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Nürnberg und das 365-Euro-Ticket, eine unendliche Geschichte?

In Nürnberg gibt es seit geraumer Zeit eine Initiative, die sich für einen für alle bezahlbaren, attraktiven öffentlichen Nahverkehr starkmacht. Kern der Bestrebungen ist das sog. „365-Euro-Ticket“. Dieses Unterfangen ist, wie sich gerade herausstellt, ein langwieriger Prozess voller Hürden. Und dennoch scheint ein Erfolg greifbar. Grund genug, in einem ausführlichen Beitrag einmal genauer hinzuschauen und über das „Wiener Modell“, das der Nürnberger Initiative Pate stand, aber auch die hiesigen Besonderheiten nachzudenken.

U-Bahnhof Hasenbuck, Symbolbild aus dem Jahr 2017

Bevor ich meinen Blick nach Nürnberg wende, komme ich auf den Nahverkehr in Österreichs Hauptstadt Wien zu sprechen. Der hat es nämlich in sich: Er ist recht großräumig ausgelegt, man fährt auf den Hauptlinien, also der U-Bahn und Straßenbahn, zum Teil beachtlich enge Takte und die Wiener schätzen ihre Wiener Linien nicht nur wegen des guten Angebots und der Pünktlichkeit, sondern auch…

…weil es in Wien etwas gibt, das hierzulande geradezu revolutionär klingt: Ein Abonnement, bei dem eine Person ohne Einschränkungen den Nahverkehr benutzen kann, sooft sie will – zum Preis von einem Euro pro Tag, ohne Ausschlusszeit. Bereits im Mai 2012, also annähernd vor zehn Jahren, hat die rot-grüne Stadtregierung diese Tarifbesonderheit beschlossen. Seinerzeit war das ein Wagnis, denn zuerst einmal bedeutete der als „Wiener Modell“ bekannt gewordene Abonnementtarif ein großes finanzielles Risiko. Würden sich die Abonnentenzahlen nicht erheblich erhöhen, hätten die Mindereinnahmen durch den Fahrkartenverkauf ein mehr als großes Finanzloch in die Kasse des kommunalen Eigenbetriebs gerissen. Passiert ist aber genau das Gegenteil: Die Wiener Linien gewannen im ersten Jahr nach Einführung des Jahrestickets rund 140.000 Neukunden hinzu, von 2012 bis 2018 gewann man sogar über 400.000 Neukunden. Damit nutzen heute knapp 800.000 Menschen den Nahverkehr in der Stadt Wien und im Umland mit einer Jahreskarte. Ein gigantischer Erfolg, den sich selbst die stärksten Befürworter des „Wiener Modells“ so nicht zu erträumen gewagt hätten. Anders ausgedrückt: In Wien gibt es heute mehr Inhaber einer gültigen Jahresmarke für den ÖPNV als zugelassene Autos. Und die Wiener Linien fahren profitabel, weil sie gut ausgelastet sind.

Wien hat in dieser Zeit sein Netz kontinuierlich ausgebaut und die Takte verdichtet. Das geht, auch das ist ein Teil der Wahrheit, nicht ohne Zuschüsse. Gemessen an der Größe des Verkehrsraums Wien (die Stadt Wien hat allein knapp viermal mehr Einwohner als Nürnberg), an den Investitionen (es wurde beispielshalber mit dem Bau einer weiteren U-Bahnlinie begonnen, was naturgemäß hohe Baukosten mit sich bringt), nehmen sich diese Zuschüsse für deutsche Verhältnisse lediglich moderat erhöht aus. Der städtische Zuschuss zur VAG, dem kommunalen Verkehrsbetrieb der Stadt Nürnberg, beträgt pro Jahr etwa 70 Millionen Euro (Quelle, Seite 41). Im mit 1,9 Millionen Menschen bevölkerten Wien werden jährlich um die 170 Millionen Euro zugeschossen (Quelle, Achtung, es werden Zahlen von 2015 und 2017 verglichen, der Unterschied, der innerhalb zweier Jahre entsteht, dürfte für eine Darstellung der Größenverhältnisse aber vernachlässigbar sein). Auch in Nürnberg fiel ein Ausbau der U-Bahn-Linie 3 in den Betrachtungszeitraum. Im Detail muss der Vergleich beider Städte hinken, in seiner Gesamtheit und auf die jeweilige Bevölkerungszahl skaliert, scheint er mir aber fair – es bleibt festzustellen, dass das 365-Euro-Ticket in einer Vielzahl an Gesichtspunkten erfolgreich ist. Mit zum Erfolg der Wiener Linien und damit auch indirekt zur Attraktivität des Jahrestickets tragen aber auch noch zwei andere Faktoren bei, von denen man in Deutschland unabhängig vom 365-Euro-Ticket lernen kann: Die Wiener Linien haben selbst in den Boomphasen des innerstädtischen Autoverkehrs ab den 1960er-Jahren, also seit Beginn der Massenmotorisierung, nie aufgehört, den ÖPNV sukzessive auszubauen. Es mag Jahre gegeben haben, in denen in Wien wenig vorangegangen ist, einen Rückbau des ÖPNV in größerem Stil gab es aber nie. In Nürnberg wurden beispielshalber in diesen automobilen Boomphasen viele Straßenbahnlinien stillgelegt (bis heute sieht man noch in manchen Straßen „tote“, also noch nicht zurückgebaute Straßenbahngleise). Weil in Wien in der Vergangenheit solche planerischen Fehler nicht begangen wurden, sind knapp 50% der Stadtfläche an die (Nahverkehrs-)Schiene angebunden, was technisch eine schnelle und zuverlässige Versorgung ermöglicht.

