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Frohe Weihnachten!

Liebe Leserinnen und Leser,

ich wünsche Euch mit dieser stimmungsvollen Aufnahme vom diesjährigen Fürther Weihnachtsmarkt ein friedvolles und gesegnetes Weihnachtsfest und einen „guten Rutsch“ in ein entspanntes neues Jahr voller Glück, Gesundheit, Liebe und Frieden.

Herzlichst, Euer MichiFürther Weihnachtsmarkt 2024

Wirtshaus-Explorer: Flaleppo Nürnberg

Es ist kein typischer Wirtshaus-Explorer, den ihr heute lest, einfach, weil es kein typisches Wirtshaus ist, das ich heute mit Euch besuchen möchte. Es ist eher ein Geheimtipp in der Nürnberger Imbisslandschaft, aber wer möchte, kann freilich auch vor Ort im Flaleppo speisen.

Flaleppo? Ja, Flaleppo heißt der syrische Imbiss, der gleichzeitig Ladengeschäft und Mini-Restaurant ist und vor einem knappen Jahr in der Sulzbacher Straße in Nürnberg eröffnet hat. Wir dürfen uns unter die Kunden der ersten Tage zählen und mit diesem kleinen Artikel kundtun, dass sich im Ladengeschäft, das vorher einen etwas düsteren und verwinkelten asiatischen Supermarkt beherbergte, viel getan hat – nur die Speisen, die blieben immer gleich lecker.

Vor knapp zehn Jahren flüchten Ali und Fadia Ezo vor dem Krieg aus Syrien nach Deutschland, sie kommen in Nürnberg an. Der gelernte Schreiner Ali Ezo ist begeisterter Hobbykoch, schon bald reift in ihm die Idee, kleine Speisen seiner syrischen Heimat in Nürnberg anzubieten. Freilich dauert es, bis er mit seiner Familie hier Fuß gefasst hat, auch ein Laden will erst gefunden und muss dann aufwendig umgebaut werden. Doch im Dezember 2023 ist es so weit, das „Flaleppo“ eröffnet. Von Anfang an sind neben kleinen Gerichten auch syrische Süßigkeiten im Angebot, nicht nur das allgemein bekannte Baklava, sondern zum Beispiel auch Maburne, eine gebackene Süßigkeit mit Pistazien – Pistazien werden gerne und reichlich für die Süßspeisen verwendet, und das längst, bevor die Pistazie durch den Trend der „Dubai-Schokolade“ als Zutat für Naschereien eine Renaissance feierte. Unlängst erfuhren wir, dass das Backwerk etwa 40,- Euro pro Kilo kostet. Das syrische Baklava, das ein Freund Ezos selbst herstellt, sei in Syrien traditionell weit weniger süß als die hierzulande weitverbreitete türkische Variante.

Innenansicht - die Theke mit den Süßigkeiten, Imbiss Flaleppo, Sulzbacher Straße, Nürnberg

Der Falafel-Wrap gehört seit wohl gut zwei Jahrzehnten ganz selbstverständlich zur Imbisskultur. Im Flaleppo wird dieses Gericht aber auf andere Art interpretiert, als wir es üblicherweise kennen. „Das liegt daran“, erklärt Ali Ezo, „dass wir in Syrien die Falafeln backen, nicht frittieren“. Und so serviert er einen herrlich leichten Wrap, der nicht nur frischen Salat, Gemüse, Granatapfelkerne, Kreuzkümmel, Petersilie, Koriander und Hummus enthält, sondern eben auch knusprige Falafeln.

Falafel-Wrap, Imbiss Flaleppo, Sulzbacher Straße, Nürnberg

Zudem wird eine variantenreiche Vielzahl arabischer Teigfladen und -taschen, Manakish, angeboten, sei es mit Hackfleisch (nach Art von Suzuk, hier Sujig genannt), wahlweise mit Käse, sei es mit Spinat und Kräutern, aber auch mit Olivenöl, Sesam, roter Paprika, Tomaten, Knoblauch, Walnüssen und vielem mehr. Erwähnenswert ist freilich auch das Shawarma, das neben Limettensaft und Hähnchenfleisch auch Gewürzgurke und Granatapfelsaft enthält.

zwei Manakish, Imbiss Flaleppo, Sulzbacher Straße, Nürnberg

Der Clou beim Flaleppo: Alle Speisen werden frisch zubereitet – und das kann auch schon mal zu deutlichen Wartezeiten führen. Auch wenn der kleine Laden eher eine in gleißend-helles Licht getauchte Imbisstube ist, man kann sich dennoch an den wenigen Tischen niederlassen und in Ruhe essen.

Innenansicht, Imbiss Flaleppo, Sulzbacher Straße, Nürnberg

Flaleppo, das ist ein richtiger Familienbetrieb, alle, bis auf die jüngste Tochter, arbeiten mit, packen mit an. Und da muss man manchmal eben auch geduldig sein oder beide Augen zudrücken, wenn gleichzeitig mit Geld und Lebensmitteln hantiert wird. Wer Lust auf kleine syrische Spezialitäten hat, der wird im Flaleppo nicht nur fündig – sondern sicher auch satt und zufrieden.

Flaleppo, Sulzbacher Straße 97, 90489 Nürnberg, Telefon 36 830 722.

Mit dem Alt Bot mehr Inklusion bei Mastodon

Erst gestern berichtete ich über ein wertvolles Tool im Fediverse, die Fedikarte, heute widme ich mich erneut diesem dezentralen sozialen Netzwerk und beleuchte ein Tool, das ich fast noch wertvoller finde – den Alt Bot, den ich über Karlimann kennengelernt habe.

Ihr wisst, dass ich AI generell recht kritisch sehe – gerade, weil die Large Language Models mittlerweile zwar sehr süffige und kompakte, gut lesbare Inhalte liefern, es damit aber immer schwieriger wird, Fehlschlüsse und Falschinformationen zu erkennen. Solche Falschinformationen tradieren sich dann weiter, gerade wenn die Ergebnisse der AIs unkritisch in Webseiten übernommen werden.

Gleichwohl liefert die künstliche Intelligenz auch richtig coole Use Cases ab. Der Alt Bot analysiert Fotos, die Nutzer auf Mastodon posten, mithilfe von Googles AI Gemini und erstellt auf Grundlage dieser Ergebnisse Bildbeschreibungen als Reply auf den ursprünglichen Bilder-Post mit dem Ziel, die Bildinhalte für blinde oder sehbehinderte Menschen zugänglich zu machen.

Screenshot https://fuzzies.wtf/@altbot

Den Alt Bot benutze ich seit nunmehr drei Wochen und ich bin positiv überrascht und gleichzeitig auch ein wenig beunruhigt ob der Treffsicherheit, Präzision und Fokussierung aufs Wesentliche bei den durch Gemini generierten Bildbeschreibungen. Ich habe kaum Anlass zur Kritik, im Gegenteil: Der Bot arbeitet aus den Fotos wissenswerte Details heraus, die ich so schlicht übersehen hätte. Mitunter gibt die AI auch eine Kontextualisierung oder vorsichtige Szenenbewertung ab, das eine halte ich für sehr gelungen, das andere betrachte ich freilich, ihr kennt meine Haltung dazu, nicht unkritisch.

Dennoch ist der Bot ein Tool, welches Mastodon zu einem wesentlich zugänglicheren Ort für Blinde und Menschen mit Sehbehinderung macht.

Die Nutzung ist übrigens sehr einfach – übersetzt heißt es in der Anleitung für den Bot:

So benutzt du den Alt Bot:

  • Erwähne mich: Erwähne einfach @altbot in einer Antwort auf einen Beitrag, der ein Bild enthält, und ich werde eine Alt-Text-Beschreibung dafür generieren.
  • Folge mir: Folge @altbot, und ich folge dir zurück, um auf deine Beiträge zu achten. Wenn du ein Bild ohne Alt-Text postest, werde ich automatisch einen generieren, um das Fediverse zugänglich zu halten!

