Hot Take: Eine Forderung nach Alt-Texten und CWs in sozialen Netzwerken ist oft purer Ableismus
Hot Take: Wer von anderen Nutzern in sozialen Netzwerken permanent die Verwendung von Bildbeschreibungstexten (Alttexten), content warnings oder trigger warnings einfordert, verhält sich ableistisch.
Nun, Twitter ist ohnehin an die Nazis verloren, da beißt die Maus keinen Faden ab, aber selbst im Fediverse, auf Mastodon und Bluesky, wo gewöhnlich ein respektvoller Umgang miteinander und eine vernünftige Diskussionskultur gepflegt werden, muss ich beobachten, dass Nutzer, die unter ihre Bilder keinen Bildbeschreibungstext (Alttext) setzen oder bei bestimmten Themen kein „content warning“-flag setzen, scharf angegangen, gerügt werden. Diese Beobachtung mache ich seit wenigstens zwei Jahren, leider täglich – und nun bin ich es leid.
Man möchte ja meinen, dass diese Hinweise wohlmeinend sind und sich die „Hinweisgeber“ um die Barrierefreiheit sorgen. Dass es aber Menschen gibt, die aufgrund einer Behinderung vielleicht gar nicht in der Lage sind, ein Bild zu „beschreiben“, das Gesehene in Worte zu überführen, einer Aussage oder Beobachtung eine „content warning“ voranzustellen, und diese Menschen dann mit der Forderung nach Alttexten oder CWs gesilenced werden, wird gerne vergessen.
Ich denke, dass es an dieser Stelle hilfreich sein kann, meinen „Hot Take“ ein wenig zu illustrieren. Man stelle sich beispielshalber einen Menschen mit hochgradiger Sehbehinderung vor. Das Smartphone unterstützt ihn, ein Bild der Umgebung aufzunehmen und dann aus der Nähe mit der Möglichkeit der Vergrößerung Dinge auf dem Bild wahrzunehmen, die er ohne Hilfsmittel in der Ferne mit seinem Sehrest oder aufgrund einer Gesichtsfeldeinschränkung nicht sehen kann. Wenn er nun dieses Bild postet, verzichtet er vielleicht ganz bewusst auf eine Bildbeschreibung. Möglicherweise verzichtet er darauf, weil die Bedienung der taktil nicht erfassbaren Bildschirmtastatur auf dem Smartphone-Touchscreen für ihn einen nicht im Verhältnis stehenden Aufwand bedeutet. Möglicherweise verzichtet er darauf, weil er die Erfahrung gemacht hat, dass sich ein Sehender eine Fotografie anders erschließt – mit einer „Draufsicht“, er sich allerdings dieselbe Fotografie über Details erschließen und über die Summe der gesehenen Details und seinem Weltwissen und Erfahrungsschatz (der von dem der Sehenden abweichen kann) das Gesamtbild extrapolieren muss. Vielleicht verzichtet er darauf, weil er die Erfahrung gemacht hat, dass ihm bei dieser Extrapolation Fehler unterlaufen, mögliche Fehler, die er in einem Bildbeschreibungstext nicht verfestigen möchte. Es gibt, das zeigt dieses Beispiel, gute Gründe, ganz bewusst auf eine Bildbeschreibung zu verzichten, selbst dann, wenn man sie setzen könnte und selbst dann, wenn man zu einem Kreis von Menschen gehört, der selbst von einer Bildbeschreibung profitiert.
Ein anderes Beispiel: Ein Mensch mit einer möglicherweise über den Social Media-Kanal nicht als solche sofort erkennbaren, sogenannten geistigen Behinderung postet ein Bild. Er kann das Bild erkennen, alles darauf Abgebildete auch erfassen, er ist aber außerstande, das Gesehene zu verbalisieren. Sollte er gezwungen werden, sein Bild mit einer Bildbeschreibung zu versehen? Ist es nicht diskriminierend, ihn, oft leider sogar mit scharfem Ton, auf sein „Versäumnis“ hinzuweisen?
Ein drittes Beispiel: Ein Mensch hat eine Lese-Rechtschreibschwäche oder ist funktionaler Analphabet. Er postet ein Bild. Eine Bildbeschreibung zu erstellen, ist ihm ohne fremde Hilfe nicht möglich. Sollte er gezwungen werden, sein Bild mit einer Bildbeschreibung zu versehen? Ist es nicht diskriminierend, ihn, oft leider sogar in scharfem Ton, auf sein „Versäumnis“ hinzuweisen?
Diese drei (wohlgemerkt nicht konstruierten) Beispiele zeigen aber nicht nur, dass es vollkommen legitim ist, die Entscheidung zu treffen, keine Bildbeschreibungen zu verwenden – niemand ist anderen über seine Beweggründe dieser Entscheidung Rechenschaft schuldig. Hier direkt oder indirekt Rechenschaft einzufordern, ist ebenfalls ableistisch. Und als conclusio darf daher gelten: Ich kann nur und ausschließlich dann von meinem Gegenüber einen Alttext oder eine content warning einfordern, wenn ich mir absolut und zweifelsfrei sicher bin, dass mein Gegenüber ohne Hinderungsgrund diese Informationen nicht zur Verfügung stellt, weil er dazu nicht Willens ist. Und das kann man, wenn man die Menschen nicht persönlich gut kennt, kaum gewährleisten.
