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Kommt die ePA-Pflicht?

Was wir gerade aus den Koalitionsverhandlungen zum Thema Gesundheit hören müssen, ist mehr als gruselig. Datenschützer haben uns längst über die Gefahren der elektronischen Patientenakte aufgeklärt, unsre Daten sollen „aggregiert“ (wer’s glaubt, wird selig) an alle möglichen Privatunternehmen verkauft werden, Lauterbach konnte mit seinen feuchten Träumen von einer triagierenden KI nicht hinter dem Berg halten.

Die Widerspruchslösung gegen die ePA ist schon für sich genommen eine Frechheit, in einer freiheitlichen Demokratie wäre ein bewusster Opt-in der Patienten die ausnahmslos einzige gangbare Möglichkeit gewesen – Daten ohne die aktive Zustimmung der Patienten zu sammeln und zu verkaufen, stellt eine außergewöhnliche Dreistigkeit dar.

Erwartungsgemäß machten, soweit das bekannt ist, nicht viele Patienten von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch, je nach Krankenkasse zwischen etwa einem und fünf Prozent der Versicherten. Wirklich belastbare Zahlen konnte ich hier leider nicht ausfindig machen – was ja für sich genommen schon bemerkenswert ist.

Der Zwang zur Datensammlung und Offenlegungen – wir kennen ihn von den Diktaturen dieser Welt – soll nach dem Willen der Koalitionäre auch die elektronische Patientenakte betreffen: Unter der Zwischenüberschrift „Elektronische Patientenakte soll mit Sanktionen starten“ berichtet das Deutsche Ärzteblatt:

„Noch 2025 rollen wir die elektronische Patientenakte stufenweise aus, hin von einer bundesweiten Testphase zu einer verpflichtenden sanktionsbewehrten Nutzung“, heißt es in dem Ergebnispapier. Zudem solle der Austausch zwischen den Versicherungsträgern und Ärztinnen und Ärzten vereinfacht werden.

Sauber! Die Integrität der intimsten Daten eines Menschen, der Gesundheitsdaten, wird in Zukunft nicht allein von der Informiertheit des Patienten, sondern auch von dessen Geldbeutel abhängen. Denn die Sanktionen, die drohen, muss man sich auch leisten können. Bereits im Gespräch waren höhere Eigenleistungen beim Krankenkassenbeitrag der GKV.

Erst zum Jahreswechsel demonstrierte der CCC, dass die ePA-Infrastruktur ziemlich unsicher ist, um es mal vornehm und zurückhaltend zu formulieren und resümiert, dass das „Vertrauen in die elektronische Patientenakte (ePA) derzeit nicht gerechtfertigt ist“. Die Versicherten in diese unsicheren Strukturen zwingen zu wollen und diejenigen, die sich diesem gewinnbringenden Zwang zu entziehen suchen, dafür zu bestrafen, ist mit dem Charakter einer freien Gesellschaft jedenfalls nicht zu vereinbaren.

Was wird passieren? Es steht zu erwarten, dass Menschen aus (der wohlgemerkt berechtigten) Furcht vor „Aktenkundigkeit“ und Diskriminierung bestimmte (tabuierte oder als tabuiert erlebte) Erkrankungen, den Gebrauch bestimmter Suchtmittel, bestimmte Prädispositionen dem Arzt verschweigen werden. Es steht zu erwarten, dass dann diese Erkrankungen nicht adäquat behandelt werden, dass die Erfolge von Therapien anderer Erkrankungen gefährdet werden oder die Therapien ohne ärztliche Kenntnis dieser Umstände den Patienten selbst gefährden. Die EPA wird also nicht nur das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient belasten, sie birgt eine konkrete Patientengefährdung.

Schon jetzt ist klar: Der Zwang, an der ePA teilzunehmen (und sei es auch nur ein „milder“ ökonomischer Zwang), wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Menschenleben kosten. Dass, wie die Befürworter der ePA argumentieren, selbe Menschenleben rettet, darf, wie wir gelernt haben, nicht erwartet werden. Zwar bürdet die elektronische Patientenakte den Ärzten und dem Praxispersonal umfangreiche Dokumentationspflichten auf (für die im Arbeitsalltag dieser Berufsgruppen bekanntermaßen kaum Zeit zur Verfügung steht und die somit für den Patientenkontakt fehlt), sie ist strukturell aber kaum geeignet, im Notfall schnell und vor allem aktuelle und relevante Daten zu liefern, die Auswertung der Daten ist für den Arzt in sinnstiftender Zeit kaum möglich und der Zweck der Karte bleibt fraglich – um den Preis des nicht gerade geringen Risikos eines Abflusses persönlichster Daten in Kanäle, in die sie nicht gehören.

Der Fakt, dass die zukünftigen Koalitionäre ein so massives Interesse an unseren persönlichsten Daten haben, dass sie nicht vor der Sanktionierung Millionen Versicherter zurückschrecken, sollte uns alle aufrütteln! Es ist nicht zu spät, der ePA zu widersprechen, es dauert mit dem Widerspruchsgenerator auf der Seite widerspruch-epa.de nur wenige Minuten (und der Widerspruch kann in der Zukunft selbstverständlich wieder zurückgenommen werden). Wer auf der sicheren Seite sein möchte, widerspricht – und die Sanktionen müssen erst einmal kommen! Je mehr Menschen widersprechen, desto schwieriger lässt sich eine Sanktion derer, die einen sorgsamen und bedachten Umgang mit ihren Daten pflegen, politisch durchsetzen.

Mark my words…

Sehr frühzeitig hat die Bundeswahlleiterin darauf hingewiesen, dass der Wunschtermin des Kanzlers der Schande Friedrich Merz zu früh sei, um die Wahl in allen erforderlichen Punkten ordnungsgemäß durchführen zu können. Sie wurde abgekanzelt, man setzte diesen Sonntag als Wahltermin durch.

Turns out: Sie hatte natürlich recht. Tausende Auslandsdeutsche können an der Wahl nicht teilnehmen, sie haben bis heute ihre Wahlunterlagen nicht bekommen.
Das ist natürlich scheiße.

Mark my words: Wenn der Kanzler der Schande Friedrich Merz, die CDU, Putin & Co. mit dem Ausgang der Wahl zufrieden sind, wird nichts weiter passieren.

Enthält der neue Bundestag zu wenige Unionsabgeordnete und keine FDP mehr, ist die AfD (und auch das BSW) mit ihrem Wahlergebnis unzufrieden, Putin, Trump, Vance und Musk deshalb traurig, ist die Linke zu stark und bei sieben bis zehn Prozent – ja klar, dann müssen Neuwahlen her, da gibt es gar keine andere Möglichkeit!!1!!!11!
Der Fehler liegt natürlich nicht bei der CDU, das ist völlig unmöglich, verantworten muss sich die Bundeswahlleiterin, die man alsbald austauschen wird… Mark my words…

Friedrich Merz – Kanzler der Schande?