Wegen der Funktionsweise der Mastodon-API kann Alt Bot dir NICHT automatisch entfolgen, wenn du deine Meinung änderst. Bitte führe das Entfolgen manuell durch.

Hinweis zum Datenschutz: Der Inhalt deiner Beiträge wird nicht ausgewertet. Nur Bilder ohne bestehenden Alt-Text werden verarbeitet.

Der Alt Bot ist unter @altbot@fuzzies.wtf zu finden.

Die Fedikarte – ein großartiges Tool zur lokalen Vernetzung

Gerade habe ich von einer neuen Initiative des Nutzers @wolfmond@troet.cafe erfahren, die unter @fedikarte@troet.cafe bei Mastodon und im Web unter fedikarte.de zu finden ist.

Mit diesem Tool kann man auf Basis der Open Street Map Fediverse-Nutzer – im besonderen Mastodon-User – in seiner Nähe identifizieren und sich lokal vernetzen. Eine örtliche Suche gibt es bei Mastodon ja nicht, hier schließt die Fedikarte eine große Lücke.

fedikarte.de - Screenshot

Ich für meinen Teil bin begeistert und kann nur darum werben, dass sich jeder Nutzer in die Karte einträgt, damit unser Netzwerk noch größer wird. Vielen Dank den Machern!

Der Digitalkamera-Scam – wer billig kauft, kauft zweimal

Für mich eine erstaunliche Erkenntnis – aber letztlich auch logisch: Der Markt für Kompaktkameras ist quasi vom Aussterben bedroht. Logisch deswegen, weil heute Handykameras so gut sind, dass eine klassische Digicam quasi überflüssig ist. Aber ist das wirklich so?

Technisch gesehen in den meisten Fällen sicherlich. Die Bilder des gegenwärtig aktuellen Pixel 9 beispielsweise haben mich ob ihrer Qualität sehr beeindruckt, und inzwischen liefern auch einfachere Handykameras nicht nur ordentliche Bilder mit Festbrennweite, sondern bieten zudem sehr annehmbare Weitwinkelaufnahmen und überraschend gute Makro-Funktionen. Das reicht in aller Regel für die Herstellung der alltäglichen Bilderflut aus.

Ästhetisch aber kann ich den Fotos digitaler Kompaktkameras viel abgewinnen, gerade dann, wenn es um die fotografische Dokumentation des Alltags oder Street Photography geht. Und dann gibt es da ja auch noch die #shittycamerachallenge, die gerade auf Mastodon kontinuierlich gepflegt wird und uns teilweise sehr eigenwillige und gleichermaßen schöne Aufnahmen zu Gesicht bringt. Und so renne auch ich von Zeit zu Zeit mit einer einfachen Kompaktknipse herum (was ich nicht müsste – hier liegt eine sehr vernünftige Bridgelamera, eine DSLR nebst umfangreichem Zubehör und bei mir ist auch das Pixel 8 mit ebenfalls guter Kamera vorhanden, zudem habe ich ja auch noch die X10, die zwar auch schon antik ist, die ich aber sehr mag). Die Kompaktknipse ist mir aber leider in der letzten Woche ablebig geworden und so machte ich mich auf die Suche nach einer einfachen, günstigen und robusten Kamera, die so klein ist, dass sie mich auf meinen Streifzügen durch die Städte bequem in der Hosentasche begleiten kann.

Vor noch zehn Jahren hat jeder der großen Hersteller, sei es Nikon, Canon, Fuji, Olympus oder Sony, einfache Kompaktknipsen im Programm gehabt, diese sucht man heute aber vergeblich. Der Markt für solche einfachen und preisgünstigen Kompaktkameras scheint mir komplett in chinesische Hände übergegangen zu sein, auffällig ist hierbei, dass sehr einfache Sensoren mit integriert Mini-Optik Verwendung finden, die man so eigentlich nur aus simplen No-Name-Smartphones, Dumbphones oder Tablets kannte. Sichtbare Objektivteile sind in der Regel fake, einen optischen Zoom sucht man ebenfalls vergebens und die aufgedruckten Megapixel-Superlative werden durch Interpolation erreicht (wenn sie denn tatsächlich überhaupt irgendwie erreicht werden). Wenn die Abbildungsleistung solcher Kameras allerdings halbwegs passt, dann erhält man in aller Regel einen kleinen, gut bedienbaren Fotoapparat mit langer Akkulaufzeit und enormem Speicher – der die Aufnahme von Bildern mit einer ganz eigenen Ästhetik zulässt.

Prinzipiell hatte ich also kein Leiden damit, einfach mal eine billige China-Kamera zu kaufen und zu sehen, was man damit machen kann, zumal mir vor etlichen Jahren ein Kollege schon mal eine solche China-Kamera schenkte und ich sie vier Jahre lang immer wieder recht gerne zur Hand genommen habe.

Was ich bis zum Wochenende aber nicht wusste: Es gibt tatsächlich Scam-Kameras. Kameras, die prinzipiell funktionieren, aber so schlecht sind und deren technische Werte in keinem Zusammenhang mit den beworbenen Eigenschaften stehen, dass man sie selbst kleinen Kindern nicht als Spielzeug in die Hand drücken möchte. Plattformen wie Temu oder AliExpress, aber auch Ebay und Amazon werden gegenwärtig von solchen Kameras überschwemmt. Ich habe mein 64-Megapixel-Prachtstück, das ich Euch gleich stolz präsentieren werde, für etwas weniger als 25 Euro bei Amazon geschossen (und konnte es daher auch recht elegant und ohne Geldverlust wieder loswerden).

Ich darf Euch also die sagenhafte „Digitalkamera für Fotografie, Autofokus 48 MP Vlogging-Kamera für YouTube mit 2,4-Zoll-Bildschirm, 16-fachem Digitalzoom, Kompakte Reisekamera, Blitz, Anti-Shake“ der Firma „Yunir“ vorstellen, gefertigt von der Dongguan Liaobu Simao Electronics Factory (well, ich hätte es besser wissen müssen).
Digitalkamera Yunir, Dongguan Liaobu Simao Electronics Factory

Das Ding ist wirklich krasses Plastik, aber – hey! – 4K, 64 Megapixel. Her damit! USB-C, ein Slot für microSD-Karten, das ist alles was man braucht, oder?

Nun, von den oben gemachten Angaben, die ich aus dem Amazon-Produkttitel so herauskopiert habe, trifft eigentlich nichts zu.

Digitalkamera Yunir, Dongguan Liaobu Simao Electronics Factory, Detail

Kommen wir zuerst einmal zum 16-fachen Digitalzoom. Den gibt es, trotz gut sichtbarem Zoomhebel, nämlich nicht. Auch der Zoomschalter ist nämlich nur eines: Fake.

Kommen wir zuerst einmal zum 16-fachen Digitalzoom. Den gibt es, trots gut sichtarem Zoomhebel, nämlich nicht. Auch der Zoomschalter ist nämlich nur eines: Fake.

Er kann nicht bewegt werden, zieht man ihn nach oben ab, lässt sich auch erkennen, warum er keine Funktion hat – das Ding ist eine Attrappe. Krass, oder?

Wie aber kommt es zustande, dass es den beworbenen Digitalzoom, der je im Wesentlichen nichts anderes ist, als ein paar Zeilen Code in der Kamerafirmware, nicht gibt? Das hängt nach meinem Dafürhalten mit der niedrigen Auflösung des Sensors zusammen, die diese Funktion schlicht nicht zulässt. Das kann bei 64 Megapixeln eigentlich nicht sein, möchte man einwenden. Die 64 MPix gibt es nicht, sie schrumpfen bereits im Gerätemenü auf 48 MPix herunter (was immer noch ein akzeptabler Wert wäre). Aber auch davon bleibt letztlich nichts übrig. Ich zeige Euch jetzt mal zwei Aufnahmen vom Wochenende, geschossen im Freien bei der höchsten Einstellung, 48 Megapixel mit feiner Bildauflösung:

Von der Bildqualität war ich schockiert. Die ist so schlecht, dass selbst die Nummernschilder der geparkten Autos nicht mehr lesbar sind. Die Kamera liefert meiner Einschätzung nach bestenfalls 640×480, also VGA (oder umgerechnet 0,3 Megapixel). 64 MPix? 48 MPix? Aber wirklich nicht!

