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Kein Sessel für Michi.

So, liebe Leser, jetzt muss ich einfach mal ein bisschen ranten, ohne das ich platze. Es ist ja sowas von unglaublich…

Es soll in diesem Tweet um den Nürnberger Möbeleinzelhandel gehen. Dieser ist nämlich seit einem halben Jahr nicht in der Lage, mir für realistisch Geld einen ansehbaren und dazu noch bequemen Musikhör- und Fernsehsessel für mein Arbeitszimmer zu verkaufen. Die Sessel, die ich in den gefühlt zwanzig angesteuerten Märkten gesehen habe, integrieren sich entweder optisch perfekt in das Ambiente eines Seniorenheims oder sie kosten Tausende. Oder sie sind derart hart und bocksteif, dass man liebend gerne mit einer Holzpritsche in einem der Wagen des Historischen Straßenbahndepots vorlieb nehmen möchte. IKEA, falls jemand sich an dieser Stelle bemüßigt fühlt, mir das in die Kommentare zu schreiben, kommt nicht in Frage, da deren Sessel ebenfalls nicht sonderlich bequem sind und ich mir auch mein Karma nicht versauen möchte.

Was mich auf der Sesselsuche wirklich erstaunt hat, ist, dass es eigentlich nur drei Sesselklassen zu geben scheint, auf der einen Seite wäre das die Rolf-Benz-Klasse (auch solche Sachen wie „Stressless“ zähle ich darunter) und auf der anderen Seite heftigen Schund. So ein Mid-Price-Segment wäre ja mal echt was – aber hier habe ich selbst in den großen Märkten nichts gefunden (außer Albernes)…

Ich komme derzeit ganz gut ohne Sessel hin, aber wir halten immer die Augen offen und wenn wir in der Nähe eines großen Möbelhauses sind, gucken wir da auch rein. Bislang wollte uns aber kein Mittelklassesessel anspringen – echt sonderbar, oder? Ich meine, in einer 500.000-Einwohnerstadt wird doch irgendwo ein bequemer Sessel mit schulterhoher Lehne unter der 500-Euro-Marke käuflich zu erwerben sein, der nicht scheiße aussieht oder bedenklich knarzt, wenn man sich reinsetzt??

Heute wieder. Normalerweise machen wir sowas nicht, aber da wir gerade in der Nähe waren, sind wir dennoch mal zu Stöckl M1 reingegangen. Das ist zwar Leichenfledderei, aber was solls? Allen Nicht-Nürnbergern sei an dieser Stelle kurz erklärt, dass Stöckl ein Nürnberger Möbelhaus ist bzw. war, das durchaus länger am Markt bestand (von Tradition wollte ich nun nicht sprechen, aber immerhin), nun aber pleite ist. Und so wurde in den Nürnberger Nachrichten eine nicht ganz kleine Anzeige über den Alles-muss-raus-Verwertungsverkauf geschaltet, ein bisschen her ist das schon, aber wir fahren ja nicht zielgerichtet zum Ablesen der letzten Messe. Was hier mit Verwertungsverkauf gemeint sein soll, entzieht sich meiner Kenntnis, Verarschungsverkauf wäre wohl ein treffenderes Wort. In den halbleeren Hallen schlurften einige Möbelverkäufer herum, denen der fränkische Volksmund wohl nicht ganz zu Unrecht das Attribut „Lackaffen“ zuteilwerden lassen würde (ich tue dies bewusst nicht, wo kämen wir den hin). Darüber will ich mich aber nicht beklagen, denn wenn es sich bei den wenigen verbliebenen Mitarbeitern um den letzten Rest der Stöckl-Belegschaft handeln würde, hätte ich Mitleid und wenn es die Angestellten des Verwerters waren, wundert mich deren überhebliches Auftreten auch nicht. Viel interessanter finde ich die „Masche“ der Verwertung: Auf den jeweiligen Möbelstücken, die nicht unter die Kategorie Schund fielen, waren absurd hohe Summen ausgepreist. Diese absurden Preise waren dann um 20% reduziert, diese Streichpreise, so erfuhren wir weiter, seien aber zu ignorieren, die Möbel wären zur Hälfte der alten Auspreisung zu haben. Der Fehler: Die Hälfte von einem absurden Preis ist immer noch höher als die Preise der Konkurrenz.

