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Blast from the Past: Kiosk an der Johannisstraße

Heute gibt es ihn schon nicht mehr, den kleinen Eckkiosk an der Nürnberger Johannisstraße/Ecke St.-Johannis-Mühlgasse, der einstmals die Drogerie Seidel beherbergte. Die (leider nicht ganz scharfe) Aufnahme, die ich jüngst unter meinen alten Bildern wiedergefunden habe, stammt vom 29. November 2006.

Wochenrückblick KW 22/23 2023

Mal wieder ist es Zeit für einen Wochenrückblick, habe ich ja schon länger nicht mehr gemacht. Und auch, wenn hier die beiden letzten Wochen im Scope stehen, setze ich mit meiner Betrachtung schon Anfang Mai ein, ergibt sich gerade so. Gibts sonst noch was zu sagen? Ja, der Ostseeurlaub war wunderbar und entspannend, wer mir auf den diversen anderen Kanälen folgt, hat das mit Sicherheit irgendwie am Rande mitbekommen. Das ist auch der Grund, warum sich dieser Wochenrückblick eher wie ein Monatsrückblick anfühlt. Na, here we go, der Alltag hat uns wieder….

  • Um die SPD ist es gegenwärtig nicht allzu gut bestellt. Sie mag in der Regierung den Kanzler stellen, von dem bekommt man aber so gut wie nichts mit. Der steht im völligen Schatten des Querulanten Lindner, der mit schon fast fanatischem Egozentrismus die Agenda „setted“. Währenddessen macht sich „Frau Doktor“ Giffey in Berlin lächerlich und hebt die CDU auf den Thron. Und zu guter Letzt hat die Partei es noch nicht einmal geschafft, ihren Lakaien Putins, Schröder, rauszuschmeißen. In Bayern traut man der Partei gegenwärtig keine 9 Prozent bei der kommenden Landtagswahl zu. Das ist alles so eine Shitshow, unfassbar.
  • Weil das in persönlichen Diskussionen immer wieder an der Tagesordnung steht: Nein, dieses Lafontaine-Wagenkneckt-Schwarzersche Ding geht mal so überhaupt gar nicht. Man marschiert nicht mit Rechten – und wenn die versuchen, die eigene Demo zu entern, muss man sie aus selbiger entfernen. Abdrängen. Von machen Demos sind sie auch runtergeprügelt worden. Ja mei. Das ist die einzig vernünftige Reaktion auf die Beteiligung von Rechten.
  • Was viele nicht wahrhaben wollen: Wagenknecht scheint in der Partei Die Linke ebenso isoliert zu sein, wie Schröder in der SPD. Aber auch für die Linke gilt gleiches, wie für die SPD: Wenn sie Wagenknecht nicht losbekommen, ist es halt einfach eine Shitshow. Die Partei muss dringend zur Ruhe kommen. Erst dann kann sie sich aus dem Umfragetief befreien. Nun gibt es zwar dieses Ultimatum – aber eben noch kein Ergebnis.
  • Heizungs-Sozialismus!1!!11!
  • Kunst im öffentlichen Raum: In der Stadt Stein sind aus einem inmitten eines Kreisverkehrs aufgestellten Kunstwerk drei mehrere Meter hohe Metallbleistifte gestohlen worden. So weit, so schlecht. Der Diebstahl ereignete sich in einem Zeitraum von Silvester bis zum 20. Februar. Solange hat es nämlich gedauert, bis die Steiner gemerkt haben, dass ihr Kunstwerk nicht mehr ganz vollständig ist.
  • Jetzt droht nach der Schließung der Münchener Lach-und-Schießgesellschaft auch der Augsburger Puppenkiste das finanzielle Aus… Welch ein Elend.
  • Nun mögen 83 Lebensjahre freilich ein stolzes Alter sein, gefühlt war Tina Turner aber immer jünger – und daher hat mich ihr Tod auch „überrascht“. Als Kind der 80er und 90er war sie mir medial quasi omnipräsent, ihre „frühen“ Sachen höre ich inzwischen dennoch lieber. RIP.
  • Da gibt die ARD einen aktuellen „Deutschland-Trend“ zur Bundestagswahl heraus und alle reiben sich verdutzt die Augen: Die AfD, diese Geißel der Menschheit, würde gegenwärtig 18% der Wählerstimmen erreichen. Dass die AfD mittlerweile steil auf die 20 Prozent zumarschiert (im schlechtesten Wortsinne), ist nun alles andere als ein Wunder. Gezielte russische Desinformationskampagnen in den Sozialen Netzwerken, die mehrheitlich bildungsferne Wählerklientel der Blaufaschos und damit ihre weite Entrückung vom seriösen Jornalismus, gepaart mit der Springerkampagne gegen Rot-Grün und für die FDP, die seit dem Skandal um Figuren Döpfner und Reichelt mit ihrer „SMS-Affäre“ indessen nicht mehr nur „gefühlte Wahrheit“, sondern eindeutig bewiesen ist, zeitigen ihre erwartbare Wirkung. Die Ampelkoalition gibt – besonders dank der FDP – gerade aber auch ein reichlich jämmerliches Bild ab, das verstärkt diesen Effekt.
  • Das Tragische an dieser Sache: Das Erstarken der AfD wird medial gerne als wie auch immer gearteter Protest geframet. Das halte ich für einen gefährlichen Fehlschluss. Denn das vermeintliche „Protestwähler“-Argument lässt ja implizit die Option offen, dass der Protest in dem Moment abgeschwächt werde bzw. verpuffe, in dem die Politik sich wieder den Bedürfnissen und Interessen der „Protestierenden“ zuwende. Das ist natürlich nicht der Fall. Ganz im Gegenteil: Erstens wird unsere von Kapitalinteressen geleitete Politik das nicht tun. Zweiten würde der Effekt selbst dann verpuffen, wenn sie es täte, denn: Wir müssen uns der schmerzhaften Realität stellen, dass heute eine faschistische Partei heute ein Wählerpotential von einem Fünftel, eher sogar einem Viertel der Wahlberechtigten oder mehr hat. Und noch schmerzhafter mag die Erkenntnis sein, dass das erst nicht seit gestern so ist, dass dieses gefährliche Potenzial bereits seit Jahrzehnten in der Gesellschaft persistiert und sich nun in den Zustimmungswerten der AfD kanalisiert. Wenn wir uns dieser schmerzhaften Realität aber stellen, bedeutet das in letzter Konsequenz einen viele Jahre fortdauernden und mit größter Anstrengung zu führenden Kampf gegen viele gravierende Defizite bei Bildung, Demokratieerziehung… Wegsehen ist einfacher. Und genau das passiert immer noch: Es wird weggesehen.
  • In diesem Zusammenhang – mark my words: Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass Friedrich Merz keine Skrupel haben wird, mit der AfD zu koalieren, sofern keine andere Koalitionsmöglichkeit ihm die Macht sichern kann.
  • Und: Merz sagte ja vollmundig, dass die CDU die AfD halbieren wolle. Das Gegenteil ist eingetreten. Was wieder einmal eindeutig belegt: Merz kann ausnahmslos nichts.
  • „Wie man recht bequem von der Dummheit anderer Leute leben kann…“ Was mich mal interessieren würde (ernsthaft interessieren, wohlgemerkt), ist, wann und vor allem warum der in seinem Frühwerk so weitsichtige, analytische und vernünftige Reich irgendwann so sehr herumzuspinnen anfing.
  • Vermögenssteuer. Jetzt!
  • Ich mag mich leicht reden, weil ich Rammstein immer scheiße fand. Scheiße nicht nur wegen der Musik, sondern auch wegen ihrer – well, let´s say – „rechtsoffenen Ästhetik“, auch wenn sie wohl nicht wirklich rechts sind. Aber es gibt genug Leute, denen die Musik dieser Band was gibt. Das ist auch okay. Nicht okay ist aber, dass viele dieser Leute nun Lindemann in blindem Kadavergehorsam verteidigen. Jeder von uns hat einige seiner Idole fallen sehen müssen. Ich glaube, das ist ganz normal. Und normal ist auch, dass man dann durchaus so etwas wie „Schmerz“ empfindet, wenn man eines dieser Idole loslassen muss. Diesem mitunter recht subtilen Schmerz müssen wir uns stellen, das nutzt nichts. Es ist wirklich schlimm, mit „Argumenten“ vom Schlage: „Die Frauen hätten es wissen müssen!“ konfrontiert zu werden, nur weil jemand nicht in der Lage ist, das eigene Fantum von den Übergriffen zu trennen.
  • Dorothea Bär ist ein derartiger Totalausfall, es ist unglaublich. Damals wie heute (Thread).
  • Die Schufa fällt wieder einmal unangenehm auf.
  • Blast from the past: Erinnert sich noch jemand an cuil? Gut, ich eigentlich auch nicht, die Wikipedia aber schon.
  • Wo wir es gerade von Shitshow hatten: Eine Shitshow beachtlichen Ausmaßes lieferten Aiwanger, Söder und Frau Gruber gegen das Gebäudeenergiegesetz, gegen gendern und gegen „zwanghaften Veganismus“. Alter Vatter, denen hab sie ins Hirn geschissen, das ist nicht mehr normal. Ganz normal ist allerdings für Söder und Aiwanger (und für Gruber sowieso), zusammen mit der AfD zu demonstrieren.