Kurz gesagt: Wien ist derzeit auf einem recht guten Weg hin zur Verkehrswende. Und Wien ist nicht allein. Das Modell übernommen haben unter anderem auch Tallinn oder Kopenhagen.

Was aber hat das alles nun mit Nürnberg zu tun? Nun, in Nürnberg gab es (und es gibt sie nach wie vor) eine sehr erfolgreiche Initiative, die sich zum Ziel gesetzt hat, für die Stadt (und darüber hinaus auch für den Verkehrsverbund oder zumindest Teile davon) ebenfalls ein 365-Euro-Ticket und damit verknüpft auch ein Sozialticket zu initiieren. Angeführt vom Linken-Stadtrat Titus Schüller stieß man 2020 ein Bürgerbegehren an, deutlich mehr als zwanzigtausend Nürnbergerinnen und Nürnberger unterschrieben. Der nächste Schritt auf dem Weg zum 365-Euro-Ticket wäre jetzt ein Bürgerentscheid gewesen, der sich mit den Unterstützerunterschriften aus dem Bürgerbegehren auch komfortabel hätte einleiten lassen.

Doch es kam anders. Im Juni 2020 griff der Stadtrat, CSU-Mann König war gerade relativ knapp per Stichwahl zum Oberbürgermeister gewählt worden, dem Bürgerentscheid vor, wohl auch aus der Sorge heraus, sich beim Plebiszit ein blaues Auge zu holen, und beschloss die Einführung des Tickets für den 1. Januar 2023. Auch das Sozialticktet, das Inhaber des Nürnberg-Passes, also finanziell schwächer gestellte Bürger der Stadt, für monatlich 15 Euro bekommen sollen, wurde im Zuge dessen beschlossen – sowie ein 365-Euro-Ticket für Schüler und Auszubildende, das man schon heute kaufen kann. Damit sollte eigentlich klar sein: In Nürnberg gibt es im kommenden Jahr ein 365-Euro-Jahresabonnement nach dem „Wiener Modell“ – oder doch nicht?

Die Initiatoren des Bürgerbegehrens schreiben auf Ihrer Webseite dazu knapp:

Dieser Beschluss wird nun von der Stadtspitze offensiv in Frage gestellt. Es droht, dass dieser Beschluss und damit die soziale und ökologische Verkehrswende auf den letzten Metern gekippt wird. Das wollen wir mit diesem Bürgerbegehren verhindern. (Quelle)

Der Vorgang ist so wichtig, dass es sich allemal lohnt, hier ein wenig genauer hinzusehen. Zuerst einmal ist bis heute der Beschluss des Stadtrates noch nicht zurückgezogen worden. Technisch gesprochen bleibt es also dabei, dass das 365-Euro-Ticket in Nürnberg Anfang 2023 eingeführt wird, solange man nichts anderes aus dem Stadtrat hört. König und seine schwarz-rote Stadtratsmehrheit könnte nun auf Zeit spielen und den eigenen Beschluss wieder kassieren. Und danach sieht es derzeit aus.

Das Ticket war insbesondere der CSU schon immer ein Dorn im Auge, denn die Initiative ging vom politischen Erzfeind, der Linken aus. Die wurde 2020 freilich selber vom Erfolg ihrer Initiative überrascht – binnen kurzer Zeit kamen über 20.000 Unterschriften für das Bürgerbegehren zur Einführung des Tickets zusammen. Und so geriet die Stadtspitze in Zugzwang. Man beugte sich Volkes Willen, ohne ihn herausgefordert zu haben – und will jetzt von seinem eigenen Beschluss nichts mehr wissen.
Dabei dürfte den Stadtoberen sehr zupasskommen, dass unlängst der Bezirk Mittelfranken die Stadtfinanzen rügte (ein in Nürnberg recht normaler Vorgang) und sie im Zuge dessen auch rüffelte (durchaus eine Besonderheit). Inhalt des Rüffels war, ganz diplomatisch gesprochen, eine eindeutige Aufforderung zur Sparsamkeit im kommunalen Haushalt. Und man wurde dabei seitens des Bezirks ganz konkret:

Sie warnte in diesem Kontext laut Kämmerer Harald Riedel (SPD) ausdrücklich vor der Einführung eines 365-Euro-Tickets für den öffentlichen Nahverkehr ab dem Jahr 2023. (NN, 21.02.22, Paywall)

Niemand erhält gerne einen Rüffel, das ist klar. Dennoch nahm Oberbürgermeister König den Ball, den ihm die Regierung von Mittelfranken ins Spielfeld schoss, gerne auf. Das Projekt 365-Euro-Ticket beginnt zu wackeln. Und auch einige Landräte, deren Kirchtürme im VGN-Verkehrsverbund liegen, leisten Widerstand gegen das Ticket.

Denn eines ist gewiss: Die Einführung des „Wiener Modells“ kostet erst einmal Geld. Es kursieren hier nun unterschiedliche Zahlen, deren Zustandekommen nicht immer transparent ist, und auf die ich mich daher nicht beziehen möchte. Aber die Zuschüsse für den ÖPNV werden aufgestockt werden müssen. Das ist für sich genommen eine Binse, es gibt in Deutschland kein Nahverkehrsunternehmen, das seine Kosten selbst erwirtschaftet. Nahverkehr ist ein Zuschussgeschäft, bleibt ein Zuschussgeschäft (das sind Autobahnen und Landstraßen aber auch). Die Frage ist nur, wie viel man bereit ist, dafür auszugeben.

