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Eine Mail kostet 55 Cent

Erinnerungen werden wach: Um die Jahrtausendwende, zu Zeiten der „New Economy“ versuchte der Gilb die Deutsche Post AG schon einmal, unter dem Markenamen ePOST einen Maildienst zu etablieren. Der war etwas albern und etwas scheiße und nicht konkurrenzfähig. Und wurde fünf Jahre später eingestellt. Ein Flop.

Nun will die Post, der mit ihren Internetaktivitäten bislag jeder Erfolg entsagt blieb, nochmal was in der digital Welt reißen – mit ePOST, dem neuen Superangebot: 55 Cent soll eine Mail kosten.

Das wird nix, das weiß ich schon jetzt. Da nutzt der Post auch nichts, Preise für diejenigen auszuloben, die sich jetzt eine ePostadresse reservieren lassen.

Per Postident soll de Mailadresse verifiziert werden unddann kann man mit Behörden und Kooperationspartnern der Post verschlüsselt kommunizieren. Für 55 Cent pro Mail. Das ist unattrakti, denn für dieses Geld kann ich auch einen ganz normalen Brief schreiben, wenn es eine normale (und damit quasi kostenfreie) Mail nicht tut.

Gut, das ginge kostenlos auch – mit PGP – aber das checken unsere Entscheidungsträger ja nicht. Für 55 Cent kann man sich weiterhin einen Lettershop-Dienst einkaufen – Man tippt die Mail und die Post druckt das Schreiben in Stuttgart aus, kuvertiert es und stellt den Brief dann zu. Das würde ich für 55 Cent aber auch nicht tun – da schreibe ich lieber einen richtigen Brief auf vernünftigem Papier, unterzeichne mit meinem Signaturfüller und drücke dem Empfänger so meine Wertschätzung aus.

55 Cent will die Post – aber wofür? Ich werde mir kein ePOST-Konto eröffnen, wer was will, soll mich ruhig anschreiben.

Die Post hat Probleme – der Mailversand konkurriert heftig um die Briefpost. Versand- und damit Umsatzzahlen sinken. Aber dass ePOST das wieder kitten kann, halte ich für unwahrscheinlich. Und warum sollte ich das Angebot der Post nutzen? Selbst wenn ich mit PGP nicht zurechtkommen sollte, kann ich mir z.B. bei GMX eine De-Mail-Adresse registrieren. Bei der Telekom soll das derzeit sogar kostenlos sein. Warum die Post für ein Projekt, dass unter so ungünstigen Bedingungen startet, einen so hohen Werbeaufwand betreibt? Einfacher wäre, echte Vorteile des neue Dienstes zu nennen. Aber: Welche?

De Mail – braucht ja wohl kein Schwein

Obacht: Wenn der Schäuble wieder mal irgendwas verzapft, sollte man sich schnell wegducken. Sein neuster Plan (gemäß EU-Vorgabe): De Mail. Jetzt soll also jeder einen Mailaccount mit Staatsverschlüsselung bekommen. Den Sinn hinter dieser Maßnahme kann ich nicht erkennen, denn wenn ich rechtssicher kommunizieren will, sende ich halt eine Einschreiben mit der gelben Post. Das ist gerichtlich vielfach bestätigt, das kapiert jede Oma, das erhält gegebenenfalls sogar eine Korrespondenzkultur am Leben und: Das ist halbwegs fälschungs- und abhörsicher.

Ich weiß nicht, ob man das mit Recht auch vom neuen e-Personalausweis und von De Mail behaupten wird können. Bestimmte Mails von meinem Privataccount verschlüssele ichmit PGP – fertig. Warum sollte das nich genügen? Und was will ich auf diesen Bürgerportalen. Jeder Berührpunkt, den ich bislang mit irgendwelchen Projekten aus der Schublade „e-Gouvernment“ hatte, war bislang ein Griff ins WC. Ein tiefer Griff ins WC. Den Lattenkracher lieferte die Einwohnermeldeamt Nürnberg. Wer sich dort ummelden möchte, kann sich im Netz eine Software laden und die Meldung dorthin einpflegen. Dieses Softwaretool ist aber nur halbgar: Zuerst einmal läuft die exe.Datei nur (!) unter Windows. Da bin ich als Mac-User schon außen vor. Und dann ermöglicht diese Datei nur, in einer (hässlichen) Eingabemaske, alle Daten einzutragen und dann ein Formular auszudrucken. Mehr nicht. Mit diesem Formular muss man dann aufs Amt wackeln, eine Nummer ziehen, warten, warten, warten, weiter warten – und wenn man dann dran kommt, klopft der Beamte die Daten vom Formular in seinen PC. Schwachsinn, das!

Aber: Bevor ich diese Daten via De Mail übermittle, gehe ich zum Amt, ziehe die Nummer und warte. Wenn dann was schief läuft, kann man schlecht mich verantwortlich machen. Und diese Daten werden dann auch nicht von Versicherungen, Banken oder sonst wem mitgelesen. Diese ganze „e-Gouvernment“-Kiste birgt mir allein auf Grund der im Hintergrund werkelnden Technik ein zu hohes Manipulationspotenzial. Ich will keine Wahlcomputer. Zettel und Papier tun gute Dienste. Mit einem biometrischen Bild und Fingerabdrücken im Reisepass wird sich kein terroristischer Anschlag verhindern lassen. Und mit De Mail? Mit De Mail wird die Kommunikation auch nicht sicherer. Allein schon deshalb, weil ich viele Menschen kenne, die sich m.E. keine Gedanken darüber zu machen brauchen, wie ein Kommunikationskanal sicherer zu gestalten ist, solange sie sich nicht Gedanken darüber machen, wie sie sich verletzungsfrei und unmissverständlich ausdrücken.

Einen zwar nicht bissigen, dennoch guten und treffenden Kommentar, der auch die Telekom nicht ausspart, hat heute übrigens die Tagesschau auf ihren Seiten. Er stammt von Burkhard Müller-Ulrich vom Deutschlandfunk und kann hier angehört werden. Für weitere Hintergründe empfehle ich zudem die Lektüre dieses Posts von Kai Raven.