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Bombe.

Wenn der Nicht-Waffenhändler und Normalbürger von einer Bombe spricht, meint er in der Regel nur selten militärisches Gerät. Wer von einer Bombe spricht, die geplatzt ist, der will ja letztlich nur zum Ausdruck bringen, dass brisante Zusammenhänge, die dereinst nicht öffentlich zur Kenntnis gelangten, nun an die Oberfläche, in den Bereich der Wahrnehmung geraten sind und dass die Reaktionen aufgrund der Brisanz dessen, was das zutage tritt, dementsprechend heftig ausfällt oder ausfallen wird. Eine Bombe kann ebenso ein hochkalorisches Gericht sein (->Kalorinbombe) oder eine üppig proportionierte Blondine. Wer eine Bombe wirft, verrichtete nicht selten auf der Toilette ein großes Geschäft und hat sich danach hoffentlich die Pfoten gewaschen. Ganze Wohnblöcke ziehen die sog. Blockbuster in Mitleidenschaft – das sind Kinofilme, die der etwas anachronistisch veranlagte Autor auch gerne als „Straßenfeger“ bezeichnet, weil sie das Interesse eines überdurchschnittlich großen Publikumskreises wecken.

Der reine Begriff Bombe also gehört – das stelle ich hier einfach mal so fest – in den alltäglichen Sprachgebrauch. Dieser Artikel könnte die Bombe sein oder auch wie eine Bombe einschlagen – oder auch nicht.

Umso erstaunlicher das, was gestern – unter anderem über heise – zu Tage trat: 37 Millionen Netzwerkverbindungen, zum allergrößten Teil E-Mails wurden seitens der Geheim- und Sicherheitsdienste in Deutschland im Jahr 2010 überwacht, unter anderem, weil sie den Begriff „Bombe“ enthielten. Das das ganze nicht ganz sauber funktionieren wird, ist auch klar: Zuerst einmal ist ja, wie alle leidgeprüften E-Mailnutzer wissen, jede Menge Spam unterwegs, Spam, der auch gerne typischerweise auf einscghlägige Services im Kontext vorgenannter, quasi prototypischer draller Blondinen (siehe oben) verweist („Die Bombe im Bett“). Zweitens ist es mindestens ein fragwürdiges Unterfangen, Mails automatisch (oder auch manuell) auf Begriffe aus dem Alltagsgebrauch zu scannen. Gut, es wurde auch nach ungefähr 16400 anderen Begriffen gescannt – nach heise überwiegend aus dem Waffenhändler-Jargon- aber das mit der Bombe, über die sich gerade das Netz mit vollem Recht lustig macht, zeigt die Absurdität dieser Aktion an.

Das nächste nicht ganz uninteressante Detail ist, dass sich das Aufkommen derartiger Überwachungsmaßnahmen im Vergleich zum Vorjahr auf das fünffache verstärkt hat – ein sehr beunruhigendes Detail.

Nun möchte man meinen, dass eine derart drastische Aktion auch etwas nutzt, der verzeichnete Erfolg allerdings fällt recht dünn aus:

Davon wurden letztlich 180 „als nachrichtendienstlich relevant eingestuft; hierbei handelte es sich um 12 E-Mail-, 94 Fax- und 74 Sprachverkehre“, heißt es in dem Bericht. (Quelle)

Damit hatten unsere Dienste also eine Erfolgsquote von 0.0005%, OMFG! Das ist echt eine Sergeant Dudu-Aufklärungsqote. Das ist so unglaublich und unbeschreiblich schlecht, dass sich bei diesem Ergebnis nicht nur rein rechnerisch dieser tiefe Eingriff in eine vertrauliche Kommunikation genau gar nicht rentiert. Das kann man auch einfach lassen. Bislang ist auch noch nicht zu Tage getreten, dass sich mit dieser Nummer auch nur ein einziger Terrorist hätte fassen lassen. Grundrechte verletzen um ein 0.0005%-Ergebnis einzufahen (gerundet) ist echt eine Frechheit.

Und so resümiert man bei netzpolitik.org:

Geschockt und überrascht? Verschlüsselte Kommunikation via Mail und Jabber sichern die eigene Privatsphäre besser.

Das Dumme an der Sache ist, dass man sich in einer Demokratie überhaupt zu derartigen Dinge Gedanken machen muss. Das Dumme an der Sache ist, dass für solch wirklich nutzlose Sachen richtig Geld durch den Schlot geblasen wird. Das Dumme an der Sache ist, dass wir nicht wissen, an welchen Schnittstellen Überwachungsmaßnahmen dieser Größenordnung realisiert werden.

Die Reaktion der „Netzgemeinde“ (ich habe auf dem barcamp ja gelernt, dass man das heute nicht mehr sagt, daher ironischerweise Anführungszeichen) macht es den Überwachern nicht gerade leichter. Kaum ein Timeline, durch die derzeit nicht der Hashtag #bombe scrollt – einige schicken sich nun gegenseitig lustige Mails mit kontextrelevantem Inhalt – ohne tieferen Sinn…

Liebe Dienste, hört ob der Tatsache, dass derartige Aktionen nichts bringen, doch einfach damit auf, lasst unsere Grundrechte unangetastet und verschwendet nicht unsere Steuermittel. Das wär doch mal Bombe.