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Fragen und Antworten zum Start von DAB+ am 1. August

Das Digitalradio in Deutschland erlebte in der Vergangenheit zwei fulminante Fehlstarts: Von 1989 bis 1999 existierte das Digitale Satellitenradio (DSR), aber eine besondere Verbreitung fand es nicht, nur etwa 200.000 Empfänger sollen verkauft worden sein. In den 1990er kam dann mit terrestrischer Verbreitung DAB als Digitalradiostandard nach Deutschland, mit Forschungsgeldern des EUREKA 147-Projekts massiv gefordert. Auch bei DAB war die Resonanz sehr gering – im Jahr 2007 ging man von 546.000 Empfängern in deutschen Haushalten aus (dem gegenüber stehen geschätzte 300 Millionen analoge Radiogeräte in Deutschland).

Und dennoch wird nun – auch weil es von der Politik, nicht zuletzt von der EU – ein neuer , dritter Anlauf für das „Digitalradio“ genommen: Der DAB-Nachfolgestandard DAB+ soll das Rennen machen. DAB+ unterscheidet sich von DAB im wesentlichen durch das Fehlen des L-Bandes und durch den zur Übertragung verwendeten AAC-Codec. Weil die DAB+-Radios aber mehrheitlich DAB empfangen können sollen, ist davon auszugehen, dass auch ein Bandbereich L zukünftig zur Verfügung stehen wird.

Am ersten August geht es also los mit DAB+, auch in Nürnberg. Bei der Umstellung werfen sich zwangsläufig einige Fragen auf, die ich an dieser Stelle so gut als möglich beantworten will.

Funktioniert mein analoges UKW-Radio nicht mehr, wenn das Digitalradio DAB+ eingeführt wird?

Doch, das analoge UKW-Radio wird wie gewohnt weiter funktionieren. Wer sich kein neues Radio kaufen will, der wird das in der nächsten Zeit auch nicht müssen. Ich persönlich gehe davon aus, dass UKW noch eine ganze Weile weiterexistieren wird, denn bei geschätzten 300 Millionen Analogradios ist ein Austausch all dieser Geräte schlichtweg nicht zumutbar. Wer sich jetzt kein neues Radio kaufen will, der muss das auch nicht und kann ganz entspannt abwarten. Aber: Das UKW-Radio kann weder DAB noch DAB+ empfangen.

Funktioniert mein DAB Radio weiter, kann es DAB+ empfangen?

Ein DAB-Radio wird bedingt weiter funktionieren, wie lange noch, das weiß aber keiner so recht. Die jetzt bestehenden Sender werden sukzessive umgerüstet. In der nächsten Zeit kann man mit einem DAB/DAB+ – Mischbetrieb rechnen, wie lange dieser aber aufrecht erhalten wird, ist fraglich. Somit rentiert es auch nicht, jetzt noch ein DAB-Radio anzuschaffen, ich selbst würde davor sogar warnen, denn es kann schnell passieren, dass dieses Gerät wertlos wird. Um es mal in aller Deutlichkeit gesagt zu haben: Ein DAB-Radio kann kein DAB+ empfangen. Wird DAB zugunsten von DAB+ abgeschaltet, womit ich rechne, spielt das Radio nix mehr.

Ich will mir demnächst sowieso ein neues Radio kaufen. Soll es dann ein DAB+-Radio sein?

Jein. Ich will mich nicht dazu versteigen, zum Kauf eines Radios zu raten, das nur DAB+ empfangen kann. Aber es gibt eine elegante Lösung: Hybridempfänger, die UKW und DAB+ empfangen können, dürften den Bedürfnissen der allermeisten Radiohörer entgegenkommen. Über DAB+ werden nicht alle Programme gesendet, die über UKW empfangbar sind, einige Spartenkanäle sind sogar exklusiv im Digitalradio zu empfangen, so auch lounge FM und DRadio Wissen. Auf der anderen Seite werden nicht alle DAB+-Programme über UKW ausgestrahlt. Wer die größte Senderauswahl haben will, der sollte also darau9f achten, dass das neue Radio mindestens DAB+ und UKW empfangen kann. Sollte DAB+ ein Misserfolg werden, funktioniert das gewohnte UKW brav weiter, das Gerät ist nicht „verloren“.