Man kann nun über die Motivlage der schwarz-roten Rathausregierung nur spekulieren. Ob man indessen tatsächlich angesichts der finanziellen Mehrbelastung kalte Füße bekommen hat, oder die derzeitige Gemengelage einfach als (nicht besonders elegante) Ausrede nutzt, um sich des aus der Not getroffenen eigenen Beschlusses zu entledigen, spielt dabei aber nur eine untergeordnete Rolle. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle nur, dass gerade die CSU recht offen eine sehr autofreundliche Verkehrspolitik in der Stadt betreibt.

Das 365-Euro-Ticket wackelt. Und seien wir ehrlich: Niemand, wirklich, niemand wäre ernsthaft verwundert, würde Marcus König wortbrüchig werden würde.

Was wären aber die konkreten Vorteile, würde Nürnberg das „Wiener Modell“ umsetzen?

Der Krieg in der Ukraine führt uns allen in erschreckender Unmissverständlichkeit vor Augen, wie sehr wir von Gas und Erdöl im Allgemeinen und russischem Gas und Erdöl im Speziellen abhängig sind. Neben den energiehungrigen Industrien ist auch der Verkehr ein großer Energieverzehrer, besonders ineffizient ist, auch das ist allgemein bekannt, der Individualverkehr. Der macht vielfältige Probleme, die nicht allein politischer Natur sind. Er ist gerade in den Städten ein Platzräuber, bindet sehr viele weitere Ressourcen (man denke nur an den Straßenbau und Erhalt) und verursacht Lärm und Abgase. Um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Komplett auf diesen Individualverkehr verzichten können wir nicht. Das soll auch gar nicht das Ziel sein. Es muss aber möglich sein, ihn in sinnvolle Bahnen zu lenken. Zum Wohle des Klimas, zum Wohle der Stadtbevölkerung, zur Vermeidung weiterer Flächenversiegelung für immer breiter werdende Straßen, größere Parkplätze… Gerade die Parkplatzproblematik illustriert sehr schön, dass wir uns in Nürnberg mit dem Autoverkehr bereits am obersten Limit bewegen. In vielen Stadtvierteln wird allabendlich ein Kampf um die doch reichlich vorhandenen, aber dennoch knappen öffentlichen Parkplätze geführt. Hauptverkehrsstraßen sind kaum mehr in der Lage, weitere Autos aufzunehmen, was sich durch regelmäßige Staus äußert. Ein für jeden günstiger und attraktiver Nahverkehr wird hier Linderung, später vielleicht sogar Abhilfe schaffen.

Ich begreife den ÖPNV als einen (nicht einmal unwesentlichen) Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Das ist er sogar per definitionem, allein diese Definition sagt nichts über den notwendigen Umfang aus. Und hier ist er: der berühmte „Knackpunkt“. Auch ein schlecht ausgebauter, in seiner Art rudimentärer ÖPNV, „zusammen“-gespart bis an seine funktionale Grenze, ist manchem Bürgermeister auf dem Lande, manchen Land- und Bezirksrat recht und im besten Wortsinne „billig“. Damit ist aber die Verkehrswende nicht zu schaffen.

Unabhängig von allen parteipolitischen Grenzen: Der Impuls zum 365-Euro-Ticket muss von der Stadt ausgehen. Denn nur bei einem urbanen Nahverkehrsangebot wird ein solches Jahresticket als günstig und attraktiv erlebt. Seine Strahlkraft wird es auch in den ländlichen Raum entfalten – aber das ist eine Zukunftsvision. In Dörfern, in denen viermal am Tag der Bus fährt (und zweimal davon ist das der Schulbus), werden die Bürger ein 365-Euro-Ticket als Hohn empfinden, empfinden müssen. Nürnberg als zweitgrößte Stadt Bayerns ist für die Initiative der ideale Ausgangsort. Auch Fürth und Erlangen, in gewissem Umfang auch die Stadt Schwabach, dürften darauf vertrauen, dass die Einführung eines solchen Tickets einen positiven Effekt auf die Reduzierung des Autoverkehrs haben wird (am Rand: In Erlangen wird bereits auf einzelnen Linien mit dem Konzept eines völlig kostenlosen ÖPNVs experimentiert). Doch schon in Städten wie Stein ist das Konzept für den innerstädtischen Verkehr fraglich, eine entsprechende MobiCard allein für den Stadtverkehr käme nämlich billiger. Insofern sind auch die Störgeräusche einzelner vom Kirchturmdenken „beseelter“ Landräte zu vernachlässigen. Ein nur in Nürnberg, ggf. auch in Fürth gültiges 365-Euro-Ticket würde mit den Jahren genug Attraktivität für den Gesamtraum des VGN entwickeln. Man müsste es einfach nur darauf ankommen lassen.