Merz kann es nicht. Wir müssen nicht erst die Kanzlerschaft Friedrich Merz abwarten, nein, wir können mit jedem Recht schon heute zweifelsfrei feststellen: Merz kann es nicht. Er ist als Bundeskanzler gänzlich ungeeignet.

Merz hat keinerlei Regierungserfahrung, und das ist ein schweres Manko. Einen Mann ohne Erfahrung an die Spitze des Staates zu stellen, ist nicht nur ein Fehler, ich halte es für dumm.
Dieses gewichtige Manko wurde in den letzten Wochen in der Debatte gerne und ausführlich apostrophiert – selbstredend zu Recht, es wiegt meiner Meinung nach aber noch am wenigsten schwer.

Ich persönlich halte Friedrich Merz für einen geistigen Brandstifter. 1997 stimmte er namentlich gegen ein Gesetz, mit dem die Vergewaltigung in der Ehe zum Straftatbestand erklärt wurde. Auch heute noch ist dieses Abstimmungsverhalten unentschuldbar und kann nicht mit dem damaligen „Zeitgeist“ begründet werden. Es ist eine zutiefst verachtenswerte und von herzensgebildeten Menschen grundsätzlich abzulehnende Haltung, die Merz hier an den Tag legte. Menschenverachtend auch sein Kommentar aus dem Jahr 2001¹ zur Homosexualität des damaligen Berliner Oberbürgermeisters Klaus Wowereit: „Solange er sich mir nicht nähert, ist mir das egal“.
Springen wir von diesen frühen Ausfällen in die Gegenwart. Auch hier zeigt sich Merz regelmäßig von der unangenehmsten Seite. 2022 (am 26. September bei Bild-TV) sagte Merz über ukrainische Geflüchtete: „Wir erleben mittlerweile einen Sozialtourismus dieser Flüchtlinge: nach Deutschland, zurück in die Ukraine, nach Deutschland, zurück in die Ukraine“. Das war aber freilich nicht die einzige rassistische Grenzüberschreitung. Knappe vier Monate später in der Sendung von Markus Lanz dann die „kleine Paschas“-Entgleisung (10. Januar 2023, ZDF). Merz distanzierte sich von dieser Beleidigung nie. Am 27. September 2023 dann bei „welt.tv“ die nächste rassistische Aussage, als Merz über abgelehnte Asylbewerber sagte: „Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine“.

All diese Verfehlungen – selbstredend gibt es noch zahllose weitere – sind kein bloßer Tritt ins Fettnäpfchen. Vielmehr legen sie in erschreckender Kontinuität Zeugnis von der Geisteshaltung Merz ab – und nähren so die Feststellung der mangelnden Eignung dieses Mannes als Bundeskanzler. Doch mehr:

Über die vielfältigen Lobbyismus-Verstrickungen Merz ist viel und intensiv berichtet worden. Dieser Teil seiner beruflichen Vita ist selbstredend eines Bundeskanzlers ebenfalls nicht würdig. Beispielshalber sei hier nur auf den Correctiv-Artikel „Der Mann der Großkonzerne“ verwiesen.

Auch charakterlich scheint Merz ganz offensichtlich nicht zum Kanzler geeignet zu sein, wie die Geschichte um seinen verloren gegangenen Laptop, den ihm ein Obdachloser wiederbrachte, beredt belegt.

Merz ist diesem Amt schlicht nicht gewachsen. Gysi hat sowohl in einem Video der Zeit als auch in seinem Podcast mit zu Guttenberg darauf hingewiesen, dass Merz zu sehr in der Kränkung verstrickt ist, die ihm Merkel zufügte, als sie ihn politisch „kaltstellte“. Gekränkte Narzissten sind gefährlich, weil sie, werden sie durch einen Trigger an das Kränkungsgefühl erinnert, unberechenbar und überemotional reagieren. Politik ist ein hartes Geschäft, Außenpolitik im Besonderen. Ein Mann wie Merz, der in der vorgenannten Gefahr steht, ist daher nicht geeignet, Spitzenpolitik zu betreiben. Er ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu emotional, irrational und damit für dieses Amt schlicht zu instabil. Sachliche Politik darf unter diesen Bedingungen ebenso wenig erwartet werden.

Die Kränkung Merz darf man aber nicht allein auf die personellen Entscheidungen Merkels reduzieren, sie wurzelt tiefer: Merz war für die CDU immer dritte Wahl, ein Makel, der auch dann an ihm haften bleibt, wenn er Kanzler wird. Die schwere intellektuelle und personelle Krise des deutschen Konservativismus ermöglichte es erst, dass Merz überhaupt Kanzlerkandidat der CDU werden konnte; seine Kandidatur ist für mich daher der Offenbarungseid des deutschen Konservativismus.

Das alles ist schlimm genug. Doch ein Sündenfall, daran muss erinnert sein und immer wieder erinnert werden, wiegt so schwer, dass es nicht vermessen scheint, von Merz, so denn er Kanzler wird, und dafür spricht ja leider einiges, als dem Kanzler der Schande zu sprechen. Der unentschuldbare Tabubruch, erstmals bewusst, sehenden Auges, mit den Stimmen der (offiziell in Teilen) rechtsextremen AfD eine parlamentarische Mehrheit (für einen obendrein auch noch völlig überflüssigen CDU/CSU-Antrag zur Migrationspolitik) zu organisieren, hat eine historische Dimension. War es bislang demokratisch gelebte Praxis und Konsens, mit Rechtsextremen nicht gemeinsame Sache zu machen, hat Merz diese eherne Regel gebrochen, diese Brandmauer eingerissen.

Merz hat sich damit bewusst und unverkennbar aus der politischen Mitte entfernt und sich und seine Partei ins rechte bis rechtsextreme Lager gestellt. Dieser historische Tabubruch ist eine Schande für Deutschland – Merz ist, so denn er zum selbigen gewählt wird, der Kanzler der Schande.

Da fällt dann schon kaum mehr ins Gewicht, dass Merz Gattin als „First Lady“ eine Bürde wäre, wirkt sie doch öffentlich unnahbar, hölzern und abweisend. Ihr verhärmt wirkendes Auftreten verhindert jede Bildung von Sympathie, es darf bezweifelt werden, ob sie ihrer (wenn auch selbst nur impliziten) Rolle als First Lady gerecht werden kann.

Es steht leider zu befürchten, dass Merz Kanzler wird, ein Umstand, der nicht nur mich beschämt – ein Umstand, der jeden Demokraten beschämen muss.

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¹ aus Bunte, 6. Dezember 2001

Können öffentliche safer spaces politikfrei sein?

