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6N2-J = 6N2P(-EV)? Eine kleine Röhrenkunde.

Zur Zeit beschäftige ich mit chinesischer HiFi-Röhrentechnik (warum, das erzähle ich Euch später einmal, das würde jetzt den Rahmen sprengen) und in einem Vorverstärker begegnete mir eine Röhre des Typs 6N2-J. Ich musste im Betrieb feststellen, dass diese Röhre klanglich nicht besonders viel hergibt und beim vorsichtigen Abklopfen war zudem schnell festzustellen, dass sie auch mechanisch ziemlich lumpig gefertigt wurde – ein klassischer Chinaböller eben.

Nun war mir sehr daran gelegen, einen Ersatz zu beschaffen, zumal das Design des verwendeten Gerätes technisch gesehen sehr ordentlich layoutet und auch ausreichend dimensioniert ist. Nur die Röhre ist halt Mist. Doch es war gar nicht so leicht, ein Äquivalent zur 6N2-J zu bekommen, denn selbst das allwissende Internet weiß zu dieser Röhre nicht allzuviel zu sagen.

Fotovergleiche ließen die Vermutung zu, dass eine nicht nähre bezeichnete 6N2 nicht identisch mit der 6N2-J ist – was sich auch bewahrheitet hat. Mit Jakob Roschy von radiomuseum.org und Herrn Kunisch vom Classic-Tubeshop bin ich auf zwei sehr hilfsbereite Experten gestoßen, die mir halfen, Licht ins Dunkel zu bringen. Meine Vermutung, dass es sich bei der chinesischen 6N2-J um einen Nachbau der russischen 6N2P-EV (der kyrillische Stempel zeigt die Zeichen 6Н2П-EB) handelt, wurde nach einem Direktvergleich und einem realen Einsatz im Verstärker bestätigt. Herrn Roschy und Herrn Kunisch sage ich an dieser Stelle für die wertvollen Hinweise ganz herzlichen Dank!

Optischer Vergleich. Zum Vergrößern bitte das Bild anklicken (ca 4,5 MB groß)

Im direkten Vergleich fällt auf, dass die russische Röhre der chinesischen vom Aufbau her überlegen ist. Auch klanglich ist das russische Fabrikat dem chinesischen in jedem Falle vorzuziehen (ich habe mir je vier Exemplare besorgt, um Toleranzen auszuschließen bzw. nachvollziehen zu können). Zwar habe ich nicht die Möglichkeit, die Röhren zu messen und die technischen Werte zu vergleichen, aber im realen Betrieb tun beide Vorverstärkerröhren das selbe. Weiterhin ist es mir nicht gelungen, ein Datenblatt von der 6N2-J aufzutreiben. Daher ergeht an dieser Stelle mein ernst gemeinter Hinweis:

Obschon die Vermutung, dass es sich bei der 6N2-J um ein Äquivalent zur 6N2P-EV handelt, mehr als naheliegt, kann dies nicht mit allerletzter Sicherheit bewiesen werden. Wer daher die Röhren gegeneinander tauscht, der tut dies auf eigene Gefahr! Der Tausch darf nur von Fachpersonal vorgenommen werden! Jedwede Haftung aus Schäden, die durch einen derartigen Tausch entstehen können, lehne ich ab! Zudem sei darauf hingewiesen, dass es sich bei der 6N2P-EV um ein Bauteil aus der Produktion vergangener Tage handelt, dessen RoHS-Konformität nicht nachgewiesen ist. Es darf daher zur Instandsetzung von nach den 01.01.2006 in Verkehr gebrachten Geräte nicht genutzt werden.

Um was für eine Röhre handelt es sich überhaupt? Die Röhren sind der ECC83 ähnliche Doppeltrioden, d.h. sie bergen jeweils zwei Systeme und damit ist eine Stereovorverstärkung mit einer einzigen Röhre erreichbar. Allerdings darf eine ECC83 nicht durch diese Röhren getauscht werden (und umgekehrt auch nicht), da die Heizspannung unterschiedlich ist (die Heizungen sind bei 6N2-J und 6N2P-EV intern verbunden, eine Anpassung der Schaltung über den Sockel ist rein theoretisch möglich – aber in Anbetracht der exzellenten Versorgungslage mit NOS-ECC83 nicht wirklich sinnvoll). Weiterhin unterscheiden sich die Röhren von der ECC83 durch ein Schirmblech, das an Pin 9 geerdet ist. Dieses weist die ECC83 meines Wissens nach nicht auf.