Das oben zu sehende Bild hat eine Auflösung von 7680 x 5760, was in etwa 44 MPix oder 8K UHD Videoauflösung entsprechen würde – aber die Qualität des Bildes liegt deutlich unter der meiner 1 Megapixel-Digicam, die ich um die Jahrtausendwende nutzte. Unfassbar. Das Teil ist wirklich ein Scam.

Fast schon überflüssig, zu sagen, dass der Sensor der rückseitig verbauten Selfie-Kamera über eine ebenso schlechte Auflösung verfügt, die dann gnadenlos auf die 44 Megapixel hochgezogen wird… Ich frage mich schon, warum man so etwas baut, letztlich müssen Hersteller und Händler doch gewahr sein, dass die Kunden so ein Gerät umgehend retournieren.

Im Prinzip könnte man ja jetzt sagen, dass man, erkennt man die nicht ganz unspezifische Gehäuseform dieser Kamera wieder, einfach einen weiten Bogen um ein solches Gerät macht – doch das ist wohl auch nur ein Teil der Wahrheit. Ich habe von exakt dieser Kameraform auch schon Rezensionen mit Beispielbildern gesehen, bei denen mir die Fotoqualität verglichen mit diesem Gerät relativ brauchbar vorkam. Es ist also nicht gesagt, dass eine Kamera mit gleicher Optik wirklich so ein Scam sein muss, wie mein Modell. Dennoch wollte ich von dieser Kamera abraten. Bemüht man die Amazon-Bildersuche, wird man auf wenigstens fünfzehn preisähnliche Angebote stoßen – ich wollte bei keinem zuraten. Von Temu und Konsorten lasse ich ja grundsätzlich die Finger… Eine einheitliche Modellbezeichnung oder Marke scheint es nicht zu geben, auf der Schachtel des Produkts ist immerhin in einer Ecke LK-003 zu lesen und „CCD Digital Camera“. Bei Temu wird dieses Modell gerne auch als „Vintage CCD Digital Camera“ geführt.

Bei der Software bediente man sich übrigens eines UIs, das ganz offensichtlich für Kinderkameras gebaut wurde, schließlich kann man mit dieser Kamera auch MP3s anhören, Pac Man spielen oder lustige Rehkitz-Rahmen über das Foto rendern lassen. Oh my gosh.

Abschließend die Frage, ob solche Kameras überhaupt was taugen können und ob sie in unseren Tagen noch eine Berechtigung haben. Ich würde sagen, dass es immer wieder ganz brauchbare No-Name-Billigkameras gibt, man muss diese aber suchen. Wenn man Glück hat, erwischt man eine mit 12 Megapixel-Sensor von Sony, die hatten immer eine gute und verzeichnungsarme Abbildung bei wenig Bildrauschen. Oder man greift eben wie ich ins Klo und holt sich eine Kamera mit einem Modul, das kaum für Spielzeuge geeignet ist. Vorher wissen kann man es nur, wenn man nicht gekaufte Rezensionen mit echten Beispielbildern liest – und die gibt es bei Weitem nicht von jedem Produkt.

Auch in Zeiten von sehr leistungsfähigen Smartphone-Kameras sehe ich durchaus mehrere Berechtigungen für diese Produktkategorie. Zum einen ist das der angenehme und für viele Fotografen auch günstige Formfaktor. Ein echter Fotoapparat fasst sich doch ganz anders an, als ein Telefon. Das mag auch mit dazu beitragen, dass sich die Ästhetik dieser Aufnahmen doch ganz erheblich von Handybildern unterscheidet – und mitunter auch dann positiv ins Auge fällt, wenn die Kamera technische Unzulänglichkeiten hat. Andererseits gibt es auch Bilder, die man nicht sofort mit der Cloud synchronisieren möchte und die lokal auf einer Speicherkarte ganz gut aufgehoben sind. Nicht in jeder Situation möchte man sein teures Smartphone zücken, kann aber mit einer billigen Kompaktkamera dennoch gute Ergebnisse erzielen. Würde die Kamera dann in die Baugrube, in den See oder ins Meer fallen, wäre das zwar ärgerlich, finanziell aber verschmerzbar. Und irgendwie finde ich den Umgang mit einer Kompaktkamera auch bequem.

Wirtshaus-Explorer: Die Blume von Hawaii, Nürnberg

Der Tiki-Kult mit kunstvoll geschnitzten Masken stammt ursprünglich aus der hawaiianischen und polynesischen Kultur. Im Zuge des Massentourismus aus den USA in den 1950er- und 1960er-Jahren wurde der sog. „Tiki-Style“, quasi ein Phänomen von cultural apropriation, von den USA ausgehend in bald alle Ecken der Welt exportiert – höchst erfolgreich. „Tiki“ war bald nicht nur ein Mode- und Einrichtungstrend, sondern hielt auch Einzug in die westliche Musik und inspirierte zahllose Filmschaffende. Und es entstanden in der westlich geprägten Welt auch zahllose Tiki-Bars, die nicht nur mit dem entsprechenden Interieur aufwarten: Tiki-Drinks, zumeist auf Rum-Basis, fruchtig und bunt, oft in Gefäßen serviert, die ebenfalls Tiki-Masken zeigen, eroberten im Nu die Herzen der Cocktail-Freunde.

Und Freunde dieser Coctails haben seit vielen Jahren eine Heimstatt in Nürnberg – und zwar in der wirklich exzellenten Bar „Die Blume von Hawaii“ am Weinmarkt. Einstmals noch in einer Nebenstraße der Äußeren Laufer Gasse beheimatet, findet sich die nun recht große Bar seit 2019 mitten im Herzen der Nürnberger Altstadt.

Freilich gehört das Herz der Barleute den Tiki-Cocktails (es gibt sogar eine eigene Mai Tai-Karte), aber auch andere Spezialitäten und manch neu interpretierter Klassiker findet sich auf der umfangreichen, halbjährlich wechselnden Karte. Wer gerne Gin trinkt, bestellt einen „Saturn“, wer nach ein bis zwei Cocktails den Abend mit einer kleinen, flüssigen Süßigkeit abschließen möchte, trifft mit dem „Macadamia Nut Chi Chi“ eine vortreffliche Wahl. Aus den Boxen erklingen Rock ’n’ Roll und Surf-Sound der 60er neben 70er-Soul und die opulente Korb-Bambus- und Tikideko hält das Auge eine Weile beschäftigt.

Man muss schon Qualität haben (und halten), um sich in einer gastronomisch so eng besiedelten Gegend wie dem Weinmarkt über Jahre nicht nur erfolgreich halten zu können, sondern quasi jeden Abend voll reserviert zu sein. Und auch nicht ganz umsonst wurde die „Blume“ von den Lesern der Publikationen des Verlags Nürnberger Presse 2023 zur „besten Bar Nürnbergs“ gewählt. Auch der falstaff-Bar-Guide 2025 adelt die „Blume“ mit 47 von 50 Drink- und 19 von 20 Ambientepunkten.

„Unser Sortiment“, so heißt es auf der Webseite, „bietet mehr als 60 Gins, über 50 Whiskeys und etwa 120 Rums, darunter eigene Abfüllungen nur für die Blume von Hawaii“.

Die „Blume“ ist ein Dorado für Cocktailfans, man muss übrigens kein Kenner sein, um sich in der Vielzahl der angebotenen Spezialitäten (es dürften an die hundert sein) zurechtzufinden, denn man wird jederzeit bestens von den freundlichen Barkeepern beraten.

Die Blume von Hawaii, Weinmarkt 16, 90403 Nürnberg. Telefon: 91 94 60 90.