Test: Das PRITOM P7+ 7-Zoll-Tablet und Andriod One

Auf Anraten eines Freundes und aus purer Neugier habe ich mir vor einem knappen dreiviertel Jahr ein „Zweit-Tablet“ zugelegt. Zugegeben: Im Kern war dieser Invest etwas unnütz, aber der Wunsch nach einem kleinen und leichten Zweitgerät war einfach groß, und so kam mit das 7-Zoll-Tablet des mir nicht näher bekannten Herstellers PRITOM gerade recht. Da besagter Freund das auch als „TronPad“ bezeichnete Tablet bereits sein Eigen nannte, wusste ich bereits grob, worauf ich mich einlassen werde. Das Gerät, das man heute für unter 65,- Euro inkl. Versand noch in einigen Stores bekommt, kostete damals etwas über 80,- Euro.

Kurz zu den Specs: In der niedrigen Preiskategorie kann man entweder ein absolutes Einsteigergerät oder aber subventionierte Hardware (so z.B. ein kindle-Fire-Gerät) bekommen. Und so lesen sich dann auch die technischen Daten: Ein nicht näher bezeichneter Quad-Core-Prozessor von Allwinner mit „bis zu“ 1,5 GHz, 32 GB Speicher, 2 GB RAM und das Ganze läuft unter Android 11 – in der abgespeckten „Go“-Edition. Dazu eine reichlich dürftige Frontkamera und eine mäßige Hauptkamera (5 MP) sowie ein Mono-Lautsprecher – so weit, so konventionell. Interessant an diesem Gerät ist das 1920 * 1200 FHD-Display und der Formfaktor – das Tablet ist klein und angenehm leicht.  Bei diesen Specs sind natürlich gleich einige Limitationen ersichtlich, zudem verfügt das Tablet weder über 5 GHz-WiFi noch über einen SIM-Kartenslot. Aber dennoch habe ich das Teil einfach mal geklickt…

Bleiben wir zuerst einmal bei den Limitationen, damit man in etwa weiß, worauf man sich einlässt: Die „Go“-Variante von Android ist eine spezielle Version für schmalbrüstige Hardware. Auch wenn Android 11 heut nach einem hinreichend aktuellem Release klingt (und vor einem Jahr durchaus noch up to date war), lassen sich bei weitem nicht alle Apps laden. So ist es mir beispielshalber nicht gelungen, Spotify auf dem Tablet zum Laufen zu bekommen, auch der VLC-Player funktioniert leider nur mit größten Problemen. Andere Apps wie YouTube oder die ARD-Mediathek laufen hingegen einwandfrei und sogar hinreichend flüssig. Trotzdem ist dadurch das „TronPad“ als Media-Maschine nur eingeschränkt nutzbar. Bei PRITOM weiß man wohl um dieses Defizit und liefert das Gerät daher mit einem proprietären Mediaplayer aus, der im Wesentlichen auch funktioniert, für das Indexieren der Medien aber unangenehm lange braucht, längst nicht mit jeder Film-Tonspur klarkommt und auch bei diversen HD-Inhalten in Dateicontainern die Grätsche macht. Mail (in diesem Fall mit K9), Twitter, auch der Chrome- und Firefox-Browser machen erst mal eine ganz gute Figur.  Damit ist das Tablet für den Alltagsgebrauch schon okay, wenn auch nicht optimal. Es kommt sehr darauf an, welche Ansprüche man an so ein Gerät hat. Dass die Gesamtperformance nicht mehr so recht zeitgemäß ist, merkt man leider auch bei den Brot- und Butterfunktionen: Das Einblenden der Bildschirmtastatur oder das Drehen des Bildschirms funktioniert jeweils mit einer unangenehm bemerkbaren Verzögerung.

Auf der Haben-Seite steht das helle, gestochen scharfe Full-HD-Display. Das ist in dieser Preisklasse wirklich bemerkenswert. Auch der Formfaktor ist sehr angenehm: Das 7-Zoll-Gerät ist äußerst leicht und kompakt. Das mitgelieferte Cover, das fest mit dem Gerät zu verkleben ist, trägt kaum auf und ist für sich genommen zwar einfach, aber funktional. Klar, das Tablet wurde auf Vollkunststoff gefertigt und tagt damit kaum als Handschmeichler, dennoch passt die Haptik und man nimmt das Gerät gerne in die Hand. Letztlich überzeugte mich die Form und ließ mich das „TronPad“ behalten (und bis heute benutzen), denn es ist mittlerweile gar nicht so einfach, überhaupt ein 7-Zoll-Tablet zu bekommen.

Würde ich das Tablet heute wieder kaufen? Wahrscheinlich nicht. Das liegt daran, dass mittlerweile unter den Siebenzöllern das Lenovo M7 mit seiner MediaTek MT8166 – 2GHz-Quadcore-CPU für unter 90 Euro „verramscht“ wird. Mit seiner Metallrückseite ist das ein insgesamt doch deutlich wertigeres Gerät und daher auch meine Alternativempfehlung.

Und auch wenn mein Fazit ambivalent ausfallen muss: Für gute 60,- Euro ist das „TronPad“ erst mal kein ganz schlechtes Gerät. Wenn es nicht erforderlich ist, dass jede Anwendung perfekt flüssig läuft, wer gerne öffentlich-rechtliche Mediatheken oder YouTube-Videos sieht, ein bisschen browsen will und seine E-Mails checken möchte, kann mit dem kleinen Siebenzöller prinzipiell schon etwas anfangen. Das Display kann, betrachtet man das Preis-Leistungs-Verhältnis, in jeder Disziplin überzeugen, das Tablet ist klein und leicht. Im Lieferumfang enthalten ist eine Displayschutzfolie, das einfache Cover, ein Micro-USB-Kabel, das Netzteil und eine englische Anleitung. Auch so gesehen ein ordentlicher Deal.

Blast from the past: Das 8-Uhr-Blatt.

Der ein oder andere kann sich noch an die Nürnberger Abendzeitung, das „Acht-Uhr-Blatt“ erinnern. Diese Boulevardzeitung gehörte fest zur mittelfränkischen Medienlandschaft – und ging 2012, nur wenige Monate, nachdem dieses Bild entstanden ist, den Weg alles irdischen. Ihre „stummen Verkäufer“, die blauen Zeitungsautomaten, prägten für Jahrzehnte das Straßenbild. Ich habe mir mein Acht-Uhr-Bläddla öfter aus dem Automaten am Rathenauplatz gezogen. Was es mit der Demo gegen Lebkuchen auf sich gehabt haben mag, daran kann ich mich freilich nicht erinnern. Das Bild habe ich in meinem Twitter-Archiv wiedergefunden.

Wochenrückblick KW 45/46 2022

Es wird schön langsam zur lieben Gewohnheit: Der Wochenrückblick fasst mal wieder zwei Wochen zusammen. Ich kann noch nicht mal so recht erklären, warum ich das so mache, für mich fühlt sich dieser Turnus vernünftig an und die Menge der Themen bleibt überschaubar.