Richtig geil wird es aber, wenn man für die Verwendung von KI-Diensten wie dem Alt-Bot kritisiert wird. Kurz erklärt: Der Alt-Bot sorgt über Googles KI-Dienst Gemini dafür, dass in Form einer Reply eine automatisch generierte Bildbeschreibung unter einen Post gesetzt wird, sofern der postende User das möchte. Das funktioniert in 90 Prozent der Fälle überraschend gut, in 10 Prozent der Fälle hat die KI mit der Interpretation schon noch Probleme. Diese KI-Bildbeschreibungen sind mitunter auch nicht ganz unproblematisch. Zuerst einmal ist eine Bildbeschreibung als Reply nicht optimal (aber besser als nichts!), zum anderen beschreibt die KI nicht nur, sondern interpretiert auch, beispielshalber, indem Bildstimmungen als „angenehm“, „warm“, „freundlich“, „nüchtern“, „kühl“… bezeichnet werden. Meine größte Schwierigkeit mit der KI liegt im Umstand, dass sie leider häufig gängige, erlernte Vorurteile repliziert. Dennoch: Wer heute Dienste wie den Alt-Bot zur automatischen Generierung von Bildbeschreibungen verwendet, wird, das darf und möchte ich annehmen, die Vorteile und Nachteile gegeneinander abgewogen haben. Nun aber einem Menschen mit Behinderung vorzuwerfen, wie es der Post im Screenshot zeigt, ein Hilfsmittel wie den Alt-Bot zu verwenden, ist unter den miesen Moves nochmal ein besonders mieser Move.
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die allzu lauten „Mahner“ oft selbst nicht von einer Behinderung betroffen sind, dass ihre mitunter unangenehm persistenten „Mahnungen“ vielmehr Ausdruck ihrer Selbstgefälligkeit und damit auch Vehikel eines deplatzierten moralischen Überlegenheitsgefühls sind. Unter den Menschen mit Behinderung, mit denen ich regelmäßig im Kontakt bin (allein meine beruflichen Kontakte belaufen sich hier auf etwa 350 bis 400 Personen) erlebe ich mehrheitlich, dass man in diesen Fragen jedenfalls eine ganz andere, von Toleranz und Wohlgesonnenheit geprägte Tonlage pflegt und durch geduldiges Erklären versucht, die erkannten Barrieren zu benennen und ihre Dysfunktion begreifbar zu machen und nicht zuletzt auch Vorschläge zur Beseitigung der Barriere unterbreitet. Das gilt auch für ihre Angehörigen und Freunde. Freilich mag gelegentlich auch mal jemandem aufgrund der nicht selten durchgängigen Diskriminierungserfahrung der Geduldsfaden reißen, aber das ist die Ausnahme.
CWs, das ist unbestritten, können bedeutungsvoll und angebracht sein und das Filtern echter verstörender Inhalte für Zielgruppen, für die sie nicht geeignet sind, durchaus erleichtern. Wer aber bei quasi jedem alltäglichen Anlass eine content warning einfordert oder setzt, macht nicht nur für Menschen mit und ohne Behinderung die Timelines unlesbar, er macht aus den CWs ein verdammt stumpfes Schwert.
In dem von mir zu im Screenshot herangezogenen Beispiel habe ich mit dem Vermerk „Netzfund“ eine Karikatur gepostet, die in eindeutiger Weise dazu Stellung bezieht, dass Musk im Zuge der Trump-Inauguration 2025 öffentlich und nach meinem Verständnis auch eindeutig den Hitlergruß „entbot“. Ist ein CW für eine das tages- wie weltpolitische Geschehen karikierenden bildliche Darstellung nötig, sinnstiftend, angemessen?
Wer gerade abnehmen möchte und einfordert, dass vor jedem geposteten Schokoladentafel-Bild, vor jedem geposteten Bild eines schön angerichteten Tellers im Restaurant eine content warning zu setzen sei, der delegiert nicht nur sein individuelles Problem in die Community, sondern beraubt die CW ihres Sinns und Nutzens. Wer vor jedem Post, das sich mit Rassismus, Faschismus, Klassismus, mit Trump, mit Musk, mit Putin… auseinandersetzt, eine Rassismus-CW, Faschismus-CW, Klassismus-CW, Trump-CW, Musk-CW oder Putin-CW fordert, erschwert die notwendige Diskussion, erschwert den Austausch, erschwert, dass Betroffene ihre Betroffenheit – auch ungefiltert, auch unkategorisiert, auch ohne entsprechende Zuordnung – artikulieren können. Und in letzter Konsequenz silenced er dadurch marginalisierte Personengruppen. Im Übrigen gilt hier analog das zum Thema Alttext Gesagte: Wer CWs einfordert, fordert von seinem Gegenüber ein, immer in der Lage zu sein, seine Aussage oder den Inhalt seines Posts in eine – wohlgemerkt dem Gegenüber genehme, von jenem als sinnvoll erachtete – Verschlagwortung zusammenzufassen und ignoriert, dass es Menschen gibt, die das, z.B. aufgrund von geistiger oder psychischer Behinderung, einer grundsätzlich anderen Weltwahrnehmung oder aufgrund kultureller Unterschiedlichkeiten vielleicht gar nicht kann. Und das ist nichts anderes als nackter Ableismus.