Eine mit dem Holzhammer durchgedrückte Verkehrswende kann und wird nicht klappen. Viele klagen gegenwärtig über die im Kontext des Kriegs in der Ukraine massiv gestiegenen Benzinpreise. Diese Klage ist aus der Perspektive des Individuums oft auch allzu gut nachvollziehbar. In den NN vom 9. März gibt es eine sehr spannende Übersicht, wie viel Geld in bayerischen Haushalten in welche Zwecke fließt. Spitzenreiter sind, wen wundert es, mit einer Summe von fast tausend Euro die Mieten. Doch der zweithöchste Ausgabenposten ist im bayerischen Durchschnittshaushalt mit 462 Euro der Verkehr – und der steht damit noch mit weitem Abstand vor den Ausgaben für Lebensmittel, die Freizeit, Gesundheit, Kleidung oder Bildung. Eine ökologisch sinnvolle und sozial gerechte Verkehrswende hätte das enorme Potenzial, die Haushalte massiv zu entlasten. Wer die Verkehrswende will, der muss gangbare Alternativen anbieten können. Für den ÖPNV heißt das nichts anderes als: Er muss zum einen funktional, schnell, sauber, begreifbar, engmaschig und gut getaktet sein uns zum anderen muss er preislich nicht nur konkurrenzfähig, sondern wirklich günstig sein. Die VAG hat im Bundesvergleich relative teure Tickets. Das 365-Euro-Ticket setzt bei der VAG auf einem im Städtevergleich hinsichtlich der Attraktivität gutem Level auf, nur der Preisnachteil würde egalisiert. Und es funktioniert genial einfach und ist in seiner Struktur auf den allerersten Blick sofort verständlich: Ein Jahr, ein Euro pro Tag, so viele Fahrten, wie es beliebt. Der Erfolg und der Charme des „Wiener Modells“ liegt in dieser einfachen Formel. Mehr ist es nicht.

Eine Verkehrswende kann aber nur gelingen, wenn sie alle Teile der Bevölkerung, auch die finanziell Schwachen, von Anfang an konsequent einbezieht. In Nürnberg gibt es leider, gemessen am Durchschnitt bayerischer Kommunen, relativ viele Menschen, die auf Transferleistungen wie Hartz IV oder Grundsicherung angewiesen sind oder zu den „working poor“ zählen. Das hat vor allem mit dem Strukturwandel in der Region und dem Niedergang ganzer Industrien zu tun. Würde man die Bedürfnisse dieser Menschen ausblenden, die Verkehrswende wäre ohne sie schlicht nicht zu schaffen. Unbemerkt von weiten Teilen der Öffentlichkeit hat die Initiative aber bereits ein Sozialticket durchgesetzt, dessen Einführung sich Oberbürgermeister König nun auf die Fahnen schreibt (und schlichtere Gemüter glauben ihm das auch). Das Monatsticket für eine Person ohne Ausschlusszeit kostet 15,- Euro. Allein an diesem Erfolg lässt sich die Schlagkraft der Initiative messen.

Die Sache ist noch nicht ganz rund: Ein 365-Euro-Ticket ist in Nürnberg eine schöne Sache, erstrebenswert wäre aber, dass es im gesamten VGN-Tarifgebiet, und das ist nicht gerade klein, ein solches Ticket gäbe. Dazu müssten sich aber sehr viele Player, kleine Verkehrsunternehmen, Stadtwerke kleinerer Kommunen, Landräte und Bürgermeister einig werden. Und eine solche Einigung ist weit entfernt. Schade, aber eigentlich kein Problem, denn wenn in Nürnberg doch ein 365-Euro-Ticket kommt, wird der Erfolg nicht lange auf sich warten lassen und andere Städte werden sich anschließen. Die Attraktivität des Projekts ist dadurch – zumindest aus der Perspektive der Nürnberger Bürger – nicht gemindert. Und genau das ist der Knackpunkt: Kommt es zu einem Bürgerentscheid, wird der in Nürnberg stattfinden – es dürfen bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheid nämlich nur die Nürnberger unterschreiben und abstimmen.

Und so geht es also in der Noris um das große Ganze: Das 365-Euro-Ticket soll definitiv kommen. Dazu benötigt man ein die Kommune bindendes Bürgerbegehren oder eine Garantie, dass der bereits gefasste Beschluss nicht wieder kassiert wird. Letztere existiert nicht, kann verwaltungstechnisch auch nicht existieren. Nun findet sich die Initiative in einer relativ bescheidenen Situation wieder: Obwohl sie 2020 bereits Unterschriften gesammelt hat, muss sie das nun erneut tun. Ein Vorgang, der sich nicht jedem Bürger so leicht erklären lässt, denn letztlich muss man Folgendes erklären: Die Linke ist leider auf OB König und seine schwarz-rote Stadtratsmehrheit hereingefallen und jetzt von deren Worttreue abhängig. Ein externes Beratungsunternehmen, dessen Votum von Fachleuten allerdings nicht als unabhängig gewertet wird, hat sich ebenfalls gegen das 365-Euro-Ticket ausgesprochen, auch darauf beruft sich die Stadtratsmehrheit. Nun kann man entweder zittern und hoffen, oder man muss einen neuen Anlauf für Bürgerentscheid und Bürgerbegehren nehmen, um wirklich Sicherheit für etwas herzustellen, das doch eigentlich schon beschlossen ist. Linkes Auge blau, unverschuldet zwar, aber nicht unvermeidlich.

An zahlreichen Stellen in der Stadt sammelt man bereits heute Unterschriften für das 365-Euro-Ticket. Zudem kann man sich auf der Initiativen-Webseite auch das Unterschriftenformular herunterladen und selbst sammeln gehen.

Gauck und Özdemir.

In einem Anfall grenzenloser Naivität war ich auch mal  „pro Gauck“, hatte ihn im Vergleich zu Wulff für den kompetenteren Mann gehalten. Welch ein Irrtum! Ich sage es ganz unumwunden: Der kleinkarierte Wulff mit seiner „Gschaftlhuberei“ ist mir am Arschllerwertesten lieber als der Wendehals Gauck im Gesicht.

