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Autsch, Herr Westerwelle!

Ich bin erfolgreich darum herumgekommen, etwas über Guido Westerwelle zu schreiben, zumindest bis jetzt. Nachdem mich gestern per Mail aber eine weitere Einlassung (zu der ich später kommen werde) erreichte, – und weil heute ja politischer Aschermittwoch ist, nun also doch meine 5 Cent zu der ganzen Sache:

Wen wundert bitte das bräsig-hohle Gesabbel von Herrn Westerwelle? Mich wundert das nicht. Ich habe fest damit gerechnet. Und ich habe mich darüber noch nicht einmal gewundert. Umso mehr wundert mich das Westerwelle-Bashing seit einer Woche. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte – keineswegs. Aber, liebe Leute, liebe Journalisten, was bitte ist denn daran das Besondere? Zur Erklärung: Herr Westerwelle gehört der FDP an. Die FDP ist nicht liberal – sie spaltet sich im wesentlichen in Neokonservative und Rechtslibertäre. Auch das ist nicht neu.

Das Bundesverfassungsgericht hat also in KW 6 Hartz IV im Wesentlichen kassiert (was mich auch nicht wundert, mich wundert hier eher, warum es so lange gedauert hat). Gut hieran ist, dass im Härtefall (wie auch immer der sich definieren mag – ich ahne, dass diese Frage die Gerichte in Zukunft gut beschäftigen wird), die ARGEN reagieren müssen und Mittel (Geld oder Dinge) zur Verfügung zu stellen haben – und zwar fix. Damit wird aber nur das Bundessozialhilfegesetz von 2003, das bis 2005 Anwendung fand, zu einem kleinen Teil restauriert. Und hier will ich eines in aller Deutlichkeit bemerken: Schröder und Konsorten installierten Hartz IV, um zum einen Geld zu sparen, zum anderen Bürokratie abzubauen und des weiteren Gerechtigkeit herzustellen. All dies wurde nicht erreicht: Die Sozialausgaben sind seit Hatz IV drastisch gestiegen, obschon der Einzelne oder die Bedarfsgemeinschaft unter dem Strich weniger Geld zur Verfügung haben als zu Zeiten des BSHG (gemessen an der Kaufkraft bzw. am Warenkorb). Es wird also mehr Geld ausgegeben und den Menschen geht es schlechter – das lässt sich inzwischen objektiv belegen. Bürokratie wurde auch keine reduziert – im Gegenteil: Die Hartz-Gesetze sind derart schlecht und die Umsetzung selbiger in den ARGEN (geschaffen für das Handling von Hartz IV – soviel also zum Thema Bürokratieabbau) ist so verbrecherisch, dass eine Klagewelle durchs ganze Land rollte und rollt (mit dem Ergebnis, dass jeder zweite Bescheid falsch ist – zu Lasten des Antragstellers). Und dass Hartz IV und die daran gekoppelte Zwangsarbeit der „1-Euro-Jobs“ gerecht sei, ist gelogen. Nichts anderes stellt das BVG im Kern fest.

Ironie des Schicksals: Das BVG diktiert den größten Sozialabbauern in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (die aktuelle Bundesregierung ist gemeint) nun die Hausaufgabe, das SGB II grundlegend zu überarbeiten. Doch was macht Schwarz/Gelb? Machen sie sich an die Arbeit? Nein, sie kotzen erstmal kräftig.

Welches Mindset dahintersteht zeigt schon die Kausa um die ARGEn. Auch diese wurden vom BVG kassiert. Man könnte nun als Regierung diese Strukturen so umorganisieren, dass sie in Zukunft verfassungskonform sind. Wie schon gesagt: Man könnte. Schwarz/Gelb aber will lieber das Grundgesetz ändern, um so die Verfassung „ARGEn-konform“ zu machen. Wer noch daran glaubt, dass solche Leute das Sozialsystem zum Wohle der Schwachen umkrempelt, ist reichlich naiv.

In diesem Kontext betrachtet sind die Reaktionen Westerwelles nichts anderes als eine stringente Beschreibung der gewünschten Politik. Die FDP steht, in Tateinheit mit CDU und CSU, für totalen Sozialabbau.

