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Nokia E7 – ein erster Erfahrungsbericht

Seit vorgestern bin ich nun stolzer Besitzer eines Nokia E7 – das ist eine Art Communicator. Und da das Ding doch eher neuer ist, mache ich mir mal die Mühe, ein wenig ausführlicher meine ersten Eindrücke zu schildern.

In den letzten Jahren hatte ich ausschließlich Nokia-Telefone: Angefangen hat alles mit dem E90 Communicator, dann kam das E71, das E72 und nun ist es also das E7.

Bei allen Geräten konnte man eine gewisse Weiterentwicklung feststellen – das E90 war eines der ersten Businesstelefone mit Symbian S60, das vermochte zu begeistern. E71 und E72 entwickelten dessen Tugenden und Performance weiter und nun gibt es sozusagen „die Krone“ – das auf das E7 angepasste Symbian ist schnell und macht Spaß. Aber der Reihe nach:

Unboxing

Geliefert wird das E7 in einer unscheinbaren kleinen Pappbox mit dem zur Zeit nokiatypischen blauen, etwas altbackenen Design. Hier betreiben die Finnen ganz offensichtlich understatement. Nokia ruft für das Telefon derzeit knappe 630,- Euro auf, bei Amazon ist es fünfzig Euro billiger – und dann wird das Handy in einer Schachtel geliefert, für die sich Pfitzmanns Edle Tropfen in Nuss zu Zweifuffzich schämen würden. Anders als mit dem Stilmittel der Untertreibung kann ich mir eine derartige Produktpräsentation nicht erklären.

In der Schachtel geht es ähnlich spartanisch zu: Das Telefon, ein Ladegerät, ein Headset, USB-Kabel, USP-Portkabel, HDMI-Kabel (WTF?) und eine rudimentäre Bedienungsanleitung finden sich dort an. Beim E72 waren da noch ein KFZ-Halterung, ein Täschchen und anderer Krimskrams zu finden.

Das alles vergessen macht der erste Griff zum Handy: Da liegt das gute Stück nun in der Hand, hochedel. 176 Gramm wiegt es, aus eloxiertem Aluminium gefertigt, nichts wackelt, nichts ist gratig. Weitere Begeisterung kommt beim Aufschieben des Touchscreens auf: Der Mechanismus gleitet sanft, stellt das Display auf und gibt die Tastatur frei. Nun hat man eine ausreichend dimensionierte Tastatur und ein Touchscreen und das Ganze schmeichelt der Hand.

Hardware

Und dann fällt beim ersten Einschalten zuerst einmal das Display auf – es handelt sich um ein Aktivmatrix-OLED-Display mit einer sog. „ClearBlack“-Technologie; das mit dem Clearblack haut auch hin, die Schwarzwerte sind so gut, dass man damit jedem guten LED-TV das Fürchten lehren kann. Auch die Auflösung (460×360) ist ordentlich – das Ganze findet also im 16:9-Format statt. Die Schrift ist kontrastreich, ausreichend groß und sehr scharf wiedergegeben, man kann alles gut erkennen. Auch das Touchscreen funktioniert ausgezeichnet (und das Aufziehen und Zusammenschieben mit zwei Fingern ist auch kein Problem).

Quelle: Nokia Blogpack

Es gibt zwei Kameras, eine frontseitige (für Videotelefonie oder was auch immer, habe ich noch nie benutzt) und die Hauptkamera. Diese liefert zwar acht Megapixel, dafür aber keinen Autofokus und außerdem rauscht das Bild bei Dunkelheit merklich. Aber: Die Adaption bei geringen Lichtstärken ist echt ok, nur mit dem Weißabgleich hat die Kamera so ihre Schwierigkeiten. Man kann die mit dem E7 gemachten Bilder zwar geotaggen – aber so richtig gut sind die Bilder einfach nicht. Da gibt es bessere Handykameras. Mir ist das egal, ich nutze die Handykamera ganz selten – ich brauche hier keine Kompaktkameraqualität – aber wer wirklich mit dem Handy fotografieren will, der sollte sich das nochmal überlegen.

Dieses Touchscreen-Display lässt sich ganz elegant wegklappen – in „aufgeklappter“ Position steht es – günstig abzulesen – schräg und gibt dann die Communicator-typische Tastatur frei. Diese ist nicht schlecht – leider aber auch nicht so gut wie beim E90. Der Druckpunkt ist schon ok, auch der Abstand der Tasten erlaubt es, mit Wurstfingern gesegneten Menschen halbwegs bequem zu tippen. Nur hat man, verglichen mit dem E90, auf eine Tastenreihe verzichtet und so lassen sich Zahlen nurmehr wie Sonderzeichen eintippen. Daran kann man sich wohl gewöhnen, aber ein bisschen mies ist das für ein Telefon der Businessklasse schon. Seit dem E72 hat man sich bei Nokia in Bezug auf die Tastatur eine weitere Unsitte angewöhnt, die mir extrem auf den Zeiger geht: Die Umschalttaste für Sonderzeichen befindet ganz links unten, danach folgt die Shifttaste. Da haut man schon mal gerne daneben. Das ist zwar nur ein Detail – aber ein nerviges.