Ich möchte Euch eine kleine Begebenheit erzählen: Ich war vorletzten Sonntag auf einem Konzert einer deutschen Band in der Würzburger Posthalle (keine Sorge, jetzt kommt keine Konzertkritik, das Konzert war für sich genommen ziemlich okay). Ein wenig genervt hat mich, dass die beiden Frontherren das Publikum mit Takes abgeholt haben, die eigentlich selbstverständlich sind; dass Rassismus und die AfD scheiße sind und man im Circle keine anderen Leute begrapschen soll, braucht man auch dem ländlich-sittlichen Würzburger Publikum nicht zu erklären, das sind Nobrainer, mit denen man sich Applaus abholt – mehr wird man damit nicht erreichen können.

Was mich unter den Nobrainer-Salven aber richtig aufgeregt hat, waren ein paar Takes, die ungefähr so gingen (aus dem Gedächtnis zitiert, wohlgemerkt): „Ja, da draußen geht gerade ziemlich viel Scheiße ab, Krieg und Nazis und die AfD und auch in unserem Freundeskreis gibts da Leute, die damit nicht gut klarkommen und Probleme mit der Psyche bekommen, vielleicht depressiv werden und deshalb redet bitte mit Freunden und wenn das nicht hilft, dann geht doch auch bitte in Therapie.“ Applaus. „Wir jedenfalls wollen hier einen safe space bauen, wo das alles nicht so die Rolle spielt, lasst uns feiern und jetzt kommt auch schon der nächste Song..“. Applaus. Dann wird der Song „Frieden durch Lärm“* gespielt.

In diesem Moment denke ich mir nur noch: „WTF!1!11!“ Vielleicht hat es sich bis zu den Musikanten noch nicht herumgesprochen, dass man hierzulande nicht selten über ein halbes Jahr auf einen Therapieplatz wartet. Well okay, so sprechen halt privilegierte Leute, daran hat man sich gewöhnt und das ist möglicherweise in diesem Kontext auch nicht weiter schlimm. Was für mich aber wirklich nicht mehr passt, ist, sich auf der einen Seite politisch zu gerieren und auf der anderen Seite dann zu sagen „Aber hier ist ein safe space, da bleibt Politik draußen, geht später an den KBAN-Stand und deckt Euch mit Antifa-Merch ein“ (ich habe das gerade ein wenig karikiert, aber im Grunde sind alle Aussagen unmissverständlich so gelaufen).

An dieser Stelle ist die kleine Anekdote auch schon zu Ende. Im Prinzip könnte es mir wurscht sein, aber ich erlebe gerade in unseren gegenwärtigen, politisch wirklich zum Zerreißen angespannten Zeiten nicht nur auf Konzerten, sondern auch und gerade im social web eine „Gegenbewegung“, deren oberstes Anliegen ist, Kultur- und Diskussionsräume mal charmant, mal silencend, mal verbal durchaus gewaltvoll zur „politikfreien Zone“ zu erklären und das auch durchzusetzen. Die Beweggründe für dieses Vorgehen werden sehr schnell in den Vordergrund gestellt – es gehe hierbei um die Schaffung eines Schutzraums für Menschen mit psychischer Erkrankung, Behinderung oder besonders erhöhter Sensibilität.

Zuerst einmal muss an dieser Stelle gesagt sein, dass es nicht in meinem Interesse ist, die vorgenannten Personengruppen zu „triggern“ oder in irgendeiner Weise mit schwierigem Material so zu beaufschlagen, dass sie dadurch belastet sind. Es muss im Sozialbereich, im Beratungsbereich, im Bereich der Kliniken und Therapiezentren, der Einrichtungen der Rehabilitation… freilich Bereiche geben, die Patienten vor solchen Themen dahingehend bewahren, dass eine Rekonvaleszenz möglich ist. Vergleichbare Schutzräume kann und sollte man sich im Bedarfsfall als Betroffener selbstredend auch im Privaten schaffen und hier in dem Sinne gut für sich sorgen, nur mit der Dosis „Politik“ in Berührung zu kommen, die den eigenen Gesundungsprozess nicht negativ beeinträchtigt. Dies alles steht nicht infrage und stand und steht unter (herzens-)gebildeten Menschen selbstredend auch nicht zur Disposition. So gesehen ist die Existenz solcher „Schutzräume“ ja eigentlich sogar mehr, sie ist ein inklusives Gut.

Die „soziolgisch“ definierten Schutzräume, korrekter wohl „safer spaces“, können einer solchen Anforderung, indes nicht wirklich gerecht werden.

Wie aber verhält es sich dann in der Öffentlichkeit? Auf einem Konzert, auf einer Kulturveranstaltung, im Bereich des Sports? Wie verhält es sich im Bereich der sozialen Medien? Wünschen wir, eine notwendige politische Debatte hier auszuklammern? Oder dort, wo sie sich nicht ausklammern lässt, nur oberflächlich zu streifen? Gerade die Kultur ist (betrachtet man es genau seit einigen tausend Jahren) ein gutes und wichtiges Debatten- und Verhandlungsfeld politischer Positionen und Realitäten. Nicht ganz zu Unrecht enthält die safe space-Definition der Wikipedia, die ich oben verlinkte, den Begriff Empowerment – und Empowerment ist für mich explizit der politische Prozess der Selbstbemächtigung.

Ein Ausklammern politischer Themen in den gerade genannten Bereichen kann, das möchte ich gar nicht in Abrede stellen, eine sehr angenehme Erfahrung sein. In den Pandemiejahren haben viele von uns den Kontakt zu und das Vertrauen in Freunde, Bekannte, Verwandte, Arbeitskollegen… verloren, weil diese plötzlich begannen, die Pandemie, den Klimawandel zu leugnen, esoterisches und rechtsextremes Gedankengut zu verbreiten, weil sie Impfgegner wurden, faschistische Parteien wählten und deren Positionen teilten. Diese Trennungen waren nötig, sie waren richtig, es ist völlig legitim und auch notwendig, solche Leute nicht nur von sich, sondern auch vom Rest der solidarischen Gesellschaft auf Abstand zu halten. Auch dies steht nicht infrage, stand zu keinem Zeitpunkt infrage. Aber es tut natürlich weh – es induziert einen Schmerz, den niemand fühlen möchte (einen Schmerz, den man – ich nehme es an dieser Stelle vorweg – notwendigerweise aber aushalten muss – leider).