Ein Schild, auf dem sinngemäß „Den letzten Preis erfahren Sie im Gespräch mit unseren Beratern“ stand, motivierte mich, mal über einen Sessel, der ansehnlich, aber nicht besonders bequem war, spaßeshalber mit einem der Lackaffen zu verhandeln. Rumgekommen ist dabei nichts, der Lackaffe sah während des „Verkaufsgesprächs“ nur einmal kurz von seinem PC-Bildschirm auf, um mich zu mustern. Dann erklärt er, dass 50% vom (Phantasie)Preis das letzte Wort wären. Zu doof, denn für dieses Geld lässt sich Gleiches oder ähnliches ganz regulär im nächstbesten Möbelhaus einfach kaufen – man bedenke, dass hier dann immer noch ein paar Prozent Verhandlungsspielraum drin sind. Ich mache den Lackaffen darauf aufmerksam, dass sein reduzierter Preis überhalb des ortsüblichen Niveau liege – keine Reaktion. Ich sage ihm, dass ein vergleichbarer Sesseln online sogar für einem Bruchteil des Preises habbar wäre. Nun plustert sich der Lackaffe – die Augen immer noch fest an den Bildschirm geheftet – auf: „Gegen online bin ich allergisch“, lamentiert er, „denn online gibt es keinen Service und keine Beratung“. Jetzt platzt mir der Kragen. Ich nehme dem Lackaffen ernstlich krumm, dass 6er mich für dumm verkaufen will und sage ihm: „Das was sie hier als Beratung bezeichnen ist eine Farce, und von Service wollen wir ja wohl nicht sprechen. In zwei Wochen ist hier alles weg – entweder kommt dann der Bagger und reißt den alten Kasten ab oder er steht die nächsten zwanzig Jahre leer und rottet langsam vor sich hin. Und wo soll ich das Service kriegen?“ Den Lackaffen indes beeindruckte das wenig.

Ich will mich jetzt nicht dazu versteigen, zu sagen, dass es um den M1-Markt nicht schade wäre, aber so wird einem der Abschied doch nicht allzu schwer gemacht. Bezeichnend ist aber, dass diese sogenannte Verwertung as Verbrauchersicht nur nachteilig ist. Wenn mit dem gekauften Möbel etwas nicht in Ordnung ist, hätte man zwar theoretisch die Möglichkeit, sich an den Hersteller zu wenden, der ist aber mitnichtenimmer einfach ausfindig zu machen, sitzt gerne auch einmal im Ausland und gerade bei sperrigen Sachen ist so ein Service am Ort doch durchaus was wert. Wer darauf mehr oder weniger verzichtet, im Garantiefall in jedem Fall mit der Abwicklung einen höheren Aufwand hat, der sollte dieses Manko nicht für den marktüblichen Preis erkaufen müssen. Oder anders ausgedrückt: Für diese erschwerdenen Umstände einen Preis zu zahlen, der auch bei einem Nicht-Pleite-Betrieb aufgerufen wird, ist in meinen Augen unredlich.

Nun werde ich einige von Euch reden hören, dass es ebenso unredlich von mir ist, auf – metaphorisch gesprochen – am Boden liegenden auch noch heumzutrampeln. Doch das ist nicht meine INtention. Denn das Ding mit dem M1-Markt ist durch, zumindest mittelfristig. Der Verwerter macht in meinen Augen ein fragwürdiges Geschäft – zumindest mit den Kunden, und das muss angesprochen werden.

Und last but not least soll es hier ja nicht allein um einen pleitegegangenen Möbelmarkt gehen sondern um die Tatsache, dass man in Nürnberg entweder Luxusmöbel oder Ranz bekommt. Und das will mir nicht in den Kopf. Was kaufen denn all die Mittelschichtler mit einem gerüttelt Maß an Anspruch hinsichtlich Design und Komfort? Bestimmt nicht irgendwelche Plastikhocker zu 29,95 oder High-End-Möbel in vierstelligen Dimensionen. Nun gibt es in der Tat ein Mid-Price-Segment, in dem ich aber bislang nur alberrnst altbackenes Zeug gesehen habe, dass entweder rustikal wie Wildsau war oder die Requisite eines Pornos der frühen 1990er Jahre ohne Stilbruch bereichert hätte.

Von dem Gedanken, einen neuen Sessel zu bekommen, verabschiede ich mich so langsam und bin guter Hoffnung, dass sich etwas nettes auf dem Gebrauchtmarkt finden lässt (was man aber im Zweifel neu aufpolstern lassen müsste, was auch nicht so richtig billig ist). Bis dato also kein Sessel für Michi, schade.