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DJing oder Filegeschubse?

Ja, der Titel dieses Posts ist durchaus provokativ und natürlich nicht ganz ernst gemeint – wie aber quasi immer läuft der Ernst mit. Und weil man sich hier ja hin und wieder was wünschen darf und Thorsten mir den Hinweis auf diesen Artikel bei egoFM gegeben hat, steuere ich gerne mal meinen Senf bei.

Ich liebe Vinyl, kaufe eigentlich gar keine CDs mehr, gebe mir auch mit meiner Technik durchaus Mühe. Ich mag also auch die Kunst des „klassischen“ DJings. Ich käme andererseits nie auf die Idee, zu verurteilen, wenn ein DJ mit seinem Notebook anrückt und dort mit Files mixt.

Es wird erst dann inakzeptabel, wenn gar nicht mehr gemixt wird. Die Versuchung, Teile oder gar ganze Mixe quasi vorzuproduziren und sie dann vom Rechner laufen zu lassen, ist freilich groß und ich habe das auch schon gesehen – aber es ist doch die Ausnahme. Denn: Der DJ reagiert auf die Stimmung der Leute – auf die Tanzfläche. Logisch, der DJ führt die Leute, er hat allerdings auch ein sehr sensibles Sensorium für die musikalischen Bedürfnisse seines Publikums und reagiert prompt und angemessen. Das gilt für den Gaudi-DJ, der die besten Nummern der 80er anlässlich von Polterabenden präsentiert genau so wie für die „TOP-Acts“.

Mir ist bewusst , dass die Autoren bei egoFM eher auf das Verschwimmen der Grenze von einem Set, zu dem ganz selbstverständlich getanzt wird und einer Performance hinauswollen. Diese Diskussion ist mir aber zu akademisch: Großartige Performances in alterweürdigen Opernhäusern oder Konzertsälen sorgen selbst bei Rezepotion von der Konserve bei mir für das Bedürfnis, mich sensomotorisch voll auszuagieren – geht im Opernhaus nur recht schlecht. Und jeder kennt midestens ein geniales Set, das bei genauerer Betrachtung nicht tanzbar ist.

Es ist möglicherweise der Geist unserer Tage, dass alles nach dem großen Entertainment, dem finalen Klimax (und ich will bei der bewussten Wahl des Wortes Klimax sowohl auf den sprachlichen wie musikalischen Kontext abheben als auch ebenaso auf den metaphorischen Orgasmus verweisen) lechzt und die Unterhaltungsindustrie tut, was Industrie in aller Regel zu tun pflegt – sie liefert. Ein Streben nach dem Superlativ der Superlative, der bomastischsten Show – das muss irgendwann in aller Übersteigerung und Überzeichnung skurril werden. Wen nimmt da Wunder, dass der Autor bei egoFM hier auch gleich den kommerziellenm Brostep von Skrillex mitsamt seiner Performance als Beispiel ins Feld führt?

Der Deal ist im Prinzip ganz einfach: Die gepushten Acts sind die Speerspitze der Contentmafia Musikindustrie und werden effekthaschend vermarktet. In diesen Effekten manifestiert sich für mich eine nicht auf den ersten Blick erkennbare Agressivität. Dies und der Umstand, dass die Programme mindestens mehrheitlich massenkompatibel sein müssen, reduziert die Qualität. Die Debatte, ob der Act nun DJ oder Produzent ist, ist für mich Spiegelfechterei, die vom Umstand ablenken möchte, dass der Künstler eben nicht mehr frei ist,  zu tun, was ihm vorliebt – er muss antizipieren, was sich verkauft und das dann umsetzen.

Man kennt aber seine regionale Clublandschaft – wenn nicht, hilft das Netz aus. Wer sich von Pyro-Acts überfordert oder verarscht fühlt, der geht in einen Club, in dem Pyros schon aus feuerpolizeilichen Grümden nicht gezündet werden. So einfach ist die Sache.

Zwei Randbemerkungen noch: Thorsten und zu einem gewissen Teil auch ich sind an diese Musik zu einer Zeit gekommen, zu der es üblich war, das Produzenten ihren Künstlernamen mit quasi jedem Release wechselten – dies war ein Gegenentwurf zum teilweise absurden Personenkult der Rock- und Metalszene der ausgehenden 80er Jahre. Ein echt nötiger Gegenentwurf. Mit dieser freien und freizügigen Kultur sind wir im besten Sinne groß geworden. Wenn wir „Tekkno-Opis“ auf den heutigen Musikmarkt gucken und feststellen, dass genau dieser Personenkult, den die „Szene“ seinerzeit mit gutem Grund ablehnte heute nach Kräften zelebriert wird, weicht die Irritation der Wehmut. Aber wir müssen uns eingestehen, dass die geliebte Subkultur bereits mit den Jahren 1994/95 kommerziellen Interessen dreingegeben wurde. Das war aber in der Romantik ähnlich, der Blues und Jazz erlebte dies ebenso wie Grunge und viele andere Stile auch. Da macht man nix dagegen.