Wie schön wäre angesichts dieses Schmerzes und angesichts der immer schwieriger überbrückbaren Meinungspolarisation in der Gesellschaft ein politikfreier Raum, in dem alles schön blushy und cosy wäre, in dem alle, ob Esos, Faschos, Pandemieleugner, TERFs…, Kapitalisten aber auch eben die „coolen“ und „lässigen“, toleranten und liebevollen Leute sich egalitär, völlig ungezwungen über Technik austauschen könnten, labern, feiern, tanzen, saufen oder kiffen könnten. Geile Vorstellung eines idealen Ortes „auf Zeit“?
Wir wissen, wohin das führen wird, wir wissen alle, dass das nicht funktionieren kann, wir sind uns alle gewahr, dass ein politikfrei-reglementierter Ort auch keinen sinnstiftenden Beitrag zur Überwindung gesellschaftlicher Gräben leisten kann. Die Geschichte lehrt: Gewährt man Faschos, Nazis, Esos, Pandemieleugnern, TERFs… Raum, werden sie ihn an sich reißen und alle, die nicht ihrem Denken entsprechen, an den Rand drängen, mundtot machen, ausschließen, sie diskriminieren, sie gettoisieren und sie in letzter Konsequenz sogar töten. Wir kennen das, wir wissen das und wir wissen, dass der Kampf gegen diese Personen und ihre Denke ein fortdauernder Prozess ist und in für uns abzusehender Zeit auch nicht zu Ende sein wird.

Es ist ein Dilemma: Menschen mit psychischer Erkrankung und Behinderung sind Marginalisierte und müssten gegen diese Politik kämpfen, haben dafür aber eben oft auch nicht die entsprechende Kraft. Teil dieses Dilemmas ist auch, sich wegen dieser fehlenden Kraft und der deshalb vermeintlichen Aussichtslosigkeit des Unterfangens vor diesem Themenkomplex schützen zu wollen. Das ist nur allzu verständlich, aber ist es auch sinnvoll?

Gibt es ein Recht auf „Sich-nicht-engagieren“? Ja. Natürlich. Darf ich dieses eigene Recht auch anderen aufoktroyieren? Selbstverständlich nicht. Gibt es ein Recht auf Resignation? Ja, auch das. Aber wir dürfen unsere Resignation nicht anderen überstülpen und dabei genau jene Räume verengen, in denen Strategien entwickelt werden können, Veränderung zu gestalten und ein Antidot gegen die Resignation zu finden.

Menschen mit psychischer Erkrankung und Behinderung sind Marginalisierte und müssten gegen diese Politik kämpfen, denn sie würden mit als erste Opfer rechter, rechtsextremer, populistischer, neoliberaler und rechtslibertärer Politik. Auch diese Erkenntnis schmerzt, auch dieser Schmerz wird nicht dadurch geringer oder gar geheilt, wenn wir versuchen, uns ihm zu entziehen.

Eine Lösung dieses Problems liegt also nicht in der immer weiter um sich greifenden Ausklammerung politischer Realitäten aus dem eigenen Erlebensraum, sondern sich solidarische Unterstützer im politischen Kampf zu organisieren, die selbst dann an der eigenen Seite kämpfen, wenn man selbst keine Kräfte, keine Ressourcen hat. Alles andere überlässt denen den Raum, die es schlecht mit einem meinen.

Ich denke, wenn wir von safer spaces sprechen, dann sind diese für Marginalisierte safe, aber sie sind dennoch immer politisch. Präziser: Es gibt wohl keine unpolitischen Orte, aber Orte, die als „unpolitisch“ apostrophiert werden, können grundsätzlich keine safer spaces sein.

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*bitte an dieser Stelle nicht missverstehen: Das ist keine Kritik am Song „Frieden durch Lärm“, das soll auch keine tiefer reichende Kritik an der Band Lumpenpack sein, das ist ein völlig okayer und absolut harmloser Popsong, damit bin ich fein. Ich kann sogar den Kontext der Ankündigung nachvollziehen, teile das Gesagte aber inhaltlich nicht.

Monatsrückblick Januar 2025

Neues Jahr, neue Vorsätze: Ich schrieb gerne die Wochen- oder Zweiwochenrückblicke, habe aber leider nicht immer die Zeit, das in der Regelmäßigkeit zu tun, die so ein Wochenrückblick eigentlich erfordert. Einige kleine Notizen über Alltägliches und Nichtalltägliches aber sollen dennoch nicht verloren gehen – und so möchte ich den unregelmäßigen Wochenrückblick in einen regelmäßigen Monatsrückblick überführen. Das geht freilich sehr zulasten der Aktualität, dessen bin ich mir bewusst. Vielleicht ist das aber auch ein sinnstiftender Filter, durch den allzu generisches und kurzlebiges rutscht. Wir werden sehen, wohin die Reise führt – aber ein Anfang soll mit diesem Post gemacht sein.

