iPhone5 – einen Tag nach der Keynote.
Obwohl ich kein Apple-Fan bin, habe ich das „Event“ freilich gestern auch mitverfolgt – per Ticker und auf Twitter. Und ich muss mir ob der Reaktionen so mancher Fanboys schon echt ans Hirn greifen. In meiner Timeline wurde gestern gefeiert, dass das iPhone5 tatsächlich iPhnoe5 heißt. Nicht Euer Ernst, oder? Aber darüber sehe ich mal hinweg – wer sich freuen will, der freue sich. Nicht hinwegsehen kann ich über den Preis: Ab (!) 679,- Euro wird das iPhone5 auf apple.de angekündigt. Wer bei dem Gerät ohne Speichererweiterungsmöglichkeit 64GB habe will, muss knapp 900 Euro anlegen (!!). Müßg, zu sagen, dass es ähnlich ausgestattete Geräte beim Mitbewerb für 300,- bis max. 500,- Euro gibt.
Let´s talk about specs…
Von der Hardware her ist nichts weltbewegendes passiert. Das neue Apple-Telefon bekommt einen neuen Prozessor. Der soll schneller sein, als der alte, was nach meinem Dafürhalten kein Erfolg ist sondern eine längst überfällige Notwendigkeit. Und mit einem schnellen Prozessor kann man dann alles das tun, was Android seit einem Jahr kann: Zu dunkel geratene Fotos umrendern zum Beispiel. Wo wir gerade bei Fotos sind: Die Kamera des neuen iPhnoes löst 8 Megapixel auf – das ist genau so viel wie die des alten iPhones und war vor zwei Jahren bei Smartphoes solider Stand der Technik. Und auch das 4″-Display ist keine Revolution: Das Display ist genau so breit wie das des alten iPhones – nur etwas länger. Wo da der Sinn sein soll, erschließt sich mir nicht (Eine Anekdote am Rande: Wir waren am vergangenen Freitag bei Saturn in Fürth und haben uns spaßeshalber mal Telefone angesehen. Da lagen Handys aller Hersteller und freilich auch ein iPhone (4S). Fazit: Das iPhone hat im Vergleich zum Rest ein wirklich erschreckend kleines Display). Ok, das Display bleibt also klein.
Interessant ist also nur noch LTE – das ist zwar nicht überall verfügbar, zu hoffen steht aber, dass der Ausbau schnell voranschreitet. Ich sehe LTE bei der vorhandenen Abdeckung derzeit eher als Zukunftsinvestition denn als sinnvolles Feature – aber warum nicht? Dumm nur, dass das mit dem LTE hierzulande wohl nur mit der Telekom gehen soll. Das mit dem LTE ist für mich derzeit nicht kaufentscheidend. Ich denke dass so ein Gerät mach durchschnittlich 2-3 Jahren ausgetauscht wird und dann könnte LTE so gut ausgebaut sein, dass es interessant wird. So lange käme ich mit dem Durchsatz von HSDPA prima hin. Wenn es im mobilen Internet mal wieder länger dauert, ist in der Regel ja nicht der Übertragungsstandard sondern der Provider schuld. Das wird sich auch mit LTE nicht grundsätzlich ändern.
Was das iPhome nicht hat: Aktuelles Bluetooth (4.0), NFC und einen vernünftigen Stromanschluss.
Letzteres finde ich übrigens ärgerlich: Nach EU-Initiative bekommen sukzessive alle Handys nun Micro-USB als Standard zur Stromzufuhr und in aller Regel auch zum Datenaustausch. Das Feature hier ist, dass man sich einmal ein entsprechendes Ladekabel für daheim, das Auto, das Ferienhäuschen… zulegt, dazu noch die entsprechenden Datenkabel und man damit viele Jahre zufrieden sein kann und ein einzelnes Kabel vielleicht dann tauscht, wenn es mal kaputt ist. Das schont die Umwelt und theoretisch spart man sogar Geld, wenn nicht mehr jedem Handy ein Netzteil beiliegt. Ich finde das eine Feine Sache. Und keine Fragen mehr á la „Hat hierjemand zufällig ein Ladegerät für Motorola dabei?“
Apple ist hier natürlich mal wieder Spielverderber: Einen neuen Anschluss hat man sich einfallen lassen und das Ding ist natürlich mal wieder proprietär. Es kommt noch dicker: Wer seine bisherigen Apple-Kabel weiternutzen will, braucht einen Adapter, der knappe 30,- Euro kosten soll.
Und dann kommt jetzt also Nano-SIM. Man braucht eine neue SIM-Karte – schön ist das nicht.
Das Handy ist nun in einer Art Alubüchse untergebracht, der hintere Glasboden ist weg. Das ist ein kleiner Fortschritt, ändert aber nichts daran, dass die Vorderseite immer noch aus Glas ist. Ich bin ja der Meinung, dass Glas nicht zwingend das bestgewählte Material für einen Gegenstand ist, der mal zu Boden fallen kann.
