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Immer Ärger mit dem gelben Sack.

Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, da haben wir mit den gelben Säcken, die dem Dualen System Deutschland seit jeher zur Müllsammlung dienen, ganze Umzüge abgewickelt. Das geht heute nicht mehr, inzwischen sind die Folien, die für die Herstellung des Sackes verwendet werden, so dünn und lumpig, dass das Material selbst bei halber, ordnungsgemäßer Beladung zum Reißen neigt.

Und damit beginnt auch schon der Ärger: Wenn in der Stadt weit vor dem Abholtermin die „Wertstoffsäcke“ auf die Straße gestellt werden, damit die mit voluminösem Verpackungsmüll gefüllten Dinger endlich aus der Wohnung sind, verteilt sich dieser Müll schnell auf den Straßen. Wind und Wetter zerren an der lausig schlechten Sackfolie, Kinder kicken die Säcke (die im Gegensatz zu einem Fußball den Kick eben nicht abkönnen) und Ratten und andere Pestilenzen haben auf der Suche nach Nahrung mit den gelben Säcken leichts Spiel.

Der herumfliegende Müll ist nicht nur den Anwohnern ein Dorn im Auge, auch die Stadt hat damit ihre liebe Not, denn schließlich muss sich die Straßenreinigung um den umherfliegenden Müll kümmern, die Gewinne aus Recycling und Verkauf des Mülls wandern freilich in die Taschen privater Dienstleister (und das System ist duch die Lizenzabgabe für den Grünen Punkt auf Verpackungen) finanziell sowieso gut unterfüttert. Hier sieht man auch mal wieder, wie es in unserem Gemeinwesen halt so funktioniert: Die Kosten werden der Allgemeinheit zugeschoben, die Gewinne privatisiert (zumal die Stadt den Plastikmüll gerne nutzen würde, weil er einen guten Brennwert für das Heizkraftwerk liefert).

Nun will in Nürnberg Bürgermeister Vogel eine Strafe von 50 Euro vom Vermieter derjenigen Anwesen erheben, vor denen Säcke vor dem Abend des Abholtages auf der Straße stehen. Es hat nicht lange geaduert, bis der Haus- und Grundstücksbesitzerverein protestierte – mit nicht ganz von der Hand zu weisenden Argumenten:

Zuerst einmal kann ja jeder seinen Müll vor ein beliebiges Haus stellen. Wie wollte die Stadt nachweisen, wer der wirkliche Verursacher von Müll ist? Außerden darf man sich sicher sein, das die Vermieter dann die Strafe auf die Mieter umlegen, was wiederum viele Bürger trifft, die nichts für die Verunreinigung können.

Dabei gäbe es doch recht praktikable Lösungen: In anderen Kommunen ist die Gelbe Tonne in der Fläche Standard. In ihr wird gesammelt, was auch im gelben Sack gesammelt wird, sie kann jederzeit von den Bürgern genutzt werden. Kein Müll im siffligen Sack in der Wohnung, deutlich weniger umherfliegender Müll auf den Straßen. Wenn jedes Haus eine gelbe Tonne vorhalten müsste, gäbe es zudem so viele Tonnen, dass es keinen Anrreiz gäbe, seinen Müll in fremden Tonnen zu entsorgen.

In wenigen großen Wohnanlagen gibt es bereits gelbe Tonnen, eine generelle Umstellung wäre sehr sinnvoll. Und: Das Problem und die Diskussion um die Tonne besteht schon lange, wie dieser Artikel der Nürnberger Zeitung aus dem Jahr 2008 beweist.

Darum: Her mit der Tonne – das klappt beim Hausmüll und Papiermüll seit Jahrzehten hervorragend. Wichtiger aber wäre noch eine breit geführte gesellschaftliche Debatte, ob es denn die gelben Säcke und das Duale System überhaupt noch braucht – es gibt viele ernstzunehmende Stimmen, die dieses System mit guten Argumenten generell in Frage stellen.

Umsonstladen Nürnberg

Das Konzept eines Umsonstladens – das dem Wort eigene Paradoxon darf als gewünscht gelten – ist einfach und bestechend zugleich. Jeder, der nicht mehr gebrauchte aber noch nutzbare Sachen übrig hat, kann sie in einem Umsonstladen abgeben und Dinge, die man selbst gebrauchen kann oder schön findet, mitnehmen – wenn man will. Wie ein Tauschbasar mag einem dieses Konzept auf den ersten Blick vorkommen – wer genauer hinsieht, der kann aber bei weitem mehr dahinter entdecken.