  • einen beschisseneren Start ins Jahr hätte das aus Perspektive des Datenschutzes reinrassige Katastrophenprojekt „elektronische Patientenalte“, auch als „elektronische Gesundheitsakte“ bekannt, kaum haben können. Der für jeden Versicherten, der nicht aktiv widerspricht, zwangsverordnete Daten-GAU ist mit reichlich primitiven Mitteln „hackbar“, in der Pressemitteilung des Chaos Computer Clubs vom Kongress Ende Dezember sagt mit berechtigterweise leicht süffisantem Unterton: „Zudem demonstrieren die Forscher, wie Mängel in der Spezifikation es ermöglichen, Zugriffstoken für Akten beliebiger Versicherter zu erstellen. Dies ist möglich, ohne dass die Gesundheitskarten präsentiert oder eingelesen werden müssen. Damit hätten Kriminelle auf einen Schlag Zugriff auf mehr als 70 Millionen Akten.“ Wer der ePA bislang nicht widersprochen haben sollte – es ist nun allerhöchste Zeit!
  • Dazu ein den Blick in eine wichtige Richtung erweiternder Einwurf von Enno Park, den ich hier einfach mal übernehme: „Rund um die #EPA Debatte fällt mir etwas auf: Manchen Menschen ist offenbar nicht klar, dass viele Patient*innen eben KEIN Vertrauensverhältnis zu einigen ihrer Ärzt*innen haben, diese aber aufgrund ihrer Erkrankung und gesellschaftlicher Zwänge trotzdem aufsuchen müssen.“
  • Im Zuge der Causa um den von Zuckerberg bei Facebook USA abgeschafften Faktencheck muss ich doch mal einige Sätze loswerden, weil mich das Thema echt aufregt: „fact checking“ ist nichts anderes als ganz basales journalistisches Handwerkszeug. Aussagen von Personen werden recherchierbaren Fakten gegenübergestellt, damit sind Aussagen klar verifizierbar oder falsifizierbar. Hier dreht es sich ganz bewusst nicht um eine Einordnung oder eine Kommentierung von Meinungen. Hierzu wendet man Mittel der Quellenprüfung, Recherche, Gegenrecherche, Auswertung wissenschaftlicher Quellen… an. Fact checking kann man übrigens lernen – ich zum Beispiel habe das man an der Journalistenschule gelernt. Es geht einem quasi in Fleisch und Blut über. Wenn Aussagen falsifiziert werden, rückt das die Person, die diese Aussagen getätigt hat, nicht selten ins Licht des Lügners. Oft darf man diese Personen dann auch mit Fug und Recht als solche bezeichnen, nicht immer ist das allerdings Intention gewesen, nicht immer wurde bewusst gelogen. Deswegen ist das Ergebnis eines Faktenchecks erst mal auch nur das: Eine Verifikation, eine Falsifikation. Leuten, die gerne und vorsätzlich lügen, tut das natürlich weh. Mit Benennung aller herangezogener Quellen weist der Faktencheck sich nicht nur als handwerklich korrekt durchgeführt aus, sondern sorgt gleichzeitig für große (und nicht selten ebenfalls schmerzliche) Transparenz. Was können notorische Lügner dem Faktencheck entgegenstellen? Eigentlich nichts. Aber aus diesem Dilemma finden Lügner einen sehr einfachen „Ausweg“, indem der Faktencheck (unberechtigterweise) als „tendenziös“ gebrandmarkt wird. Das ist alles erwartbar und erklärlich. Wenn aber Journalisten wider besseren Wissens in das gleiche Horn stoßen, dann wird es bedenklich. Sehr geärgert habe ich mich über einen Kommentar in der FAZ vom bekanntermaßen sehr konservativen Konservativen Jasper von Altenbockum, der da schreibt: „Die „Wahrheit“, der damit zum Durchbruch verholfen werden soll, ist auffällig oft – wenn es nicht gerade um die Gegendarstellung zu Lügen staatlicher Propaganda (Russlands) geht – die Wahrheit linksliberaler Hegemonie. Ob Migration, Klima, Energie, Soziales, Gender – man kann jeweils darauf wetten, dass der „Faktencheck“ zum Gesinnungscheck wird“. Herr von Altenbockum müsste es eigentlich besser wissen. Dabei hat er meines Erachtens mit der Analyse, der Rückzug vom Fact Checking bei Facebook in den USA ließe „sich mit ein wenig Übertreibung als Kotau vor grassierendem Trumpismus bezeichnen“ doch ganz recht (auch ohne Übertreibung). Fact checking als „Mode“ und „Mittel des politischen Meinungskampfs“ zu bezeichnen, ist, wie gerade dargelegt, freilich nicht aufrichtig.
  • Das stützt meine seit gut zwei Jahren immer wieder postulierte und an inzwischen unzähligen Punkten bestätigte Theorie: Der deutsche Konservativismus steckt in der schwersten intellektuellen Krise seit Hugenberg.
  • „Früher habe ich immer gedacht, das Unrealistischste in Bond-Filmen seien die durchgeknallten Super-Milliardäre, die die Weltherrschaft anstreben. Heute weiß ich: Das Unrealistischste in Bond-Filmen sind wohl eher effizient arbeitende staatliche Institutionen und mutige, mit den nötigen Mitteln ausgestattete Einzelakteure, welche durchgeknallte Super-Milliardäre davon abhalten, die Weltherrschaft anzustreben.“ /via
  • Ein faschistischer Begriff, nämlich „biodeutsch“, wurde zum Unwort des Jahres 2024 gewählt. Das ist wichtig und richtig, ebenso wichtig ist aber auch, herauszustellen, dass die Gastjuroren „importierter Antisemitismus“ zu ihrem Unwort kürten – aus bekannten Gründen.
  • In einem Beitrag auf X (ehemals sehr aktiv dort, verzichte ich mittlerweile auf eine Verlinkung dorthin, kein Traffic für Elmo!) trifft man seitens der Amadeu Antonio Stiftung den Nagel auf den Kopf: „2024: „biodeutsch“; 2023: „Remigration“; 2022: „Klimaterroristen“; 2021: „Pushback“; 2020: „Corona Diktatur“; 2019: „Klimahysterie“. Die Liste der Unwörter des Jahres zeigt die rechtsextreme und demokratiefeindliche Diskursverschiebung der Bundesrepublik im Zeitraffer.
  • Wieder einen Schritt näher an der Apokalypse: Die Maul- und Klauenseuche ist zurück.
  • Dog whistle 88.
  • Trump labert bei seiner Inauguration faschistische Scheiße. Das stand im Prinzip zu erwarten, dass er dabei allerdings derart aus dem Rahmen fällt, hat etliche Kommentatoren dann doch verwundert. Das unfreiwillig beste Statement hat der Simultandolmetscher bei Phoenix rausgehauen (Vorsicht, Link geht zu X, via fefe).
  • Währenddessen zeigt Musk den Hitlergruß. Während gerade deutsche Medien darüber rätseln, ob das nun tatsächlich ein Hitlergruß oder nur eine „ähnliche Geste“ war, versteht der Rest der Welt die unmissverständliche Dogwhistle. Wobei, das war keine, das war eindeutig. Wer den Hitlergruß Musks nicht als solchen erkennt, will ihn nicht erkennen, wider besseres Wissen.
  • Zu Musk eine treffende Analyse der taz: „Elon Musk setzt sein Geld ein, um einen digitalen Faschismus voranzutreiben – auch in Deutschland.“
  • Ich muss an dieser Stelle hier mal einen Gedanken reinwerfen: Der Grund, warum ich mir die (in meinem Falle durchaus knappe) Zeit nehme, wieder verstärkt zu bloggen, hat freilich auch, über Bande, mit Musk zu tun. In der Vergangenheit habe ich sehr viel Content in Social Media, besonders in Richtung Twitter, abfließen lassen. Der ist nun unweigerlich verloren – oder in falschen Händen, sucht es Euch raus. Auch wenn ich nun im Fediverse recht aktiv bin, gibt es ja keine Garantie, dass sich das in den nächsten Jahren noch trägt. Wohl dem, so denke ich, der sein altes Blog noch nicht plattgemacht hat – hier hat man seine Inhalte nicht aus der Hand gegeben – und folglich sind sie noch da. Wer also noch ein altes Blog irgendwo herumidlen hat: Reaktivieren!
  • Man hätte es ja voraussehen können, dass die ersten politischen „Initiativen“ von den amerikanischen Gerichten kassiert werden. Sie bekamen, was sie verdienten.
  • Sehr spannender Longread von Correctiv: „Der Mann der Großkonzerne: Das Lobby-Netzwerk von Friedrich Merz“
  • Möglicherweise werden wir uns irgendwann mit eine milden Lächeln an diese krass kuriose Golf-von-Mexiko-Nummer erinnern. Kuriositäten-Level des Tages: „Weil der neue US-Präsident einen hunderte Jahre alten Namen für eine Meeresbucht geändert hat, behandelt Google Maps sein Land intern nun wie autoritäre Regime“. Nun, das ist erstmal ja eine zutreffende Kategorisierung.
  • Ich kriegs nur bruchstückhaft wiedergegeben, aber: Gestern habe ich zufällig ins Deutschlandradio reingeschaltet. Kurzer Bericht, demzufolge DeepSeek das Modell von ChatGPT bei Weitem übertreffe. Die hierfür wohl notwendigen Prozessoren von Nvidia sind von einem Embargo seitens der USA betroffen. China hat das dann (möglicherweise) mit einer alten Prozessorgeneration gewuppt. Analyst 1: „Das musste so kommen, in China sind weltweit die meisten Wissenschaftler an der Entwicklung von Sprachmodellen dran, insofern war es statistisch zu erwarten, dass die Chinesen dieses Niveau mit alter/eigener Hardware hinbekommen.“ Analyst 2: „Nun sind die USA auch in Sachen AI deutlich im Hintertreffen, das kriegen sie in sinnstiftender Zeit auch nicht mehr aufgeholt.“
    Irgendwie fühle ich mich ja in meiner seit wenigstens fünfundzwanzig Jahren postulierten Meinung, dass Wirtschaftsembargos noch nie was genutzt haben, bestätigt. Keine Chips von den Ammis? We don’t give a fuck, wir werfen da Brainpower drauf, bauen das Ding einfach besser und mit einem Bruchteil des Geldes, das Altman und Konsorten da verbraten haben. Wir waren nicht die Ersten? Wen’s schert – wir müssen nicht die Ersten, sondern die besten sein. Ich würde heute ja keinen roten Heller mehr in Ammi-Tech investieren, das ist Geldverbrennung. Das Zeug, was die liefern, ist wie so ein alter Straßenkreuzer: Säuft viel, ist ineffizient, schwer und langsam, alte Technik wird durch viel Blech kaschiert. Ein Präsident wie Trump passt da ausgezeichnet dazu. Und über die wirtschaftlichen Auswirkungen schreibt  fefe ein paar Zeilen.
  • Sauft ihr gerne Coca-Cola? Das ist wohl gerade keine gute Idee.
  • Bedauerlicherweise ist es ja nicht ausgeschlossen, dass Friedrich Merz der nächste Bundeskanzler wird. Wird er es, so ist er von Tag Eins seiner Kanzlerschaft an der Kanzler der Schande. Mithilfe der AfD setzt Merz europarechtswidrige Migrationsgesetze durch. Er fungiert damit nicht nur als Steigbügelhalter der Faschisten, sondern stellt sich in eine Reihe mit den Trumps und Orbans dieser Welt (und anderem Gelichter). Das ist nicht nur ein „Tabu“-; das ist ein Dammbruch und ein handfester Schlag ins Gesicht jeder Demokratin und jedes Demokraten.
  • …und schon rücken die ersten CDUler von Merz ab, darunter Merkel und Daniel Günther.
  • Man muss kein Prophet sein, um festzustellen: Merz kann es nicht. Über Merz muss ich mal was Längeres schreiben, da fehlt mir gerade aber ein wenig die Zeit. Er hat seine Abstimmung jedenfalls verloren, den Schulterschluss mit den Faschisten hat er trotzdem versucht… der Mann ist wirklich übel. Aber dazu beizeiten mehr…