Und wenn wir schon beim Thema Verschlagwortung sind: Es gibt aus unterschiedlichsten Gründen genug Menschen, die mit den Begriffen CW, TW, content warning, trigger warning… gar nichts anzufangen wissen. Wollte man dann etwa einem verstörenden Inhalt das Wort „Inhaltswarnung“ oder im Geiste Leichter Sprache „Inhalts-Warnung“ voranstellen, hätte ich wieder zwei neue Begriffe für die Filterliste. Irgendwann wird dieses Konstrukt nicht nur für Menschen mit Behinderung, sondern für alle unbedienbar. Die CW-Thematik trägt ein aus meiner Sicht bislang ungelöstes Nomenklatur-Problem mit sich: Man müsste sich, damit es funktionieren kann, im Vorfeld und bei allgemeiner Akzeptanz darauf einigen, was verstörende Inhalte überhaupt sind und wie sie zu kennzeichnen sind. Nach meiner persönlichen Beobachtung tragen die selbstberufenen „CW-Anmahner“ weder zu dieser Diskussion, geschweige denn zur Lösung dieses Problems, etwas Sinnstiftendes bei.
Und es vergeht eigentlich kein Tag, an dem ich nicht Zeuge der Forderung nach einer „Gschmarri“-Triggerwarnung werden muss. Dein Haustier ist gerade verstorben? Fordere doch eine TW für niedliche Katzenbilder. Leute posten bei jeder Gelegenheit Bilder ihres Dopes und mokieren sich dann, wenn bei einem Essensbild aus dem Wirtshaus im Hintergrund unscharf ein Seidel Bier zu sehen ist – „Eine Alkohol-CW kann ja wohl nicht zu viel verlangt sein!“. Jemand isst Fleisch? Jemand trinkt Milch? Geht eigentlich gar nicht, aber wenn man das unbedingt posten muss, dann nur mit „TW Tierleiche“ und „TW Eutersekret“.
Mir ist klar, dass das gerade Gesagte viele Leute verärgern mag. Manche sind im besten Willen vielleicht überzeugt, sie würden gerade aus dem Fediverse einen inklusiveren Ort machen, wenn sie nur möglichst viele Nutzer mit ihrem Unterlassen von CWs oder Alttexten konfrontieren. Dass das so unmöglich klappen kann, erklärt sich aber allein schon mit dem sozialpsychologischen Konzept der Reaktanz: Selbst wenn der Nutzer die Sinnhaftigkeit von CWs oder Alttexten prinzipiell versteht und mit der Aussage, sie seien sinnvolle und barrierenmindernde Maßnahmen, wird er sie dann aus einer Abwehrhaltung heraus nicht setzen, wenn er allein bei anderen Usern nur sieht, wie sie permanent und ubiquitär – und leider oft in unangemessenem Ton – dazu aufgefordert werden. Man verdirbt es sich so recht schnell (und ohne Not) mit den wohlwollendsten Zeitgenossen (und erweist der guten Sache einen Bärendienst).
Fazit: Wenn Du also User permanent für ihre fehlenden Alttexte, content oder „trigger“ warnings oder (wegen der für Screenreader mitunter schwierigen Ausspielbarkeit) der Verwendung von Emojis kritisierst, dann bist Du eben kein Mensch, der sich für Rechte von Menschen mit Behinderung einsetzt, dann schaffst Du eben kein Verständnis für Menschen mit Behinderung, schaffst keine Räume für Inklusion, nein, Du bist ableistisch. Stell das ab.
Ich bin ja die Person in deinem 2. Screenshot, von daher sag ich da jetzt mal was zu. Hab ursprünglich auf Mastodon ausführlich auf dich geantwortet (https://chaos.social/@scy/113873525431333310), aber denke, der Vollständigkeit halber ist es sicher auch nett, wenn ich hier eine Kopie davon poste. Im Folgenden also mein Mastodon-Thread:
Der Ton in meiner Antwort tut mir irgendwo leid, ist aber vielleicht auch nachvollziehbar. Du warst bei weitem nicht der einzige, der uns gestern mit Nazis zugeschissen hat.
Keins der Argumente in deinem Post ist neu, und alle sind sie eigentlich auch schon ausdiskutiert, aber den Vorwurf des Ableismus mag ich so nicht einfach unkommentiert stehen lassen.
Ich find ihn besonders perfide, weil er erstens die Bedürfnisse von anderen Marginalisierten (z.B. Transgender-Personen), aber auch anderen Behinderten, psychisch Kranken, etc. ausblendet.
Und am Ende geht’s hier um den halbwegs unmöglichen Versuch, Unvereinbares miteinander zu vereinbaren.
Erst mal zum Thema Bildbeschreibungen. Mir und vielen anderen ist durchaus klar, dass nicht jede*r immer die Möglichkeit oder Energie hat, Alt-Texte zu verfassen.
Aber: Solidarische Unterstützungsstrukturen existieren, z.B. der Hashtag „Alt4Me“, über den von Freiwilligen auf Anfrage Bildbeschreibungen verfasst werden. Manchmal machen Menschen das sogar ungefragt, beispielsweise weil sie einen Post gern boosten würden, aber das aus Prinzip nie ohne guten Alt-Text machen.
Das Problem bei „KI“-generierten Bildbeschreibungen ist für mich persönlich weniger, dass der Inhalt „interpretiert“ wird, sondern vorrangig, dass die Beschreibungen teilweise schlicht faktisch falsch sind. Ich war schon in der Situation, dass ich einen blinden Menschen angeschrieben habe mit dem Hinweis „hey, das Bild, das du gerade geboostet hast, zeigt überhaupt nicht das, was in der Beschreibung steht“. Bei von Menschen verfassten Texten passiert das quasi nie.