Und dabei sei angemerkt: Das Niveau Wulffs zu unterbieten haben beileibe nicht viele geschafft. Gauck schon. Er reiht sich damit in die Reihe politischer Versager ein, die von Kanzlerin Merkel angeführt wird. Es ist so widerlich!

Mit seinen Anwürfen gegen den zukünftigen Ministerpräsidenten Thüringens, Bodo Ramelow, legt Gauch Zeugnis ab – von seiner Niedertracht. Unsäglich peinlich.

Unionler springen Gauck bei, nicht gerade zu Hauf, aber einige übliche Verdächtige, wie zum Beispiel Andreas Scheurer, der schon oft unangenehm aufgefallen ist, entblöden sich dennoch nicht, Gaucks illegitimen Eingriff in die Tagespolitik gutzuheißen.

Ein weiterer Gauck-Unterstützer ist – wer hätte das gedacht – Herr Özdemir von der Besserverdiner-Öko-CDU den Grünen. „Man müsse Gaucks Bedenken ernst nehmen“ wird Özdemier in der SZ sinngemäß zitiert.

Felix von Leitner kommentiert dies treffsicher:

Die Grünen haben sich auf das Niveau von Sarrazin herabgearbeitet, und zwar in Gestalt von Cem Özdemir:

„Der Bundespräsident hat nur das gesagt, was viele denken“

So eine Angst vor der AfD haben die? Gut, das ist ja auch genau deren Kernwählergruppe, die die AfD beackert. Gutsituierte Neureiche, die anderen gerne mehr Vorschriften machen wollen. (Quelle)

Die Grünen sind auch keinen Schuss Pulver mehr wert.

Am Rande: Wen nimmt es Wunder, dass im Zuge dieser „Debatte“ auch Roland Jahn seinen antikommunistischen Beißreflex nicht mehr unter Kontrolle hat? Jetzt fehlt nur noch Hubertus Knabe und dann haben wir sie allen beisammen m(.

Am 22. September

Egal wie man zur Linken stehen mag – ich habe in den letzten zehn Jahren keinen besser produzierten und treffsichereren Wahlwerbespot gesehen, als den der Linken. Respekt.

Alles nicht so wild. Kleine Nachbetrachtung zur Abgeordnetenhauswahl

Gestern habe ich mir ganz spontan einen Blog-Post geklemmt, weil die „Interaktion“ auf Twitter dann doch mehr Spaß gemacht hat, heute will ich, ohne bislang den Output der Leitartikler genossen zu haben, das gestrige AHW-Ergebnis doch kurz kommentieren.

Zuerst einmal zu Wowereit und der SPD. Wenn von vornherein feststeht, dass man gewinnt, ist man bei so einer Wahl ja trotzdem irgendwie in der „Verliererposition“, denn zum einen ist es schwierig, die siegessicheren eigenen Wähler an die Wahlurne zu bringen und zum anderen wird der Erfolg nur dann von der Presse goutiert, wenn noch ein paar Prozentpunkte dazugewonnen werden. Das das unter den gerade benannten Vorzeichen nur im Ausnahmefall gelingen kann und das dieser Ausnahmefall nicht eingetreten ist, das kann man Wowi ja schlecht anlasten. So gesehen – und unter der Konkurrenz der Piraten, zu denen ich später noch komme, sind die verlorenen zweieinhalb Prozent ja nicht nur erklär- sondern auch verkraftbar.

Der Linkspartei, dem ehemaligen Koalitionspartner, sind 1,7 Prozent der Wählerstimmen verloren gegangen. Im Kontext der Anwürfe der Medien, die nicht Wunder nehmen, wenn man die vorangegangenen innerparteilichen Debatten berücksichtigt (ein gefundenes Fressen für die Berichterstattung, die Medien haben dies auch weidlich ausgekostet) und im Kontext der Präsenz der Piraten hat sich die Linke stabilisiert. Das Glück der Linken: Allzuviel mussten sie ob ihrer eher älteren Wählerschaft nicht an die Piraten abtreten, das Pech dabei liegt aber ebenso auf der Hand: Die Linke überaltert zusehends und das macht natürlich eine Auafstellung in der Zukunft schwieriger. Wenn man sich die Tweets von Halina Wawzyniak und Bodo Ramelow besieht, ist der Warnschuss auch gehört worden – allein ob das genügt, ist fraglich.

Weiterhin Pech für die Linke: Mit den Stimmenverlusten der SPD und den eigenen Verlusten ist die rot-rote Koalition, eigentlich ein Erfolgsmodell, nicht mehr aufrechtzuerhalten. Bei der Linken wird nun gerne ins Feld geführt, dass der Spitzenkandidat Harald Wolf im Personenwahlkampf Wowi versus Künast zerrieben wurde. Da mag schon was dran sein, aber das ist für mich nicht ausschlaggebend. Ich denke, dass die Linke die Themen soziale Sicherheit und Netzpolitik (hier ist sie im Kleinen mindestens ähnlich kompetent wie die Piraten, muss das aber entwickeln und kann das nicht verkaufen) noch profilierter herausstellen muss. Und dann hats halt einfach nicht gereicht – Pech eben.

Die CDU. Gestern feierte man sich selbst wegen des Zugewinns von 2,1 Prozent ordentlich ab. Dass das kein wirklicher Erfolg ist ob der öffentlich zelebrierten Selbstzerfleischung der FDP, weiß eigentlich jeder – aber das Singen im dunklen Keller soll ja bekanntlich schon öfter gegen die Angst geholfen haben. Immerhin würde es zu einer Regierungsbeteiligung reichen – wenn Wowi will. Wofür die CDU in Berlin steht, weiß ich nicht, dazu bin ich zu weit weg. Ob es aber viele Berliner wissen, ist ebenso fraglich. Nun, die zwei Prozent werden für das erhoffte „Signal im Bund“ nicht ganz hinreichen. Mehr bleibt dazu eigentlich nicht zu sagen.