Wenn ich ein neues Auto kaufe, sollte das Autoradio DAB+ empfangen können?

Ganz dumm ist das nicht, aber hier gilt im Prinzip das, was für ein neues Radio generell gilt: Ein Kombiempfänger mit UKW nd DAB+ ist derzeit wohl die beste Lösung. Zuerst einmal wird DAB+ nur in Ballungsräumen und an Hauptstrecken verfügbar sein, der Ausbau wird dann schrittweise vorangetrieben. Da DAB+ aber problemlos größere Textmengen übertragen kann – und dazu zählen auch Verkehrsinformationen, ist der Nutzen von DAB+ im Auto besonders hoch. In Bayern bietet der BR mit dem Sender „BR Verkehr“ zudem einen DAB+-Kanal, der ausschließlich Verkehrsinformationen überträgt (derzeit von einer Computerstimme vorgetragen – aber seis drum). Wer viel unterwegs ist kann schon jetzt von DAB+ im Auto profitieren.

Was werde ich über DAB+ denn empfangen können?

Zur Zeit ist das noch nicht hundertprozentig sicher, aber es verdichten sich Hinweise auf Sender, die empfangbar sein werden. Bundesweit gilt als sicher, dass

  • Deutschlandradio
  • Deutschlandradio Kultur
  • und DRadio Wissen

empfangen werden können. Diese Programme sind ob der besonders hohen inhaltlichen Qualität besonders attraktiv. Weiterhin werden auch einige private Programm abgestrahlt:

  • Evangeliumsrundfunk, Wetzlar (Info)
  • KissFM, Berlin (Webseite, Info)
  • 90Elf, Fußballsender, Ostdt.
  • loungeFM, Wien (Info)
  • Klassikradio (Webseite)
  • Radio Horeb, Immenstadt (Info)

Weiterhin sollen Sender wie „RemiX“, „litera“, „Radio Rauschgold“, „Radio 3.0“ und „UIP“ am 1. August bundesweit starten. Hierüber konnte ich aber keine wirklich gesicherten Erkenntnisse gewinnen.

Die öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten werden Schritt für Schritt ihre Programme auch über DAB/DAB+ aussenden, wann und wie das von Statten geht, ist von Bundesland zu Bundesland verschieden. Der BR will beispielsweise eine Art „Mischbetrieb“ DAB und DAB+ fahren.

Wird sich DAB+ durchsetzen?

Das lässt sich noch nicht sagen. Dagegen spricht erst einmal die Verbreitung von UKW und die Tatsache, dass viele Menschen damit zufrieden sind. Und man muss sich kein neues Digitalradio anschaffen. Dafür spricht der Zugewinn an Programmen, besonders an Spartenprogrammen, die bestimmte Zielgruppen ansprechen. UKW ist nicht tot, aber DAB+ könnte ein gerüttelt Maß an Verbreitung finden, denn die Endgeräteversorgung ist derzeit deutlich besser als seinerzeit mit DAB und die Empfänger sind auch wesentlich billiger. Schon jetzt sind Taschenradios, Radiowecker, Kofferradios, Autoradios und auch Tunerbausteine für die heimische Stereoanlage mit DAB+-Tunerteil habbar. Diese kosten (auch vor der Einführung) selten mehr als ein Analogradio mit vergleichbarer Qualität.

DAB+ bringt allen, die Radio nicht über DVB-S oder über das Kabel hören, einen Zugewinn an Sendern und i.d.R. auch an Tonqualität. Bereits zu Beginn des Ausbaus in den Ballungsräumen ist (gerechnet mit den lännderspezifischen Angeboten und den Programmen, die via DAB zu empfangen sind) hinreichend attraktiv. Es könnte schon was werden, wird sich aber sicherlich mehrere Jahre halten.

