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Strompreiserhöhungen im neuen Jahr – pure Abzocke?

Nicht nur Kunden des Nürnberger Versorgers N-ERGIE können ein Lied davon singen: Ab dem 1. Januar 2011 werden die Strompreise erhöht – teils drastisch. Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat zu den allerorten um sich greifenden Strompreiserhöhungen ein Kurzgutachten in Auftrag gegeben und dieses kommt nun zu dem wenig überraschenden Schluss:

Die Konzerne und Stadtwerke geben demnach zwar die gestiegene Umlage für die erneuerbaren Energien an den Stromkunden weiter, nicht aber ihre eigenen, deutlich gesunkenen Beschaffungskosten. (Quelle)

Bei der Umlage nach dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) geht es im Wesentlichen darum, dass Produzenten von insbesondere Solarstrom für die ins Netz eingespeisten Kilowattstunden einen garantierten Mindestpreis erhalten – der durchaus über den marktüblichen Preisen für Ökostrom liegen kann. Diese Differenz wird dann auf alle Stromkunden umgelegt – also auch auf die, die gar keinen Ökostrom beziehen. Im Prinzip finde ich das auch gerecht und gerechtfertigt, stellt dies doch für die Betreiber von Photovoltaikanlagen eine Sicherung der teils erheblichen Investitionskosten zum Wohle Aller dar.

Es ist aber mitnichten gesagt, dass die erhöhten EEG-Umlagen komplett auf den Stromendkunden abgewälzt werden müssen. Die Energieversorger könnten diese Umlage auch gegen die immer niedriger werdenden Beschaffungskosten rechnen und müssten dann den Strompreis nicht erhöhen (im Falle von sehr kleinen Stadtwerken mögen – auch Verwaltungskosten steigen – marginale Erhöhungen unter Umständen gerechtfertigt sein). Dennoch werden die Strompreise deutlich erhöht: Gewinnmaximierung ist das Stichwort.

Foto: Th. Weidenhaupt, CC-BY-NC-NDW (Quelle)

Durch die nicht nachvollziehbaren Preiserhöhungen zahlen die Verbraucher in 2011 deutschlandweit rund zwei Milliarden Euro zu viel an die Stromversorger. (Quelle: ND, s.o.)

Es ist schon interessant, dass in der Studie scheinbar ohne belegbare Gegenargumentation, also bislang mit Fug und Recht, behauptet werden kann, dass, gemäß der oben angeführten Argumentation, eine Strompreiserhöhung gar nicht nötig wäre. Und dennoch erhöhen 570 Stromversorger laut ND ihre Preise zum 1. Januar bzw. zum 1. Februar um im Schnitt (sic!) 7,2 Prozent. Besonders teuer wird der Strom im Bundesdurchschnitt übrigens in Berlin und Hamburg – hier ist der KKW-Betreiber Vattenfall nämlich der regionale Grundversorger.

Eine Mehrbelastung der Haushalte um im Schnitt sieben Prozent ist eigentlich nicht hinnehmbar. Gegensteuern kann jeder individuell durch den Wechsel des Stromanbieters, sobald dies möglich ist. Wer in einem längerfristigen Stromvertrag steckt, der hat bei Preiserhöhungen ein Sonderkündigungsrecht, dessen Frist einen Monat vor Inkrafttreten der Preiserhöhung endet. Wer also zum 1. Januar die Preise erhöht bekommt, der ist bereits zu spät dran, wem die Preise zum ersten Februar erhöht werden , der muss  sich beeilen. Die heute auf B5aktuell vorgetragene Einsicht, man möge den Stromanbieter wechseln kommt – wie die ganze Studie – ein wenig spät, für die Mehrheit der von Preiserhöhungen betroffenen Stromkunden zu spät.

Zu Wechsel kann ich persönlich nur jedem raten – in den letzten Jahren habe ich den Anbieter zweimal gewechselt und es ist wirklich einfach.

Nichts desto trotz ist dieser individuelle Wechsel nur ein allererster Schritt, den der Kunde unmittelbar gehen kann und auch sollte. Dennoch ist auch hier die Politik in der Pflicht, mit scharfen Regulierungen gegenzusteuern, denn: Der Strompreis steigt im Schnitt um über sieben Prozent – auch das Wechseln des Anbieters führt nicht automatisch zu generell angemesseneren Preisen. In Anbetracht der Tatsache, dass das Stromnetz nur wenigen großen Konzernen gehört, sollte sich hier etwas tun – ein Durchgreifen seitens der Politik scheint bei den absurd hohen Strompreiserhöhungen mehr als nötig, allerdings steht zu befürchten, dass wir das bei einer Regierung, an der die FDP beteiligt ist, getrost vergessen können.

Wer sich für die Geschichte der Energieversorgung und den Prozess der Liberalisierung des Strommarkts aus politikwissenschaftlicher Sicht interessiert, kann sich das (Hör)Buch Das Energie-Kartell von Rüdiger Liedtke zu Gemüte führen. Leider sind sowohl das Buch wie auch das Hörbuch nur antiquarisch zu bekommen, es ist aber trotzdem (noch) kein Problem – die Erstausgabe erschien im Jahr 2006.

Mirror gefunden: Kafka, Kanzler und da knackt nichts

Gestern wurde im Deutschlandfunk das Feature Kafka, Kanzler und da knackt nichts – aus dem Inneren eines Überwachungsstaates wiederholt. Leider hatte (und habe ich gerade so viel um die Ohren, dass ich es verpasst habe). Beim DLF gibt es zwar ein Manuskript zu lesen – das Feature ist dort aber nicht downloadbar.