  • In diese Twitter-Geschichte kommt einfach keine Ruhe rein: Twitter will am Freitag Entlassene schon wieder zurückholen. Heute ist Montag. Well played… (fefe sagt, wie es ist: Shitshow). Da wundert einen auch nicht mehr, dass der Scheißer Musk zur Wahl der Republikaner aufruft.
  • Der Volksverpetzer bringt es übrigens auf den Punkt: „#ElonMusk ist entgegen seiner Propaganda einer der gefährlichsten Feinde von Wahrheit & Demokratie. Er ruft dazu auf, bei den #Midterms die FASCHISTISCHEN Republikaner zu wählen. Ein Großteil (!) der Kandidaten sind Wahlergebnis-Leugner, Demokratiefeinde & Verschwörungsideologen“ (siehe, Screenshot)
  • Vor US-Midterms: Putin-Vertrauter gibt Wahleinmischung zu„. Die Headline lass’ ich hier jetzt einfach mal so stehen.
  • Irgendwie muss ich über diesen Thread immer noch nachdenken… Ich bin kein Freelancer, Freiberufler, was auch immer… und daher trifft mich das nicht besonders. Aber einigen Aussagen muss ich dennoch sehr zustimmen. In jedem Falle lesenswert. Ich habe einige Zeit mit mir gerungen, eine Replik zu schreiben – leider fehlt mir ein wenig die Zeit. Aber soviel: Ja, wer heute als One-Man-Show bloggt, wird nicht mehr die Reichweite der frühen´10er-Jahre erreichen, auch nicht mit SEO-Zeug und ultra-zeitgeistigen Themen. Nicht aus sich selbst heraus. Wenn ich auf Twitter mit vielen Leuten verbunden bin, die den einstmaligen „Microblogging“-Dienst als Inhalteaggregator verwenden, erreiche ich meine Leser besser und zuverlässiger, das ist zweifelsohne in Gefahr. Aber damit ist noch nicht gesagt, dass das nicht anderenorts auch funktionieren könnte. Und: Der Effekt lässt mit sich verändernden Algorithmen, der Vielzahl (russischer) Bots und dem immer rauer werdenden Ton (hier geben sich Rechtsextreme, Rechtskonservative und sogenannte „Liberale“ übrigens erschreckend wenig) immer mehr zu wünschen übrig…
  • …und daher in aller Kürze, aber mit anderem Twist: Hier blogge ich aus Spaß an der Freude und ohne Anspruch und Zielsetzung, irgendwas und irgendwen zu erreichen. Ich bin trotz aller Abhängigkeitsverhältnisse von Plattformen und Suchmaschinen immer noch der Meinung, dass ein Text (online wie offline) seine Leser findet. Und ich liebe diese „alten“ Blogs, dieses „Web 2.0“-Feeling. Let the good times roll…!
  • Ach, noch was: Ja, es ist schon ganz nice, mit einem Blog eine Art „Basis“ zu haben, die weniger flüchtig ist, als diverse „social medias“ und damit zu linken und verlinkt zu werden. Und damit Inhalte Teil eines nicht kontrollierbaren Netzes werden zu lassen. Menschen, die so alt sind wie ich, kennen das Konzept noch als Hypertext.
  • Was mich gerade wirklich trifft: Während ich mal wieder versuche, ein paar Pfund abzuspecken, weil ich ob des schier omnipräsenten Überangebotes an Speisen nicht nur einmal zu deutlich über die Stränge geschlagen habe, verzeichnen die Tafeln einen Massenandrang. Man muss kein Prophet sein, um zu prognostizieren, dass es in den nächsten Monaten noch deutlich mehr Menschen werden. Es ist eine Schande und wieder mal ein guter Anlass, sich selbst und anderen die Systemfrage zu stellen.
  • Coca Cola als Sponsor der Klimakonferenz. Na herzlichen Glückwunsch…
  • …und nochmal Twitter. Well, das sieht nicht gut aus.
  • Die alten Sachen von Nazareth höre ich noch immer sehr gerne. RIP Dan McCafferty. Es ist ja noch nicht lange her, dass Manny Charlton gestorben ist.
  • RIP, Garry Roberts.
  • RIP, Nik Turner.
  • RIP, Keith Levene.
  • Oh. Die Sache in Ammiland ist weit weniger schiefgelaufen, als befürchtet. Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich.
  • Bumsbirne Justizminister Buschmann, eine der fulminantesten politischen Fehlbesetzungen seit langem, „erwägt“ höhere Strafen gegen Klimaprotestierende. Die FDP ist so derartig demokratiefeindlich, dass die der Verfassungsschutz nicht beobachtet, ist eigentlich auch institutionelles Versagen.
  • Das „Bürgergeld“ ist gescheitert. Erstmal. An wem? Natürlich an der Union. Inzwischen darf es als politisches Gesetz betrachtet werden: Alles, was für dieses Land gut wäre, scheitert an der Union. Nun bin ich kein großer Fan des Bürgergeldes, das einfach noch viel zu viel DNA der in ausnahmslos allen Punkten gescheiterten Hartz-„Reformen“ enthält, aber es ist für die Betroffenen dennoch mit geringfügigen Verbesserungen verbunden. Und wer ist grundsätzlich gegen Verbesserungen der Verhältnisse fürs Volk? Die Union.
  • Ach ja, nicht, dass es mich besonders wundern würde, aber die CDU hat natürlich mal wieder gelogen. Und nein, die glauben ihre eigenen Lügen nicht selbst, sie wissen, dass sie lügen, sie tun dies bewusst.
  • Mittelgute Nachrichten für die Kunst und Kultur in Nürnberg: Wenn ich das richtig mithabe, ist der Fortbestand von Kunsthalle und Kunstvilla gesichert, auch am Bardentreffen will man festhalten, die „Blaue Nacht“ soll im zweijährigen Turnus stattfinden. Das ist erst einmal eine gute Nachricht! Die schlechte folgt auf dem Fuße: Einsparungen im Sozialbereich sollen ebenso folgen – gerade bei der Jugendhilfe wären die nach Corona fatal. Dieses unsinnige Delfinbecken mit seiner Permanent-Leckage ist leider immer noch nicht vom Tisch.
  • Die Berlin-Wahl muss komplett wiederholt werden.
  • Von Zeit zu Zeit mache ich mir ja den Spaß, meinen Spamordner mal genauer anzuschauen, um ein Gespür dafür zu bekommen, welche Scam-Geschichten gerade der neue heiße Scheiß sind. Turns out: Das Kapitalismus-Ekel-Format „Die Höhle der Löwen“, eine Sendung für ausgewiesene Schwachköpfe eher einfach zu unterhaltende Zeitgenossen, führt unangefochten die Hitliste meiner Spammails an. Freilich sind das keine Nachrichten der echten Fernsehmacher, aber selbst wenn ein Produkt im Einzelhandel mit diesem Löwenhöhlen-Logo vermarktet wird, schrillen bei mir alle verfügbaren Alarmglocken! Dass sich die Spammer zum Trittbrettfahren gerade so eine „vertrauenswürdige“ Sendung herauspicken, irritiert mich dann schon. Obwohl die Passung zwischen der Zielgruppe der Sendung und der der Spammails wiederum sehr hoch sein dürfte, insofern geht sich das schon aus.
  • Ich bin erstaunt, dass die WM von so vielen Leuten boykottiert wird. Gefühlt ist das der erste Boykott seit Jahren, der mal halbwegs funktioniert. Und das in so einem fußballverrückten Land wie Deutschland.

Rechte Narrative: Zündeln im bürgerlichen Milieu

Für eine detaillierte Analyse fehlt mir gegenwärtig die Zeit, allerdings muss ich ein paar Sätze zum Thema „rechte Narrative“ loswerden – und zwar zu solchen im Umfeld der Klimaproteste. Weil es sich aber gerade anbietet und die Parallelen erschreckend sind, werde ich im folgenden auch über rechte Narrative sprechen, die im Zuge der Coronapandemie aufgekommen sind. Beide Themen sind, betrachtet man sie aus tagespolitischer Perspektive, nicht ganz einfach miteinander vergleichbar, sie wurden aber sehr ähnlich kommuniziert – mit durchaus unterschiedlichen Auswirkungen.

Vorab: Der Klimawandel ist real. Das ist nicht nur wissenschaftlicher Konsens, es ist inzwischen selbst in unseren einstmals klimatisch gemäßigten Breiten direkt erlebbar. Wer diese Umstände leugnet, hat sich aus dem ernstzunehmenden Diskurs genauso verabschiedet, wie der, der behauptet, Corona sei nur eine Grippe. Wissenschaft verhandelt nicht. Weder mit Coronaleugnern, noch mit Klimaleugnern. Um diese Leute soll es im engeren Sinne aber auch nicht gehen, wer wissenschaftliche Erkenntnisse in Abrede stellt, ist aus der Diskussion draußen. Punkt.

Eines muss man aber leider immer wieder in aller Klarheit sagen: Hinter den Klimaleugnern wie den Coronaleugnern (die sind hier durchaus miteinander vergleichbar) stehen nicht einzelne Verwirrte, sondern knallharte wirtschaftliche und machtpolitische Interessen. Bei den Klimaleugnern (und auch den „Klima-Verharmlosern“) sind das die Interessen großer Energiekonzerne und die Interessen besonders energieintensiver Industrien, bei den Coronaleugnern die Machtinteressen rechtsnationaler bis rechtsextremer Parteien und Gruppierungen, die durch eine Verunsicherung der Bevölkerung Ängste schüren und durch die vermeintlichen „Proteste“ eine Spaltung der Gesellschaft zu erzeugen versuchen – getreu dem alten Prinzip „divide et imera“.

Im Prinzip könnte man die Stimmen der Wissenschaftsleugner einfach ignorieren, mit dem Hinweis auf das eigene Erleben, dass es immer einen kleinen Anteil Unbelehrbarer geben wird, die rationalen Argumenten nicht zugänglich sind und auch nicht sein werden. Deren „postfaktische“ Äußerungen allerdings greifen in der öffentlichen Debatte gegenwärtig allerdings derartig Raum, dass sie kaum mehr zu ignorieren sind und (ich denke, das ist ein Teil der Kommunikationsstrategie rechter Kreise) auch bei aufgeklärteren Zeitgenossen „immer etwas hängenbleibt“.