Ich als Sehender fand das damals schon unangenehm; kann mir gar nicht wirklich vorstellen, wie es erst für sehbehinderte Menschen sein muss, wenn man unwissend Inhalte teilt, bei denen der große Rest der Welt etwas anderes sieht als das, was man selbst zu kommunizieren meint.
Bildbeschreibungen sollten auch auf dem entsprechenden Bild sein, nicht ein Reply. Replies werden manchmal nicht föderiert, sind also gar nicht sichtbar. Threads sind teilweise lang und unübersichtlich, und allein schon aus Gründen der Skalierbarkeit find ich’s dann doch ein bisschen egozentrisch, „ich kann keine Bildbeschreibung verfassen bzw. rein editieren“ zu sagen, aber zig Sehbehinderte sollen sich den „KI“-generierten falschen Alt-Text irgendwo aus den Replies fischen.
Und ja, der Alt-Text, den Gemini für dein Bild generiert hat, ist scheiße. Er beschreibt nicht, dass „ruf den Kellner“ oder „ruf ein Taxi“ unterschiedliche Armwinkel repräsentieren; er beschreibt nicht mal, dass das „Messgerät“ irgendwas mit dem Winkel des Armes zu tun hat; er tut fälschlicherweise so als sei das Bild auf Deutsch; und „Haustier Marco Rubio“ und „Haustierhund“ sind halt einfach nur falsche Bullshitübersetzungen.
Aber das nur nebenbei. Bei meiner Beschwerde ging’s ja nicht darum, dass du keinen Alt-Text verfasst hast, sondern dass du mir Nazis auf den Bildschirm postest. Und damit bist du aktuell nicht allein.
Guess what: Es ist ein Privileg, die Nachrichten aktuell auszuhalten. Nicht alle von uns können das. Daher bitten wir um Inklusion, und zwar in Form von CWs. Damit wir dosieren können, was und wie viel wir uns zumuten. Und diese Art von Inklusion wirfst du für _deine_ völlig vor den Bus.
Und da kommen wir zu dem, was ich mit „Vereinen von Unvereinbarem“ meine: Wessen Bedürfnisse wiegen jetzt schwerer? Die von Leuten, die keine CWs und Alt-Texte verfassen können, oder die von Leuten, die sie brauchen? Das können weder du noch ich bestimmen.
Was aber geht: sich in Communities zusammenfinden und entsprechende Safe Spaces bauen.
Und damit wären wir dann bei den Instanzregeln, von denen du anderswo im Thread vehement behauptest, sie hätten mit all dem hier nichts zu tun.
Es gibt eine Menge Instanzen im Fediverse, die keine Vorgaben bezüglich Alt-Texten oder CWs machen. chaos.social hingegen hat diesbezüglich klare Regeln.
https://meta.chaos.social/regeln
Leute finden sich auch deshalb hier ein, weil sie diese Regeln nicht nur gut finden, sondern auch für ihre eigene seelische Gesundheit als wichtig, vielleicht sogar essentiell erachten. Auch auf diese Menschen muss Rücksicht genommen werden.
Und es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass diese Regeln nur für Posts gelten, die mit der Sichtbarkeitseinstellung „öffentlich“ gepostet werden und daher auf der Public Timeline auftauchen. Dass Leute es (manchmal oder immer) nicht leisten können (oder wollen, was auch legitim ist), CWs und Beschreibungstexte zu verfassen, wird berücksichtigt. Der Kompromiss ist, dann als „quiet public“ (früher „unlisted“) zu posten, damit der Post nicht auf der öffentlichen Timeline auftaucht.
Diese zwei Klicks, um z.B. Menschen mit suizidalen Tendenzen zu schützen, müssen auch für Leute mit Behinderung noch drin sein. Und wenn selbst das zu viel verlangt ist, gibt es noch die Option, eine andere Instanz zu wählen.
Du siehst, es gibt ne Menge nicht-ableistische Möglichkeiten der respektvollen Koexistenz. Aber du hast dich dafür entschieden, alle als für dich unangemessen zu behandeln und die Extrawurst sein zu wollen. Und wunderst dich dann, wenn es dafür Gegenwind gibt.
(Einschub: Warum werden „öffentliche“ Posts überhaupt anders behandelt als welche, die „unlisted“ sind? Weil es im Fediverse ne Menge Menschen gibt, die gern die Instanztimeline lesen. Also das, was von anderen Leuten auf demselben Server so geschrieben wird. Denn immerhin hat man sich ja für genau _diese_ Instanz entschieden, weil einem die Gemeinschaft sympathisch vorkommt, oder man gemeinsame Interessen hat. Unabhängig davon, welchen Accounts man individuell dann folgt.)
Wär dein Post mit CW gewesen, wär er in meinen Filtern gelandet. Wär er mit Alt-Text gewesen, wär er in meinen Filtern gelandet. Hättest du nicht auf die Instanztimeline gepostet, hätte ich ihn nicht gesehen. Wärst du auf ner anderen Instanz, hätte ich ihn nicht gesehen.
Aber du hast für dich beschlossen, dass all diese Optionen nix taugen, und dass wir alle deinen ach so zynisch-lustigen Musk mit Hitlergruß sehen müssen. Wer das nicht will, ist behindertenfeindlich.
Merkst du noch was?
Und ich hab nicht mal explizit ne Forderung an dich gestellt. Ich fand den Post nur ein perfektes Beispiel, warum das oft – auch von dir – angebrachte Argument, gefiltert werden müsse auf Rezipient*innenseite, weil man ja als Verfasser*in nicht weiß, was andere Leute so triggern könnte, nicht greift.
