Guttbuy und seine Fratzbuchgroupies.
Es ist eine Tragödie unserer Zeit. Politiker werden vom Souverän, vulgo dem Volk nicht ob Ihres einwandfreien Leumunds, ihrer Redlichkeit oder gar ihrer Kompetenz goutiert sondern ob ihrer Kompatibilität für die Boulevardmedien. So ist es auch kein Wunder, dass der Plagiator und notorische Lügner Karl-Theodor zu Guttenberg, der wohl größte Fälscher seit Konrad Kujau, jetzt über Facebook eine Art der Scheinsolidarität von ebendiesen Konsumenten besagter Boulevardmedien erfährt.
Zur Plagiatsaffäre habe ich bislang nichts gemacht, weil mir alles klar schien: Guttenberg, so dachte ich, habe seine Dissertation outgesourced, die Ghostwriter wollten sich vor dem Freiherren nicht blamieren und am Ende hat das weder zu Guttenberg noch die Profs in Buyreuth richtig gelesen, ihn durchgewunken unsd nun haben sich einmal ein paar Interessierte die Mühe gemacht, den Schmonzens zu lesen und das Ding ist halt aufgeflogen.
Leid dürfen einem ja nur die Dissertanten tun, die zu Guttenberg in ihren Arbeiten zitiert – ja vielleich sogar kritisch gewürdigt haben. Die dürfen ihre Arbeit – sofern noch nicht eingereicht – nun in den entsprechenden Teilen abändern (das ist auch kein Spaß). Wobei – auch hier hält sich mein Mitleid in Grenzen: Wer zu Guttenberg um Willen des „name droppings“ zitierte, um seine Arbeit vermeintlich aufzuwerten, dem gehört auch nicht mehr.
Nun rotten sich also im Fratzenbuch – wo sonst – die Guttenberg-Groupies zusammen, zweihunderttausend sollen es schon sein (was ich ermangels eine Facebook-Accounts nicht verifizieren kann) und belfern gegen die Opposition. Haben wir es hier mit einem Haufen Halb- bis Volldebiler zu tun? Wieso freut man sich nicht, den Lügenbaronfreiherr nun endlich los zu sein?
Guttenberg bedient ein ganz eigenes Klientel, das der unselbstständig „Denkenden“ Konsumenten, die Politik nicht allein in Häppchen sondern auch in einfachen Kategorien geliefert zu bekommen wünschen. Und da es dieser Klientel bekanntermaßen recht schnell langweilig wird, bietet der Adels-Background des Plagiators eine gute Projektionsfläche – dass das ganze mit Politik nichts zu tun hat sondern sich im Nimbus von Bild, Brigitte und Constanze Rick (man reiche mir einen Eimer) abspielt, nimmt mich hier noch nicht einmal Wunder – Guttenberg im Speziellen und die CDU(CSU im Algemeinen nutzen inzwischen bewusst Mechanismen, die Menschen ansprechen, die sich nicht für Politik interessieren siodern sich innerhalb der gut eingefahrenen Rinnen der Regebogen Society-Press „informieren“ lassen. Und aus diesem Holze sind alljene geschnitzt, die dem Fälscher-Freiherren im Fratzenbuch die Fahne halten.
Schwer gegessen? Brechreiz gefällig? Hans-Peter Friedrich, der Mann, der durch den Guttbuy-Rücktritt nun nach dem Stühlerücken den Posten des Innenministers annimmt, sagt in einem Interview mit dem DRadio, dass man in Teilen auf seiner Webseite transkribiert findet, auf die Frage, wer auf zu Guttenberg Jagd gemacht habe:
Nun, also wenn Sie sich erinnern an die Debatte im Deutschen Bundestag, wo er mit unglaublichen Ausdrücken belegt wurde, vom politischen Gegner, von der Opposition, wenn diejenigen, die ihn noch gestern als Hoffnungsträger sehen, ihn jetzt als Sargnagel der Demokratie bezeichnen, dann spürt man auch, wie man ihm doch geneidet hat all seinen Erfolg und vergisst dabei, dass viele Menschen ihn als Hoffnung gesehen haben und heute noch sehen, und ich glaube, es ist auch eine Beschimpfung dieser Menschen.
Eine Beschimpfung dieser Menschen? Das klingt erst einmal dreist – und das Bittere ist: Der Mann hat zumindest hiermit recht: Die Äußerungen der Guttenberg-Fans geben allen Anlass zu der Vermutung, dass ihnen das mit dem Plagiat der Doktorarbeit völlig wurscht ist, sie weder wissen, wie eine Dissertation aufgebaut ist noch was ein Plagiat ist. Diese Menschen fühlen sich beschimpft, weil sie einfach nicht in der Lage sind, zu verstehen, in welcher Sache sich zu Guttenberg schuldig gemacht hat. Und dann wird ihnen ihr Popstar genommen und sie können noch nicht einmal nachvollziehen, warum. Ein Guttenberg-Groupie schreibt:
Also ehrlich mal, er ist zwar kein Doktor mehr, aber ist doch egal!
Ich würde mich trotzdem von ihm behandeln lassen!!
Bester Doktor der Welt 4ever. (Quelle)
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Ja, es ist eine Tragödie unserer Zeit. Die Art und Weise, wie sich Altkanzler Schröder seinerzeit den Medien anbiederte war für mich schon grenzwertig fremdschämbehaftet. Zu Guttenberg hat da noch eine Schippe zugelegt – und ist damit durchgekommen. Der Pöbel will seine Stars und wenn dieser der Sternschnuppe gleich mit einem medial deutlich wahrnehmbaren Lichtschweif verglühend fällt, ist er beleidigt und macht seinem Unbill auf die ihm so typisch zueigene Weise Luft.
Dass es soweit gekommen ist, kann man aber dem Pöbel nicht anlasten. Die Ursache für den kometenhaften Aufstieg des zu Guttenberg und sein Verglühen in der Stratosphäre (um dieses Bild nun vollends ausgereizt zu haben) liegt in der politischen (Un)Kultur unserer Tage, die sich – nicht erst seit gestern, sondern sukzessive – von einer Kultur der Subsidiarität, eingebettet in ein Gemeinwesen hin zu einer rücksichtslosen Individualkultur entwickelt hat. In die passte ein „shooting star“ wie Guttbuy gut rein, er bediente den Zeit(-un)geist wie kein Zweiter und nun wird die Realität dieser Person und ihres Politikstils am Beispiel einer zusammengestohlenen Dissertationsschrift coram publico durchdekliniert. Wer ihn mochte und wer in etwa verstanden hat, was zu Guttenberg getan hat, der sieht sich nun in aller Härte dem Phänomen der eigenen kognitiven Dissonanz gegenübergestellt.
Um dem zu begegnen hat man in der Regel zwei Strategien zur Auswahl: Selbstreflexion oder Nachtreten. Die Fratzenbuch-Freunde des Adeligen haben sich für das Nachtrissonanzeten entschieden.
Update: Das hier ist geil!
Der großartige Holger Klein diskutiert mit einer Bild-Leserin. Wasser auf die Mühlen. Das sagt alles, meinen Rant hätte ich mir da komplett sparen können. Das ist geil!
Update 2. Juli 2017: Leider depubliziert 🙁