten, dass die Schweizer verstimmt sind, wenn die Daten aufgekauft werden. Denn dann fühlen sich die Steuerhinterzieher in der Schweiz zukünftig genau so unwohl wie sie sich seit 2008 in Liechtenstein unwohl fühlen. Gut, darauf würde ich scheißen.
Zum anderen ist da aber immer noch das Ding mit dem Rechtsstaat. Der wird derzeit sowieso schon demontiert, wo es nur geht. Und es ist schlechterdings auch nicht tragbar, wenn man den Grundsatz „Keine Straftat zur Aufdeckung von Straftaten“ einfach durch den BND umschiffen lässt. Das hat die SPD nämlich nicht auf dem Zettel.
In dieser Zwickmühle muss man Farbe bekennen – und das will ich tun. Wider besseres Wissen sage ich: Kauft die Daten. Denn die Ursache des Problems liegt nicht beim Ankaufen von Datensätzen, die Ursache liegt bei den Banken, die Steuerhinterziehung erst ermöglichen. Was das für die beteiligte Bank, die UBS, heißt, weiß der Tagesspiegel:
Der Bank drohen ähnliche Probleme wie der LGT-Bank. Die Liechtensteiner mussten nach der Steueraffäre um Ex-Deutsche-Post-Chef Klaus Zumwinkel massive Vermögensabflüsse hinnehmen. Da die UBS derzeit ohnehin massenhaft Kunden verliert, wäre das für Konzernchef Oswald Grübel ein erneuter Rückschlag.
Klar, dass den Schweizen nun der Arsch auf Grundeis geht. Daher schäumt man vor Wut und telefoniert mit Herrn Schäuble (sic!). Der Tagesspiegel schreibt dazu:
Schweizer Politiker warnten die Bundesregierung, die vermutlich gestohlenen Daten zu kaufen. „Wir halten es für ziemlich schwierig, wenn ein Rechtsstaat illegale Daten verwendet“, sagte Bundespräsidentin Doris Leuthard in Davos. Finanzminister Hans-Rudolf Merz hat deshalb Kontakt mit Bundesfinanzminister Schäuble aufgenommen. Auch Vertreter der großen Parteien und Banken in der Schweiz äußerten ihren Unmut über das unmoralische Angebot. Deutschland dürfe sich nicht zum Hehler von Diebesgut machen, hieß es bei der Schweizerischen Bankiervereinigung. Sollten die Deutschen dennoch zugreifen, könnte das negative Folgen für das noch nicht ausgehandelte Doppelbesteuerungsabkommen zwischen beiden Ländern haben.
Also, man setzt schon mal vorsichtig die Daumenschrauben an, denn sonst droht ja dem ganzen schönen Geschäftsmodell mit den Steuerhinterziehern das Aus. Und das wäre doch sehr unschön für UBS und die Schweiz. Und genau hierin ist begründet, warum ich mich trotz sehr ernster Bedenken für den Zukauf der Daten ausspreche: Es ist der Sumpf der Banken, der trockengelegt werden muss. Und wenn man Steuerhinterziehern – selbst nur im Zweijahresabstand, selbst nur auf einzelne Banken/Länder beschränkt – einen Strich durch die Rechnung macht, dann ist das ein erster Schritt. Würde dieses Ansinnen kontinuierlich vorangetrieben, könnten sich die Steuerhinterzieher irgendwann nicht mehr sicher sein. Das würde mich freuen.