Interessant ist, dass wir weder dem Klimawandel noch Corona fatalistisch völlig ausgeliefert sind: Die Ausprägung (und damit die Brisanz) beider Phänomene können wir beeinflussen. Jeder Einzelne muss etwas dagegen tun. Aber: Dieses Tun jedes Einzelnen wird wirkungslos bleiben, wenn die Politik nicht für entsprechende Rahmenbedingungen sorgt. Wir wissen, was zu tun ist, um den Klimawandel so gut es geht, in Schach zu halten: Einsparen von Energie, konsequenter Ausbau erneuerbarer Energien, unnütze Autofahrten, Flüge vermeiden, ÖPNV ausbauen, das Verbrennen fossiler Energieträger auf ein Minimum reduzieren, wirtschaftliches Wachstum aufgrund von Ausbeutung natürlicher Ressourcen und Menschen in Frage stellen… Analog dazu wissen wir, was zu tun ist, um Corona Einhalt zu gebieten: Impfen, Masken tragen, Abstand halten, Situationen mit hohem Aerosolaustausch vermeiden, um Risiken zu minimieren, Homeoffice-Pflicht, durchaus auch Einschränkungen des öffentlichen Lebens…. All diese Maßnahmen zeigen Wirkung, die Wirkung entfaltet dann die notwendige Wirkmächtigkeit, wenn alle mitmachen. Wer diese Fakten leugnet, ist ebenfalls nicht befähigt, an einem sinnstiftenden Diskurs teilzunehmen.

Die notwendigen Maßnahmen erfordern Anstrengungen und haben (im weitesten Sinne) eben auch ihren Preis. Es darf nun trefflich darüber gestritten werden, wer welchen Preis in welcher Höhe zahlen kann, zahlen muss. Anstrengung und „Preis“ gehören zu den unangenehmen Pflichten, die uns im Angesicht der jeweiligen Situation erwachsen. Es ist also klar, dass wir immer wieder auf Zeitgenossen treffen werden, die nicht damit einverstanden sind, die nötigen Konsequenzen aus den Erfordernissen der Zeit zu ziehen und zu tragen. Verharren in einer gewohnten Situation ist entweder bequem, nicht angstbelegt oder temporär billiger. Und so kommt es, wie es kommen muss: Es entsteht ein Interessenkonflikt.

Wir leben, das nehme ich leider als gesetzt an, in postfaktischen Zeiten. Auch wenn vorgenannte Punkte allesamt bewiesen sind, gibt es dennoch Interessengruppen, die, an der Faktenlage vorbei, auf die Gefühlswelt abzielend, „argumentieren“, um durch Verbreitung dieser vermeintlichen Argumente eine Meinungs- bzw. Deutungshoheit zu gewinnen. Diese Strategie ist altbekannt: Der Mensch ist auf der Gefühlsebene leichter, schneller und langanhaltender ansprechbar, als auf der kognitiven Ebene. Ob nun Werbung, Verkaufsförderung oder Debatte: Die Verschiebung einer Argumentation zu Gunsten emotionaler Ansprache, „getarnt“ als vermeintliches „Argument“ ist allgegenwärtig. Daher spreche ich bei dem, was gerade als Debattenbeitrag von rechtskonservativer, rechtspopulistischer und in zunehmendem Maße auch rechtsradikaler Seite eingebracht wird, auch nicht von Argument, sondern von Narrativ: Ein Narrativ ist entweder eine Erzählung oder ein Teil einer Erzählung, die sich durch einen gemeinsamen kulturellen Zeichensatz komplettiert (Du willst hier tiefer einsteigen? Das Konzept des major consensus narrative gibt Dir hier wichtige Hinweise, einfach mal googeln). Die Narrative unterscheiden sich in den Kulturkreisen, „die (quantitativ) vorherrschende Geschichte einer Gemeinschaft, aufbauend auf und definiert durch den (nationalen) Kulturkreis und grundlegende Archetypen“ (Quelle) und können folglich neben der Sprache tatsächlich als weiteres Distinktionsmerkmal begriffen werden. Der „consensus“ sorgt dafür, dass Narrative überhaupt wirksam werden können*. Knapp (und mithin auch etwas holzschnittartig) gesagt: Während das Argument entweder widerlegbarer oder stichhaltiger Punkt einer Beweisführung ist, ist das Narrativ einfach ein Teil einer (zumeist aber nicht immer zwingend) emotionalisierten „Erzählung“ oder ein Bruchstück aus so einer Erzählung, die in einem bestimmten Kulturkreis mit Kontext unterfüttert und damit verstehbar wird. Und es sei noch einmal zur Präzisierung und Ergänzung gesagt: Eine gute Erzählung ist emotional nach- bzw. miterlebbar. Narrative haben sich im Laufe der Jahrzehnte gewandelt, inzwischen erlebe ich den Begriff als mindestens latent negativ konnotiert, was auch damit zusammenhängen mag, dass sich der vermeintliche Wahrheitsgehalt etlicher historischer Narrative bei einer historisch-kritischen Betrachtung doch recht rasch verflüchtigte.

Ein Teil der Wirksamkeit von Narrativen liegt nicht nur in ihrer direkten Emotionalität, sondern auch darin, dass sie sehr einfach weitererzählt werden können. Durch die emotionale Komponente lässt sich das Narrativ auch bei der Weitergabe im Alltag inhaltsstabil transportieren. Die Herausforderung – und das ist ein echtes Problem – gegenwärtiger politischer Kommunikation ist also leider nicht, die eigene Anhängerschaft mit guten Argumenten zu versorgen, sondern sie mit einem möglichst wirksamen Narrativ zu munitionieren. Und das wird gerade von rechten Kreisen in erschreckender Wirksamkeit mit erstaunlicher Durchsichtigkeit betrieben. Warum von rechten Kreisen? Deren echte Argumentationsdecke ist so dünn, dass diese schlicht und ergreifend nicht mehr trägt (man kann den Klimawandel oder Corona nicht wegargumentieren, die Konsequenzen sind abseits jeder Debatte unausweichlich – und: Sie sind nicht mehr nur abstrakte Größen sondern beeinflussen schon heute vielfach unser tagtägliches Leben).

Um auf die Brisanz der Folgen des Klimawandels aufmerksam zu machen, schaffen sich Anhänger der Bewegung „Letzte Generation“ durch ein mindestens unkonventionelles Vorgehen Öffentlichkeit: Sie überschütten Gemälde alter Meister in renommierten Museen mit Flüssigkeiten (Öl, Tomatensuppe, Kartoffelpüree…). Damit gelingt es ihnen, ihre Aktivitäten und auch Positionen in alle relevanten Medien zu bringen und über die Berichterstattung hinaus eine öffentliche Debatte am Laufen zu halten. Dieser Move ist genial, wenn auch kritikwürdig. Ein millionenschweres Kommunikationsbudget könnte kaum mehr Aufmerksamkeit generieren.

Der Erhalt der Werke alter Meister für zukünftige Generationen ist zweifelsohne eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Die Zerstörung dieser Werke ist eine Freveltat. Auch das ist Teil eines Konsenses.

Dass der Erhalt der Werke für künftige Generationen absurd ist, wenn durch das Geschehenlassen des Klimawandels just diesen künftigen Generationen die Existenzgrundlage entzogen wird, ist ein Argumentationsstrang, den jeder versteht, der aber auch bei jedem, der sich nicht um den Einhalt des Klimawandels bemüht, zu kognitiver Dissonanz führen muss. Das Symbol ist stark**.

Auffällig ist: Die Aktivisten wählen ihre Zielobjekte sehr sorgfältig aus. Es handelt sich um gut gesicherte Kunstwerke hinter Glas, die bei den „Attentaten“ keinen Schaden nehmen. Der „Angriff“ geschieht mit organischen Substanzen (Lebensmittel, Öl), die zwar mit Aufwand, aber dennoch rückstandsfrei entfernt werden können (das sind, um es einfach auszudrücken, eben keine Säureanschläge irgendwelcher Irren). Auch wenn die Wand hinter den Kunstwerken verschmutzt ist, die Aktivisten sich an ihr festkleben, handelt es sich hier um Schäden, die jeder Anstreicher zu beheben in der Lage ist. Der ungewollte, aber unweigerlich vorhandene „Werbeeffekt“ für die betroffenen Museen dürfte unbeabsichtigterweise deutlich höher sein, als die Kosten, eine Wand neu streichen lassen zu müssen. Auch dieser Effekt sollte in einer Gesamtbetrachtung nicht unerwogen bleiben.

Nun ist diese Aktionsform gerade so öffentlichkeitswirksam, weil sie polarisiert. Das soll so sein, das ist beabsichtigt – und das gibt freilich, neben aller berechtigter Kritik an der Form des Protests, auch genug Gelegenheit, die Aktivisten zu diskreditieren.

Hier beginnt, das rechte Narrativ zu greifen, Die Vorwürfe sind zum Teil absurd: Kunst werde zerstört, geschändet, selbst Museen seien nicht mehr sicher vor der rohen Gewalt des „linksgrün-versifften“ Mobs. Wie die Taliban würden die „pubertierenden Klima-Gören“ unsere westlichen Kulturgüter zerstören, „weil sie unsere Freiheitswerte hassen“ und abschaffen wollen. Wir alle haben solche oder so ähnliche Aussagen gehört – und schlimmer noch: Gelesen. Nichts davon ist wahr, eine Lüge wird auch nicht wahrer, wenn sie oft wiederholt wird und dennoch: Das Narrativ sitzt.