Wirtshaus-Explorer: Tel Aviv-Jaffa in Eberhardshof

Eingang Restaurant "Tel Aviv-Jaffa", Spohstraße NürnbergVor gut drei Wochen waren wir im Restaurant „Tel Aviv-Jaffa“ zu Gast, dem laut eigener Webseite „ersten und einzigen israelischen Restaurant Nürnbergs“, das mit dem Claim „israelisch, orientalisch, aromatisch“ wirbt. Betritt man den Gastraum des kleinen, etwas abseits der Fürther Straße gelegenen Restaurants, so taucht man in ein ruhiges, aufgeräumtes Ambiente mit gedämpftem Licht ein – man kann sich sofort wohlfühlen.

Augenscheinlich ist das Konzept des Restaurants, eine kleine und wechselnde Karte bereitzuhalten, dafür allerdings jedes der Hauptgerichte frisch zuzubereiten. Auch die Bedürfnisse von Vegetariern und Veganern werden dabei berücksichtigt. Was angeboten wird und was auf den Tisch kommt, wird bereitwillig erklärt. Der Service ist freundlich und zugewandt, gleichzeitig zurückhaltend und verbindlich.

Als Vorspeise bestellten wir die „Sieben Köstlichkeiten“ mit Pitabrot, die in der großen Variante 34,- Euro kosten, die Einzelportion käme auf 14,- Euro. Neben Falafeln und Hummus wird auch hausgemachter Frischkäse mit Kreuzkümmel, ein kalter Hähnchensalat, ein orientalisch gewürzter Krautsalat oder beispielshalber auch ein pikanter Dip aus Petersilie und Olivenöl gereicht.

Gericht "Sieben Köstlichkeiten" - "Tel Aviv-Jaffa", Spohstraße Nürnberg

Vorspeisenplatte „Sieben Köstlichkeiten“

Zur Hauptspeise wählte ich von der kleinen Karte die Hähnchenschlegel. Die Würzung des Gerichts war wirklich beeindruckend. Komplex, ohne aber zu aufdringlich zu schmecken, kontrastierte sie die Soße auf deutlich herausschmeckbarer Basis von Limettensaft vortrefflich. Das Gemüse hatte einen auf den Punkt festen Biss, die essbare Blüte rundete die Kreation auch optisch stimmig ab. Schade, dass die Haut der Hähnchenschlegel so gar nicht kross (dafür aber saftig) und die jungen Kartoffeln noch reichlich fest waren.

Hühnergericht "Tel Aviv-Jaffa", Spohstraße Nürnberg

Am Tisch wurde auch die hauseigene Gemüselasagne bestellt, die die Gäste ob ihrer Fruchtigkeit und Frische und ihrer subtilen Schärfe mit Begeisterung aufnahmen.

Gemüselasagne - "Tel Aviv-Jaffa", Spohstraße Nürnberg

Gemüselasagne

Als Bier wird Ammerndorfer aus der Flasche ausgeschenkt, einwandfrei. Ich bin immer sehr dankbar, wenn in Gaststätten die allgegenwärtige Tucher-Monokultur durchbrochen und einer kleinen, qualitätvollen fränkischen Brauerei der Vorzug gegeben wird. Und das Helle aus Ammerndorf kann auf ganzer Linie überzeugen.
Die Weinbegleitung an diesem Abend war ein einfach ausgebauter Primitivo aus der italienischen Großkellerei San Marzano, selbstredend eine sichere Bank, wenn auch eine reichlich gewöhnliche Wahl.

Freilich bedarf es auch an dieser Stelle einige Worte, die zu schreiben durchaus schwerfällt und schmerzt. Wie viele andere jüdische Einrichtungen wurde auch das Restaurant Tel Aviv-Jaffa unlängst Opfer antisemitischer Straftaten, entsprechende Parolen wurden auf die Fassade geschmiert. Ich bin immer wieder angefasst und schockiert, dass ganz normales jüdisches Leben in unserer Heimatstadt scheinbar immer noch nicht selbstverständlich ist und ohne Angriffe stattfinden kann. Dass das Tel Aviv-Jaffa das einzige israelische Restaurant Nürnbergs ist, hat mich auch etwas verwundert, schließlich ist mit mehr als zweieinhalbtausend Mitgliedern die Israelitische Kultusgemeinde vor Ort recht groß. Ob man im Restaurant koscher essen kann, entzieht sich meiner Kenntnis, eigens geworben wird dafür nicht.

Mit einem Preis von im Mittel etwa 20,- Euro für das Hauptgericht ist das Tel Aviv-Jaffa sicher nicht ganz günstig, weder gemessen an der Portionsgröße noch der Raffinesse, um die sich aber sehr bemüht wird. Auf der Webseite wird ausdrücklich um Reservierung gebeten.

Tel Aviv-Jaffa, Spohstraße 16, 90429 Nürnberg. Telefon: 89 62 31 35.

Wirtshaus-Explorer: Moc Quan – ein vietnamesischer Imbiss

Na, das ist mal eine Überraschung: In der mit asiatischen Imbisslokalen reichlich gesegneten Inneren und Äußeren Laufer Gasse (die ja mehr oder weniger nahtlos ineinander übergehen) hat unlängst ein neuer asiatische (präziser: ein vietnamesischer) Imbiss eröffnet, einer, der vielleicht nicht optisch, wohl aber geschmacklich aus dem Durchschnitt der sich in diesem Straßenzug mittlerweile massierenden Angebot der asiatischen Fusionsküchen heraussticht – das Moc Quan.

Moc Quan, Nürnberg

Brauchen wir, so frage ich mich, neben Horapa, Surrito Sushi, dem Hong Kong Imbiss, Machito Sushi, Bat Dat und Moon tatsächlich noch ein siebtes asiatisches Restaurant auf etwa 300 Metern Wegstrecke? Nun, scheinbar ist der Markt hier im besten Wortsinne weiterhin nicht gesättigt und hat noch Kapazität für einen neuen Anbieter. Der muss sich bei so viel unmittelbarer Konkurrenz durch Qualität behaupten – und hier macht das Moc Quan eine gute Figur!

Von der klassischen Huhn-Ente-Schweinefleisch-Matrix* wird hier nur bedingt abgewichen, in Topf und Wok kommt, was der Kunde mit europäisch geprägtem Geschmack erwartet (oder was man seitens der zahllosen Imbisstreiber erwartet, dass es erwartet wird, eine lukullische self fulfilling prophecy, gleichsam). Wieder ein klassischer Take-Out-Asiate mit ein paar Sitzplätzen, so möchte man meinen. Und dennoch schmeckt es im Moc Quan irgendwie anders, frisch, scharf und lecker.

Moc Quan, Nürnberg

In zwei zumindest für mich nicht ganz unwesentlichen Punkten unterscheidet sich das Moq Quan von anderen Imbissen: Zum einen kann man Gerichte auch wirklich dezidiert „nicht scharf“ ordern – und das klappt dann auch (es mag befremdlich klingen, aber viele asiatische Imbissbetreiber bekommen das nicht hin, setzen eine oder mehrere wenige Soßengrundlagen für die Vielzahl der auf der Speise- und Lieferkarte offerierten Gerichte an und schärfen die nach eigenem Gusto – und sind dann logischerweise auch nicht mehr in der Lage, diese selbst gesetzte Schärfeschwelle zu unterschreiten). Zum anderen bietet das Moc Quan seine Gerichte nicht nur mit Beilagenreis an, sondern gegen einen moderaten Aufpreis von einem Euro auch mit den dicken japanischen Udon-Nudeln. Das kommt mir persönlich sehr entgegen, habe ich mich in den letzten Jahren an diesem weißen, polierten, in höchstem Maße klimaschädlichen Reis doch reichlichst abgegessen. Hier bietet mir die Udon-Variante, auch wenn sie in Kombination mit dem ein- oder anderen Gericht vielleicht nicht allzu passend erscheint, eine angenehme Alternative.

Nem rán mit scharfer Süß-Sauer-Soße

Nem rán mit scharfer Süß-Sauer-Soße

Als Vorspeise teilen wir uns Nem rán, zwei im Teigmantel gebackene Gemüse-Schweinefleisch-Rollen an einer überraschend pikanten Süß-Sauer-Soße (5,- Euro). Die Rollen, außen knusprig und innen würzig-zart, schmecken deutlich fleischig und gewinnen erst richtig, wenn man sie in die reichliche, gut harmonierende Soße dippt.