Und bei der FDP bleibt auch nicht viel zu sagen. Felix von Leitner stellte ja schon einmal ganz treffend fest, dass FDP-Bashing ist, wie behinderte Kinder zu hauen, das will man natürlich nicht. Daher in aller Kürze: Das sich die FDP nun unterhalb der Bagatellgrenze befindet, ist kein echtes Wunder. Konnten wir in den vergangenen Monaten der FDP beim Schrumpfen auf das Normalmaß zusehen, ereilt sie nun das unausweichliche Schicksal: Das Personal der FDP ist mindestens im Bund beschissen, in den Ländern sieht es in aller Regel nicht besser aus. Anbiedernderweise fuhr man einen Eurokritikerkurs, dieses populistische Aufbäumen war indes so platt, dass sich selbst FDP-Stammwähler in den Boden schämten und das mit der Stimme lieber sein ließen und nun ist sogar die NPD stärker, die anderen Feinde der Freiheit. Und selbst vom Sonneborn mussten sie sich gestern noch vorführen lassen. Und dann schwafelt der Lindner gestern im Ersten noch so saudumm daher… Da ist nichts mehr zu retten.  1,8 Prozent, diese Ernte fahren anderen Orts regelmäßig die Tierschutzpartei o.ä. ein. Was will man da noch groß kommentieren? Außer vielleicht: Ich könnte mich daran gewöhnen.

Dazugewonnen haben die Grünen, zweifelsohne. Aber Hochmut kommt eben vor dem Fall, und in Anbetracht der Tatsache, dass Frau Künast schon vorab postuliert hat, dass sie sich wieder in den Bund verpissen werde, wenn sie nicht regierende Bürgermeisterin werde, kann man den Berlinern nicht verdenbken, dass sie nicht in Scharen Leute wählen, die an Berlin gar kein Interesse haben. Mit etwas mehr als 17 Prozent stehen die Grünen zwar recht ordentlich da, bedenkt man aber, dass sich diese Ökopartei allen Ernstes aufschwingen wollte, den regierenden Bürgermeister zu stellen, haben sie dieses Ziel um mindestens mehrere Lichtjahre verfehlt. Fukushima liegt zu weit zurück, Stuttgart 21 werden die Grünen auch nicht zu verhindern wissen und so schrumpft auch diese Partei wieder auf das Normalmaß. Dass die Grünen den Zugewinn von viereinhalb Prozent (was für sich genommen schon ordentlich ist) halten können, glaube ich nicht, nun aber ist er im Berliner Abgeordnetenhaus erst einmal an die Tafel gesteckt und so hat Wowi immerhin die Chance, nicht mit der SPD koalieren zu müssen. Das ist ja schon mal was, obs aber auch was auf Dauer ist, weiß ich nicht.

Frau Künast sah gestern im TV trotz bekanntermaßen guter Ausleuchtung fertig aus ohne Ende. Wenn Sie wieder „in den Bund“ geht, dann ist das nicht nur für Berlin sondern auch für sie persönlich ein Glücksfall. Dass Frau Künast auch nicht wirklich Sympathieträgerin ist, ist nun auch keine Neuigkeit. Zu den Grünen bleibt eigentlich nur zu sagen, dass sie sich für eine etablierte politische Partei gnadenlos dämlich angestellt haben. Ich will noch nicht einmal auf deren verunglückte „Da müssen wir ran“-Kampagne zu sprechen kommen sondern nur auf den Umstand, dass sie in BaWü zufälligerweise das Ding gerissen haben. Was unter den Umständen des GAUS in Japan und der verkorksten Energiepolitik der Bundesregierung sowie dem Fakt, dass neben Mappus selbst der olle Oberlehrer noch gut ausschaut, auch kein größeres Kunststück ist. Das müssten diese Grünen eigentlich wissen – man soll das Schicksal nicht herausfordern. Getan haben sie es trotzdem, die Strafe folgt auf dem Fuß. Vor der Wahl das Maul zu voll genommen haben sie dennoch auf der abflauenden Welle reitend ein paar Prozent eintreiben können. Ist die Welle verebbt, ist wieder Ruhe und die Grünen dort, wo sie schon immer waren. Ein Widerschein des kurzen Glanzes der Grünen ist gestern erkennbar gewesen. Mögen sie diesen über die nächsten Jahre retten können – allein mir fehlt der Glaube.

Für eine Sensation mittlerer Größe sorgte die Piratenpartei und nicht nur für eine Sensation sondern auch für aufs erfrischendste unterhaltsame verdutzte bis ratlose Gesichter beim politischen Mitbewerb, den Journalisten und Kommentatoren. Und so recht konnten die Piraten ihren Erfolg ganz offensichtlich gestern selbst noch nicht fassen. Alles umkreiste die frage „How come?“, die Antwort kann nur lückenhaft ausfallen, daher in Stichworten mein Erklärungsversuch:

Dass es in Berlin unter den Wählern knappe 9 Prozent Nerds gibt, ist unwahrscheinlich. Dass die ganzen selbstständigen Grafikdesigner, Agentursklaven oder „Designer“, die Möchtegern-Medienleute und alles was sonst noch so um Prenzelberg, Friedrichshain und Kreuzberg herumtapert, alle Piraten gewählt haben, ist ebenso unwahrscheinlich. Man weiß aber, dass eine wachsende Gruppe mit den etablierten Parteien nichts mehr anzufangen wissen. Man kauft vielen das Anzuggetrage nicht mehr ab, sieht das Unseriöse in seriöser Verpackung und wird davon nicht nur satt sondern überdrüssig. Und dann kommt ein Haufen Jungspunde des Wegs daher – unverstellt, frech, frisch. Kein Anzug, dafür lieber mal einen rauchend, redet der Pirat, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Die Verschuldung Berlins nicht beziffern können – geschenkt – spricht er etwas ungelenk aber ehrlich über einen kostenlosen ÖPNV und die Freiheit des Netzes. Das kostet Geld – sollte irgendwie gegenfinanziert sein – geschenkt.