Kleben sich Aktivisten der Extinction Rebellion oder der „Letzten Generation“ an vielfrequentierten Kreuzungen auf der Fahrbahndecke fest, schäumt die Bürgerseele vor Wut. Erst wurde nur von „Nötigung“ gesprochen, man „nötige“ den „freien Bürger“, der nun nicht rechtzeitig zu seinen ach so wichtigen Terminen kommen könne. Jedem Demokraten ist klar: Das Blockieren von Verkehrswegen zu Demonstrationszwecken ist das Recht jedes Bürgers. Protestieren Landwirte gegen die Agrarpolitik, so ist es selbstverständlich legitimes Mittel, mit den Traktoren, die weder eine Umweltplakette noch eine Zulassung für Fernstraßen haben, gen Berlin zu fahren und vor dem Landwirtschaftsministerium stinkende Gülle abzulassen. Die Vielzahl der einer solchen Protestform inhärenten Rechtsverstöße wird in diesem Falle natürlich nicht geahndet, kein Bauer saß für seinen Protest jemals im Gefängnis, auch nicht präventiv. Das Narrativ der „Nötigung“, das natürlich Unsinn ist, arbeitet selbstredend nicht mit dem Rechtsbegriff der Nötigung, sondern mit dem emotionalisierten Begriff. Nun sind aber auch eher arglose Zeitgenossen gewahr, dass Staus nicht allein von den (Achtung – Narrativbegriff!) „Klimaklebern“ verursacht werden, sondern ein Zuviel an motorisiertem Individualverkehr gerade in Stoßzeiten ganz ohne politisch motiviertes Zutun Staus verursacht – und das nicht zu knapp. Also musste ein neues Narrativ her: Die „Klimakleber“ verhinderten durch ihre Aktionen, dass Rettungskräfte rechtzeitig zu in Not geratenen Menschen kommen und gefährden damit – man höre und staune! – Menschenleben! Besonders die konservative Presse hat sich begierig auf dieses Narrativ gestürzt und – wen nimmt es Wunder – totalen Schiffbruch erlitten. Im falle der durch einen Unfall durch einen Betonmischer in Berlin getöteten Radfahrerin goss selbst Bürgermeisterin Frau „Doktor“ Giffey Öl ins Feuer – und konnte selbst nach einem Gutachten, dass dem Senat nun in Gänze vorliegt, nicht beweisen, dass das späte Eintreffen in direktem oder indirektem Zusammenhang mit einer Protestaktion der „Letzten Generation“ an völlig anderer Stelle der Hauptstadt in Verbindung steht. Die Kommunikation der „Letzten Generation“ zu diesen Anwürfen war reichlichst unglücklich, so konnte das Narrativ der „Menschenleben gefährdenden Klimakleber“ freilich nicht aus der Welt geschafft werden. Und dennoch: Wer sich Videos der Proteste ansieht, kann entdecken, dass sich die Aktivisten grundsätzlich nur an mehrspurigen Straßen festkleben und eine Fahrspur für Rettungskräfte „freihalten“, in dem sie sie zwar mit einem Sitzstreikenden besetzen, dieser aber nicht angeklebt ist, sondern sich im Zweifel von der Polizei wegtragen lässt. Um den Protest aufrecht zu erhalten, stehen dann im Hintergrund „Nachrücker“ bereit, die freilich die Spur wieder sitzend sperren, ihre Blockade im Notfall jedoch auflösen. Manch Autofahrer hat sich in solchen Situationen schon zur Selbstjustiz verleiten lassen und die Demonstranten angegriffen. Werden tatsächlich Rettungsfahrzeuge blockiert, so liegt das weniger an den Protesten, vielmehr ist der Umstand, dass das Bilden von Rettungsgassen in den Städten bei Stau generell eher schlecht klappt, Ursache hierfür. Das Narrativ hat natürlich keinen Platz für Einlassungen über komplexere Strategien des Protestes. Das ist aber auch nie das Ziel gewesen. Das Narrativ ist erdacht, um den Hass auf die Demonstranten zu schüren, Fakten sind hier im Wege.

Rechte Narrative sind kein neues Phänomen. Wir erinnern uns an das Narrativ des „faulen Asylanten“, das nach unendlicher Wiederholung heute zum „ukrainischen Asyltouristen“ mutiert ist. Öl in dieses Feuer gießt gegenwärtig Friedrich Merz. Den Unsinn vom „Sozialschmarotzer“ finden wir in der gegenwärtigen Debatte um das Bürgergeld wieder. Müßig zu erwähnen, dass der Sozialbetrüg bei Hartz-IV-Leistungen nach Schätzungen der Bundesagentur für Arbeit (wohlgemerkt!) jährlich etwa 60 Millionen Euro beträgt, dem deutschen Fiskus im selben Turnus aber etwa 100 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung entgehen (Quelle). Neue Narrative wurden während der Corona-Pandemie geboren, eines absurder als das andere: Das Virus sei in chinesischen Laboratorien gezüchtet worden und eine Biowaffe zur Reduzierung der Überbevölkerung (=Bullshit!), Masken seien für eine kritisch verringerte Blutsauerstoffsättigung verantwortlich (=Bullshit!), die „Genspritze“ sei für eine vermehrte Anzahl von Herzmuskelentzündungen verantwortlich (=Bullshit!), die „Ausgangssperren“ seien ein Unterdrückungsinstrument der Regierung/Echsen/Illuminaten/you name it (=Bullshit!), Bill Gates versuche mit Hilfe der WHO, die Weltherrschaft an sich zu reißen (=Bullshit!)…
Auch wenn manches davon arg überzogen klingt – semper aliquid haeret.

Nicht neu, in diesem Zusammenhang aber dennoch erwähnenswert ist, dass rechte Narrative besonders im (klein)bürgerlichen Milieu auf besonders fruchtbaren Boden fallen. Die Melange aus der der Lohnabhängigkeit entspringenden Angst vor dem sozialen Abstieg, dem dauerhaften Einfluss rechtskonservativer Meinungsmedien und den weitestgehend entsolidarisierten Strukturen, in denen sie leben, bereitet diesen fruchtbaren Boden. Dabei wäre es gerade für das Kleinbürgertum um Willen der Verbesserung ihrer Verhältnisse von zentraler Bedeutung, sich gegen rechte Narrative nicht nur abzuschotten, sondern sich ihrer zu erwehren.

Wie also kann man sich davor schützen, rechte Narrative zu glauben und weiterzugeben, sie also zu reproduzieren? Nun, man muss sie als erstes einmal als solche erkennen. Sind sie erkannt, dann muss man sich von ihrem emotionalen Kern lösen und das, was übrig bleibt, auf Wahrheit, Logik, Plausibilität prüfen. Diese „Dekonstruktion“ ist nicht ganz unaufwändig, gerade dann, wenn man nicht gewohnt ist, politische Aussagen dergestalt zu prüfen.

Die Notwendigkeit, sich und seine Mitmenschen von diesen Narrativen zu befreien, liegt auf der Hand. Wohl niemand möchte sich wissentlich zum Büttel jener Interessen machen, die eigentlich den eigenen Interessen und Werten entgegenstehen. Rechte Narrative fischen aber nicht bei Rechtsextremen um Aufmerksamkeit und Akzeptanz (hier werden ganz andere Töne angeschlagen), sondern im bürgerlichen Milieu. Das lässt sich leider nur allzu gern von ihnen abholen und leistet oft sogar einen eigenen Beitrag zur Verbreitung. Und somit steht es in einer besonderen Verantwortung, diesen Narrativen keinen Vorschub zu leisten.

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*) Ein Wort zur Distinktion, das hat Frank Rieger einmal sehr schön herausgearbeitet: Durch die Auswirkungen besonders des US-amerikanischen Kulturimperialismus schwindet die Distinktionsfähigkeit des major consensus narrative. Man nimmt zum Beispiel an, dass Märchenerzählungen einen nicht unwesentlichen Teil zu diesem Konsens beitragen. Nicht nur die Völker hatten und haben unterschiedliche Märchen, sondern es gibt teilweise sogar regionale Unterschiede. Damit ist der Konsens kleinteiliger. Wenn jetzt zum Beispiel Großkonzerne wie Disney regionale Märchenerzählungen durch global wirksame wie beispielshalber „Winnie Pooh“ & Co. verdrängen, ändert sich damit über die Generationen auch ein Teil des Konsenses. Auch solche Entwicklungen kann man als Teil des Selbstreproduktionsmechanismus der kapitalistischen Gesellschaftsordnung begreifen. Allerdings zulasten einer funktionierenden Distinktion. Ob dieser Effekt gewollt ist oder eher ungewollt auftritt, soll hier weder betrachtet noch bewertet werden.