Mit Schnittstellen ist das E7 ganz gut ausgestattet: Laden, synchronisieren und um einen USB-Port erweitern kann man das Telefon via Mini-USB-Buchse, dann ist da noch dieser HDMI-Ausgang und der Kopfhörer bzw. das Headset wird über eine Standard 3,5er Klinkenbuchse angestöpselt. „Luftschnittstelle“: WLAN und Bluetooth sind selbstverständlich mit an Bord. Das Ding mit dem USB-Port verdient in zweierlei Hinsicht Erwähnung: Hier kann man prima einen USB-Stick mounten, das ist echt was wert. Dumm nur, dass auf einen Speicherkartenslot komplett verzichtet wurde. Wer mit den intern verbauten 16 GB Speicher klarkommt, der freut sich über das Fehlen eines Schlitzes, in den Staub eindringen kann, wer gerne mehr Speicher will, der darf sich über das USB-Stick-via-Adapterkabel-am-Mini-USB-Port-Gebammel ärgern.

Was viel schlimmer ist: Kein austauschbarer Akku! Hey Nokia, ich habe hier einen Communicator in der Pfote und kein fucking iPhone. Was soll der shice? Klar, das E7 ist schmal und leicht und chic und ein wechselbarer Akku ist, will man diese Design-Pluspunkte nicht zunichte machen, eine echte challenge für die Konstrukteure – aber trotzdem: Einen auf Umweltschutz machen und dann den Akku nicht austauschbar haben ist kein guter Stil. Im Moment ist das noch kein Problem – das Gerät ist neu und die Akkuperformance ist gut – aber jeder weiß, das sich sowas schnell mal ändern kann. An dieser Stelle sollte Nokia echt noch mal sein Design überdenken – ein Akku muss austauschbar sein! Das ist nicht verhandelbar.

Sonst aber ist die Hardware topgeil – die Haptik ist mit die Beste, die derzeit ein Telefon haben kann. Hier reichen die Geräte von HTC nicht hin (und die iPhones mal überhaupt gar nicht).

Software

Das neue Symbian macht Freude. Alles läuft flüssig, sieht gut aus und bislang ist auch alles stabil. Auch wenn das Telefon auf dem Papier keine Gigahertz-CPU mitbringt, so fühlt es sich doch flüssig an. Zu den aktuellen Android-Telefonen ist kein wesentlicher Unterschied feststellbar.

Der aktuelle Mailclient wirkt ein wenig aufgeräumter – das mag aber auch am Display im Querformat liegen – EMail gefällt mir auf dem E7 gut, auch dann, wenn man kein Pushmail via OVI verwendet. Der Client ist insgesamt tauglich.

Der Webbrowser war bei meinen vorherigen Nokia-Telefonen immer ein Ärgernis, war er doch langsam und lud beim stepback auf eine vorhergehende Seite diese immer neu. Das ist nun deutlich besser geworden, der Browser fühlt sich flott an und stellt alles gut dar.

Nun zum Medienplayer: Auch hier hat sich Nokia in der Vergangenheit nicht mit Ruhm bekleckert und auch hier wurde nachgebessert. Der aktuelle Player tut, was er soll, erkennt auch manuell heruntergeladene Podcasts automatisch und legt diese separat ab (was mich am Anfang etwas verwirrte). Nett ist, dass Dateien, die sich im Downloadprozess befinden, gleich abgespielt werden, so muss man nicht warten, bis der Download abgeschlossen ist, wenn man hören möchte. Der Player unterstützt formattechnisch so ziemlich alles, was man sich vorstellen könnte, auch AAC-Formate, die ich noch nie in freier Wildbahn gesehen habe. Nur: Natürlich wird kein ogg unterstützt (wann lernen die das eigentlich mal?). Auch so AC-3-Dolby-Sachen macht der Player. Ich wüsste nicht, wozu man sowas braucht, aber es gibt ja auch HDMI…