Es gab halt schlicht nichts in dem Post, anhand dessen man hätte filtern können.
Könnte ich dich einfach blocken? Klar. Aber das kann nicht die Lösung sein.
Eine Gemeinschaft funktioniert nur dann, wenn sich Leute an die Regeln halten. Gerade für Leute, die sich die Gemeinschaft explizit aufgrund ihrer Regeln ausgesucht haben, und die diese Regeln brauchen, um sich wohl und sicher zu fühlen.
Es kann dann nicht Aufgabe jedes einzelnen Gemeinschaftsmitglieds sein, den Aufwand betreiben zu müssen, Menschen, die auf die Regeln scheißen, individuell wegzufiltern.
Du bist hier nicht der einzige, der struggled.
Und deshalb find ich es auch schwierig, den Wunsch nach CWs für Nazi-Memebildchen mit „Silencing“ gleichzusetzen. Du hast selbst nen rassistischen Übergriff erlebt? Du schreibst dir deine Gefühle zu deiner Behinderung von der Seele? Bei persönlicher Betroffenheit und Leiderfahrungen Marginalisierter ist der Konsens inzwischen, keine CWs zu fordern. Bei „Schmunzelbildchen“ sieht das in meinen Augen anders aus. Es gibt hier einfach Leute, die brauchen die CWs für ihre seelische Gesundheit.
Und da hört’s nicht auf. Wenn schon Admins anfangen, sich zurückzuziehen, weil sie das ständige Doomposting nicht mehr aushalten (https://chaos.social/@leah/113809365483236199), mach ich mir ernsthaft Sorgen um das langfristige Überleben dieser Gemeinschaft, in der ich mich wohl und zuhause fühle.
Aber wenn chaos.social zumacht, kann das jemandem, dem die Gemeinschaft ja anscheinend eh nix bedeutet – sonst würde er sich ja an ihre Regeln halten – natürlich herzlich egal sein.
Akzeptier ich nicht, sorry.
Und jetzt hab ich glaub ich genug geschrieben. Der Thread hat mich den Großteil meines Tages gekostet, und es ist nicht das erste Mal, dass ich nen ganzen Tag investiere, um diese Ecke des Fediverse für mich und Leute, denen es genauso geht wie mir, lebenswert zu erhalten.
Und dafür kriegt man dann von Leuten wie dir ein „trägt nichts Sinnstiftendes zur Diskussion bei“ um die Ohren gehauen.
Ja nee is klar, vielen Dank auch.
Ich hoffe, du nimmst daraus mit, dass deine persönlichen Struggles nicht die einzigen sind, die es gibt. Und dass es gilt, die unterschiedlichen und auch schwer miteinander in Deckung zu bringenden Bedürfnisse unterschiedlicher Arten Marginalisierter gegeneinander abzuwägen.
Du hast dich für ne Instanz entschieden, die per Default CWs und Alt-Texte _erfordert_, aber auch Lösungen für Leute bietet, die das nicht immer können.
Jetzt ist es an dir, kompromissbereit zu sein.
Vielen Dank für Deine aufmerksame und lange Antwort, über die ich mich sehr freue. Ich will Dir jetzt einfach mal hier antworten – später kann ich das ggf. auch nochmal als Reply an den Thread hängen. Mir scheint eine Antwort hier günstiger, einfach, weil es dann kein Unroll braucht.
Du schreibst: “Der Ton in meiner Antwort tut mir irgendwo leid, ist aber vielleicht auch nachvollziehbar. Du warst bei weitem nicht der einzige, der uns gestern mit Nazis zugeschissen hat.”
Ich möchte für meinen Teil um Entschuldigung bitten, dass ich Dir generalisierend Kritik angelastet habe, die Du gar nicht geübt hast. Vielleicht hätte ich das gestern alles präziser aufdröseln und Punkt für Punkt genauer anschauen und behandeln sollen. Von meiner Seite ist der Ton vergessen, es ist doch ein guter und sinnstiftender Austausch daraus geworden, damit bin ich auch dann fein, wenn wir uns in der Sache nicht einig sind.
Du sagst weiterhin: “Ich find ihn [den Vorwurf des Ableismus] besonders perfide, weil er erstens die Bedürfnisse von anderen Marginalisierten (z.B. Transgender-Personen), aber auch anderen Behinderten, psychisch Kranken, etc. ausblendet.”
Das liegt, ich meine aber, das kann man meinem Post schon abspüren, nicht in meinem Interesse, ist nicht meine Intention. In meinen Beispielen nenne ich Menschen mit Sinnesbehinderung, sog. geistiger Behinderung und Menschen, denen ein vollständiger Zugang wegen Lernbehinderung oder aber auch einfach ungerecht verteilten Bildungsressourcen oder anderen kulturellen Vorerfahrungen nicht ermöglicht wurde. Diese Beispiele sind vor allem eines: Beispiele. Und als solche exkludieren sie die von Dir genannten Gruppen wie Trans-Personen, Menschen mit psychischer Erkrankung oder Behinderung… nicht. Da sehe ich die Perfidie nicht, ich spiele hier ja nicht Gruppe A gegen Gruppe B aus.
