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Verraten?

Herr Beck von den Grünen scheint das hier nicht verstanden zu haben. Er bejammert in seinem Blog recht ausführlich, dass durch die eine fehlende Stimme für eine rot-grüne Mehrheit die das Ding nicht aus dem Stand heimtragen konnten.

Rot-Grün. Der politische Wechsel war in NRW zum Greifen nah. Ein Sitz fehlte uns bei der Verkündung des vorläufigen amtlichen Endergebnisses. Das ist ärgerlich. Sind es doch letztlich die Stimmen für Linkspartei und Piratenpartei, die Rüttgers im schlimmsten Fall den Machterhalt sichern. (Volker Beck)

Nö, das stimmt einfach mal nicht. Der Politikwechsel ist möglich. Und er ist greifbarer denn je. Hätte rot-grün eine Mehrheit erreichen können, wäre zwar Rüttgers Geschichte, aber das alleine, lieber Herr Beck ist kein Politikwechsel. Mit der Linken an Bord wäre rot-grün zum Politikwechsel gezwungen. Sonst nicht.

Genau so gut hätte man sagen können:

Besserverdienede wählen überdurchschnittlich oft FDP und Grüne. Blöd, dass ein paar tausend Besserverdiener in NRW FDP gewählt haben. Die grünlackierte Besserverdiener-Partei hätte diese Stimmen nämlich gerne gehabt. (Michi)

Wenn irgend etwas Herrn Rüttgers an der Macht hält, dann sind das nicht die Stimmen für Piraten und Linke. Wenn SPD und Gründe die Linke vergrätzt, dann sind sie es, die Herrn Rüttgers an der Macht halten. Zum Glück gibts Tucher ist es noch nicht so weit. Also, Sozn, Grüne, anstrengen!

Und dabei hattet Ihr noch Glück. Die FDP, die sagte, sie reden nicht mit Leuten, die mit Linken reden, hat sich selbst ins Abseits manövriert. Wenn rot-grün mit denen koaliert hätte, würde die Glaubwürdigkeit beider Parteien weiter leiden. Es ist gut für SPD und die Grünen, nicht mit der FDP zu koalieren.

Doch falls es nicht klappt, und sind wir mal ehrlich, liebe PiratInnen und Linke: euch und euren Anhängern wäre eine rot-grüne Mehrheit doch auch lieber als eine große Koalition, Online-Durchsuchung, Vorratsdatenspeicherung und BKA-Gesetz, oder? (Volker Beck)

Ich kann natürlich nur für mich sprechen. Unter Kanzler Schröder war rot-grün nämlich keine Offenbarung. Es war unter rot-grün, als dieser unnütze Otto-Katalog verabschiedet wurde. Und Hartz IV. Und was war mit dem Kosovo, Afghanistan? Ich selbst bin da wesentlich weniger optimistisch als Herr Beck.

Weiterhin muss eines mal gesagt werden: Ich halte es für unredlich, Piraten und Linke in einem Atemzug zu nennen. Die Piraten sind mehr Bürgerbewegung als Partei (vgl. hier), die Linke ist eine etablierte Partei, die nun auch im Westen Fuß fasst. Fünf-Parteiensystem. Realität. Auch wenn das Herrn Beck nicht in den Kram passt.

Beck schreibt weiter:

Trotzdem: Die verschenkten 119.581 Stimmen für die Piratenpartei und zusätzlichen 434.846 Stimmen für die Linke wollten, das unterstelle ich ihnen nun einfach, lieber Rot-Grün als Rüttgers oder große Koalition. Sie haben es aber mit ihrem Votum vermasselt.

Woher will Herr Beck denn das wissen? Wer sagt denn, dass die Piraten den Otto-Katalog schon verziehen haben? Und ob ein Linken-Wähler wirklich SPD/Grüne will? Allein dass wohl niemand, der Piraten oder Linke wählt, gerne Rüttgers behält, beweist noch lange nicht, dass der dann SPD/Grüne will. Naturalistischer Fehlschluss. Wen er nämlich SPD und Grüne gewollt hätte, hätte er SPD oder Grüne gewählt. So einfach ist das. Herr Beck, was sie da schreiben, meinen Sie doch hoffentlich nicht ernst!