Dann gibts zu allem, was man von einem Nokia-Telefon erwartet, noch drei Schmankerln: Das erste ist eine Vollversion von einem F-Secure Diebstahlschutzprogramm. Ich habe das mal konfiguriert, was das Ding genau tut, entzieht sich aber bislang meiner Kenntnis. Dann ist da noch eine Version von Quickoffice dabei in der Provenienz „Dynamic Premium“ – womit man Dokumente endlich nicht nur ansehen sondern auch bearbeiten kann. Nur: Man muss sich natürlich mal wieder mit seiner Mailadresse registrieren. Und dann hat man natürlich noch die Nokia-Navigation mit den kostenlosen Karten mit im Bundle. Diese ist – soweit ich das versucht habe, durchaus brauchbar. Einen PDF-Reader von Adobe gibts auch und weiterhin ist die MS-Exchange-Integration ganz hervorragend.

Über OVI kann man auch recht bequem auf seinen twitter-Account zugreifen (und sich die tweets als Widget auf den Startbildschirm packen – das ist toll).

Natürlich gibt es auch hier wieder was zu vermissen: Während das eingebaute UKW-Radio tut, was es soll und ganz nett ist, hat Nokia es diesmal verpeilt, auch die hauseigene Internetradiosuite mit draufzuwerfen – dabei ist die seit dem E72 echt ordentlich. Ich hab bislang noch nicht bei ovi geguckt, ob man die nachinstallieren kann, ich hoffe es aber.

Telefonieren

Das Wichtigste: Die Sprachqualität des E7 ist gut. Sie ist nicht brillant und sie ist nicht unterirdisch schlecht – sie ist rundum gut. Ich habe das Gefühl, dass sie beim E72 einen Hauch besser war, aber ich mag mich irren. Die Anruferlisten und das Telefonbuch ist Nokia-typisch genial, hier hat sich nichts Wesentliches verändert.

Fazit

Das E7 ist ein tolles Telefon. Es kann, was man braucht, es ist für einen Communicator erstaunlich schlank. Die gute Verarbeitung lässt über manches Detail hinwegsehen. Ich bin zufrieden.

Pro

Contra

-elegantes Design

-tolle Haptik und hervorragende Verarbeitung

-gutes Display

-das neue Symbian

-schnell und stabil

-Softwareausstattung

-keine Speichererweiterung im Gerät möglich

-Akku nicht wechselbar

-arg durchschnittliche Kamera

Kaufen?

Nokia ist ja vor kurzem einen Deal mit Microsoft eingegangen und so wird im Netz fleißig diskutiert, ob man sich noch ein Symbian-Telefon anschaffen sollte oder lieber auf die Nokia-Windows-Phones wartet. Nach meiner bisherigen Erfahrung mit Windows auf Mobiltelefonen wird umgedreht ein Schuh daraus: Sollte das E7 der letzte Communicator auf Symbian-Basis sein, dann rate ich dringend zum Kauf: Im Vergleich zum iPhone und zu Android vermisst man nichts – einen Commie mit Windows will man schlichtweg nicht – und Symbian ist noch lange nicht outdated: Laut Wikipedia war Symbian 2010 das weitestverbreitetste OS auf Mobiltelefonen. So kann ich mir nur schwer vorstellen, dass Entwicklung und Support von Symbian Knall auf Fall eingestellt wird. Symbian ist ein stabiles und im Prinzip gut abgehangenes System. Auf die ein- oder andere Innovation musste man warten – klar. Aber Stabilität und Performance machen das wieder wett.

Ist das E7 ein iPhone-Killer?

Die Frage des Benchmarks mit dem iPhone wird allerorts gestellt, daher auch hier ein paar Zeilen dazu: Über die Kategorie „iPhone-Killer“ braucht man sich beim E7 keine Gedanken mehr zu machen. Das iPhone 4 ist nicht in der Lage, in nur igrendeiner Kategorie an das E7 heranzureichen. Das beginnt bei den Brot-und-Butter-Funktionen, der Sprachqualität und dem Display, setzt sich über Interoperabilität und Konnektivität fort – und endet überraschenderweise beim Design: Das E7 ist schmaler, schlanker, stabiler und leichter, es ist dezenter gestaltet und präsentiert sich zeitlos elegant. Und dann kommt auch der Image-Faktor dazu: Das E7 ist ein Individualisten-Telefon. Während das iPhone nun im Kundenkreis der Unterschicht auf breite Akzeptanz stößt, bleibt der Commie, was der Commi ist – ein Teleon für individualistische Prosumer mit Qualitätsanspruch. Diesen Erwartungen und diesem Image wird das E7 gerecht. Nokia hat hier ein schönes Stück Technik mit leichten Schwächen abgeliefert. Kurz: Spätestens mit dem E7 ist das iPhone deklassiert.