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Ein Lob auf das Faxgerät

Erinnert sich jemand von Euch eigentlich noch an Faxgeräte? Diese mehr oder weniger klobigen, länglichen Kästen, aus denen nach ein- bis dreimaligem Läuten gelegentlich mal ein paar Seiten Papier – in der Regel beschrieben – herausfielen? Die, wollte man solch beschriebenes Papier einem anderen Fax-Teilnehmer senden, lustig pfiffen und rauschten, wenn man deren Nummer anrief, um eine Sendung auf den Weg zu bringen? Nun, diesem guten alten Technik-Überbleibsel aus vermeintlich vergangenen Tagen soll es nun endgültig an den Kragen gehen.

Faxgerät im Schaufenster eines Nürnberger Second-Hand-Shops, November 2022

In ihrer Ausgabe vom 19. Februar berichteten die Nürnberger Nachrichten darüber, dass es in Bayern (!) inzwischen einen Vorstoß gäbe, die Faxgeräte in Landesbehörden schon Mitte dieses Jahres (gemeint ist das laufende Jahr 2024!) abzuschaffen. Ganz anders in Niedersachsen und Bremen, dort will man seitens der Verwaltung am Faxgerät festhalten.

Die verlinkte Golem-Meldung vermag zu belustigen; man ist sich offensichtlich allerorten einig, dass das Fax schon reichlich retro und nicht mehr Stand der Technik und des Zeitgeistes ist, will es aber dennoch nicht abschaffen, weil man seitens der Verwaltung überzeugt ist, dass deren Weiterbetrieb „auch ein Service etwa für Unternehmen, die bislang nicht auf andere Kommunikationswege umgestellt hätten“ sei. Die Unternehmen ihrerseits verweisen darauf, dass die Verwaltung diesen Kommunikationsweg präferiere, anderenfalls hätte man ja die Faxgeräte längst abgeschaltet. Hier scheint also der Hund seinen eigenen Schweif zu jagen.

Fernab solcher Missverständnisse bleibt aber freilich die Frage offen, warum das Faxgerät immer noch so beliebt ist – stellt seine Verwendung doch nicht weniger als einen deutlichen Medienbruch dar. Dokumente aller Art werden heute gewöhnlich am Computer erstellt, sie dann auszudrucken, um sie hernach als Telefax auf den Weg zu bringen, ist reichlich aufwendig. Und ergeht die Antwort dann ebenfalls per Fax, wird sie nicht selten beim Empfänger gescannt und dann digital weiterverarbeitet. Und dennoch faxen einige Zeitgenossen bis zum heutigen Tage fröhlich hin und her, während Großkonzerne mittlerweile dazu übergehen, E-Mailadressen in der Kundenkommunikation abzuschaffen (wer ein Anliegen hat, unterhält sich ein wenig mit einem KI-Chatbot, und wenn der zu der Einsicht gelangt, er könne nicht mehr weiterhelfen, macht er für den Kunden ein Seviceticket auf). Warum also Fax, wo es doch langsam, teuer und von schlechter Abbildungsqualität ist? Vielleicht kann ein Blick in die jüngere Telekommunikationsgeschichte ein wenig Licht ins Dunkel dieser Fragestellung bringen:

Nun, die Wikipedia weiß zu berichten, dass der Faxdienst von der Deutschen Bundespost bereits 1979 eingeführt wurde, es dauerte aber, bis sich die Geräte durchsetzten. Weiter heißt es da: „Heimisch wurde das Faxgerät in den deutschen Büros aber erst Ende der 1980er Jahre. Bereits ab Anfang der 1990er Jahre kam kaum mehr ein Büro ohne Faxgerät aus.“ Das deckt sich auch mit meiner Wahrnehmung.

Als im väterlichen Büro Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger, das erste Faxgerät installiert wurde, kam noch ein Techniker der Deutschen Bundespost ins Haus, öffnete am Gerät eine Klappe, legte durch Umschalten einiger Dipschalter und Tippen auf der Tastatur des Faxapparats die immer mitübertragene Absenderkennung fest und verplombte das Gerät wieder. Dieser Service dürfte einen mittleren Batzen Geld gekostet haben, Geld, dass das Gerät aber alsbald wieder hereinverdienen sollte, denn ein Fax war in jenen Tagen auch behördlicherseits so akzeptiert, wie ein teurer Einschreibebrief. Dieser besondere Status einer Faxsendung sollte alsbald wieder fallen, weil sich schnell herumsprach, dass sowohl die Absenderkennung als auch der Quittungsdruck des Faxgerätes sowie eine Faxübertragung selbst mit einfachsten Mitteln manipulierbar waren. Witzigerweise hielt aber gerade die Justiz am Fax und seiner Anerkennung fest, galt doch ein Schriftsatz, der rechtzeitig per Fax das Gericht erreichte, als form- und fristwahrend eingegangen. Und damit begann der Boom des Faxes – wundersamerweise bis auf den heutigen Tag.