Wenn schon, dann dürfen sich alle Wählerinnen und Wähler von Piraten und Linken doppelt freuen: Dann ist es ihnen nämlich durch ihr Votum gelungen, Leuten wie Volker Beck einen Denkzettel zu verpassen (auch wenn der noch nicht Wirkung zeigt – die Hoffnung stirbt zuletzt).

NRW-Wahl: Der Politikwechsel gelingt nur mit der Linken

Nach dem großen Freudentaumel am gestrigen Wahlabend in Nordrhein-Westfalen folgt nun das Zähneklappern. Die CDU ist „stärkste“ Partei – mit einem Vorsprung, der nur unter dem Mikroskop erkennbar ist (0,1 Prozent) und mit Stimmverlusten von über zehn Prozent. Die Westerwellen-Partei, die bei der Bundestagswahl einen seltsamen Höhenflug erlebte, ist wieder auf das Normalmaß zurückgestutzt worden, denn die Besserverdienenden wählen inzwischen Grün.

Hinzugewonnen hat die SPD mit ihrer etwas altbackenen Spitzenkandidatin Kraft zwar genau gar nichts, aber bei den Sozn feiert man, dass man nicht ins Bodenlose gestürzt ist – zu Recht. Doch, oh Schreck, oh Graus, einer fehlenden Stimme wegen will sich keine rot-grüne Regierungmehrheit einstellen.

Was ist nun in NRW möglich? Schwarz-Gelb zum Glück nicht. Schwarz grün geht auch nicht. Was bleibt?

Es bleibt zum einen die Möglichkeit, eine sog. „Große Koalition“ zu bilden – das hat dann mit Politikwechsel nichts mehr zu tun und ist, betrachtet man sowohl die Verluste bei der CDU sowie die der SPD die Koalition der Verlierer. Merkel will die Koalition der Verlierer – getrieben von der Angst, dass ihr in der Länderkamer die Felle davonschwimmen. Dass eine „Große Koalition“ keine Alternative sondern ein Schmarrn ist, wissen wir seit der Bundestagswahl 2005. Mit Politikwechsel, das muss der SPD klar sein, hat das nichts zu tun.

Und dann? Rot-Grün wäre mit der Linken möglich, entweder mit direkter Regierungsbeteiligung oder zumindest unter Tolerierung. Erst dann – und nur dann – könnte ein Politikwechsel eingeleitet werden. Doch hier stolpert die SPD mal wieder über ihre eigenen Füße, so wie sie es im Saarland, in Thüringen und einstmals in Hessen getan hat. Es wird immer deutlicher: Die SPD kann nicht mehr ohne die Linke.

Nur: Sozialdemokraten sind leider beratungsresistent. Und auch frei von Visionen. Sozialdemokraten geht es selten um Veränderung, wichtig ist ihnen eigentlich nur, an der Macht zu sein. Das wiederum eint sie mit den Grünen, die sich auch mit der CDU in die Kiste legen. Den Sozn undden Grünen geht es – das mussten wir seit 1998 erfahren – um nichts als Macht. Vernünftige Politik ist dabei selten herausgekommen. Deshalb ist besonders schön, dass die Linke gestern den Einzug in den Nordrhein-Westfälischen Landtag geschafft hat. Denn jetzt sind Schwarz, Rot und Grün gezwungen, die Hosen herunterzulassen. Sind sie feige, gibts die roße Koalition. Damit schaufelt sich die SPD aber ihr eigenes Grab – ist ihr der Absturz ins Bodenlose doch nur erspart worden, weil die Menschen zum einen Rüttgers und zum anderen die Schwarz-Gelb in Berlin leid sind.

Die Linke könnte das Korrektiv einer Rot-Grünen Koalition sein – wir wissen (auch wenn es viele nicht wahr habwen wollen), dass das bitter nötig ist.

Und dennoch: Wieder besseres Wissen werden nun die Weichen auf große Koalition – die Koalition der Verlierer – gestellt.