Mir ist schon klar, dass ich aufgrund meiner Zugehörigkeit zu Gruppe A möglicherweise den Bedürfnissen von Gruppe B nicht (immer, hinreichend oder auch generell, da gibts viele Schattierungen) gerecht werden kann. Ich bin hier um einen echten Kompromiss auch wirklich bemüht. Auf der anderen Seite kann man nicht sinnvoll einfordern, dass ein Mensch mit hochgradiger Sehbehinderung, der nicht alle Details in einem Bild entschlüsseln kann, eine nach seinen eigenen Maßstäben nicht hineichende Bildbeschreibung liefern muss (man kann das schon fordern, aber es nutzt halt nix, was das Gegenüber nicht kann, kann es eben nicht). Ein Mensch mit einer geistigen oder psychischen Behinderung kann möglicherweise gut erkennen, dass ein Inhalt verstörend sein kann, gegebenenfalls aber außerstande sein, hier eine Kategorie zu definieren, die der Art des Inhalts Rechnung trägt. Dann kann man das freilich dennoch einfordern, es macht halt nichts besser, übt aber mehr oder weniger subtil Druck auf den Menschen aus. Und zwar ohne dass der auch nur den Hauch einer Chance hat, ein für die andere Seite akzeptables Ergebnis abzuliefern.
Ich arbeite ja unter anderem auch mit Menschen mit Autismus-Spektrum und habe da nicht nur einmal erlebt, dass sie aufgrund einer sehr stringenten, aber vom logischen “Empfinden” nicht-neurodiverser Menschen abweichenden Logik ganz andere Schlagworte, Attribuierungen, “Hashtags”… verwenden. Das ist Teil des von mir als solchen bezeichneten “Nomenklaturproblems”. Wenn ich nun von vornherein weiß, dass meine Attribuierung nicht oder nur unzureichend mit dem Erfahrungshorizont der Mehrheitsgesellschaft in Einklang zu bringen ist, und ich mich daher bewusst dazu entscheide, das wegzulassen – ist das dann legitim oder illegitim? Letztlich kann man sich diese Frage nur persönlich beantworten und ich komme zu dem Schluss, dass eine solche Entscheidung durchaus legitim ist.
Ich will das für meine Person gar nicht in Anspruch nehmen, ich selbst habe nachts um 11 die Karikatur möglicherweise nicht nur unzureichend eingeordnet, sondern war auch zu müde und zu faul, da eine vernünftige Erklärung dranzupappen. Und dennoch fand ich sie bezüglich der Zuspitzung so treffend, dass sie mir teilenswert erschien. Mein Fehler. Klar.
Im anderen Fall aber will ich mich ungezwungen der Hilfsmittel bedienen dürfen, die es gibt – und ich finde, dass nicht nur ich, sondern jeder, der das für sich als sinnvoll und notwendig erachtet, auch das Recht zur Nutzung und Einbindung dieser Hilfsmittel hat – und sich dafür6 auch nicht zu rechtfertigen braucht.
Was mich an der Kritik (nicht nur an Deiner Kritik, auch generalisiert) am Alt-Bot schon gescheit wurmt, ist Folgendes: Hier wird nach meinem Dafürhalten mit zweierlei Maß gemessen. Beispiel: Wenn es darum geht, Videos zu untertiteln, dann freuen wir uns über die in Android integrierte und damit anbieterunabhängige Möglichkeit, diese Untertitel zu bekommen. Das gilt auch für die automatische Untertitelung bei Youtube… Darüber höre ich keine Kritik, es ist halt ein Add on, das ganz nützlich sein kann. In Abhängigkeit von der im Video gesprochenen Sprache und des Dialekts, der Audioqualität allgemein, Hintergrundgeräuschen und Musik kann die Qualität der Untertitelung von “das ist top, das ist super hilfreich” bis “absolut unterirdisch, ist beim besten Willen nix mit anzufangen” schwanken. Wir akzeptieren das. Und wir wissen, dass es diese Bandbreite gibt, wir gehen damit um.
Beim Alt-Bot verhält es sich aus meiner Sicht aber recht ähnlich, wie die Diskussion gerade zeigt. Einerseits hat mir der Alt-Bot von Bildern des letzten Deichkind-Konzerts so unfassbar präzise Bildbeschreibungen von Performances auf der Bühne geliefert (die ich halt aus der Entfernung vom Rang in der Arena einfach nicht mehr sehen kann), dass nicht nur ich darüber wirklich erschrocken bin. Und andere Bilder kriegt er halt nicht in einem sinnstiftenden (oder besser: sinnerklärenden und sinnerhaltenden) Zusammenhang ausgegeben. Das ist nicht schön, aber das ist halt die Spannweite der Qualität dieser Technik.
Warum ist die automatische Untertitelung von Videos völlig okay, während die automatische Bildbeschreibung Kritik hervorruft? Weil es um Größenordnungen aufwendiger ist, ein Video zu untertiteln, als eine Fotografie? Für wen? Unter welchen Voraussetzungen? Ich möchte diese Art der “Differenzierung” selbst nicht vornehmen, weil ich der Meinung bin, dass sie mir nicht zusteht.