** allerdings nur so stark, bis die Protestform überstrapaziert ist und sich daher abgreift. Darin sehe ich persönlich auch die Gefahr: Diese Form des Protestes kann, verliert man das Gespür für eine sinnvolle Dosierung, sehr schnell zu Reaktanz führen. Damit würde sich die eigentlich gut gemeinte Wirkung ungewollt ins Gegenteil verkehren. Das ist auch einer der wesentlichsten und nicht von der Hand zu weisenden Kritikpunkte wohlwollender Zeitgenossen. Vereinfacht ausgedrückt  ist dem der Appell inhärent, „den Bogen nicht zu überspannen“.

 

Blast from the past: Das Table-Dance in der Nürnberger Klingenhofstraße

Unter meinen alten Fotos habe ich dieses „Schmuckstück“ längst vergangener Tage gefunden: Die „Live Time“-Table-Dance-Bar im Nürnberger Resi-Areal (genauer: Klingenhofstraße 58), die an die alte Rockfabrik (vormals Discothek „Resi“) rein baulich angegliedert war. Was sich aufgrund der für unsere Tage eher unzureichenden Auflösung nur schwer erkennen lässt, sind die beiden in Käfige montierten Kunststoff-Pin-Up-Damen, die den Eingang links und rechts „schmücken“, ein Detail, das heute kaum mehr denkbar wäre.

Bassverstärker, anyone?

Bock auf Bass? Dann hätte ich da was: Meinen selten gespielten, rein im Wohnzimmer benutzten Bassverstärker. Sieht quasi neuwertig aus, ist technisch quasi neuwertig, macht Spaß und obendrauf ist das Teil ein echter Schnapper.

Harley Benton HB-80B

Zu verkaufen: Harley-Benton HB-80B (Harley Benton ist die Thomann-Eigenmarke) Bass-Combo mit 12“-Celestion-Lautsprecher und separat schaltbarem Hochton-Horn, Line-In-Eingang, um z.B. bei Youtube-Videos mitspielen zu können, TEC-Tube-Emulation, um Röhrensound nachzubilden („Tube Emulation Circuit“).

Dazu gibt’s eine gepolsterte Staubschutzhaube, die auf Maß gefertigt wurde (kann man für diesen Verstärker z.B. nicht bei Thomann kaufen).

(Ein Klick auf das jeweilige Vorschaubild vergrößert es)

Zu den technischen Daten: Leistung: 80 Watt (4 Ohm), integrierter Kompressor mit LED-Anzeige, Boost-Funktion, 3-Band EQ mit parametrischen Mitten/Höhen, Kopfhörerausgang
Aux-Eingang zum Mitspielen von CD- oder MP3 Playback-Tracks, symmetrischer DI Ausgang, Effektloop, Ausgang für externen Lautsprecher – min. 8 Ohm.
Maße (B x H x T): 510 x 510 x 354 mm, Gewicht: 21 kg – also kein billiger Schund, sondern echt vernünftig gemacht.

Das Ding steht echt wie Neuware da, ist technisch absolut top und wurde, weil als Übungscombo in der Wohnung genutzt, noch nie wirklich lauter gespielt. Wer in Nürnberg wohnt, kann ihn gerne probespielen, Versand würde etwas dauern, weil ich gerade keinen so fetten Karton zur Hand habe, aber darüber ließe sich reden. Festpreis 99,- Euro.
Du willst das Teil haben? Ruf mich untertags unter 0171 /15 39 520 an oder schreib eine Mail!

Wochenrückblick KW 43/44 2022.

Und wieder einmal der Rückblick auf die beiden vergangenen Wochen in Stichpunkten. Tagespolitische Sachen kommen in dieser Zusammenschau ausnahmsweise recht kurz, was einfach daran liegt, dass ich gegenwärtig echt gut zu tun habe…

  • RIP, Jerry Lee Lewis.
  • Weil Twitter nun an diesen Tesla-Bumskopf-Vollidioten-Kasper Musk verkauft wurde, habe ich in der Tat meinen Mastodon-Account reaktiviert. Folget zuhauf @michi@chaos.social
  • Schuhbeck geht in den Knast. Scheinbar auch, weil ihn keiner seiner Schickeria-Freunde rausgekauft hat. Shit happens.
  • Rainer Dulger fällt mal wieder unangenehm auf.
  • Lindner fordert den Fracking-Einstig. Richtig gelesen. Fracking-Einstieg. Wer braucht schon sauberes Trinkwasser? (Ernsthaft, Leute, man muss schon sehr lange und sehr weit laufen, um einen noch inkompetenteren Politiker zu finden, als diesen Lindner. Der Typ ist eine echte Gefahr für uns alle.)
  • Doktorspielchen. 🙂
  • Lula hat die Präsidentschaftswahlen in Brasilien gewonnen. Ausgezeichnet.
  • Der Wechsel von Ex-Baerbock-Büroleiter Rebmann zu RWE (als Cheflobbyist!!) mag in diesen Kreisen als gängiger Übergang von der Politik in die Wirtschaft gewertet werden und auch formell in Ordnung sein – als wirklich vertrauensbildende Maßnahme werte ich ihn nicht.
  • Inzwischen habe ich was über den Wechsel zu Mastodon geschrieben und ja, das fühlt sich ein bisschen so an wie vor zehn Jahren Twitter und ja, das gefällt mir ziemlich gut.
  • Ach ja, der Plattenspieler ist verkauft. Gegenwärtig ändert sich mein Denken zum Thema „Dinge sammeln“ oder besser „horten“ ganz deutlich. Und zwar dahingehend, dass ich Dinge, die ich nicht mehr benötige, nicht einfach wegwerfe, sondern versuche, sie entweder jemandem zu schenken, der Spaß daran hat oder aber zu spenden, ggf. auch zu verkaufen. Was nicht kaputt ist, soll auch nicht in den Müll. Das ist durchaus aufwändig, macht irgendwie aber auch Spaß. Ich beabsichtige übrigens nicht, irgendwie Gewinn mit meinem alten Kram zu machen, wenn ich was bei Ebay verkaufe, rechtfertigt das erlöste Geld oft nicht den Aufwand, der mit Einstellen und Versenden verbunden ist – aber egal: Müll ist vermieden und etwas Neues muss nicht (so schnell) hergestellt werden.
  • Seitenbacher.
  • Mit Podcastempfehlungen war ich in der Vergangenheit ja immer reichlich zurückhaltend, aber der lohnt sich quasi immer: 99 zu Eins. Hören!
  • War jetzt nicht die Kneipe, in der man mich antreffen würde, aber den ein- oder anderen aus und um Nürnberg mag es vielleicht interessieren: Der Salon Regina sucht einen neuen Pächter.
  • „hab wirklich noch nie eine halbwegs glücklich wirkende Person getroffen, die sich über die „Woken“ aufregt, keine einzige“ /via
  • Jetzt muss ich doch noch mal auf dieses Twitter-Ding zu sprechen kommen, weil mir das in den letzten Jahren durchaus Spaß gemacht hat: Dass dieser Tesla-Affe für seinen blauen Haken acht Dollar im Monat will, geschenkt. Wenn irgendwelchen postpotenten Narzissten, Businesskasper und Co. den gerne haben wollen, meinetwegen. Die angekündigte Priorisierung der Inhalte der Blauhakenleute könnte aber tatsächlich mittelfristig das Ende der Plattform bedeuten.
  • Morgen oder übermorgen setz’ ich hier nochmal Werbung in eigener Sache rein. Seht es mir bitte nach – aber derzeit finden am Haus Sanierungsarbeiten statt , die wir dann zum (etwas unfreiwilligen) Anlass genommen haben, nicht nur die Wohnung, sondern auch Dachboden und Keller mal ordentlich nach Dingen zu durchkämmen, die in unserem Haushalt kaum mehr Verwendung finden. Und von denen kann man sich ja von Zeit zu Zeit trennen.

Goodbye Twitter, hello Mastodon?