Es geht nicht um das Tauschen, denn bei diesem Vorgang würde dem jeweiligen Gegenstand ja ein Tauschwert zugeschrieben, es geht darum, einen wie auch immer gearteten „Wert“ von einer Sache loszulösen und sie jemandem zukommen zu lassen, der sie gebrauchen kann. Damit läuft im Konzept des Umsonstladens der Austausch von Gegenständen ohne Geld und Gegenleistung – Gegenstände, die einstmals Waren gewesen sind, verlieren den Warencharakter, weil sie ja nicht gehandelt werden. Ein durchaus interessantes Experiment und ein von der Idee her im kleinen auch guter Ansatz – es wird nicht nur Müll vermieden sondern Gegenständen ein neuer Gebrauchswert zugeschrieben, der exakt von dem definiert wird, der sich entschließt, das Gut mitzunehmen.

Damit dieses Experiment funktionieren kann, bedarf es einiger weniger Regeln. Für den Umsonstladen in Nürnberg konnte ich herausfinden, dass jeder nur soviel mitbringen darf, wie er selbst in Händen tragen kann und jeder auch nur drei Teile mitnehmen mag. Der Sinn dieser Regeln erschließt sich sofort: Der räumlich begrenzte Laden ist kein Möbellager und maximal drei Teile darf man mitnehmen, damit man nicht den Laden leerräumt und die Beute auf dem Flohmarkt oder in Osteuropa zu Geld macht.

Ich habe vor geraumer Zeit schon mal in der Zeitung gelesen, dass es auch in Nürnberg so einen Umsonstladen gibt und da dieser Tage wieder einmal „Ausmisten“ auf der Agenda stand, haben sich einige Dinge zusammengefunden, bei denen das vielbemühte Wort „zum Wegschmeißen eigentlich viel zu schade“ durchaus zutraf. Diese Dinge, darunter ein Mantel, ungetragene Kleidung, einige Küchenutensilien, Bücher und Schallplatten haben wir also zum Umsonstladen der Nürnberger Jesus Freaks gebracht – und um es vorweg zu nehmen: Es tut mir um jedes weggegebene Stück – so überflüssig es für mich auch gewesen sein mag – wirklich leid. Warum?

Beim Aussortieren haben wir uns wirklich Mühe gegeben – den Wintermantel, der mir zu klein war, brachten wir freilich frisch gereinigt zum Umsonstladen, die kaum gebrauchten Küchenuntensilien wurden nochmal ordentlich abgespült, auf Vollständigkeit geprüft und liebevoll gepackt. Etliches neue aber für uns eben nutzlose war darunter – Dinge also, die bei eBay oder auch dem Flohmarkt sicher noch ein paar Groschen gebracht hätten. Das wollten wir aber nicht, wir hatten uns selber darauf gefreut mit den Sachen anderen eine Freude machen zu können – doch nichts dergleichen ist geschehen.

Wir sind mit dem Auto an den Umsonstladen in der Regensburger Straße gefahren und wurden sofort von Kindern umringt, die lautstark die neue „Lieferung“ umjubelten und diese genau in Augenschein nahmen. Freilich waren die etwas entäuscht, denn unter unseren Sachen fand sich freilich nichts, was Kindern hätte gefallen können. Um die enttäuschten Hoffnungen der Kinder tat es mir leid – nichts desto trotz machten sich die Kinder daran, unser Zeug möglichst schnell in einen abgeschotteten Bereich des Umsonstladens zu bringen. Ich bin in diesen auch nur vorgedrungen, weil ich mir die wirklich schwere Kiste mit den Küchenutensilien nicht aus der Hand nehmen ließ – ein Kind soll so schwer nicht heben!

Im abgetrennten Bereich des Ladens – vom Rest separiert durch einen Schrank und eine große Jesus-Freaks-Flagge, stürzten sich sogleich drei Frauen auf die „Lieferung“ und fledderten in Windeseile die sorgsam gepackten Pakete.

Währenddessen sahen wir uns in dem Teil des Kellergeschosses um, das wohl den Laden darstellen sollte: Alles war in einem wirklich verwahrlosten Zustand: Der Boden übersäät mit Papier,  Kleidung mehrheitlich auf einen Haufen geworfen und nur weniges war an Bügeln aufgehängt. In einem alten Schrank vor Dreck starrende Töpfe – und dieses Bild wurde abgerundet von einem muffigen und fettigen Gestank. Das hier Dinge präsentiert werden sollten, die für jemanden einmal einen Wert darstellen sollen – undenkbar. Diesen muffigen Müllhaufen als Umsonstladen zu bezeichnen, wäre mir jedenfalls nicht eingefallen.

