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Wem gehört die Ultrakurzwelle – BR Klassik oder Puls?

Wer in Deutschland Radio hören will (Verbreitungswege wie Kabel, Sat oder Internet bleiben bei dieser Betrachtung mal außen vor), der hat im wesentlichen zwei Möglichkeiten: Zum einen über Ultrakurzwelle, auf vielen Empfängern steht hier „FM“ – oder digital mit DAB+. Beide Systeme sind untereinander nicht kompatibel: Wer ein UKW-Radio hat, der kann kein DAB empfangen, viele DAB-Digitalradios haben aber noch ein analoges UKW-Teil mit an Bord. Ein reines Digitalradio empfängt kein UKW. Der Vorteil von Digitalradio gegenüber der vor bald 65 Jahren eingeführten UKW-Technik ist ein in der Regel rauschfreier Klang und eine größere Programmauswahl. Im UKW-Radio herrscht Enge, es gibt wesentlich mehr Radiostationen, die über UKW senden wollen, als es Kanäle gibt. Freie Kanäle gibt es quasi gar nicht, Ende der 90er wurde hier in Nürnberg mit Füll- und Stützsendern dichtgemacht, was dicht geht, Kleinstanbieter wie vil oder StarFM bekamen Frequenzen zugewiesen, die so schwach und abseitig besendet werden, dass es schon gar keinen Spaß mehr macht. Eigentlich müsste ein regelrechter Run auf die Digitalradios stattfinden, die Leute sind aber eher zögerlich und nutzen die Radios, die sie bereits besitzen. Ohne Not steigt kaum einer auf das neue Digitalradio um – dass alte Radio spielt ja weiter. Schlechterer Klang und geringere Auswahl spielen oft nur eine untergeordnete Rolle – viele hören nur ein Programm und oft ist die Qualität hinreichend gut (oder nicht so wichtig).

Nun passiert, was passieren muss: Der Bayerische Rundfunk unterhält in Bayern eine Senderkette, mit der fünf Programme übertragen werden können – derzeit sind das Bayern 1 (der unangefochtene Marktführer), Bayern 2 (ein Kultur- und Wortprogramm), Bayern 3 (eine „Servicewelle“, Popmusik für eine gesetztere Hörerschaft ab vielleicht Vierzig), B5aktuell (ein Nachrichtenkanal) und BR Klassik (vormals Bayern 4, hier wird Klassik und Jazz gespielt). Und dann hat der BR – sehr sehr spät – nun ein neues Programm aus der Taufe gehoben: Puls, das Jugendradio. Im Radiobereich war der BR hinsichtlich der Programmgestaltung immer sehr innovativ: Die Autofahrer- und Servicewelle Bayern 3 war die erste ihrer Art in Deutschland (Anfang der 70er) und mit B5 kreierte die Anstalt Anfang der 90er den deutschen Prototypen für die inzwischen so erfolgreichen Inforadios. Nur ein richtiges Jugendradio hat der BR seit über fünf Jahrzehnten nicht richtig auf die Kette gekriegt, da war mit DT64 selbst die DDR (!) schneller. Nun aber wollen die Münchener auch dieses Manko tilgen: Nach den Rohrkrepieren „Das Modul“ und „on3-Radio“ (allesamt Digitalprogramme) soll nun „Puls“ die Ehre retten – nur: Puls hört halt kaum wer, weil sich das Digitalradio bei den Jüngeren noch nicht durchgesetzt hat – die nächste Pleite droht…

Die Lösung scheint zumindest am Münchener Rundfunkplatz auf der Hand zu liegen: Wirft man BR Klassik kurzerhand aus der analogen UKW-Senderkette und liefert auf den so frei werdenden Kanälen nun Puls, so brächte man das Programm an die Jugend. Die BR Klassik-Hörer müssten dann, wollen sie den Sender weiter empfangen, ein Digitalradio anschaffen. schnell möächte man meinen, hier geht es nicht nur um die Frage ob Klassik oder Pop, ob Bayern 4 oder Puls – sondern um Jung oder Alt.