Nach meiner Erfahrung ist genau diese Akzeptanz einer Faxsendung bei Behörden der Grund, warum diese Technik sich nach wie vor gegen die E-Mail behaupten kann.

Und so kommt es dann auch zu Einschätzungen wie der von Marcel, die ich hier einmal exemplarisch wiedergeben möchte:

Vielleicht eine unpopuläre Meinung, aber ganz ohne Fax geht es leider noch nicht. Es fängt damit an, dass es in vielen (Ausländer-)Behörden keine funktionierende Aktenführung mehr gibt und ich nicht davon ausgehen kann, dass Schreiben an die Behörde zur Akte gelangen.
Dann brauche ich den Faxbericht als Nachweis darüber, dass ich es der Behörde geschickt habe. Zumal es da durchaus auch mal auf den konkreten Zeitpunkt ankommen kann. Solange diese Mängel fortbestehen, ist die Abschaffung von Faxgeräten keine gute Nachricht und auch nicht im Sinne der Behördenopfer. (Quelle)

Nun arbeite ich selbst regelmäßig mit öffentlich-rechtlicher Verwaltung zusammen und weiß, dass Marcel mit dieser Einschätzung einfach mal recht hat. Freilich, man könnte per Mail kommunizieren – aber die Verbindlichkeit, die ein Fax heute noch genießt, lässt sich per Mail im Verwaltungsdialog einfach nicht herstellen. Freilich ist das ein Spiegelbild behördlichen Versagens, es illustriert, wie in Deutschland Bürokratie funktioniert. Und daran wird sich auch so schnell nichts ändern – denn letztlich wusste bereits Lenin, dass sich die Bürokratie am liebsten selbst reproduziert. Und drucken, faxen, scannen und ablegen sichert Arbeitsplätze der öffentlichen Hand.

Was also wäre, wenn von heute auf morgen alle Faxgeräte stillgelegt würden? Wenn sich die Datenschützer, die mit Recht die Manipulierbarkeit und fehlende Verschlüsselung der Sendungen monieren, sich durchsetzten?

Ja, diese Vorstellung ist ein klein wenig gruselig, denn ja, auf Faxe wird noch halbwegs zuverlässig reagiert, ihr Eingang in der Regel akzeptiert und, obwohl die Technik in Zeiten von VoIP durchaus nicht weniger fehlerbehaftet ist, als früher, bleiben erstaunlich wenige Sendungen „hinter der Wand stecken“. Nun könnte man durch signierten und verschlüsselten Mailverkehr durchaus kommunizieren – aber man nenne mir auch nur ein deutsches öffentliches ITK-Projekt, das nicht mit Anlauf und nach Ansage versemmelt wurde. So gesehen bedeutet der Wegfall des Telefax wohl wirklich einen Verlust – auch wenn man sich das ob der Absurdität dieser Aussage kaum vorstellen mag.

Lesetipp (kurz & knackig): Jürgen „tante“ Geuter zum Thema KI

Bei turi2 findet ihr gegenwärtig ein Augen öffnendes Interview mit dem Technikphilosophen Jürgen Geuter: „KI ist keine magische Box, die alle Probleme löst“.
Sehr lesenswert, nicht nur für KI-Fanbois.

Mein persönlicher Pulitzer in diesem höchst lesenswerten Interview:

Die Qualität von Sprachmodellen wird sich doch aber weiter verbessern und sich damit immer mehr lohnen – oder sehen Sie das nicht kommen?
Unterschiedliche Studien zeigen, dass sich die Qualität der Texte von ChatGPT verändert – aber nicht unbedingt verbessert. Und das hat einen ganz trivialen Grund, den man in der Mathematik “Model Collapse” nennt. In ChatGPT steckt bereits das gesamte Internet – ein zweites Internet haben wir nicht. Ein großer Teil der Inhalte, die jetzt und in Zukunft im Internet dazukommen, werden bereits durch KI erzeugt. Es wurden jetzt schon durch Künstliche Intelligenz mehr Bilder erzeugt, als jemals Fotos von Kameras geschossen wurden. Wenn ich aber nun ein KI-System mit KI-generiertem Zeug füttere, dann wird es schlechter. Die Informationsdichte in dem Ding sinkt. Es wird dümmer. Ein Bekannter von mir nennt es immer “Habsburg-KI”. (Quelle)

Wer Zeit und Muße hat, findet in der Rubrik „Themenwoche: KI in der Kommunikation“ weitere lesenswerte Interviews.