Nürnberg: Spontandemo gegen Rechtsextremismus, CDU, AfD und FDP am heutigen Donnerstag

Es war ja quasi zu erwarten, auch wenn viele vielleicht noch gehofft haben, dass es doch noch anders kommen möge, dass auf Seiten der CDU die Vernunft siegen möge… Der Dammbruch ist geschehen, der seit gestern mit Fug und Recht als solcher zu bezeichnende Steigbügelhalter der Faschisten, Friedrich Merz, brach sein Versprechen und paktierte, ohne mit der Wimper zu zucken, mit den Faschisten.

Das ist nicht weniger als ein dreckiger Faustschlag ins Gesicht jeder Demokratin und jedes Demokraten.

Und dagegen geht es bereits am heutigen Donnerstag, den 30. Januar 2025 unter dem Motto „Solidarität statt Hetze“ auf die Straße.

Trefferpunkt ist der Hallplatz in Nürnberg
Uhrzeit: 18.30 Uhr.

Zu dieser Spontandemonstration rufen unter anderem auch die Stadträte der Nürnberger Linken, Kathrin Flach-Gomez und Titus Schüller auf. In ihrem Aufruf heißt es: „CDU/CSU und FDP arbeiten inzwischen ganz offen mit den Nazis von der AfD zusammen und hetzen gegen arme sowie geflüchtete Menschen. Gemeinsam verabschieden sie [am gestrigen] Mittwoch einen Antrag für die pauschale Zurückweisung von Asylsuchenden an den Grenzen. Wie schon einmal kooperieren Konservative ganz offen mit Nazis.
Wir haben es satt, dass arme und geflüchtete Menschen als Sündenböcke für eine gescheiterte Politik herhalten müssen. Sie tragen nicht die Verantwortung für steigende Mieten, niedrige Löhne, schlechte Renten und hohe Preise. Es braucht Lösungen statt Sündenböcke!
Wir gehen auf die Straße, um unser Grundgesetz und die Würde aller Menschen zu verteidigen“.
Auch das Nürnberger Bündnis Nazistopp ruft zur Teilnahme auf.

Digitalpolitik: Was steht dazu in den Wahlprogrammen der Parteien?

Nachdem die FDP die gegenwärtige Bundesregierung mit Ansage gesprengt hat, stehen uns ja zeitig Neuwahlen ins Haus. In der allgemeinen Berichterstattung fällt ein wenig unter den Tisch, was in den Wahlprogrammen der Parteien zu den digitalpolitischen Themen zu lesen ist und wie sinnvoll oder weniger sinnvoll die dort unterbreiteten Vorschläge sind.

Diese Lücke schließt die aktuelle „Sendung“, genauer gesagt der Podcast Chaosradio – für mich waren es knappe zwei Stunden gut aufbereiteter Information. Große Überraschungen erleben wir freilich nicht, doch es ist gut, abermals von Augen geführt zu bekommen, welche Partei welche groben Ideen zum Thema KI, digitale Infrastruktur, Chatkontrolle, anlasslose Massenüberwachung… hat.

Wer knappe zwei Stunden erübrigen kann, erhält kompakt die wichtigsten Informationen, gut und verständlich aufgearbeitet. Zu loben ist an dieser Episode des Chaosradios zudem, dass die Position der AfD unberücksichtigt bleibt, weil die Positionen von Rechtsextremisten schlicht nicht zu berücksichtigen sind.

Einige Stimmen von Bluesky nach der US-Wahl

Mit dem heutigen Tag ist Nordamerika verloren. Endgültig verloren als stabiler Handelspartner, als Kooperationspartner in internationalen Sicherheitsfragen und freilich auch weitestgehend kulturell. Heute haben sich die USA letztlich komplett von der internationalen Bühne abgemeldet. Kaputt ist nun nicht nur kaputt, die USA sind irreparabel kaputt – verloren. Der Kapitalismus hat sich selbst erledigt, wie zutreffend die Marxschen „Prophezeiungen“, nichts anderes als wissenschaftliche Erkenntnisse, eintreten, erstaunt aber selbst mich.