Jetzt also sind die Piraten in Parlament und Opposition. Schade, dass sie hier insbesondere mit ihrer netzpolitischen Kompetenz nur wenig brillieren können. Dazu müssten sie in den Bundestag – der Weg dahin ist weit. Man darf den Piraten Glück wünschen, dass sie nicht untergehen im Abgeorneten haus.

Wer aber hat die Piraten gewählt? Nichts genaues weiß man nicht. Jung, männlich und ostdeutsch ist der Piratenwähler, so raunt man über den Sender B5aktuell. Aber selbst unter den Älteren finden sich Piratenwähler. Sind es gar Protestwähler? Will man hier das hohe Haus ärgern? Oder sind die Piraten mit ihrem doch recht inhaltsarmen Wahlkampf („Warum hänge ich hier eigentlich? Ihr geht doch eh nicht wählen.“) ein Sammelbecken Inhaltsarmer? Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte. Frappant nur, dass sich der Eindruck aufdrängen könnte, dass zu viel Profil weniger förderlich sein könnte als zu wenig. Den Konjunktiv habe ich an dieser Stelle ganz bewusst gewählt. So groß die Überraschung am gestrigen Abend, so groß aber auch die Gefahr, dass über die Piraten bald niemand mehr redet. Einen Webwahlkampf werden sich nun auch die Etablierten draufschaffen, dazu bedarf es weniger der nativen Kompetenz im Umgang mit sozialen Medien sondern im Zweifelsfall einfach nur des Geldes und das ist vorhanden. Ein Einarbeiten in die Netzpolitik wird wohl auch den Etablierten gelingen – und wenn nicht, dann hab ich für alle Nicht-Piraten, die gerade suchend sind, die Geschäftsidee schlechthin: Netzpolitikberater.

Alles nicht so wild. Es hat sich – unterm Strich – nicht viel verändert. Die SPD trug, wie vorhergesehen das Ding heim. Die Linke blieb stabil, hatte halt Pech. Die CDU gewinnt ein wenig dazu, die FDP hat das Feld ja geräumt. Die Grünen haben sich verstiegen und die Piraten haben es nicht nur geschafft sondern ordentlich Boden gut gemacht – gut gemacht. Wesentliche Änderungen bleiben trotzdem ausgeschlossen. Alles nicht so wild.

Rette uns wer kann

In den 1990er Jahren war es groß in Mode, das point & click-Adventure. Was einstmals viel Kohle in die Gamesbranche brachte, war so erfolgreich, dass auch Webetreibende und Parteiwen davon profitierten wollten und funktionsähnliche Adventures mit eindeutiger Botschaft unters Spielervolk brachten. Seinerzeitr war auch die PDS mit von der Partie und launchte das DOS-Spiel „Captain Gysi und das Raumschiff Bonn“ (Download hier auf eigene Gefahr – ich habs nicht getestet; für alle Freaks, die noch eine lauffähige DOS-Umgebung herumzustehen haben). Das war erfolgreich und erntete seinerzeit gute Kritiken – schnell kam der Nachfolger „Captain Gysi – Galaxis Futura“. Seither ist es um die Linke in Sachen Games sehr ruhig geworden – bis heute.

Heute nämlich launchte die Zeitung Neues Deutschland ein Browsergame im Jump´n´Run-Style, das auf den Namen „Rette uns wer kann“ hört. Ziel des Spiels? „Hilf Gregor im Kampf gegen Finanzhaie und Heuschrecken“. Was ist zu tun? Man muss Euros, Eier und ND-Ausgaben einsammeln, mit den Eiern bewirft man Monopolkapitalisten und den bösen DAX-Kurven gilt es tunlichst auszuweichen. Gregor hat im Spiel etwas weniger Haare und einen kleinen Bauch. Gregor steuert sich mit dem Cursor, mit der Space-Taste wirft er Eier.

Das Spiel ist blöd. Der Gag ist nach zehn Sekunden durch und die Steuerung ist zum einen Gemütlich und zum anderen unausgereift. Und wenn man zu langsam ist, bröselt Gregor das Brandenburger Tor unter den Füßen weg – wie schwachsinnig.

Was will das ND mit so einem schimpansenkompatiblen Browsergame eigentlich wem verplätten? Message hin, Message her, ein Minimum an Spielspaß braucht es schon, um damit Linkswähler oder ND-Leser generieren zu können. Das ND wäre gut beraten, seine Spiele doch mit etwas mehr Sinn und Witz zu konzipieren, um der Sache gerecht zu werden – schließlich ist Eierwerfen vermittels der Leertaste nicht jedermanns Sache.