Weiterhin: Hört auf, bei jeder sich bietenden Gelegenheit dem 1210er hinterherzutrauern. Klar war der robust und der Direktantrieb war kräftig und schnell – aber sobald diese Kisten ein Jahr auf dem Buckel hatten, war das Lagerspiel schon leicht scheiße. Und es gab schon in den 90ern mit den Numarks/PPD adäquaten Ersatz. Und den gibt es heute auch noch. Für realistisch Geld bietet z.B. Vestax und auch Stanton Ersatzdrogen an. Und vor nicht allzu langer Zeit hatte ich den neue Audio Technica Zwölfzehner-Nachfeil in den Fingern (mit USB) und selbst der war nicht mal fies. KLar, 1210 gilt als Kult – aber es gibt mindestens ebensogute Dreher!! Heute noch. Für die Hälfte der Kohle. Neu. Hört auf zu spinnen!

Technics stellt den 1210er ein…

… und ein Raunen und Jammern geht durchs Netz.

Wie das ZDF auf seinen Seiten berichtet (Danke, Marcus), will Technics die Produktion der legendären DJ-Plattenspieler einstellen. Und die DJs sind natürlich geschockt.

Für den DJ mag die Einstellung der Produktion dieses Drehers durchaus ein nachvollziehbarer Verlust sein, ist er doch recht robust und für die „Arbeit“ an der Platte prima geeignet. Allerdings muss ich den DJs auch entgegnen, dass es inzwischen von vielen Herstellern etliche mindestens genau so gute Plattenspieler – auch mit Nadelbeleuchtung, Pitchfader, Strobe und kurzer Anlaufzeit als Direkttriebler gibt. Da braucht man den Technics nicht mehr wirklich – auch wenn ihm sozusagen „Respekt“ gebührt als Urvater dieses Plattenspielertyps.

Insgeheim konnte ich den 1210er noch nie richtig leiden. Die Optik ist fast schon klassisch und im Heimgebrauch scheint er nahezu unverwüstlich – aber ist auch nicht besonders gut. Klanglich steckt nämlich um Welten mehr in den schwarzen Rillen, als dieses Ding wiederzugeben in der Lage ist (und die Nachbauten sind unter klanglichen Gesichtspunkten nicht selten besser als das Original). Als Grund hierfür mache ich im Besonderen den Tonarm dafür verantwortlich. Zwar war die Idee des „Knicks“ in den 1980er Jahren ein gerne verwendeter Standard und rein rechnerisch vermag dieser Knick auch etwas um Spurwinkelfehler korrigieren, aber ein gerader Arm mit weniger „Einstellgedönz“ klingt trotzdem besser. Die Sache mit dem Gegengewicht am Technics-Arm empfand ich auch immer als ein bisschen provisorisch – das Auflagegewicht hat bei den 1210ern nie gestimmt. Der DJ fährt seine Platten gerne mit hohem Nadeldruck – da kann er besser scratchen und der Bass kommt auch dicker. Auf Dauer ist das nicht gut für die Platten und ich will einen Spieler, bei dem das Auflagegewicht – einmal eingestellt und nur gelegendlich nachjustiert – auch stimmt. Gerade bei der Wiedergabe leiser Sequenzen versagen diese Technics im Hinblick auf Transparenz. Wo viele bewegliche Teile sind, da entsteht früher oder später auch ein Spiel. Ich habe schon einige Technics gesehen, die durch verhältnismäßig kurzen Discobetrieb derart runter waren, dass sie entsorgt gehörten. Auch bei diesen Geräten gibt es Qualitätsunterschiede.

Versteht mich nicht falsch – die Technics-DJ-Dreher sind keinesfalls Schrott, aber 500 Steine muss man für das Gerät schon anlegen, und dafür bekommt man schon einen wesentlich musikalischen kleinen Rega mit dem RB250 oder gar 300er Arm – das ist einfach eine andere Liga.

Im Übrigen: Da hat das ZDF mal wieder unsauber recherchiert: Thoranz Thorens hat derzeit keinen Diskodreher im Programm und meines Wissens hatten die auch noch keinen. Was wundert, denn das Niveau, dass Thorens im Mittel erreicht, ist in etwa so hoch, wie das der Discodreher. Ich hatte auch mal einen Thorens, davon war ich nach einem dreiviertel Jahr aber gründlich geheilt – und ich werde mir auch keinen mehr kaufen…

Die DJs werden sich mittelfristig nach Alternativen umgucken dürfen – aber die gibt es.