Was viele für eine Entgleisung Westerwelles halten, ist keine Entgleisung sondern das politische Konzept der Bundesregierung. Nicht weniger und nicht mehr. Wer das noch nicht begriffen hat, der wird es wohl auch nicht mehr lernen. Den Beweis, dass diese Aussage stimmt, hat Westerwelle im Übrigen selbst angetreten: Er nahm nämlich kein Wort dessen, was als „Entgleisung“ gescholten wurde zurück.

Ganz klar: Wer im Anbetracht des Eckregelsatzes von 359 Euro per Monat von „spätrömischer Dekadenz“ spricht, ist meilenweit von jeder Realität entfernt. Und dass Herr Westerwelle weder besonders klug noch besonders stilvoll ist, hat inzwischen ebenfalls Gemeingutstatus. Hand aus Herz: Was erwartet Ihr von einem Mann, dem es nicht zu blöd ist, mit Dolly Buster (sic!) für seine Partei zu werben, der Vorsitzender einer Spaßpartei sein will und das mit Auftritten im Big-Brother-Container (sic!) und humoresken Showeinlagen neben dem Guidomobil belegt? Erwartet Ihr von dem etwas Ernst zu nehmendes? Nicht wirklich, oder?

Die Lehre aus dem ganzen Desaster kann für all jene, die sich dazu hinreißen haben lassen, CDU, CSU oder FDP zu wählen, nur lauten: Nie wieder CDU, CSU und FDP wählen. Damit hätte sich nämlich der größte Teil der Probleme Deutschlands erledigt. Westerwelle macht gerade breiten Bevölkerungsschichten in unnachahmlicher Weise klar, warum es Unsinn ist, FDP zu wählen (und der Erfolg lässt nich lange auf sich warten). Man sollte ihm also dankbar sein – schließlich ist es Westerwelle, der das Projekt „Ich drücke die FDP unter die 5%-Hürde“ recht erfolgreich angegriffen hat.

Heiner Geißer (CDU) brauchte nicht lange für die Analyse: „ein Esel [ist] Bundesaußenminister geworden“.

Damit sollte es gut sein, oder? Möchte man meinen, aber gestern erreichte mich besagte Mail:

War klar, dass der bei der Diskussion auch noch mitschnacken will.

Und da haben wir es: Kaum steht ein Blöder auf und sagt blöde Dinge, schon findet sich ein noch Dümmerer, um noch einen draufzusatteln: Der dämliche Zickenbart vom IFO-Institut Hans-Werner Sinn, der immer plappert, wenn ihn keiner fragt, sagt in seinem Leib- und Magenblatt Welt:

Der Strom kommt aus der Steckdose, und das Hartz-IV-Einkommen vom Amt. So denken leider viele. Dabei argumentieren sie mit der Bedarfsgerechtigkeit. Dieses Konzept geht auf Karl Marx zurück. So gesehen ist die Feststellung, dass die Diskussion sozialistische Züge aufweist, richtig. (Quelle: Welt)

Herrschaft! Welchen Marx hat denn Sinn gelesen? Karl Marx? Ich glaube, der verwechselt Karl Marx mit Adolf Marx (SS) oder Chico Marx (Marx Brothers). Sinn lässt sich hier zu billigsten Populismus hinreißen, unterstellt er doch Hartz IV-Empfängern nichts anderes als gedankenlos zu leben und nur auf Ansprüche zu pochen. Solch billige Scheinargumente, Herr Sinn, sind eines Professors nicht würdig! Schämen Sie sich! Anhand solcher Aussagen lässt sich nicht nur erkennen, wes Geistes Kind dieser Professor Sinn ist, sondern auch, dass er nichts verstanden hat. Seinen Marx, das sei ihm mit auf den Weg gegeben, möge er noch einmal studieren! Über seine idiotischen Einlassungen zu Thema Quasi-Mindestlohn durch Hartz IV äußere ich mich an dieser Stelle nicht, denn das ist mir zu blöd und gehört auch nicht zum Thema.

Ich bin sehr gespannt, wie es glücken soll, Hartz IV zu reformieren, solange wir von Menschen mit Westerwellescher Geisteshaltung regiert werden, denen auch noch Leute wie Professor Sinn soufflieren.