Zum Hauptgang wählen wir Glasnudelsalat mit Koriander, Erdnüssen und Garnelen (12,50 Euro). Dieser Klassiker der thailändischen Küche wird oft scharf, in der Regel aber sehr scharf serviert – hier bekommt man ihn aber eben auch nicht scharf, sodass die angenehm säuerlichen Geschmackskomponenten aus dem Hintergrund treten können. Und so schmeckt der kühle Salat erfrischend und leicht.

Das zweite Hauptgericht wird ein rotes Curry mit frittierter Ente sein. Ich hatte spontan Lust auf diesen profanen Evergreen. Zudem glaube ich auch nicht, dass dieses Gericht, auch wenn es in dieser Darreichung an wirklich jeder Ecke zu haben ist, auf einen bestimmten Namen hört. Viel frisches Gemüse, ein nicht zu verachtender, sehr nahrhafter Berg ausnehmend feiner Udon Noodles und eine Currysoße, die hinsichtlich Geschmack und Schärfe wirklich etwas kann, werden mit knusprig frittierter Ente serviert. Das ist für sich genommen nichts Besonderes, handwerklich aber solide gemacht und geschmacklich ganz prima. Auch die Ente schmeckt gut, ist aber ein wenig trocken. In dieser Variation bezahle ich dafür angenehme 14,50 Euro. Wer möchte, bekommt auch Sushi zubereitet, eine große Auswahl an Klassikern steht auf der Karte, dieses Angebot haben wir aber bislang nicht wahrgenommen.

Rotes Curry mit Udon-Nudeln, gebratenem Gemüse und knuspriger Ente

Rotes Curry mit Udon-Nudeln, gebratenem Gemüse und knuspriger Ente

Zum Essen serviert man Biere von Zirndorfer/Tucher, das Seidla kommt auf 3,- Euro, was in der Innenstadt ebenfalls ein akzeptabler Imbisstarif ist.

Um nicht missverstanden zu werden, die Kolumne „Wirtshaus-Explorer“ legt ja anderes nahe, handelt es sich nicht um ein klassisches Restaurant, sondern tatsächlich eher um eine Imbisstube mit sechs oder sieben Tischen – und die waren, als wir das Moc Quan besuchten, auch annähernd voll belegt. Aber auch die bekannten Essenslieferdienste gehen hier ein und aus, zudem wird das Menü natürlich auch zum Mitnehmen angeboten. Die Aufenthaltsqualität ist nicht dieselbe, wie in einem Restaurant, aber für ein schnelles Mittag- oder Abendessen kann man sich hier gut niederlassen. Beachtenswert sind zudem die zwei bis drei Tagesgerichte, die vergünstigt angeboten werden.

Moc Quan, Innere Laufer Gasse 8, 90403 Nürnberg. Telefon: 99 44 25 99

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*) Dieses wirklich wunderbare, die Komparabilität vieler gastronomischer Konzepte zahlloser average Asia-Imbisse so vortrefflich beschreibende Bild verdanken wir niemandem Geringerem als Michael „Nibbler“ Horn, dem ich dafür zutiefst zu Dank verpflichtet bin.

Wirtshaus-Explorer: Das Seidla muss bezahlbar bleiben!

Das Seidla, die Halbe, davon bin ich fest überzeugt, muss bezahlbar bleiben. Denn hier handelt es sich um weit mehr als um einen in einem Krug in der Gastronomie ausgeschenkten halben Liter Bier. Es geht hier um nicht weniger, als um ein Kulturgut. Ein Plädoyer.

"Halbe muss bezahlbar bleiben - Bierpreisbremse jetzt!" Aufkleber in einem Fürther Wirtshaus

„Halbe muss bezahlbar bleiben – Bierpreisbremse jetzt!“ Aufkleber in einem Fürther Wirtshaus

Eine Diskussion um den Bierpreis mag einem auf den ersten Blick reichlich gratismutig erscheinen – und vielleicht ist sie es auch; wer will schon gerne teures Bier trinken? Und dennoch ist der Bierpreis weit mehr, als nur ein Produkt aus Kostenkalkulation von Brauern und Wirten oder ein Aushandlungsprodukt von Angebot und Nachfrage (das war er streng genommen ohnehin nie). Es geht auch und besonders um ein Stück fränkische, im erweiterten Sinne auch bayerische und süddeutsche Kultur.

Der Bierpreis spiegelt sich ja nicht allein in einem nackten Geldbetrag wider, nein, der Geldbetrag muss ja auch in Relation zur Getränkemenge gesehen werden. Was wie eine Binse klingt, hat einen sehr ernst zu nehmenden Hintergrund: War es vor ein, zwei Jahrzehnten noch sonnenklar, dass man in hiesigen Gastronomiebetrieben in der Regel einen halben Liter Bier und eine Viertellieter Wein serviert bekam, so wird heute vielerorts von dieser guten Praxis, von diesem Standard abgewichen.

Kommen wir zuerst einmal zum Thema Tradition und Schankmenge: Das Seidla (abgeleitet vom „Seidel“, einem alten Hohl-Volumenmaß, ursprünglich lat. situla, Eimer), also der Halbliterkrug, fasst, wie bereits mehrfach erwähnt, einen halben Liter Bier. Dieser halbe Liter ist die in Franken übliche Schankmenge für Bier. Im altbayerischen Raum ist sie neben der Maß, also einem Literkrug als sog. „Halbe“, die auf die bayerische Liter-Schankmenge direkt Bezug nimmt, ebenfalls sehr verbreitet. Die Maß enthielt als Hohlmaß in Bayern ursprünglich 1,069 Liter, in Franken hingegen 1,17 Liter Bier, erst 1871 wurden diese Maße zugunsten des metrischen Systems auf einen Liter vereinheitlicht. Damit gibt es hierzulande aus der jüngeren Tradition begründet zwei gültige Schankmengen für Bier, den halben Liter und den Liter. Ähnliches gilt im Übrigen auch für den Schoppen Wein, welcher als Raummaß in den Regionen unterschiedliche Füllmengen hatte und noch heute, je nach Gebiet, in Hessen, Baden oder Württemberg immer noch Füllmengen von 0,3 Liter bis 0,75 Liter umfassen kann. Im Fränkischen ist festgelegt, dass ein Schoppen Wein immer einen Viertelliter umfasst. Weniger geht anstandshalber nicht und fußt ebenda auf keiner Tradition. Wir halten also fest: Die hierzulande traditionell gültige Schankmenge für Bier ist ein halber Liter und ein Liter, für Wein ein Viertelliter. Diese Gültigkeit ist aber nicht von Gesetzes wegen, sie ergibt sich rein aus Anstand und Tradition.

Warum schreibe ich das überhaupt? Ist das alles nicht eine schiere Selbstverständlichkeit? Leider mittlerweile nicht mehr. Folgenden traurigen Anblick auf eine Getränkekarte, aufgenommen diesen Dienstag in einer in der Nürnberger Altstadt gelegenen Gastronomie, kann ich Euch an dieser Stelle nicht vorenthalten.

Auszug einer Getränkekarte eines Gastronomiebetriebs in der Nürnberger Altstadt im November 2024

Auszug einer Getränkekarte eines Gastronomiebetriebs in der Nürnberger Altstadt im November 2024

Lassen wir einmal das exotische indonesische Bintang-Bier in dieser Betrachtung beiseite, es läuft ja selbst auf dieser Getränkekarte außer Konkurrenz. Was müssen wir erleben? Da werden Flaschenbiere in Größen zu 0,3 Liter ausgegeben. Das mag einem echten Franken freilich nicht nur absurd, sondern unverschämt vorkommen – doch den Wirt trifft nicht allein die Schuld, es muss ja auch Brauereien geben, die diese winzigen Flaschen abfüllen und somit solche Angebote überhaupt erst möglich machen.