Mich wundert auch, dass kaum einer in der Lage ist, klar zu formulieren, was alle wissen und jeder sieht: Der erneute Trump-Sieg ist Produkt des tief in der Krise befindlichen Kapitalismus, der gerade ungebremst in den Abgrund steuert. Und dennoch – einige Statements von Bluesky finde ich be- und überdenkenswert und stelle sie Euch daher hier zur Verfügung.

Wie unendlich im Arsch das alles ist. Das ist zwar undifferenziert – aber es stimmt einfach. — @holgertiedemann.bsky.social

Der selbsternannte „Homo sapiens“ hat es offensichtlich nicht besser verdient. — @quazanga.bsky.social

Was, wenn wir die vernünftigsten, empathischsten und demokratischsten Zeiten der Menschheit bereits gesehen haben? — @sixtus.net

Die demokratischen Politiker und Politikerinnen, die seit den 80er Jahren ihre Länder auf neoliberal umgestellt und ihre Macht an das Wachstum der neoliberal ausgerichteten Wirtschaft geknüpft haben – müssen jetzt ein selbstkritisches Resumée ziehen und konsequent das Gegenmodell aufbauen. — @liesemueller.bsky.social

Jeder, wirklich jeder ist nur eine einzige Erkrankung/ Beinträchtigung/Andersartigkeit davon entfernt, vor einem Wahlsieg eines Menschen wie Trump richtig massive Angst haben zu müssen. — @budsen.bsky.social

„Ausländer raus“, „Frauen an den Herd“, „Wissenschaft lügt“ usw.
Solche Parolen sind die Sieger der wichtigsten Wahl im Jahr 2024.

Die Aufklärung rotiert im Grab! — @janskudlarek.bsky.social

Heute & die nächsten Wochen sind ein guter Zeitpunkt, in einen Verein, eine Stadtteil-Initiative, eine Gewerkschaft einzutreten oder sich in Schule, Kita oder Kirche zu engagieren. Das stärkt demokratische Strukturen vor Ort & selbst wenn es oft nervig ist, stärkt es auch einen selbst. — @tinido.bsky.social

Das Gebot der Stunde heißt Antifaschismus.
Jetzt erst recht. — @robertfietzke.bsky.social

Was für eine beschissene Welt, in der wir leben. Diese Wahl wird alles noch viel schlimmer machen. Für Abermillionen Menschen in den USA und darüber hinaus ist sie ein Albtraum, während sich faschistische Tech-Milliardäre, Autokraten und Kriegsfürsten auf der Siegerstraße wähnen. — @robertfietzke.bsky.social

In den USA zeichnet sich gerade ab, was passiert wenn
1. die Presse Faschisten und Straftäter verharmlost und normalisiert
2. juristisch nicht dafür gesorgt wird, dass Demokratiefeinde kein öffentliches Amt bekleiden dürfen.
Germany, are you watching? — @mrmads.bsky.social

Was mir am meisten Angst macht an den USA ist, dass Konservative und Rassisten es geschafft haben, medial, bildungspolitisch und gesellschaftlich, dass für über 50% der Menschen, Wissenschaft und Fakten bedeutungslos wurden.

Sie leben in einer Traumwelt aus Lügen und Hass.

Vollkommen absurd. — @realalbundy.bsky.social

Am 26. Juli dieses Jahres sagte Donald Trump:

In four years, you don´t have to vote again.

Willkommen in der Diktatur. Adieu, USA.

Elektronische Patientenakte: Widersprechen!

Dieser Tage erreichte mich ein Schreiben der Ortskrankenkasse, in dem man mir mitteilte, dass bereits Anfang nächsten Jahres die sogenannte elektronische Patientenakte kommen wird. Genau genommen wird sie ja nicht kommen, es gibt sie bereits heute – allerdings nur für all jene, die sie sich proaktiv bei ihrer Krankenkasse haben freischalten lassen. Und das haben, aus gut nachvollziehbaren Gründen, bislang nur sehr wenige Versicherte getan.

Nun, auch das ist Teil des Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens, muss man aber, wenn man keine zentral gespeicherte elektronische Patientenakte haben möchte, aktiv bei der Krankenversicherung widersprechen – in meinen Augen ein Ärgernis. Denn damit steht zu erwarten, dass viele Mitbürger, die entweder nicht verstehen, worum es geht, die Information aufgrund sprachlicher oder anderer Barrieren nicht under nur unzureichend erhalten haben, kein Interesse an der Thematik haben oder sich gegenwärtig einfach noch nicht entscheiden wollen (was eigentlich jedermanns gutes Recht ist), in die Akte gezwungen werden.

Gegen die ePA spricht so manches – ich kann hier natürlich nur meine persönlichen Bedenken artikulieren und keine allgemeinen Ratschläge erteilen, so zum Beispiel, dass ich in eine zentrale Speicherung meiner sensiblen Gesundheitsdaten keinerlei – wirklich absolut keinerlei – Vertrauen habe. In Deutschland sind große IT-Projekte in der Vergangenheit regelmäßig mit Ansage und Anlauf (nennen wir es mal euphemistisch) verkackt worden. Funklöcher allerorten, das gescheiterte PKW-Mautsystem, De-Mails, die kaum Akzeptanz genießen…, die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Eine zentrale Datenhaltung so sensibler Daten wie Gesundheitsdaten verbietet sich meines Erachtens, denn wer wollte schon für die Sicherheit und Integrität dieser Daten ernsthaft garantieren? Und wir alle wissen: Wo ein Trog ist, da kommen die Schweine. Diese große Datensammlung ist sicher nicht nur für Forschende, sondern auch Arbeitgeber, Versicherungen, Vermieter… interessant – also für Leute, denen solche Daten besser niemals zur Kenntnis gelangen sollten.

Wir wissen nicht, wer uns in Zukunft regieren wird. Wir können uns aber ausrechnen, dass diese Daten von einer FDP-Regierung höchstwahrscheinlich verkauft würden und die Gewinne in den Taschen der Konzerneigner versickern würden. Wir können uns ausrechnen, dass diese Daten von einer AfD-Regierung Faschisten zur Selektion von Menschen verwendet wird, um sie ihrer Rechte zu berauben oder gar sie zu töten. Wir können uns ausrechnen, dass CDU und SPD mit diesen Daten das weitere Schleifen von Arbeitnehmerrechten betreiben werden. Das alles wird dann erschwert oder verunmöglicht, wenn diese Daten erst gar nicht zentral anfallen oder abgerufen werden.