Das Schirmblech prädestiniert die Röhren für den Stereobetrieb, denn es verhindert ein gegenseitiges Übersprechen auf den jeweils anderen Kanal. Um Brummen zu verhindern, ist die Erdung herausgeführt. In der Praxis klappt das übrigens wunderbar – es ist keinerlei Übersprechen feststellbar.

Die chinesische 6N2-J im Detail. Der einfach gearbeitete, gepresste Getter ist gut erkennbar.

Diese Röhrenart wird heute noch gerne und in steigendem Maße zur Stereo-Vorverstärkung verwendet. Auch in Kopfhörerverstärkern für niederohmige Hörer leistet sie hervorragende Dienste.

Detail der russischen 6N2P-EV. Die hohe Fertigungspräzision ist gut erkennbar.

Nun stellt man sich an dieser Stelle die Frage, ob ein Tausch lohnt. Ich möchte dies bejahen, denn bei der chinesischen Variante, die ich für einen recht unambitionierten Nachbau halte, sind doch hohe Fertigungstoleranzen und ein etwas windiger mechanischer Aufbau beobachtbar. Eine mein 6N2-J spratzelte im rechten Kanal heftig. Nach vorsichtigem Abklopfen war kurz Ruhe, dann trat das Spratzeln wieder auf. Dies führe ich auf eine ungenügende Verarbeitung des System zurück – das spricht nicht für die Röhre. Zudem besitze ich eine 6N2-J, bei der Teile des Aufbaus in transparentem Kunststoff erledigt sind – damit man das Glimmen der Heizung schön sehen kann. Hier drängt sich der Verdacht auf, dass diese Röhren for show verarbeitet werden – ich sähe es aber viel lieber, wenn die mechanische Qualität und der Klang im Vordergrund stehen würde!

Die russischen Röhren habe keine derartigen Fehler und klingen wesentlich wärmer und ausgewogener, zudem ist die Lautstärke beider Kanäle gleich hoch, was ich von zumindest einer meiner 6N2-Js nicht behaupten kann.

Die 6N2P-EV kann man übrigens in ausgezeichneter Qualität im Classic-Tubeshop kaufen, derzeit ist sie für unter fünf Euro zu haben – ein echtes Schnäppchen!

Noch etwas zum „OTK“-Stempel auf russischen Röhren, was man immer wieder liest, aber nicht hundert Prozent bestätigt ist: Gerne wird angenommen, dass der „OTK“-Stempel ein Indiz für eine Röhre ist, die für militärische Zwecke hergestellt sei und damit engeren Toleranzen und einer robusteren Bauweise unterliege. Andere Quellen jedoch sagen aus, dass es sich bei „OTK“ um ein Qualitätsprüfzeichen der Russen handelt, vergleichbar mit der TGL-Norm in der DDR. Zumindest darf vom „OTK“-Stempel nicht auf eine Militärröhre geschlossen werden. Das „EV“ in der Bezeichnung wiederum soll aussagen, dass die Röhre für höhere Belastungen ausgelegt sei (extendet rating version). Das ist anzunehmen, kann von mir aber nicht bewiesen werden.

9 Kommentare

  • Sascha

    Moin!

    Erstmal vielen Dank für diesen Beitrag.
    Gibt es denn irgendetwas neues zu berichten? Gab es nach dem Wechsel auf die 6N2P-EV irgendwelche Probleme?

  • admin

    Hallo Sascha,

    ich habe den Tausch der Röhren bei meinem Mistral-KHV durchgeführt, weil die dort verbaute chinesische Röhre 6N2-J, auch mit der Nachlieferung, qualitativ nicht akzeptabel war. Ich hatte bereits eine 6N2-J Tauschröhre erhalten… Hier gibt es ürbrigens zwei Varianten, eine mit normaler Abdeckung über der Heizung und eine „Eyecandy-Variante“ mitr transparenter Folie über der Heizung, was sich zwansläufig verfärben musste. Klanglich waren diese chinesischen Röhren minderwertig.
    Der Tausch durch die russische 6N2P-EV lappte bei mir problemlos, der Mistral musiziert am AKG K701 ganz ausgezeichet. Die Störgeräusche sind weg, der Klang wärmer. Der „Umbau“ lässt sich in zwei Minuten erledigen:

    1. Transparente Röhrenverkapselung mit viel Gefühl entriegeln
    2. alte Röhre mit einem Taschentuch greifen und ziehen
    3. neue Röhre mit einem Taschentuch greifen und einsetzen
    4. Kapsel wieder aufsetzen und arretieren.
    5. Einspielen (mit scheint, dass die russische Type uneingespielt und nicht künstlich gealtert ist – brauchts bei einem „Stereosystem“ ja auch nicht, muss ja nichts gematched werden)

    Der obige Warnhinweis ist zwingend zu beachten!!