Ich habe recht grundsätzliche Kritik an der KI. Gerade im Kontext KI und Menschen mit Behinderung muss ich feststellen, dass sich KI leider tradierte Vorurteile “anlernt” und diese dann nicht nur wiederholt (was schon ätzend genug wäre), sondern in neue Kontexte einwebt (was zu einem riesen Problem werden kann). Aber sie ist nun einmal da, wir werden sie nicht mehr los und müssen nun halt auch irgendeinen Modus finden, mit Pandoras geöffneter Büchse umzugehen. Das, was der Alt-Bot da ausgibt, ist für mich so ein Positivbeispiel dieses Umgangs. Und das darfst Du mir schon glauben – ich probiere sowas (mit Neugierde und echtem Interesse an der Sache) aus und wäge dann auch ab, ob mir das Tool nutzbringend erscheint oder die Nachteile überwiegen. Und da lasse ich auch Aspekte des Datenschutzes nicht außer Acht. Die Ergebnisse, die der Altbot liefert, sind zum überwiegenden Teil gut, manche sogar gruselig treffend, manche überraschend präzise, manchmal erscheinen in Bildbeschreibungen aus der Unschärfe des Hintergrunds heraus Details im Alt-Text, bei denen selbst Sehende sagen: “Das hätte ich nicht wahrgenommen” (kann auch zu viel oder irrelevante Info sein, aber selbst diese Dosierung bekommt das Tool, oder genauer Googles Gemini ziemlich gut hin). Und dann gibt es natürlich auch jene Bilder, bei denen der Altbot Schnee erzählt. Dass das genau bei dem von Dir kritisierten Post passiert ist, ist echt ärgerlich. Aber der Altbot sagt immer, dass er die Bildbeschreibung automatisiert via Gemini erstellt, das ist doch transparent. Dann weiß ich doch, dass es hier Randunschärfen gibt, die sich auch mal sinnverzerrend äußern können. Das ist dasselbe wie bei den automatisch generierten Untertiteln…
Du schreibst: “Ich als Sehender fand das damals schon unangenehm; kann mir gar nicht wirklich vorstellen, wie es erst für sehbehinderte Menschen sein muss, wenn man unwissend Inhalte teilt, bei denen der große Rest der Welt etwas anderes sieht als das, was man selbst zu kommunizieren meint.”
Ich kann Dir dazu ja nur meine ganz persönlichen Erfahrungen mitteilen: Das Problem habe ich auch ganz ohne Technik. Was sehr schwer zu erklären ist, ist, dass das Hirn manchmal aus unserem Erfahrungsschatz ganz automatisch Informationen ergänzt, wenn diese nicht oder nicht eindeutig vorhanden sind. Vielleicht kennst Du das auch: Man liest einen Text und irgendwann stellt man fest, dass ein Satz plötzlich keinen Sinn ergibt und bei genauerem Hinsehen stellt man dann fest, dass man ein Wort ganz anders gelesen hat, als es “schwarz auf weiß” auf dem Papier steht.
Je mehr Information fehlt, desto öfter greift dieser Mechanismus. Es ist eigentlich total gut und nützlich, dass das Hirn diese fehlende Info “aus der Erfahrung heraus” ergänzt, das schwierige ist, dass diese kognitive Leistung unwillkürlich und daher auch nicht gesteuert passiert und sich somit unterhalb der persönlichen Wahrnehmungsschwelle oder der bewussten Denkschwelle abspielt. Konkret: Ich bekomme aktiv gar nicht mit, dass ich die Information nicht gesehen habe und das Gehirn sie ergänzt hat, ich bin überzeugt, alles selbst wahrgenommen zu haben. Das klappt so lange völlig reibungslos, bis sich ein Fehler einschleicht, der erst später offenkundig wird. Erst dann ist man überhaupt in der Lage, den Mechanismus, der zu dieser Art von Fehlern führt, zu erkennen.
Wenn Du schreibst “Bei von Menschen verfassten Texten passiert das quasi nie”, dann mag das nach meiner Erfahrung für Sehende schon gelten, ich als low-vision-Mensch könnte das seriös für mich aber nicht in Anspruch nehmen.
Und jetzt überspitze ich: Wenn ich eh weiß, dass meine Wahrnehmung und die aus ihr erstellte Bildbeschreibung vielleicht nicht fehlerhaft sein muss, aber durchaus fehlerhaft sein kann, und ich auch weiß, dass die Bildbeschreibungen vom Altbot in der Regel echt okay sind, aber auch fehlerhaft sein können, das aber beim Altbot völlig transparent ist (bei meiner Bildbeschreibung aber nicht), dann machen doch sowohl ich, als auch die Leute, die meine Posts lesen, mit dem Altbot den besseren Schnitt…
Das ist jetzt wirklich arg holzschnittartig, aber ich denke, Du kannst anhand dieses Beispiels nachvollziehen, worauf ich hinaus will. Das Ding ist: Ob ich das mache und wenn ja, wie ich das verwende, das möchte ich selbst entscheiden dürfen.
Zum Thema der Regularien auf unserer Mastodon-Instanz: Du hast gestern nicht kritisiert, dass ich die Instanzregeln verletzt hätte. Dann hätte ich Deine Reaktion nämlich in einen ganz anderen Hals bekommen, dann hätte ich sie anders gelesen und auch anders reagiert. Das war aber nicht das Thema, Du hast Kritik an meinem “CW-Verhalten” ausgesprochen. Das ist ganz unbestritten Dein gutes Recht und absolut okay. Aber dann im Verlauf der Diskussion die Instanzregeln heranzuziehen, wird meiner ebenfalls generalisierten Antwort nicht gerecht.
Denn: Hier geht es um den Umgang mit Alt-Texten generell und um den Umgang mit CWs generell. Und wie ich im Post eingangs ja schon geschrieben habe, geht es ja nicht nur um Mastodon, sondern auch um Bluesky, wo ich die geschilderten Phänomene ebenfalls, sogar in noch kondensierterer Form und größerer Schärfe wahrnehme (nach meinem Verständnis ist auch Bluesky Teil des Fediverse, aber das ist eine andere Baustelle).