Ebenso gruselig ist die Vorstellung, dass die sogenannte „KI“ eines Tages über die Verteilung knapper Medikamente oder Krankenhausbetten entscheiden wird. Die Bedeutung der Triage ist uns zu Beginn der Corona-Pandemie deutlich zu Bewusstsein gekommen. Wer in Zukunft verhindern will, dass eine von den Reichen und Mächtigen betriebenen und in ihrem Interesse programmierte KI mit Lern-Algorithmen, die auf deren Weltsicht und Grundannahmen basiert, im Falle von Pandemie, Krieg oder wirtschaftlichen Verwerfungen triagiert, der tut dies immer noch am effektivsten, in dem er bestimmte Daten gar nicht anfallen lässt.

Auch wenn das vorgenannte Gesetz in entscheidenden Teilen der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit nicht standhalten wird, so wird die elektronische Patientenakte gegenwärtig ausgerollt – und daher ist für all jene, die ihre empfindlichen Gesundheitsdaten nicht zentral gespeichert wissen wollen, nun die höchste Zeit gekommen, der Einrichtung einer ePA bei der Krankenkasse aktiv zu widersprechen.

Nicht nur datenschutzbewusste Menschen und Verfechter der informationellen Selbstbestimmung wenden sich gegen die ePA, auch Ärzte sind alles andere als begeistert. Manche äußern ihre Kritik verhalten, andere fordern ihre Patienten sogar öffentlich auf, der ePA zu widersprechen.

Einen wirklich tiefen, gut verständlichen Einblick lieferte der Kölner Hausarzt Dr. med Stefan Streit anlässlich der letzten GPN.
In einem rund einstündigen Vortrag zeigt Streit die Gefahren der ePA auf, auch wenn er vom Nutzen eines – nur vernünftig geregelten – digitalen Systems grundsätzlich überzeugt ist.

Das sehr interessante Video kann auf den Seiten des CCC oder auf Youtube angesehen werden.

Eine kleine Anekdote am Schluss: Auch wenn dieses Thema in der gegenwärtigen Berichterstattung kaum Beachtung findet, sind die Leute durch den Pflichtbrief der Krankenkassen alarmiert. Gestern im Wirtshaus kam das Gespräch recht unvermittelt auf das Thema – und siege da: Nicht ich allein widerspreche dieser gefährlichen zentralisierten Datensammelei. Ich kann jeden meiner Leser*innen daher nur bitten: Sucht das Gespräch mit Euren Mitmenschen und klärt sie darüber auf, wie gefährlich die neue Patientenakte kurzfristig jedem Einzelnen werden kann – denn: Das Thema ist in den Köpfen bereits angekommen, leider aber bisher nicht besonders viel Information.

Weiterführende Links:
Die taz hat eine kurze und knackige FAQ veröffentlicht, die schnell und übersichtlich informiert.
MDR: „Jurist empfiehlt Widerspruch gegen die elektronische Patientenakte“.
Bericht beim Deutschlandfunk.

Last but not least beinhaltet dieser Bericht von Heise auch die Links zu Widerspruchsformularen bei den größten Krankenkassen – sehr nützlich!

Paywalls schaden der Demokratie

Ich muss hier einen Debattenbeitrag verlinken, mit dem ich in manchen Punkten vielleicht nicht exakt übereinstimme, den ich aber dennoch für sehr wertvoll und damit für lesenswert halte: Thomas Knüwer stellt fest, „Warum Journalist*innen sich mit Händen und Füßen gegen Paid Content wehren müssen“ und trifft mit seiner Analyse mehrere wunde Punkte.

Es gibt praktisch kein Medium außerhalb des öffentlich-rechtlichen Spektrums mehr, bei dem Instrumente des Boulevardjournalismus nicht Alltag wären.

WORD! Das ist eigentlich bekannt – aber so prägnant formuliert, verleiht diese Feststellung der Analyse die nötige Schärfe. Nun könnte man meinen, dass der einfache Ausweg aus der Misere einfach im Mehr-Konsum öffentlich-rechtlicher Angebote läge, in Zeiten, in denen der ÖRR allerdings von Rechten und Rechtsextremen – leider nur allzu oft von Konservativen flankiert –  diskreditiert wird, wird dieser Ausweg gesamtgesellschaftlich nicht den gewünschten Effekt bringen.

Knüwer führt aus, dass insbesondere (zum Zwecke der Klickgenerierung geschaffene, marktschreierische) emotionalisierende Überschriften, die im Zweifel nur wenig mit den Artikeln zu tun haben und oft gar nicht von den für den Artikel verantwortlichen Journalisten stammen, zur Polarisierung und damit letztlich zur gesellschaftlichen Spaltung beitragen. Denn die hier klärend wirkenden  der Überschrift folgenden Artikel bleiben der Mehrheit der Leser, die über kein Abo des jeweiligen Mediums verfügen, aufgrund der Paywall verborgen (das funktioniert im Kern aber nur dann, wenn, ich sage es jetzt mal etwas holzschnittartig, die Überschrift emotionalisierender Schrott ist und es im Artikel dann seriös, klärend quasi, weitergeht – und das wird bedauerlicherweise auch immer seltener).

Möchte man dieser Spaltung entgegentreten, so Knüwer, müssen die Inhalte frei und zugänglich bleiben.

Denn Schwurblermedien, von Putin bezahlte Text- und Videoknechte, Fake News und rechtsradikale Medienangebote – die gibt es umsonst. Jeder Text, jedes Video und neuerdings jeder Podcast, vor dem eine Paywall steht, hilft Faschisten und Antidemokraten, weshalb die Behauptung „Journalismuss MUSS Geld kosten“ ein Beitrag zur Spaltung der Gesellschaft darstellt.

Insofern ist die sehr süffige Conclusio

„Journalismus DARF kein Geld kosten – aber wir müssen alles tun, um ihn zu finanzieren.“

schon zutreffend.

Jetzt muss natürlich zwangsläufig die Frage aufpoppen, wie denn bitte dann Geld verdient der Journalismus finanziert werden kann. Interessanterweise hat Herr Knüwer dazu vor bereits knapp fünf Jahren einen mehr als interessanten und erstaunlich hellsichtigen Longread, ein kleines Meisterstück, abgefasst.

Was ich allerdings zur Überschrift dieses Posts dennoch fallen lassen muss: Freilich müssten sich gerade Journalisten gegen ein Bezahlmodell zur Wehr setzen, das in letzter Konsequenz ihre eigenen Arbeitsmöglichkeiten substanziell bedroht, allerdings können wir ihnen diese Verantwortung nicht allein aufbürden. Eine staatliche Regulierung der „vierten Gewalt“ ist für mich persönlich auch nicht denkbar – im Gegenteil, sie könnte, ginge sie insbesondere von rechten Regierungen aus (was, gegenwärtig gesprochen, für die Zukunft ja fast zu befürchten steht), schnell zu einem Angriffsinstrument auf die Pressefreiheit missbraucht werden. Wir Leserinnen und Leser müssen uns disziplinieren, den Klick-Affen keinen Zucker zu geben und Seiten, die sich der Paywall-Wegelagerei verschrieben haben, konsequent blockieren.

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