Brauche ich für DAB+ eine besondere Antenne?

Das hängt in erster Linie mal von der Empfangssituation ab. Abseits der Ballungsräume kann die Verwendung eine Dach- bzw. Außenantenne angezeigt sein. Innerhalb der Ballungsräume sollten die den Geräten beigelegten (oder eingebauten) Antennen genügen.

Verfügbarkeitskarte DAB+, Quelle: DUAL

Welche Antennen wirklich benötigt werden, wird sich erst im Praxistest erweisen. Auch bei DAB (und dieses System wird ja noch einige Zeit parallel weiterexistieren) ist theoretisch eine sehr gute Empfangssituation in weiten Teilen Deutschlands prognostiziert, in der Praxis bedarf es aber schon einigem Geschick und selbst in Großstädten speziellen Antennen, damit der Empfang in Innenräumen störungsfrei glückt.

Hat DAB+ konrete Nachteile?

Auf den ersten Blick nicht, aber ganz unkritisch ist das System dennoch nicht zu sehen, (medien)politisch wie technisch. Erst einmal verlangt DAB(+) eine zentrale Ausstrahlung im Multiplex mit mehreren Sendern. Kann über UKW ein kleiner (und mit knappem Budget arbeitender) Sender im Zweifelsfall noch vom Studiodach senden (z.B. Stadtteilradios), so ist dies mit DAB(+) nicht mehr möglich; ein Dienstleister wird gebraucht und den werden gerade die kleinen Stationen nicht immer zahlen können.

Auch der analoge Kabelfernsehempfang kann beeinträchtigt sein, wie gestern über Heise zu erfahren war.

Fazit: Für den geneigten Radiohörer ist DAB+ eine hochinteressante Sache. Wer derzeit mit dem UKW-Empfang zufrieden ist, für den ergibt sich jetzt (noch) kein Handlungsbedarf.

Wir sprechen bei DAB+ von einem System, dass sich in der Ausbauphase befindet und noch nicht hinreichend von mir getestet werden konnte. Die Beantwortung dieser FAQs, die an mich herangetragen wurden, sind mir aus wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit dem Thema möglich, weiterhin fließt hier eine zehnjährige theoretische und praktische Erfahrung mit dem Themenkomplex Digitalradio ein. Einige Punkte sind dennoch nur recherchiert und bedürfen eines praktischen Realitätsabgleichs. Daher kann für die vollständige Richtigkeit natürlich keine Gewähr übernommen werden. Nichts desto trotz wurden die einzelnen Fakten sorgfältig bedacht und geprüft.

4 Kommentare

  • Rabauke47

    Schöner informativer Artikel. Kannst Du noch was zur Reichweite einer DAB+ Sendestation sagen?

    Hintergrund: Im Raum Erlangen kann ich ohne größeren Aufwand UKW-Sender aus Thüringen (MDR Thür., Landeswelle Thür., Antenne Thür.) hören, die vom Bleßberg bei Sonneberg ausgestrahlt werden.
    Könnte ich hier also auch einen DAB+-Sender hören, der von dort aus ausgestrahlt wird?

  • admin

    Hallo Rabauke,

    eine endgültige Antwort traue ich mir derzeit nicht zu geben. Aber soviel kann ich doch sagen:

    Sie Dir einmal diese Grafik an: http://www.dxaktuell.de/wp-content/uploads/2011/05/senderkarte-regional.png
    Wenn das so aufgeht, dann existiert bereits eine Vorbereitung für den Landesmux über den Sonneberger Sender auf Block 8B. Sieht also erst einmal gut auch, ABER:
    Wir wisen nicht, wie stark der Semder sein wird und in welche Richtung er strahlt.