Und so regte sind im ganzen Freistaat Widerstand gegen die Pläne der BR-Intendanz, Unterschriften wurden gesammelt und über fünfzigtausend zeichneten mit. BR Klassik soll auf der Ultrakurzwelle bleiben – schon allein deswegen, so wird argumentiert, weil gerade Ältere mit neuer Digitaltechnik Schwierigkeiten hätten, für die Jungen wäre das ja kein Problem. Es ist vertrackt: Die Jungen kaufen sich kein Radio, nur um einen bestimmten Sender zu empfangen (den sie im Zweifel noch gar nicht kennen), die nutzen, was vorhanden ist. Und in den Smartphones gibt es irrigerweise quasi nur analoge UKW-Empfangsteile. Die Alten, so erweckt es den Eindruck, trauen sich selbst den Umstieg auf Digitalradio nicht zu.

Andererseits: Die, die BR Klassik hören, gehören in aller Regel nicht nur einer gesetzteren sondern auch einkommensstärkeren Zielgruppe an – die hätten das Geld für die neuen Empfänger. Die die BR Klassik hören, würden von den technischen Vorteilen des Digitalhörfunks am meisten profitieren, allein schon deshalb, weil man hier das zu sendende Tonmaterial weit weniger komprimieren muss, als bei analoger Verbreitung, was gerade klassischer Musik mit hohen Schwankungen in der Dynamik sehr entgegenkommt. Nicht zuletzt bieten viele DAB-Radios gerade für weniger technisch versierte Menschen Vorteile – bringen sie in aller Regel doch einen automatischen Sendesuchlauf, Stationstasten und ein Klartextdisplay mit.

In diesem Streit Position zu beziehen ist äußerst schwierig – ich will es dennoch versuchen: Ich teile die Auffassung der BR-Intendanz, dass das Jugendprogramm auf UKW besser aufgehoben ist. Den BR-Klaassik-Hörern kann man den Kauf eines Digitalradios zumuten – sie profitieren am meißten davon und werden vermutlich auch den größeren Spaß an diesen Geräten entwickeln. Ein Programm wie BR Klassik eignet sich weit weniger zum „nebenbeihören“ wie Puls, das rechtfertigt eine Neuanschaffung. Überhaupt: Die Bayern sind schon fleißige Digitalradiohörer, knapp neun Prozent nutzen ein DAB+-Gerät. Das mag auf den ersten Blick nicht nach allzu viel aussehen, wenn man sich aber vor Augen hält, dass die Technik recht jung ist und das niemand bislang wirklich darauf angewiesen ist, wenn es ums schiere Radiohören geht, können sich die neun Prozent schon sehen lassen. Die Besorgnis der Privatsender kann ich nicht teilen, sie haben selbst gegenüber der öffentlich-rechtlichen „Übermacht“ zwei deutliche Vorteile: Sie sind bereits im Markt und damit bei den jungen Hörern gesetzt und durch ihre Regionalität können sie ganz anders um Stammhörer werben (z.B. durch Verlosungen, Sponsoring von Konzerten, Ausrichten diverser Partys…) als es der BR jemals könnte. Gut vorstellen kann ich mir aber, dass man bei Puls zukünftig ganz schön ackern muss, um sich zu etablieren.

Ich denke, dass der BR gut daran tut, Puls in die UKW-Senderkette einzuspeisen.

Am Rande: Ich höre kein Puls. Ich fand schon on3 und das Modul unangenehm (und damals hätte ich durchaus noch altersmäßig in die Zielgruppe gepasst). Die Schülerbands des Interimsprogramms „bavarian open radio“ gingen mir in der Regel auf den Saque. Ich höre gerne in B4 rein, meine liebste Sendung hier ist „pour le piano“, die Jazzstrecken sind wunderbar. Ich höre seit 2000 Radio digital über Sat, seit 2004 über DAB und seit 2011 über DAB+. Ich denke, dass Digitalradio der richtige Weg für ein wichtiges Medium ist. Ein Umstieg zu DAB+ mag vielen derzeit als fakultativ vorkommen, die Qualität und Auswahl (und nicht zuletzt auch der Komfort) entschädigen den Preis für das neue Radio, das man ja eigentlich gar nicht gebraucht hätte, um ein vielfaches.

 

 

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