  • admin

    Nachtrag: Bislang traten keine Probleme auf – auch im mehrtägigen Dauerbetrieb zum Einspielen nicht.
    Nachtrag: Wenn es um den Mistral KHV geht: Bei diesem „Hybriden“ ist es so, dass die Vorverstärkung mit Opamp funktioniert, die Endverstärkung mit der Röhre. Um ein wirklich gutes Ergenmis zu erzielen, muss
    – ein ordentlicher Pegel zugeführt werden
    – ein niederohmiger KH verwendet werden (lt. Herstellerangaben bis 300 Ohm, meine Erfahrung zeigt, dass die Beyers mit einer Impedanz von 150 Ohm hier die Grenze markieren. Die huten 600 Ohm- Sennheiser harmobieren nicht mit dem Mistral, da sollte man KHV-seitig einfach mehr investieren). K701 mit 2X60 Ohm gehen gut.

  • Sascha

    Danke für deine ausführliche Antwort!
    Ja, es geht um den Mistral-KHV.
    Ich habe zwei 6N2P-EV über Ebay aus Ungarn bestellt. Inkl. Porto liegt man da bei 11€.

    Ich setze aktuell einen Audio Technica ATH-A900 mit 40 Ohm ein. Als Zuspieler dient ein Onkyo DX-7355.

    Was meinst du mit Grenze? Klingt es mit mehr Ohm einfach nicht mehr oder wird es zu leise?

    Wie lange sollte man die neue Röhre einspielen?

  • Moin moin,

    auch ich habe diesen Mistral vor ein paar Monaten erworben. Als KH kommt ein Sennheiser HD 598 (50 Ohm) zum Einsatz. Daten :

    Wandlerprinzip dynamisch, offen
    Ankopplung an das Ohr Ohrumschließend
    Frequenzgang 12 – 38500 Hz
    Klirrfaktor bei 1 kHz < 0.1 % (1 kHz/100 dB SPL)
    Schalldruckpegel bei 1kHz 112 dB
    Impedanz 50 Ω
    Kabellänge 3 m OFC einseitig, abnehmbar
    Klinkenstecker 6.3 mm
    Gewicht 270 g

    Ich habe meinen Mistral bei Arnd (Art of Music) gekauft. Und weil ich schon am Telefon über die China Röhre moserte, empfahl er mir eine Russische 6N2. Nun, die Chinesische ist für die Tonne. Grausiger Klang. Unterschiedliche Lautstärke am KH. Nun sah ich mich schon seit ein paar Tagen bei Ebay wegen einem Corda Swing um. Da ich aber Niederlagen schlecht wegstecke, wollte ich es ein letztes mal wissen. „Last Exit to Westerland !“ 🙂
    Also schnell mal Jan (Frag Jan zuerst) kontaktiert. Er empfahl mir eine russische, militärische Longlife Röhre. Und nun hänge ich schon fast 6 Stunden am Mistral ! Ein wunderbarer, warmer Klang. Für Freunde der dritten und vierten harmonischen geht es nicht besser. Der Mistral bleibt hier. Sollen andere nach dem Swing fischen… :-))

    Gruß,

    Lefty

  • admin

    Hallo MacLefty,

    ganz meine Meinung! Der Mistral-KHV ist ein gutes Gerät, auch von der Konstruktion her gut gemacht, ordentlich verarbeitet und für einen Hybriden klanglich ganz ganz prima, wenn er mit niederohmigen Kopfhörern gefahren wird.

    Nun wirft sich selbstverständlich die Frage auf, warum ein im Grunde so solide gearbeiteter und sauber designter KHV mit einer so ausnahmslos lumpigen Röhre, ja ich möchte fast sagen mit so einem Chinaböller geliefert wird.

    Ich habe das recherchiert und komme zu folgendem Ergebnis: Der Grund ist in der EG-Richtlinie 20021/95/EG zu suchen, auch RoHS genannt. Die ist hier einsehbar: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2003:037:0019:0023:de:PDF
    Danach dürfen nicht RoHS-zertifizierte Bauteile ausschließlich für die Reparatur von Elektro- und Elektronikgeräten, die vor dem 1. Juli 2006 in Verkehr gebracht wurden, verwendet werden.