Nachdem der Kurznachrichtendienst Twitter nach langem Hin- und Her durch den US-amerikanischen Multimilliardär Elon Musk übernommen wurde, führte dies recht unmittelbar unter der Nutzerschaft zu erheblicher Unruhe. Etliche Nutzer des Dienstes artikulierten relativ offen ihr Unbehagen über diese Entwicklung, fiel der Unternehmer Musk in der Vergangenheit nicht gerade durch diplomatisches Auftreten auf. Außerdem wird ihm eine deutliche Nähe zur amerikanischen Rechten nachgesagt, was in letzter Konsequenz zu Problemen mit Hetze und Fake News auf dem Portal führen kann. In den letzten fünf Jahren entwickelte sich Twitter zu einem Dienst, der nur funktionieren kann, wenn er moderiert und Hass, Hetze, Verschwörungsideologien und Rechtsradikalismus Einhalt geboten wird. Die Nutzer Twitters vertrauen Musk nicht, diesen Herausforderungen gewachsen zu sein, ganz im Gegenteil: Man befürchtet (und erste Indizien deuten darauf hin, dass diese Befürchtungen zu Recht bestehen), dass die reichlich eigene Interpretation der „free speech“ Musks aus Twitter einen Tummelplatz von Trumpisten, Rechtsradikalen und Verschwörungstheoretikern sowie Fake News macht. Twitter steht bereits heute politisch gelenkten Botnetzen und international vernetzten Rechtsextremisten relativ schutzlos gegenüber. Nur eine aktive Userbasis, die Verstöße gegen die Regeln des Kurznachrichtendienstes meldet, konnte bisher verhindern, dass der Dienst unbenutzbar wurde. „Kritikerinnen und Kritiker befürchten“, so heißt es bei der Zeit, „dass Musks unternehmerischer Ansatz Hassrede und Hetze auf Twitter fördern könnten. Für Kritik sorgte zudem Musks Ankündigung, verifizierte Accounts künftig kostenpflichtig zu gestalten. „Es liegt nahe, dass Musk aus genau jenem Grunde Twitter kaufte. Der US-amerikanischen Rechten, unter die sich Musk zweifelsfrei zählen lassen muss, liegt der lebenslange Twitterbann ihrer Galionsfigur Donald Trump noch heute schwer im Magen. Anders ist kaum zu erklären, dass Musk Twitter kaufte, denn mit Twitter wird aller Voraussicht nach auch zukünftig nicht das große Geld zu verdienen sein.

Twitter hat seit jeher ein großes Problem: Weder dem Dienst selber noch seinen Nutzern ist es je gelungen, ausreichend Geld zu verdienen. Natürlich werden über Twitter Werbeanzeigen geschaltet und man kann mittlerweile versuchen, seine Tweets zu monetarisieren. Doch das sind recht randständige Phänomene. Im Gegensatz zum Quasi-Monopolisten Google mit seinem mobilen Betriebssystem Android, der omnipräsenten Suche, seinen vielen kollaborativen Tools und nicht zuletzt dem Videodienst YouTube, die alle konsequent auf die Distribution möglichst zielgruppenspezifischer Werbung ausgerichtet sind, konnte Twitter hier weder den Werbetreibenden noch den „Content Creators“ ein adäquates Angebot unterbreiten. So gut Twitter designed ist, so beliebt der Dienst auch sein mag und so einfach er zu bedienen ist, Twitters „Geburtsfehler“ war und ist bis heute, dass der schieren Notwendigkeit, auf der Plattform Erlöse zu erzielen, kaum nachzukommen ist. Insofern verwundert die enorme Summe von 44 Milliarden US-Dollar, die Musk für Twitter ausgegeben hat. Rein wirtschaftlich betrachtet kann das keine sinnstiftende Akquisition gewesen sein.

Warum aber beunruhigt der Besitzerwechsel bei Twitter so viele Nutzer? Um es vorsichtig zu formulieren: Elon Musk hat im Internet nur wenige Freunde. Der gegenwärtig reichste Mann der Welt wirkt nicht nur hölzern und unsympathisch, sein öffentliches Auftreten ähnelt frappierend dem einer anderen Person, die unter auch nur halbwegs gebildeten Zeitgenossen in aller Regel nur eine Reaktion hervorzurufen vermag: Ablehnung und Verachtung. Gemeint ist Donald Trump. Musk und Trump ist gemein, dass sie weder besonders höflich, verständig oder vernünftig sind. Sie kokettieren vielmehr mit einer infantilen Arroganz. Dadurch geben sie sich den Nimbus des Unberechenbaren. Musk geriert sich, das ist sein Glück, doch deutlich weniger idiotisch als Trump, dennoch: Unter normal denkenden Menschen genießt die moralisch sehr zweifelhafte Figur Musk kein Vertrauen. Auch, dass Musk Twitter nun faktisch im Alleingang führt, beunruhigt viele Nutzer.

Die Sache mit dem blauen Haken

Musk ist erst wenige Tage der „Chief Twit“, da begeht er (neben anderen eher zweifelhaften Entscheidungen) schon den ersten Kardinalfehler: Der berühmte „blaue Haken“, die Verifizierung, die wie eine begehrte Auszeichnung eines Twitterers wirkt, weil sie eben nicht käuflich (und obendrein selten) ist – quasi der Ritterschlag des Kurznachrichtendienstes für einen wichtigen Nutzer, der indirekt weit mehr ausdrückt, als dass sich der Nutzer dem Kurznachrichtendienst gegenüber authentifizieren musste und nach dessen Regel eine Art Person des öffentlichen Interesses ist, soll zukünftig nicht mehr nach einem strengen Regelwerk und entsprechend aufwendiger Prüfung harter Kriterien vergeben werden, sondern für eine Handvoll Dollars an Krethi und Plethi verkauft werden. Damit hat Musk im Handstreich die wertvollste Auszeichnung, den begehrtesten Status im Netzwerk, zu einem beliebigen Feature unter vielen, das sich jedermann, der eine Kreditkarte besitzt, im Abo klicken kann, entwertet. Selbst wenn er damit einen mutmaßlich mittelgroßen Geldbetrag akquirieren kann: Der Zauber der Verifizierung und ein zentrales Instrument zur Qualitätssicherung, mehr noch: Ein elementares Vertrauenselement des Dienstes ist damit unwiederbringlich zerstört. Ich bin überzeugt, dass diese Maßnahme Twitter nachhaltig schwächt und der Plattform nicht zum Vorteil gereicht. Und auch wenn die Causa „blauer Haken“ nur ein kleiner Mosaikstein des Bildes ist, das Musk mit seiner Übernahme von Twitter nun zeichnet – so scheint mir die Sache für Typen wie Musk quasi symptomatisch: Musk als schon fast prototypischer Repräsentant einer wenig rücksichtsvollen, dafür aber in vielerlei Hinsicht reichlich neurotischen – um nicht zu sagen: pathologischen – Geldelite kann nicht einsehen, dass Ansehen, Reputation, Authentizität, Geschmack, gesellschaftliche, kulturelle, künstlerische, intellektuelle Bedeutung, Größe, nur in den seltensten Fällen käuflich ist. Und er begeht den Fehler, den viele Menschen seines Schlages begingen, begehen und zwangsläufig in Zukunft begehen werden: Ihren eigenen Interessen zuwiderhandelnd, versuchen sie, Instrumentarien zu etablieren, die sichern sollen, dass Geldbesitz und Macht gleichbedeutend mit Ansehen und Achtung sind. Es ist ihre Bürde, dass sie nicht erkennen können, dass diese „Instrumente“ sich als denkbar ungeeignet erweisen, der eigenen Bedeutungslosigkeit, der eigenen Endlichkeit etwas Substanzielles entgegenzusetzen.

Zurück zu Twitter: Der blaue Haken hat seinen Nimbus verloren. War er noch bis vor wenigen Tagen der Garant für die Authentizität und Ausweis der Bedeutung eines Accounts, ist er heute bereits ein Symbol alberner Blasiertheit – und das, obwohl ihn gegenwärtig ja noch niemand kaufen kann.

Twitter in der Vertrauenskrise?

Das könnte man durchaus so sagen. Selbst gemäßigte Konservative fühlen sich mit dem Twitter-Musk-Deal nicht besonders wohl – und artikulieren dieses Unwohlsein auch deutlich. Gerade durch die eingangs erwähnten Botnetze kam dem Kurznachrichtendienst in der Vergangenheit schon mehrfach eine unrühmliche Rolle zu.

Die gerade in Nordamerika verbreitete und von Musk indirekt propagierte (Miss-)Interpretation, dass (eben nicht) Meinungsfreiheit, „free speech“ eben einfach das Recht sei, ungeachtet des Inhaltes ausnahmslos alles sagen zu dürfen, macht die Sache reichlich schwierig. Jeder weiß, dass so eine Interpretation der Meinungsfreiheit eine Plattform binnen kürzester Zeit zur Echokammer rechtsnationaler bis offen rechtsradikaler Meinungen verkommen lässt. Von diesen Interessengruppen ist dieser Effekt natürlich ausdrücklich intendiert – und man unterstellt Musk, dass der Erwerb der Mehrheitsverhältnisse bei Twitter genau auf diese Strategie einzahlt.

Dabei darf man die Wirkmächtigkeit Twitters (besonders) in Deutschland nicht über-, aber auch nicht unterschätzen. In absoluten Zahlen ist Twitter ein eher randständiges Phänomen. „Laut ARD-ZDF-Onlinestudie nutzten 10 % der Deutschen im Jahr 2020 Twitter mindestens selten, 5 % mindestens einmal pro Woche und 2 % täglich. Dabei entfiel der höchste in Nutzeranteil jeweils auf die Altersgruppe 14 bis 29“ (Quelle) Aber unter den aktiven Nutzern außerhalb dieser Altersgruppe gibt es viele Journalisten, Politiker, Forschende sowie führende Köpfe der ITK-Branche. Somit ist Twitter in absoluten Zahlen mitnichten ein meinungsprägendes Massenmedium, über Bande werden dort allerdings überdurchschnittlich viele opinion leader erreicht.