NRW-Wahl: Der Politikwechsel gelingt nur mit der Linken

Nach dem großen Freudentaumel am gestrigen Wahlabend in Nordrhein-Westfalen folgt nun das Zähneklappern. Die CDU ist „stärkste“ Partei – mit einem Vorsprung, der nur unter dem Mikroskop erkennbar ist (0,1 Prozent) und mit Stimmverlusten von über zehn Prozent. Die Westerwellen-Partei, die bei der Bundestagswahl einen seltsamen Höhenflug erlebte, ist wieder auf das Normalmaß zurückgestutzt worden, denn die Besserverdienenden wählen inzwischen Grün.

Hinzugewonnen hat die SPD mit ihrer etwas altbackenen Spitzenkandidatin Kraft zwar genau gar nichts, aber bei den Sozn feiert man, dass man nicht ins Bodenlose gestürzt ist – zu Recht. Doch, oh Schreck, oh Graus, einer fehlenden Stimme wegen will sich keine rot-grüne Regierungmehrheit einstellen.

Was ist nun in NRW möglich? Schwarz-Gelb zum Glück nicht. Schwarz grün geht auch nicht. Was bleibt?

Es bleibt zum einen die Möglichkeit, eine sog. „Große Koalition“ zu bilden – das hat dann mit Politikwechsel nichts mehr zu tun und ist, betrachtet man sowohl die Verluste bei der CDU sowie die der SPD die Koalition der Verlierer. Merkel will die Koalition der Verlierer – getrieben von der Angst, dass ihr in der Länderkamer die Felle davonschwimmen. Dass eine „Große Koalition“ keine Alternative sondern ein Schmarrn ist, wissen wir seit der Bundestagswahl 2005. Mit Politikwechsel, das muss der SPD klar sein, hat das nichts zu tun.

Und dann? Rot-Grün wäre mit der Linken möglich, entweder mit direkter Regierungsbeteiligung oder zumindest unter Tolerierung. Erst dann – und nur dann – könnte ein Politikwechsel eingeleitet werden. Doch hier stolpert die SPD mal wieder über ihre eigenen Füße, so wie sie es im Saarland, in Thüringen und einstmals in Hessen getan hat. Es wird immer deutlicher: Die SPD kann nicht mehr ohne die Linke.

Nur: Sozialdemokraten sind leider beratungsresistent. Und auch frei von Visionen. Sozialdemokraten geht es selten um Veränderung, wichtig ist ihnen eigentlich nur, an der Macht zu sein. Das wiederum eint sie mit den Grünen, die sich auch mit der CDU in die Kiste legen. Den Sozn undden Grünen geht es – das mussten wir seit 1998 erfahren – um nichts als Macht. Vernünftige Politik ist dabei selten herausgekommen. Deshalb ist besonders schön, dass die Linke gestern den Einzug in den Nordrhein-Westfälischen Landtag geschafft hat. Denn jetzt sind Schwarz, Rot und Grün gezwungen, die Hosen herunterzulassen. Sind sie feige, gibts die roße Koalition. Damit schaufelt sich die SPD aber ihr eigenes Grab – ist ihr der Absturz ins Bodenlose doch nur erspart worden, weil die Menschen zum einen Rüttgers und zum anderen die Schwarz-Gelb in Berlin leid sind.

Die Linke könnte das Korrektiv einer Rot-Grünen Koalition sein – wir wissen (auch wenn es viele nicht wahr habwen wollen), dass das bitter nötig ist.

Und dennoch: Wieder besseres Wissen werden nun die Weichen auf große Koalition – die Koalition der Verlierer – gestellt.

Heute wird es im Saarland spannend …

… und wir werden heute erfahren, ob die Grünen weiterhin wählbar bleiben oder ob sie komplett ins „bürgerliche Lager“ wechseln.

Der Grund: Heute entscheidet ein Parteitag der Grünen im Saarland, ob sich die Partei für Rot-Rot-Grün als Koalition öffnet oder ob es eine „Jamaika-Koalition“, vulgo „Schwampel“ geben wird.

Vom Standpunkt der Vernunft her gibt es eigentlich kein einziges vernünftiges Argument für die Schwampel – zumal sich die Bündnisgrünen dann als völlig unglaubwürdig disqualifizieren würden. Nichts desto trotz wollte der Nachrichtensender B5aktuell schon heute morgen wissen, dass die Schwampel die realistischere Option sei (das wurde in den Achtuhrnachrichten gesagt – zur Stunde ist davon nichts mehr zu hören). In das gleich Horn stößt auch der SR und Focus-Online.

Lafontaine will – das ist folgerichtig – mehr Energie auf die Arbeit im Saarländischen Landtag verwenden. Und das wird vom Frontman der Saargrünen, Hubert Ulrich als „klarer Affront“ gewertet. Warum nur? Lafontaine war dort mal Ministerpräsident – warum sollte er es nicht wieder werden? Und Lafontaine ist an der Saar gerne gesehen – anders lässt sich kaum erklären, dass das Wahlergebnis der PDS im Jahr 2004 von etwas mehr als zwei Prozent nun mit der Linken auf stattliche 21,3 Prozent angewachsen ist.

Die Saar-SPD ist angetreten, Müller abzuwählen. Und im Gegensatz zum Thüringer Verräter Matschie scheint sie Wort zu halten. Eigentlich ist das nichts Besonderes, aber ich persönlich finde, dass das dieser Tage Erwähnung finden sollte, ist es doch selten geworden, dass Sozialdemokraten Wort halten.

Nun, es bleibt „bis zum Schluss“ spannend – heute wird an der Saar ein Lehrstück gegeben, an dem wir erkennen dürfen, ob die Grünen noch in etwa für das stehen, für das sie einstmals antraten – oder eben nicht.