    Ich halte fest:
    Wir haben mit dem Mistral ein Neugerät aus aktueller Produktion (also weit nach 2006 hergestellt) gekauft. Unsere 6N2P ist eine NOS-Röhre, sie wurde so in der CSSR, in Ungarn, der UdSSR gefertigt. Unsere NOS-Röhrli sind 20 – 30 Jahre alt, da hier Restbestände gehandelt werden, ist eine nachträgliche Zertifizierung wohl auchv nicht rentabel. Jetzt modifizieren wir den KHV halt auf eigene Gefahr.

    Ich halte weiterhin fest: Dank dieser EU-Scheiße darf der Hersteller die guten Röhren gar nicht einsetzen, ein wohlmeinender und verantwortlich handelnder Importeur oder HiFi-Händler darf das Gerät nicht anpassen und vermutlich dürften wir diesen Wechsel noch nicht mal selbst durchführen (obwohl – ich handle ja nich kommerziell, meine Chinaröhre war ja per definitionem im Eimer, ich habe nur mit erhältlichen Bauteilen repariert, die Chinaröhre hätte ich nämlich via Vietnam importieren müssen, die NOS-Röhre gabs vom deutschen Händler). Aber hier offenbart sich mal wieder dieser EU-Irrsinn.
    Gut, dass meine Röhrenmonos von 2004 sind, da werde ich mir hoffentlich – sodenn ich es herkriege – demnächst ein gematchtes „dimple-top“ – Quartett RFT EL34 (eine tolle Röhre von ausgesucht guter Qualität und mit schönen klanglichen Eigenschaften – da lass ich jede Gold Lion KT77 für liegen) reinwerfen, das müsste laut RoHS dann legal sein.

    Aber das ist alles ein IRRSINN!!

    Also, aus meiner Sicht hast Du ganz richtig gehandelt. Nun noch ein paar russische Röhrlis auf Halde legen, denn wenn sich herumspricht, was man für kleines Geld für einen tollen Hybrigen bekommt, wenn man nur die Röhre tauscht, dann sind die bald weg 😉

    Btw: Die militärischen Longliferöhren sind die OTK-gestempelten. Hier ist das Glas dicker. Ob die machanisch besser sind, weiß ixch nicht. Habe solche und auch welche ohne OTK gehört, wenn Du mich fragst, gibt sich das klanglich nicht wirklich was.

    Noch ein Wort zur Einspielzeit: Ich kann das nicht sicher beziffern, der Höreindruck ist ja subjektiv und das tägliche Hören führt die Veränderungen nicht zwingend vor Augen. Ich war aber definitiv navh 50h mit der Kombi Mistral und 6N2P sehr zufrieden.

    So long und Grüße nach Sylt!

    Michi

  • Thomas

    Moin! Ich habe ebenfalls den Mistral mit einem Ultrasone HFI 780 Kopfhörer und bin eigentlich recht zufrieden. Ich hab noch die original China Röhre drin, bei mir funktioniert alles bestens, kein Rauschen und beide Kanäle gleich.
    Da jedoch der Röhrentausch „plug & play“ zu sein scheint (bin vom Fach…) werde ich da mal eine Russenröhre reintun.
    Meine Frage: Woher nehmen? Bei Conrad kann man zwar eine 6N2P online bestellen, da steht aber nirgendwo, dass es sich um ein russisches Original handelt. Sind die alle gleich oder kann das auch eine China Kopie sein? Wer kann mir eine Bezugsquelle empfehlen?

    Gruss aus Köln
    Thomas

  • admin

    Bin nicht verwandt oder verschwägert….

    Es gibt uwei gute Shops im Netz – Profis, wo man immer bemüht ist, auch NOS herzubekommen:

    In Nürnberg BTB-Elektronim
    http://www.btb-elektronik.de/

    Oder der Classic Tubeshop Kunisch
    http://classic-tubeshop-kunisch.de/

    Da bekommst Du auch die etwas speziellere 6N2P-EV.

  • Sascha

    Die EV soll mindestens 5000 Stunden halten. Rechnet euch das mal hoch wie lange die bei euch in Monaten / Jahren halten wird. Hamsterkäufe halte ich da für falsch weil die dann nur unnötig in einem Schrank vergammeln und andere interessierte schauen in die Röhre, da sie sie nirgends mehr bekommen.

    Falls es jemanden interessiert, ein Hifiman HE-5LE lässt sich mit dieser Kombination sehr gut betreiben. Traumhafter Klang!

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