Und so stellt sich vielen Nutzer mehr oder weniger automatisch die Frage, ob die vielen Vorteile und Netzwerke Twitters im Falle einer Vergiftung des Diskurses auf Twitter nicht auf ein anderes, frei und unabhängiges Medium „herübergerettet“ werden kann. Hier kommt die Alternative Mastodon ins Spiel.

Wie kam ich überhaupt zu Mastodon?

Meinen Mastodon-Account klickte ich mir im August 2018, kurz nachdem im Umfeld des Chaos Computer Clubs der chaos.social-Server für die „Chaos Community“ geschaffen wurde. Ich wollte mir das neue, dezentrale Netz einfach mal ansehen – die ersten Tage waren auch sehr spannend, doch mit der Zeit kam man sich mitunter vor, wie ein einsamer Rufer in der Wüste. Und so ruhte nicht nur mein Account, bis die Schreckensmeldung, Musk habe nun doch Twitter gekauft, die Runde machte. Das war nicht mein erster Berührpunkt mit dezentralen Microblogging-Alternativen. Schon zu Beginn der 10er-Jahre habe ich mir Diaspora angesehen, wich jedoch vor dem Aufwand, einen eigenen Diaspora-Server aufzusetzen und zu unterhalten, zurück. Das wäre in diesem frühen Stadium aber nötig gewesen. Nichtsdestotrotz blieb die Idee, dass es aus vielerlei Gründen wünschenswert wäre, ein (lets call it) soziales Netzwerk zu haben, dass sich zwar zentral vernetzt bedienen lässt, Daten und Content aber dezentral hält. Persönliche Gründe für so ein Modell: Ich kann mir einen Server wählen, dem ich vertraue oder, sollte ich dieses Vertrauen nicht vorschießen können oder wollen, auch selbst einen Server aufsetzen. Ich habe und behalte also durchaus die Kontrolle über meine Daten – und damit auch die Sicherheit, meine Daten jederzeit löschen zu können, wenn ich das möchte. Die dezentrale Datenhaltung verhindert auch, dass in großem Stil Metadaten erhoben, ausgewertet, aggregiert, verkauft… werden. Gerade Facebook bzw. Meta sind in dieser Hinsicht in der Vergangenheit unzählige Male äußerst unangenehm aufgefallen (und darin ist auch der Grund zu suchen, warum ich bis heute weder Facebook noch WhatsApp nutze). Mit dem Fediverse und hier speziell mit Mastodon findet man diese Ansprüche umgesetzt und das hinreichend gut.

Ist Mastodon eine echte Twitter-Alternative?

Mastodon (Screenshot)

Irgendwie fühlt sich Mastodon so ein wenig an wie Twitter vor zehn, zwölf Jahren. Besonders etwas nerdigere Zeitgenossen, viele mit technischem Hintergrund, nutzen das Fediverse, das führt zu einem mehrheitlich entspannten und zugewandten Umgangston und einer hohen Dichte interessanter, relevanter Inhalte. Weiterhin sehr angenehm: Die vielen russischen Bots, die schon lange vor dem Ukraine-Krieg ein echtes Problem darstellten, sind (noch) nicht auf Mastodon, gleiches gilt für die ganzen Rechtsradikalen, AfD-Spinner, Covidioten, Klimawandelleugner, Altrights, Neocons, rechtslibertären Idioten und so manche Landplage mehr. Natürlich wird es nicht lange dauern, bis auch solche Zeitgenossen einrücken – aber zumindest jetzt genieße ich deren Absenz in vollen Zügen.

Mastodon ähnelt Twitter in wesentlichen Punkten deutlich. Auch hier kann man interessanten Nutzern folgen, auch hier werden „Tröts“ in einer revers-chronologischen Zeitleiste angezeigt, es gibt die Möglichkeit, zu „retröten“ und Beiträge zu favorisieren, auch Direktnachrichten können zwischen Nutzern ausgetauscht werden und es gibt wie gewohnt Hashtags und auch Trends. Wer mit dem Umgang bei Twitter vertraut ist, wird sich in Mastodon schnell und umfänglich zurechtfinden.

Technisch ist Mastodon (in seiner Einfachheit) sehr gefällig: Ein nüchternes, zurückgenommenes Web-Layout, eine zweckmäßige App und auch eine durchweg angenehme Reaktionszeit machen die Nutzererfahrung angenehm. Ferner hat Mastodon in den letzten Tagen durch seine technische Performance beeindruckt: Neue Nutzer, aufgeschreckt durch den Umstand, dass Musk Twitter kaufte, strömten zuhauf auf die Server. Die hakelten und husteten hie und da – hielten dem Ansturm aber stand.

Mastodon und Twitter parallel nutzen – das geht

Angenehm ist auch, dass es inzwischen einige Crossposting-Dienste gibt, die es erlauben, parallel auf Mastodon und Twitter zu posten. Und ja, es gibt Zeitgenossen, denen das nicht recht gefallen mag, besonders, wenn eine Vielzahl von Retweets in Mastodon „hineingeschwemmt“ werden (und das ist auch verständlich, schließlich kann man in Mastodon nicht mit dem Nutzer, dessen Tweet retweeted wurde, interagieren). Nichtsdestotrotz macht gerade die Möglichkeit des Crosspostens die Sache interessant für mich, denn – das gebe ich unumwunden zu – ich plane derzeit noch nicht, mich von Twitter zu verabschieden.

Denn auch bei mir hat Twitter etwas geschafft, was gemeinhin gerne als lock in bezeichnet wird: In zwölf Jahren meiner Präsenz dort bildete sich mit der Zeit ein wertvolles Netzwerk, aus etlichen Kontakten wurden gute Bekanntschaften und persönliche Freundschaften. Den bequemen Kontakt zu diesen Menschen aufzugeben, fällt selbst dann schwer, wenn sich der Kontakt selbst ohne Twitter problemlos aufrechterhalten ließe. Twitter ist aber noch mehr: Für mich wurde der Kurznachrichtendienst mit den Jahren zum zentralen Newsaggregator. Ja, ich lese zwei Tages- und eine Wochenzeitung. Ja, ich höre viel Radio und sehe gelegentlich auch fern. Aber die Schnelligkeit, mit der man sich einerseits allgemein, andererseits zu speziellen Themen informieren kann, ist bei Twitter unerreicht. Und dann erlebe ich dort, dass ersteres mit letzterem auf angenehme und sinnstiftende Weise verknüpft ist.

All dies ließe sich freilich auch über Mastodon erreichen, möglicherweise sogar wesentlich besser, weil es hier keine störende Priorisierung bestimmter Inhalte über einen intransparenten Algorithmus gibt. Außerdem sind die Serverbetreiber nicht unbedingt gezwungen, mit ihrer Dienstleistung Geld zu verdienen und können gegebenenfalls ihre Auslagen durch Kleinspenden der Nutzer refinanzieren – somit ist auch das Interesse an einer Priorisierung bestimmter Inhalte durch Algorithmen gering – und Mastodon werbefrei, was das Nutzererlebnis zusätzlich verbessert.

Und da liegt nun also der Hase im Pfeffer: Der Erfolg oder Misserfolg Mastodons hängt davon ab, ob die relevanten Nutzerinnen und Nutzer Twitters ihre Inhalte auch oder sogar exklusiv in Mastodon teilen. Der Crossposter, ein Skript, das Tweets auch in Mastodon und Tröts auch in Twitter publiziert, erleichtert dies ungemein, entbindet den User aber nicht, sich auf der jeweiligen Plattform auch um sein Netzwerk zu kümmern und in Dialog zu bleiben. Und das sieht mittlerweile relativ gut aus: Viele aktive Twitterer sind bereits bei Mastodon präsent und teilen ihre Inhalte – darunter auch User mit hohem Bekanntheitsgrad, guter Reputation und hoher Reichweite. Das reicht sogar schon so weit, dass „alteingesessene“, aber wenig „wechselwillige“ Twitter-Nutzer ihre Sorge äußerten, nun bald auf Twitter alleine zu sein. Ganz ehrlich: Ich gehe nicht von einem Massenexodus bei Twitter aus, zumindest nicht in der nächsten Zeit. Das könnte sich ändern, wenn entweder der Umgangston kippen sollte oder der Dienst nur mit kostenpflichtigen Abonnements sinnvoll nutzbar bleibt. Dann stünde in der Tat zu erwarten, dass sich eine größere Nutzerzahl umorientiert und Alternativen prüft. Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, ob sich Mastodon über eine etwas diffuse, mit der Nerdkultur verbundene technikaffine Community hinaus bei den Menschen behaupten können wird. Gelingt dies in wesentlichen Grundzügen, könnte Mastodon tatsächlich als kleine, feine Twitteralternative wachsen. Gelingt dies in der Breite nicht, werden hier dennoch datenschutzsensible, für digitale Bürgerrechte eintretende, technik- und netzaffine Menschen, Nerds und Kulturschaffende ein interessantes Universum haben – und das ist ja auch nicht verkehrt.

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