Angetestet: Die Chuzhao Retro-Digitalkamera
Der Zufall spielte mir in diesen Tagen ein Gadget in die Hände, das vor einem guten halben Jahr auf Insta richtig “viral” gegangen ist, aber auch gegenwärtig immer wieder auftaucht: eine kleine, als „Chuzhao“ gebrandete Digitalkamera in der Optik einer alten Rolleiflex-Spiegelreflexkamera. Sie ist richtig retro und auf jeden Fall ein Hingucker – und auch die mit ihr geknipsten Bilder versprühen einen echten Vintage-Charme. Doch schon an dieser frühen Stelle muss darauf hingewiesen sein: Mehr als ein Spielzeug ist diese Kamera nicht, selbst dann nicht, wenn man an eine Digitalkamera keine hohen Ansprüche hat.
Bevor ich mich der Technik widme, möchte ich auf die „besondere“ Optik dieser Gadget-Knipse zu sprechen kommen: Sie ähnelt in der Tat sehr der zweiäugigen Mittelformat-Spiegelreflexkamera, die man bei Rollei in dieser quasi prototypischen Form wenigstens fünf Jahrzehnte so produziert hat. Manche Details sind hier recht präzise und charmant ausgeführt, so etwa der etwas herausstehende Auslöser, die Menübuttons zwischen den Kameralinsen (die obere Linse ist bei dieser Digitalkamera selbstredend eine funktionslose Attrappe) oder die kleine Kurbel an der rechten Gehäuseseite. Wenig überraschend ist diese Kamera bedeutend kleiner als das Rollei-Original und somit auf den ersten Blick für jedermann als Gadget erkennbar.
Ein kurzer Blick auf den Lieferumfang: Neben dem Fotoapparat mit seiner vorinstallierten 16-GB-micro-SD-Karte, einer Bedienungsanleitung, einem im Gegensatz zur Digicam nicht wirklich retro erscheinenden Schultergurt wird in der recht stylishen Produktverpackung, die sich auch als Geschenkbox eignet, ein USB-A-zu-C-Kabel geliefert. Die Kamera kann per USB-C sowohl aufgeladen werden, als auch mit dem Computer verbunden werden. Nominell steht eine Akkukapazität von 1000 mAh zur Verfügung (der Akku ist nicht wechselbar), das Laden funktioniert auch mit potenteren Ladegeräten mit 2 A Ladepannung, ein Netzteil gehört nicht zum Lieferumfang, aber so etwas hat man ja gemeinhin zur Hand.
Technisch gesehen liefert diese Kamera sehr einfache Hausmannskost – mit einer Ausnahme: Sie macht quadratische Bilder im Format 1:1 – das ist dasselbe Format wie seinerzeit beim Mittelformat. Gewählt werden kann zwischen Farbe und Schwarz/Weiß, das Bildformat ist vom Nutzer nicht änder- bzw. anpassbar. Der Sensor soll 12 Megapixel auflösen, allerdings kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass diese 12 MPix interpoliert sind, denn die Auflösung ist nur mäßig und der Chip hat, wie man an den Filmclips sieht, ein normales Format, die Fotos werden intern also mindestens beschnitten. Weiterhin verfügt dieser Fotoapparat über einen recht vernünftig arbeitenden Autofokus, der allerdings nicht abgestellt werden kann. Man kann also kaum „künstlerische“ Aufnahmen mit Unschärfe machen, ein manueller Fokus ist nicht vorhanden.
Die Bedienung ist für sich genommen einfach und auch in sich logisch, man muss sich an die menülose Art der Kamera gewöhnen, das gelingt aber schnell, denn die Kamerafunktionen sind aufs absolut nötige Minimum reduziert und erlauben, außer der Umstellung von schwarz/weiß und Farbe keine Eingriffe seitens des Fotografen. Der Sucher ist, wie beim Original, oberseitig angebracht und verfügt, wie das Vorbild von Rolleiflex auch, über eine Klappe und einen ausklappbaren „Blendschutz“. Es ist quadratisch, die Auflösung ist jetzt nicht übertrieben hoch, zur Orientierung reicht der Bildschirm aber bestens aus, zudem bildet er hell und klar ab.
Zur Ästhetik der Bilder: Die Kamealinse ist aus Kunststoff und ist in Qualität und Ausführung mit dem optischen System einer Einwegkamera vergleichbar. Der Retro-Effekt der Digitalaufnahmen mag auch daher rühren, wobei durch den Beschnitt des Bilds auf das quadratische Format Verzeichnungen und Farbaberrationen an den Bildrändern minimal ausfallen. Wenn wir uns hingegen gute analoge Mittelformataufnahmen ansehen, die mit der Rolleiflex, die dieser Kamera Pate stand, gemacht wurden, werden wir feststellen, dass diese nichts mit der Qualität der Digitalbilder gemein haben. Die Mittelformataufnahmen waren von einer Exzellenz, die einem manchmal den Atem raubt und noch heute Respekt abnötigt, die Bilder der Chuzhao-Knipse indes repräsentieren das Niveau einfacher Digitalfotografie aus den frühen 2000er-Jahren oder sehr früher Handykameras. Nun muss man selbst entscheiden, ob man das als Manko begreift, oder die Ästhetik dieser Aufnahmen schätzt. Ich persönlich mag sie sehr. Jedes Handy macht heute annähernd perfekte Bilder, indes mit den Limitationen dieser Kamera zu arbeiten, ist im Jahr 2025 wieder eine spannende Sache. Gerade mit der s/w-Funktion, aber auch im Gegenlicht entstehen so wirklich interessante Fotos mit einem ganz eigenen Charme.
Das Besondere der mit dieser Kamera aufgenommenen Fotos liegt nicht nur im quadratischen Format, der etwas reduzierten Farbabbildung, der situationsabhängigen Neigung der Kamera zur Über- und manchmal auch Unterbelichtung, sondern auch in der Perspektive, aus der sie gemacht werden. Da man ja von oben in den auf der Oberseite des Kameragehäuses angebrachten Sucher blickt, verändert sich automatisch die Perspektive der Aufnahmen („Bauchperspektive“). Das kann sehr spannende Bilder erzeugen – und macht echt Spaß. Ein paar Demofotos lasse ich Euch hier exemplarisch da, alle nicht weiter bearbeitet. Ein Klick auf das jeweilige Vorschaubild vergrößert es.
Nun bleibt noch ein kurzes Fazit zu ziehen: Wohl niemand wird erwartet haben, dass wir es hier mit einer ernst zu nehmenden Kamera zu tun haben, niemand wird den Eindruck haben, man könnte hier Bilder in einer Qualität derer der alten zweiäugigen Spiegelreflexkameras erzeugen. Diese Kamera ist ein Gadget, ein Spielzeug, das sehr partymäßig aussieht und auch retromäßige Fotos liefert. Für das ein oder andere Experiment ist diese Kamera sicher gut, die Bilder, die nicht besonders hoch auflösen, weisen eine ganz eigene und durchaus spannende Ästhetik auf.