Wir haben einigermaßen ernüchtert den Raum verlassen – aber mich packte dann doch die Neugier. Wieso wurde, was wir zum Laden trugen, im separierten Bereich so schnell verräumt – hätte es sich nicht im öffentlichen Bereich finden sollen?

Eine geraume Weile betrachteten wir das Treiben um den Umsonstladen aus den Augenwinkeln – allzureger Publikumsverkehr herrschte nicht und schließlich entschloss ich mich, wieder zurückzugehen und zu sehen, was denn mit den Sachen passiert ist, die wir „angeliefert“ hatten.

Ein paar meiner Bücher und Schallplatten hatten es nach einer halben Stunde tatsächlich in den Laden zu den Müllbergen geschafft – ein Buch, das hat mich gefreut – fand auch gleich in die Hände einer Interessentin. Von den – teilweise ungebrauchten – Töpfen, Pfannen und Schalen war alles verräumt. Bedürftige, Interessierte, Studenten hätten diese gar nicht bekommen können. Denn die Ehrenamtlichen scheinen in diesem Umsonstladen eine Art Auswahlrecht zu besitzen. Eine der Ehrenamtlichen ließ sich von mir noch erklären, wie das elektrische Bratenthermometer nun im Detail funtioniert – und schwupps war es verschwunden.

Es ist nicht so, dass ich den dort Tätigen nicht das ein oder andere Stück gönnen würde, zumal die Ehrenamtlichen selbst ganz offensichtlich auch auf ihre Weise bedürftig sind – aber mir drängt sich der Verdacht auf, dass im Nürnberger Umsonstladen alles, was noch halbwegs brauchbar ist, beiseite geschafft wird und nur das, was den Ehrenamtlichen nicht selbst wertvoll genug erscheint (Bücher und Tonträger) überhaupt im Laden landet.

Damit ist aber nicht nur das Konzept des Umsonstladens kläglich an der Realität und der Gier der Leute gescheitert – auch Bedürftigen tut man ganz offensichtlich nichts Gutes, wenn man seine Dinge den Jesus Freaks anvertraut.

Mir tut es wie gesagt um jedes Stück leid – denn hätte ich unsere Sachen beim Roten Kreuz, dem Gebrauchtwarenhof der Diakonie oder der Heilsarmee abgegeben, hätte zumindest eine theoretische Chance bestanden, dass sie auch Menschen erreichen, die sie gebrauchen können und zu schätzen wissen.

Das der Initiatorin des Umsonstladens im letzten Jahr der „Ehrenwert-Preis“ zuerkannt wurdem, geht für mich in Ordnung – sie wird am wenigsten dazu können, dass sie das mit Sicherheit einstmals gute Konzept so gescheitert ist.

Und ganz selten freut sich tatsächlich einer von ihnen sichtbar darüber, dass er etwas Schönes oder Nützliches gefunden hat — und lächelt. (Quelle: NN)

So selten müsste die Freude ja nichtmal sein – aber was nutzt der Bohei um den Umsonstladen und die inhärente Kapitalismuskritik, wenn von den Dingen, die gespendet werden, nur der Bodensatz wirklich abgegeben wird und das Kellerloch dazu noch infernalisch stinkt? Ich erwarte beileibe keine professionelle Warenpräsentation – aber auf jedem Wertstoffhof geht es ordentlicher zu. Und das Bittere: Auf jedem Wertstoffhof werden wertigere Sachen in die Container geschmissen. Und so ist es besonders schade, dass der Umsonstladen in Nürnberg gescheitert ist.

Am Rande: Ich sehe in einer kapitalismuskritischen Haltung und dem christrlichen Glauben keinen Widerspruch. Gerne hätte ich mich darüber auch mit den Jesus Freaks ausgetauscht und mehr über ihre Sicht der Dinge und den Umsonstladen erfahren. Von den Jesus Freaks war nur leider keiner da. Die Frau, die Schicht schob erklärte mir auf Nachfrage, dass sie mit den Jesus Freaks nun überhaupt nichts am Hut hätte, ursprünglich sogar mal streng katholisch war. Da musste ich schon lachen.