    Ich weiß weiterhin nicht, inwieweit sich die Empfangserfahrungen von DAB auf DAB+ münzen lassen. Wenn es sich ähnlich verhält, wie bei DAB, dann wirst Du eine verdammt gute Außenantenne brauchen, um bei den Überreichweiten mitschnappen zu können.

    Möglicherweise geht es aber wieder alle Erfahrungen ganz gut, weil wir in Bayern regional über 12D versorgt werden und sich so nichts ins Gehege kommt. Das ist aber nur Spekulation, ich bin auch nicht ganz sicher, ob ich an dieser Stelle die Karte richtig interprtiere…

    An der einen Stelle diskutiert man, dass DAB+ ganz ordentliche Reichweiten hat, an anderer Stelle, dass man digital Überreichweiten quasi knapp hinter der Landesgrenze kappen kann (wird wohl für Sonneberg nicht so ganz gelten können).

    Ich an Deiner Stelle wollte mich aber nicht darauf verlassen, dass ich via DAB+ den Landesmux Thüringen noch bekomme…

  • Gerd

    Mir fehlt das Killer-Feature. Die vermeintlich bessere Klangqualität wird nicht zum Durchbruch reichen. Und die Senderauswahl auch nicht. Zumal bei einem Sprachprogramm wie DRadio Wissen die Klangqualität eher sekundär ist. Da kann ich gleich beim Internetradio bleiben.

    Wenn man damit alle öffi Sender empfangen könnte, wie via Astra, dann wäre ich dabei. Aber das wird man schon zu verhindern wissen.

    Kannst Du einen Erfahrungsbericht posten, wenn DAB+ läuft?

  • admin

    Hallo Gerd,

    ja, ich poste gerne einen Erfahrungsbericht. Es wird aber wohl noch ein paar Tage dauern, bis der NOXON-Stick hier eintrifft.

    Du hast ganz recht, das Killerfeature wäre in der Tat die Übertragung aller ÖRR-Sender, das wird aber aus rein technischen Gründen schon schwierig. Bei DAB+ rechnet man mit einer Bandbreite von etwa 100 Sendern, wenn man berücksichtigt, dass wortlastige Programme recht datenreduziert abgestrahlt werden. Da musst u aber noch Bandbreite für Datendienste und Bandbreite für die privaten Anbietern wegrechnen. Dann bekommst Du nicht alle drauf. Und dann beginnt die Kanonisierungsdebatte…

    Ich hätte gerne alle Inforadios und WDR5, andere gerne alle Klassikstationen…
    Aber grundsätzlich hast Du vollkommen recht : Ich habe bereits 2005 gesagt, dass DAB kein Erfolg werden kann, solange man über UKW mehr Sender empfangen (in teilweise besserer Qualität) als über DAB.

    Für einen ersten Neustart finde ich die gebotene Auswahl aber durchaus ordentlich. Mein „Killerfeature“ ist DRadio Wissen. Klar kann ich das auch via Internet hören, aber ich habe nicht überall Internet. LoungeFM klingt auch ganz interessant. Bei der Betrachtung der ab morgen verfügbaren Sender bedenke man, dass es sich ja nicht auf den Bundesmux beschränkt sondern der Landesmux auch noch da ist (mindestens). Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die ÖRR dieses DAB/DAB+-Mischbetriebsding lange aufrecht erhalten.

    Und dann muss ich noch mal eines ganz deutlich sage n: Das Argument „…kann ich auch im internet hören, brauche ich kein DAB dafür“ kann ich nur beschränkt gelten lassen. Wer unterwegs nur Audio über IP via Mobilfunk hört (und das in angemessener Qualität) der hat spätestens am Monatszehnten die Gechwindigkeitsdrossel des Providers drin. Außerdem kommt es vor, dass man zum Webradiohören keinen freien Slot des Anbieters mehr bekommt (Multicast hat sich ja bis heute nich durchgesetzt). Das hast Du bei Programmen wie Fritz gar nicht so selten…

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