In meiner Rezension zu diesem sonst eigentlichen recht ordentlich geführten Restaurant, die ich hier ein wenig später veröffentlichen werde, machte ich meinem Ärger wie folgt Luft: „Ich bin empört, wenn fränkische Biere (die Ausnahme ist hier das Weißbier, das glücklicherweise im halben Liter ausgeschenkt wird), nicht als Seidla, also als halber Liter an den Tisch gebracht werden, sondern in der Größe 0,3 Liter. Selbst die in den 1980er-Jahren einmal von gierigen Wirten und Brauern so forcierte Serviergröße 0,4l, von kundigen Bierliebhabern schnell zurecht als „Preißn-Halbe“ gebrandmarkt, hat, abseits von Pilsener Bieren norddeutschen Braustils, im Süddeutschen keinerlei Berechtigung und setzte sich dort auch nicht durch. Findet man heute in der Gastronomie noch Biere in der Größe „Null-vier“ auf der Karte, so lässt dies allein die Interpretation als unverkennbarer Ausweis wenig gepflegter Gastlichkeit zu. Schlimmer allerdings ist in meinen Augen der neue „Trend“, Bier in Serviergrößen von 0,3l auszuschenken. Die Brauereien ziehen hier bedauerlicherweise mit und füllen kleine Fläschchen von 0,3l oder 0,33l ab. Diese Kulturlosigkeit ist nicht weniger als ein Trauerspiel. Und auch, wenn besagtes Restaurant beileibe nicht die einzige Innenstadtgastronomie ist, die fränkisches und bayerisches Bier in Größen von 0,3 Litern zum stolzen Preis von 3,80 Euro serviert, so muss an dieser Stelle auf diesen Missstand in der nötigen Deutlichkeit und Dringlichkeit hingewiesen sein (und das kann auch der Verweis auf das exotische, nicht-fränkische Konzept des Restaurants nicht entschulden, ich selbst habe überhaupt kein Problem damit, dass das indonesische Bintang-Bier in der Flaschengröße 0,3 Liter auf der Karte steht). Rechtlich darf selbstredend jeder Wirt so wenig Bier so teuer verkaufen, wie er mag. Ob das den örtlichen Gepflogenheiten angemessen und zudem anständig ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Geht es hier nur um den Bierpreis? Den Wirten vielleicht schon, für mich hat das aber noch eine andere Implikation, die nicht vergessen sein darf: Es geht nicht weniger als um Erhalt und Pflege eines Kulturgutes. Wer fränkisches Bier in einer fränkischen Stadt in der „Größe“ „Null-drei“ ausschenkt, tritt – das darf ich mit Fug und Recht behaupten – die fränkische Bierkultur mit Füßen. Das ist kein Fauxpas mehr, das ist ein Affront. Ein Affront, mit dem sich freilich prächtig Geld machen lässt, denn irgendetwas müssen die Leute ja schließlich trinken.“

Ist das zu radikal, tut man damit den Wirten nicht unrecht? Fordert nicht vielmehr der Gast kleine Getränkegrößen? Es mag in der Tat sein, dass es hin oder wieder unter den Gästen ältere Menschen gibt, die kein „ganzes Bier“ mehr schaffen, doch das Phänomen „Null-Drei“ betrifft mehrheitlich solche Betriebe, in denen ältere Mitbürger nur selten verkehren. Zudem sei es jedem Wirt unbenommen, neben der der Anstand gebietenden Schankmenge auch eine kleine Variante anzubieten. Dort, wo Bier noch frisch gezapft wird und kein ganzes Bier gewünscht ist, reicht ein vernünftiger Wirt gerne den sogenannten „Schnitt„, ebenfalls eine alte fränkische Tradition, um deren Fortbestand zu fürchten ist, werden nur Flaschenbiere an den Tisch gebracht.
Nein, wird auf der Karte ausschließlich eine kleine Biergröße angeboten, so ist für mich nichts anderes als Beutelschneiderei. Der Gast hat Durst, er will ihn stillen, wie schön, wenn man ihn durch die winzigen Flaschen quasi dazu zwingen kann, statt einem normalpreisigen Seidla zwei stattlich teure Fingerhüte voll Bier zu bezahlen. Bei allem Verständnis für die angespannte Situation mancher Wirte nach Corona: Wer so handelt, stellt nicht nur seine blanke, ungezügelte Gier zur Schau, sondern streckt auch metaphorisch seinen Gästen den ausgestreckten Mittelfinger entgegen. Es liegt an uns, „Wirte“, die sich so gebaren, zu meiden und solche Gasthäuser nicht mehr aufzusuchen. Verantwortungsvolle Rezensenten bei Google, Tripadvisor und anderen Bewertungsportalen bringen solche Missstände klar zur Sprache und ziehen von der Gesamtbewertung konsequenterweise mindestens einen Stern oder ein entsprechendes Äquivalent in Punkten ab.

Wer so kleine Biere ausschenkt, hält sich nicht nur zu Unrecht an seinen Gästen gütlich, er zerstört wissentlich auch ein Stück Bierkultur. Zu der gehören ja nicht nur Trinksprüche und -lieder, sondern auch die Darreichungsform des Bieres im traditionellen Stein- oder Glaskrug oder in der tradierten Flaschenform (es ist kein Zufall, dass man auch seitens der Brauereien wieder von der einstmals so beliebten schlanken NRW- oder Vichyflaschenform zur bauchigeren Euro-Standardflasche und zur traditionellen Bügelflasche zurückfindet).

Und an dieser Stelle haben wir bis jetzt nicht über den Preis gesprochen:
Leider, dessen bin ich mir sicher, haben viele Wirte, ich möchte sagen, die Mehrzahl, das auch für wirtschaftliche Belange krisenhafte Geschehen der Corona-Pandemie dazu missbraucht, „Preisanpassungen“ vorzunehmen, die sich durch Inflationssteigerung und gestiegene Personal- und Warenkosten allein nicht mehr erklären lassen.

Im Juli 2020 bekamen Gastronomiebetriebe von der Politik zur Abfederung der durch die Corona-Pandemie entstandenen wirtschaftlichen Schäden nicht nur entsprechende Unterstützungszahlungen, auch ihr Umsatzsteuersatz wurde von 19 auf 7 Prozent gesenkt. Diese Steuererleichterung floss komplett in die Taschen der Wirte; es sei ihnen ja gegönnt. Erst seit diesem Jahr werden wieder 19 Prozent Umsatzsteuer fällig, landauf, landab wurden die Preise ganz selbstverständlich wieder nach oben „angepasst“, also um den vermeintlichen „Mehrbetrag“ (den es niemals gegeben hat) erhöht. Der Gast hat dies alles – meist klaglos – erduldet.

Wirt zu sein ist mittlerweile nur noch selten ein normaler Beruf mit normalen Einkommensmöglichkeiten, sondern regelhaft ein hervorragendes Geschäft – zum Leidwesen und Schaden von uns allen. Diese Preissteigerungen sind längst auch von Lohnsteigerungen der Gäste abgekoppelt, ein Wirtshausbesuch wird mehr und mehr zum Luxus. Nun gibt es unter den Wirten freilich auch Ausnahmen – solche, die, gerade auf dem Lande, viel dafür tun, die Preise stabil zu halten und den Besuch der Gaststätte möglichst allen zu ermöglichen. Doch auch diese positiven Beispiele werden leider immer mehr zur Ausnahme. Wer nun meint, dass ja niemand ins Wirtshaus gehen müsse und das „freie Unternehmertum“ apostrophiert, sieht sich im Irrtum.

Wirtshäuser existieren ja nicht zum Zwecke der Gewinnmaximierung von Wirten, Brauereien und Systemanbietern (auch wenn sie dazu missbraucht werden), sie sind vielmehr ebenfalls Stätten der Versorgung, Kultur und Begegnung und sollten als solche auch für möglichst viele Gäste niederschwellig zugänglich sein. Das wird gerne allzu oft vergessen. Freilich hat man sie dem „Spiel des Marktes“ überlassen und erwartbar hat der Markt an unserer Wirtshauskultur auch reichlich Schaden hinterlassen.