Ich formuliere es mal ganz drastisch: Nach der Misere mit Twitter war für mich das zentrale Argument fürs Fediverse in der Tat die Unabhängigkeit von einer Instanz, Plattform oder Organisation. Und zwar lange vor Musk, ich bin auf der Chaos-Instanz ja seit August 2018.
Ich wurde sogar mal für die Nutzung eines “illegalen” Crossposters gekickt. Ich benutze gelegentlich immer noch einen, habe das mit @ordnung geklärt.
Wenn seitens der Instanz entschieden wird, dass die mich, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr wollen, dann ziehe ich halt um. Ist Fedi, kann man machen.
An dieser Stelle muss ich dann schon mal fragen: Wenn ich mein vorgestriges Post nicht von der Chaos-Instanz, sondern beispielsweise von tchncs oder troetcafe oder sueden.social gesendet hätte – wäre denn dann Deine Kritik anders ausgefallen? Und wenn ja, warum schreibst Du dann nicht einfach gleich von Anfang an, dass ich die Instanzregeln verletzt habe und Du präzise das nicht okay findest?
Ich glaube, wir haben in der Diskussion, die ich sehr wertvoll finde, wenig davon, wenn wir das eigentliche Problem hinter Instanzregeln verstecken. Die können sich morgen geändert haben oder einer der Beteiligten wechselt die Instanz und dann gelten die nicht mehr, das Problem aber bleibt. Du kritisierst, dass ich keinen Alttext, keine CWs und keine Beschreibung nutze, der Kritikpunkt bleibt ja auf allen Instanzen erhalten.
“Der Kompromiss ist, dann als „quiet public“ (früher „unlisted“) zu posten, damit der Post nicht auf der öffentlichen Timeline auftaucht.” – da gehe ich voll mit. Das probiere ich aus, das habe ich schon gesehen, aber nicht verstanden.
“Eine Gemeinschaft funktioniert nur dann, wenn sich Leute an die Regeln halten. Gerade für Leute, die sich die Gemeinschaft explizit aufgrund ihrer Regeln ausgesucht haben, und die diese Regeln brauchen, um sich wohl und sicher zu fühlen.” Auch das muss kompromissfähig bleiben. Überall dort, wo es Regeln gibt, gibt es bewusst legitimierte oder einfach nur geduldete Ausnahmen von dieser Regel. Wohin Communitys, Gemeinschaften oder Gesellschaften hindriften, in denen die Einhaltung der Regeln mit ausnahmsloser Konsequenz durchgesetzt werden, wissen wir, da muss ich an dieser Stelle keine Geschichtsvergleiche bemühen.
Btw. habe ich gerade in diesem Punkt die Chaos-Community als im Umgang sehr liberal empfunden.
Unter den Mastodon-Nutzern ist sie übrigens wegen ihrer relativ strikten Regularien durchaus verschrien und wird gerne als Negativbeispiel für ein allzu starres Regelwerk herangezogen. Ich habe sie gegen solche Anwürfe immer und gerne verteidigt, weil ich eben noch nie erleben musste, dass diese Regeln gegen wohlmeinende Leute irgendwie strikt enforced werden. Das ist durchaus eine nicht zu unterschätzende Qualität. Und ich hatte bislang auch keinerlei Probleme damit. Sonst wäre ich auch nicht mehr dort.
Am Schluss noch: Ich verstehe dieses Doomposting-Problem ja, aber wenn Du Dir die Themen und die Frequenz meiner Posts anschaust (hab ich gerade gemacht), dann war dieses Bild auch das Einzige, was ich zu Musk und Inauguration & Co. habe fallen lassen. Bei mir gehts doch eher um Kaffee, Essen, Musik, um Rants über die U-Bahn, analoge HiFi-Technik und manchmal, aber nur manchmal über sozialistische Themen. Und übers Kieser-Trainig, aber halt auch nur selten, einfach, weil ich faul bin. Ich bin sehr ernsthaft daran interessiert, nicht Teil dieser Nazipropaganda-verstärkenden Echokammer zu sein/zu werden. Drum herum komme ich als Bewohner dieses Internets aber auch nicht, weil einfach die Tech-Milliardäre gerade (erschreckend und beängstigend erfolgreich) versuchen, in ihrem wirklich enorm großen Einflussbereich den Faschismus auszurollen – und der über Bande gerade in den Gesellschaften massiv Raum greift. Und ja, damit habe ich als Antifaschist echten Struggle und ja, dem muss ich mich stellen, der ist auch dann noch Teil meiner Realität, wenn ich meine eh schon müden Augen davor verschließe. Ich bin aber aufrichtig darum bemüht, dies nicht überhandnehmen zu lassen.
Außerdem – an mir wird die Community nicht zugrunde gehen und wohl auch nicht an Leuten wie mir, weil ich, weil Leute wie ich und auch ich selbst hier im Dialog bleiben/bleiben wollen. Das möchte ich dann doch für mich in Anspruch nehmen.
Ich glaube, dass in der gestrigen Diskussion viel an Dir hängengeblieben ist, was ich wohl exklusiv an die Person hätte adressieren müssen, die Dir beigesprungen ist (und die irgendwann nur noch einen Ableism nach dem anderen rausgehauen und das noch nicht mal gemerkt hat oder merken wollte). Das tut mir im Nachhinein auch leid, das hätte nicht sein müssen und dafür bitte ich um Entschuldigung.