Softwaremäßig…
…hat sich eigentlich nichts bewegendes getan – nur kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Apple nun mit Google abrechnet. Zur Navigation wird kein Goole-Maps mehr verwendet und die vorinstallierte Youtube-Funktion ist auch runtergeworfen worden. Ersteres muss Apple mit sich selbst ausmachen, letzteres ist eine entlarvend lächerliche Aktion: YouTube ist DAS Videoportal (ob das nun gut ist oder nicht sei einmal dahingestellt). Wer das iPhone5 nutzt wird sich früher oder später die kostenlose YouTube-App nachinstallieren. Sie von iPhone herunterzunehmen zeigt meiner Meinung nur, wie tief der Graben zwischen Apple und Google ist und wie unsouverän Apple damit umgeht. Dasauf dem Buckel des Kunden zu tun – unschön und unangemessen.
Und: Mit der Kamera lassen sich nun auch Panoramafotos schießen. Das kündigt Apple voller Enthusiasmus an und die Jubelperser tun wie geheißen – sie jubeln. Das meine jahralte Hunderteurogroßmarktbillodigicam Panoramafotos schießt – nicht der Rede wert. Also, was uns Apple da als Feature verkaufen will, halte ich doch für sehr fragwürdig.
Mich wundert nicht, dass die Kommentare zum neuen iPhone mehrheitlich verhalten ausfielen. Auch ich hätte mir mehr gewünscht und in der Tat mehr erwartet. Vor noch nicht allzulanger Zeit wardie Innovationskraft von Apple ungebrochen und sie trieben die gesamte Konkurrenz vor sich her. Heute scheint es mir, alsversuche Apple verzweifelt, schritthalten zu können. Vergeblich, denn mit dem Lumia 920 oder dem neuen Note kann das iPhone freilich nicht mithalten.
Was bedeutet das? Ich gehe davon aus, dass der Hardware in der Zukunft zunehmend weniger Bedeutung zukommt, denn die Specs sind in der Regel recht ähnlich. Die technischen Unterschiede zwischen den Flaggschiffen von Samsung, Huawei, Nokia und Apple sind marginal, Apple hat derzeit das Problem, sich hardwaremäßig nicht so gut behaupten zu können. Interessant wird eher, welches Betriebssystem auf welchem Telefon läuft. Damit wird Apple aber mehr und mehr in die Ecke gedrängt – denn den Markt hat Android. Für Win 8 Phone rechnen ich mir keine großen Chancen aus. Es sollte mich nicht wundern, wenn Phone 8 in einer Nische wie Bada bleibt, hier steht man vor dem selben Problem wie Apple: Nur mit Nokia und HTC wird das Rennen nicht zu machen sein.
Warum kein Innovation mehr von Apple?
Zuerst einmal, weil ein Smartphone zu unserem Alltag gehört und per se nicht revolutionär ist. Das revolutionäre bei Apples Telefonen war ja nie die eigentliche Technik (da blieb man stets weit unterhalb des wirtschaftlich möglichen, eine iPhone war nie ein technisches TOP-Gerät, das erste und zweite konnte zum Beispiel kein UMTS obwohl das 2007 bereits gut abgehangene Technik war), das revolutionäre war immer eine extrem einfache und gute Mensch-Maschine-Schnittstelle. Beispiele gefällig? Das erste iPhone brachte einen benutzbaren Touchscreen mit sich – die Konkurrenz kannte nur resistive Screens, die am besten mit einem Stylus bedient werden wollten – Apple aber kam auf die glänzende Idee, den Stylus überflüssig zu machen. Oder Siri: Spracherkennung ist für sich genommen nichts Neues, Anfang des Jahrtausends sollte mein Siemens-Telefon durch Sprachsteuerung Kontakte aus dem Telefonbuch anrufen – was nicht klappte. 2003 experimentierte ich mit Daniel unter Windows mit Spracherkennung, was nur dann zu leidlich brauchbaren Ergebnissen führte, wenn man ein sehr ordentliches Mikrofon und das passende Mischpult zum Aus- und Gegensteuern sein Eigen nannte. Apple brachte Spracherkennung in benutzbar aufs Telefon – einwandfrei.
Nun aber kommt nichts mehr dergleichen. Dabei ist so einfach, was das Handy können müsste: Mit den Augen scrollen – Text weiterschieben, wenn die Auen am unteren Textende angekommen sind – nur so als Beispiel. Das wäre die logische Konsequenz, das ist ganz simpel die weitergedachte Optimierung des Mensch-Maschine-Interface. Die 720p-Frontkamera und den schnellen Prozessor hat Apple doch – also, was ist? Nix ist. Keine Innovation – dafür Milliardenklagen gegen Samsung. So kommt Apple nicht weiter und so erlebt die Konkurrenz leider auch nicht die Arschtritte, die sie braucht, um weiterhin coole Produkte für uns zu entwickeln. Irgendwie sehe ich zwischen Nokia und Apple Parallelen. Nokia ist auch irgendwann die Innovationsfähigkeit abhanden gekommen, damals trieb eine Firma namens SonyEricsson die Konkurrenz vor sich her. Besagte Firma gibt es übrigens in dieser Form nicht mehr. Wenn Nokia das nicht de 920er nicht zum Rennen bekommt war es das erst mal. Apple macht sich auf den Weg dahin.