Die Preissteigerungen schlagen sich in den Getränkepreisen oft noch spürbarer nieder als in den Preisen der Speisen – und da berühren wir schon den Bereich der Niederschwelligkeit. Welcher Arbeiter, welcher einfache Angestellte und vor allem welcher Bürgergeldempfänger soll sich hier den Gaststättenbesuch, der ja auch ein Stück sozialer Teilhabe darstellt, leisten können? Wie möchte man bei Preisen von 4,50 Euro, 4,80 Euro oder gar fünf Euro für ein Seidla Bier denn die gerade in Franken sehr bunte und vielfältige Bierkultur auf Dauer pflegen und aufrechterhalten? Natürlich sind vom Brauereisterben gerade solche Betriebe betroffen, die entweder kein Personal mehr finden können oder bei denen ein massiver Investitionsstau aufgelaufen ist. Dies trifft vor allem mittelständische Brauereien. Das wohl drängendste Problem der ganzen Branche ist aber der seit Jahren rückläufige Bierkonsum. Der hat seine Gründe in der Überalterung der Gesellschaft, dem zunehmenden Gesundheitsbewusstsein der Jüngeren und natürlich auch dem Bierpreis selbst. Blieben in den letzten Jahren die Preise im Einzelhandel weitestgehend stabil, zogen sie in der Gastronomie unverhältnismäßig stark an. 2022 lag der Absatzanteil der Gastronomie am gesamten bundesdeutschen Bierabsatz bei gerade einmal 16 Prozent, 2008 lag er noch bei 29 Prozent. Es liegt auf der Hand: Teures Bier ist nicht nur unsozial, es wird auch weniger getrunken.

Klar ist: Kostet ein Bier 3,- Euro, so wird man relativ bedenkenlos zwei, drei oder vielleicht sogar vier Seidla trinken. Kostet ein Seidla Bier 4,80 Euro, wird man sich auf eines beschränken, selbst wenn man noch Durst hat – sofern man bei den gestiegenen Preisen überhaupt noch so häufig ins Wirtshaus geht. Ausgeschlossen sind von vornherein all jene, denen aufgrund fehlender finanzieller Möglichkeiten schon früher kaum mehr als der Konsum eines oder zweier Seidla erlaubt war. Kosten dann 0,3 Liter helles Bier 3,80 Euro (der halbe Liter Bier käme so rechnerisch auf obszöne 6,33 Euro, man muss dann aber ja 0,6 Liter zum Preis von 7,60 Euro – also gerüttelt 15 Mark – abnehmen, um auf den halben Liter zu kommen!!), ist das ohnehin nicht mehr darstellbar. Den Schaden dieser Gierpreise, ich wiederhole mich, hat der Gast und die Bierkultur.

Der Aufkleber, den ich oben abgelichtet habe, mag manchem wie ein Witz vorkommen, eine prollige Parole, die man auf den Handtuchspender des Wirtshausklos klebt – aber die Aussage ist völlig richtig: Ein zu hoher Bierpreis schadet der Trink- und Braukultur ebenso wie dem geselligen Miteinander. Und am Schluss auch den Wirtshäusern, die ja auch im erweiterten Sinne Teil unserer Kulturlandschaft sind. Zur Wehr setzt sich der Gast nur durch Boykott oder Verzicht. Das durchzusetzen und durchzuhalten ist freilich schwer und davon profitieren die Profitmaximierer unter den Wirten. Es ist an uns, diesem unwürdigen Spiel ein Ende zu bereiten.

Im Test: Der HiRes-Player HIFI WALKER H2

Schon wieder ein Player der Firma HIFI Walker im Test? Ja, heute widme ich mich einmal mehr einem klassischen MP3- und HiRes-Audioplayer der gehobenen Mittelklasse, dem Modell “H2”. In anderen Posts zu diversen Playern habe ich ja schon diskutiert, ob es heute, in Zeiten des Smartphones, überhaupt noch sinnvoll ist, sich einen dezidierten Hardware-Musikplayer zuzulegen. Um das ein wenig abzukürzen, mein Fazit zu dieser Frage: Ja, das kann sinnvoll sein, wenn man viele Lossless-Dateien und einen sehr guten Kopfhörer sein Eigen nennt oder oft in mit Mobilfunk schlecht versorgten Gebieten Musik hören möchte – dann aber braucht und wünscht man einen exzellent klingenden und kompromisslos vernünftig bedienbaren Player. Ist der H2 so ein Player? Dieser Frage möchte ich gerne in diesem Test nachgehen.

Klassisch und aufgeräumt: Der HIFI WALKER H2

Klassisch und aufgeräumt: Der HIFI WALKER H2

Beim H2 handelt es sich um einen (an heutigen Maßstäben gemessenen) recht klassischen HiRes-Player ohne viel Schnickschnack. Zu den zentralen Features gehört, dass er neben der Wiedergabe von Musik von der microSD-Karte (bis 256 GB) auch als DAC einsetzbar ist (über USB-C anzuschließen) und neben dem Kopfhörerausgang auch über einen nicht-symmetrischen Line-Out für Stereoanlage oder Aktivboxen verfügt. Außerdem ist er per Bluetooth sowohl als DAC, als auch als Player mit Bluetooth-Kopfhörern. Ein Radio, Aufnahmefunktionen, eine Option zur Wiedergabe von Videos und Ähnliches sucht man Gott sei Dank vergeblich – ich schätze es außerordentlich, wenn sich solche Geräte ausschließlich dem ihnen primär zugedachten Zweck widmen.

Kopfhörerbuchse, USB-C und Line Out - das sind die Anschlüsse des H2

Kopfhörerbuchse, USB-C und Line Out – das sind die Anschlüsse des H2

Zuerst einmal präsentiert sich dieser Player klein, kompakt, aber auch ein wenig schwer. Die Haptik selbst ist ohne Fehl und Tadel, das robuste Metallgehäuse liegt gut, sicher, quasi solitär in der Hand. Alle Stecker rasten sauber ein, sitzen fest und bieten fehlerlosen Kontakt, die Bedienelemente verfügen allesamt über einen sauberen Druckpunkt. Auch der kleine Bildschirm präsentiert sein Bild gestochen scharf, hell und klar. Es ist eine Freude, diesen Player in die Hand zu nehmen. Der Akku soll etwa zehn Stunden durchhalten (heute ein eher mittelmäßiger Wert).

Kommen wir zu den technischen Daten: Wer sich gegenwärtig, also im Zeitalter des Smartphones und verlustfreier Streamingdienste einen klassischen “Offline-Player” besorgt, legt, wedi eingangs erwähnt, sein Augenmerk auf höchste Klanggüte und damit mutmaßlich auf neueste D/A-Wandlertechnik. Hier ist der Player nicht ganz up to date, aber ich würde sagen “immer noch recht ordentlich mit dabei”: Im Jahr 2024 man von einem HiRes-Audioplayer nicht nur Bluetooth 5.2/5.3, sondern auch Low Energy HiRes Audio Wireless. Dieser Player erfüllt diese Standards nur bedingt, muss man sich doch mit dem alten 4er-Protokoll, präzise 4.2 begnügen. Neben FLAC gibt der Player auch DSD (Direct Stream Digital) wieder – und das ist für mich das Wichtigste. SBC, AAC und APT-X sind selbstverständlich. Das Gerät kann als mobiler DAC über Bluetooth eingesetzt werden, der Wandler, der dies alles erledigt, ist ein Burr Brown PCM5102, ein 2-Kanal-Wandler, der einen ausgezeichneten Ruf genießt und gerade in mobilen Geräten seit wenigstens zehn Jahren so unverändert verbaut wird. Texas Instruments, die Burr Brown im Jahre 2000 gekauft hatte, hat gut daran getan, die hochwertige Produktlinie “BB”s konsequent weiterzuentwickeln. Burr Brown-Wandler laufen auch in meinem stationären HiFi-Setup seit wenigstens fünfzehn Jahren (als Hybrid mit Röhrenverstärkung) sehr zu meiner Zufriedenheit und liefern eine einwandfreie Qualität bei niedrigen Preisen. Wir haben es hier also mit einem im besten Wortsinne klassischen und erprobten System zu tun, wer State of the art möchte, greift eher zu Shangling und Konsorten, bekommt dann aber nicht die gute, klassische Gerätehaptik ohne Touch & Co.

Ein paar Dinge an diesem Player gefallen mir sehr gut – dazu zählt neben der allgemein guten Verarbeitung vor allem die Tastenbedienung. Die Tasten und das Scrollweel sind allesamt mechanisch bedienbar, im Dunklen gut fühlbar und geben ein entsprechendes haptisches Feedback – und das ist heute eine echte Seltenheit geworden. Als Scrollwheel wählte man bei HiFi-Walker ein Bauteil von ALPS, das zu Beginn recht straff läuft, mit der Zeit spielt sich das Scrollrad aber etwas frei und lässt sich schön flüssig bedienen. Allein für die Pflege dieser guten alten Tugenden sollte man erwägen, diesem Musikplayer bei seiner Auswahl eine Chance zu geben.

Die Ausgangsleistung von 70 mW, gemessen an 32 Ohm, ist ebenfalls eher Hausmannskost. Gut, in den meisten Fällen dürfte diese Leistung im mobilen Betrieb völlig genügen und keine Probleme verursachen, zumal der Kopfhörerausgang ja die gewohnte, kleine Dreieinhalb-Millimeter-Klinke aufweist; wer aber mit höherohmigen Kopfhörern arbeiten will, gelangt schnell in den Bereich der Leistungsreserven dieses Players.

Zum Wichtigsten: Klanglich gefällt mir dieser Player sehr, gerade kabelgebunden – ältere Hardware heißt ja nicht automatisch schlechtere Performance! Insgesamt liefert der H2 ein sehr transparentes Klangbild, schön straffe Bässe, bestens balancierte Mitten und einen Hauch (aber wirklich nur einen Hauch) Überbetonung im Hochtonbereich (was sicher auch mit den verwendeten Kopfhörern in Zusammenhang stehen mag). Klanglich ist dieser Player jedenfalls ausgezeichnet, auch in Anbetracht des geforderten Preises von gegenwärtig etwa 120,- Euro (im Bundle mit einer eineachen 128 GB micro-DS-Karte). Und hier bin ich bei einem wesentlichen Punkt, nämlich der Frage, warum man in Zeiten von HiRes-Streaming und BT 5.3 LE am Handy noch einen Hardware-MP3-Player braucht. Manch einer mag sich bislang nicht so recht an das Musikhören mit dem Mobiltelefon gewöhnen. Wer zudem viele unkomprimierte Audiodateien sein Eigen nennt und für wenig Geld einen gut klingenden Player sucht, der ist hier schon ganz richtig, vor allem dann, wenn es darum geht, kabelgebunden Musik zu hören und bereits vorhandene, hochwertige Kopfhörer weiterzuverwenden. Für die alleinige Verwendung des Players mit Bluetooth-Kopfhörern würde ich den H2 ob seiner prinzipiell ausgewogen klingenden, aber nicht ausnahmslos stabilen BT-Verbindung mit dem dann doch etwas ältlichen Protokoll wohl nicht in die engere Wahl ziehen.

Cover-Art ist möglich, aber eben verzerrt

Cover-Art ist möglich, aber eben verzerrt

Zur Bedienung: Im Wesentlichen präsentieren sich User Interface und Software sauber implementiert, halbwegs fehlerfrei und weitestgehend vernünftig übersetzt.
Das soll aber bitte nicht heißen, dass ich mit der Software zufrieden bin, im Gegenteil. Würde man sich herstellerseitig ein wenig mehr mit der Software beschäftigen und zumindest die gröbsten Fehler herausschleifen, hielten wir mit dem H2 den woh annäherndl perfekten Musicplayer für das Jahr 2025 in Händen. Dem ist aber leider nicht so.

Ein Beispiel gefällig? Gapless-Wiedergabe funktioniert, trotz aktuellster Firmware, zum Beispiel nur, wenn die Menüsprache Englisch ist und auch beibehalten wird – wird die Menüsprache des Players auf Deutsch umgestellt, existiert weder der Menüpunkt “gapless playback”, noch werden die Titel ohne Unterbrechung abgespielt. Und dann fällt noch ein Fehler auf, der altbekannt ist und heute selbst bei allem Wohlwollen so nicht mehr passieren darf: Die Dateien werden nicht in der Reihenfolge, in der sie auf der SD-Karte abgelegt sind, wiedergegeben, sondern der Player hat den alten „Dateinamenfehler“ und spielt die Dateien in der Ordnung “A-Z” und in Folge „1, 11, 2, 21…“ Wenn Player der early 2000s solche Bugs haben, ist das schon ärgerlich, heutzutage, da diese Geräte ja mit Smartphones konkurrieren müssen, ist das völlig inakzeptabel.
Dieser superärgerliche Fehler passiert, weil sich die Hersteller weigern, die Software dahingehend zu optimieren, das Dateisystem der Speicherkarte standardgerecht zu mounten. Vor fünfundzwanzig Jahren, als die Prozessoren solcher Player noch wenig Leistung hatten, konnte man das technisch nachvollziehen, wer heute allerdings außerstande ist, ein Produkt auf den Markt zu bringen, das ein Dateisystem vernünftig anzeigt, der hat sich streng genommen selbst disqualifiziert. Anhand solcher vermeintlicher Details erkennt man eben, dass die Fa. HiFi-Walker eher ein Hardwareverkäufer/händler denn ein ernst zu nehmender Hersteller ist, der sich leider weder bezüglich der Qualität der Software, noch der eigenen Entwicklungstiefe vom durchschnittlichen chinesischen Billiganbieter emanzipieren konnte.

Mit zum Lieferumfang gehört eine einfache 128 GB microSD-Karte

Mit zum Lieferumfang gehört eine einfache 128 GB microSD-Karte

Wer mit diesen nicht ganz unbedeutenden Unzulänglichkeiten prinzipiell leben kann, findet im H2 einen eigentlich guten, sauber verarbeiteten kompakten Begleiter, dem zusätzlich noch eine 128 GB-Speicherkarte beiliegt. Haptik und Klang stimmen, die verwendete Hardware ist, wie man sich leicht vorstellen kann, nicht mehr taufrisch, liefert aber einen guten Klang und dürfte die Bedürfnisse der meisten Nutzer befriedigen.
Die Fehler in der Software, die sich auch mit einem Update auf die Version 1.9 nicht haben beseitigen lassen, sind aber mehr als ärgerlich. Der Player bringt also all jenen Hörern Freude, die diszipliniert Dateinamen und ID3-Tags ihrer Musiksammlung gepflegt haben oder denen es auf eine korrekte Sortierung der Dateien innerhalb der Ordner nicht immer ankommt. Der Player kann selbstverständlich auch Playlisten managen und wiedergeben, ist hier aber auf eine Gesamtzahl von 14.999 Titeln limitiert. Wer “nur” Musik hört, für den mag dies keine allzu schwerwiegende Limitation sein, wer aber seine Hörbuchsammlung auf dem Player nutzen möchte, wird bei einer gut gefüllten 256 GB-Karte hier schnell an seine Grenzen kommen und lieber mit der Ordneransicht des Players arbeiten wollen – und wenn bei Hörbüchern die Ordnung durcheinandergerät, ist die ganze Sache eigentlich nicht mehr sinnvoll.

Und so fällt mein Fazit ambivalent aus: Wer weiß, was er softwareseitig bekommt und sich damit arrangiert, erhält sehr gute, wenn auch nicht taufrische Hardware zu einem attraktiven Preis – bei erwähnenswert gediegener Verarbeitung. Wer neben der Hardware auch auf eine vernünftige Software angewiesen ist und als Menüsprache nicht allein Chinesisch und Englisch nutzen möchte, sucht mit mir weiter nach dem perfekten HiRes-Audioplayer für vernünftiges Geld.

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