Ich habe dann bei Twitter einen Aufruf gestartet, ob es mir jemand schickt, doch leider ohne Erfolg. Macht aber nüscht, denn das Gute liegt so nah – der Ohrgeräusche-Podcast hat die Sendung im „Mirror“ – und das in mobiltauglichen knappen 25 MB.

Und hier ist der Link zum mp3. Performat bei archive.org.

Hörbuch: Politiker-Märchen von Dieter Hildebrandt

Relativ frisch hat diese CD das Presswerk verlassen und landete nun im Schacht meines Players: „Politiker-Märchen“, eine CD von Dieter Hildebrandt. Der Altmeister des politischen Kabaretts kommentiert anhand von Original-Tondokumenten Politikerlügen – so viel versprechen die Rezensenten bei Amazon.

Also habe ich diese CD auf meine Wunschliste gepackt und tatsächlich geschenkt bekommen (Danke!) und nun will ich auch ein paar Worte darüber schreiben.

Es ist, das wissen wir, keine Kunst, Lügen von Politikern aller Parteien aufzuspüren – zu oft wurde gelogen, unehrenhafte Ehrenworte gegeben, die Wahrheit verdreht, verzerrt manipuliert oder eben eine andere „Wahrheit“ kreiert. Der Untertitel „Die schönsten Lügen aus 60 Jahren Bundesrepublik“ grenzt das Betrachtungsgebiet auf das Territorium der BRD ein, eine Eingrenzung, die immer noch reichlich Stoff übrig lässt für Hildebrandts Unterfangen.

Wir erleben einen zwar wortgewaltig-witzigen Dieter Hildebrandt, der pointiert die Politiker-Lügen kommentiert, aber „zahmer“ als gewohnt auftritt. Wir erleben kurze und treffende Einführungen in den Kontext der jeweiligen Politikerlüge und Kommentare, die es wert sind, gehört zu werden. Wir werden also auf eine – zugegeben recht lückenhafte – Zeitreise in die Geschichte Deutschlands anhand der Lügen genommen.

Hildebrandt betrachtet die Wiederbewaffnung der BRD, die Spiegel-Affäre, Filbingers Position im Dritten Reich, das „Celler Loch“, die Flick-Affäre, Barschels „Ehrenwort“, Kohls „blühende Landschaften“, Kochs „Aufklärung“, Blüms sichere Rente und Ypsilantis Versprechungen wider die Linke.

Knapp 50 Minuten Audio ist dabei herumgekommen – und wäre da nicht Dieter Hildebrandt, diese CD würde unglaublich nerven: Die Auswahl der Tondokumente ist recht lieblos, sie sind kurz und beim Celler Loch und der Flick-Affäre schlicht nicht vorhanden. Die einzelnen Themen werden akustisch getrennt – durch jeweils ein paar Takte Nationalhymne, die auf einem angestaubten Keyboard mit angestaubten Sounds in peinlicher Weise neu „interpretiert“ wurden. Das fanden die Macher der CD beim Verlag Diederichs wohl lustig, ich finde es nervig und zu Kotzen. Und dann der Sound der CD: Hildebrandts Stimme wurde nach der Aufnahme mit einem zu starken und zu billige Echo unterlegt. Es klingt, als lese er in einer großen Blechtonne. Entweder versteht man in dem produzierenden Tonstudio nichts von seinem Handwerk oder der Praktikant hat das Ding abgemischt und sich dabei ordentlich dumm angestellt – schade!

Die CD ist hörenswert – das ist einzig und allein Dieter Hildebrandt zu verdanken – als Hörbuch aber ist sie aufgrund der o.g. handwerklichen Fehler weniger zu empfehlen.

Hier findet sich eine andere Rezension, die ich lesenswert finde.

Hörspiel: Richard Diamond Privatdetektiv – Fall 1 und 2

Oliver Rohrbecks „Lauscherlounge“ brachte bereits vor zwei Jahren die Neuinszenierung der US-amerikanischen „Richard Diamond“-Hörspiele auf CD in die Läden – mir ist sie erst heute in den CD-Schacht gekommen und was ich gehört habe, ist immerhin wert, dass ich kurz darüber schreibe.

Das CD-Cover verspricht „Hörspielkrimi[s] im 50er Jahre Stil“ und dieses Versprechen wird – zum Teil – eingehalten. Das Telefon läutet wie in den 50ern – ein echter W48-Sound ist das nicht. Die Musik ist deutlich angejazzt – aber nicht dieser typische „Paul-Temple-Sound“ á la Hans Jönsson – der Sound klingt eher 70s-lastig. Und der Sound der CD? Modern, digital und in effektvollem Stereo. Das Tempo, die Dramaturgie – das alles klingt modern. Kein etwas zu üppiger Bass wie bei echten Aufnahmen der 50er Jahre, kein Rauschen vom Band…

Richard Diamond ist ein Privatdetektiv und pflegt als Ex-Bulle gute und freundschaftliche Kontakte zur New Yorker Polizei unterhält. Er genügt dem Privatdetektivklischee vollends, ist der doch chronisch pleite, hat sein Mundwerk und seinen Revolver allzu lose sitzen und ist Held, Macho und genialer Ermittler in Personalunion. Jeder Privatdetektiv braucht eine Liebste, Diamonds Gespielin ist die rothaarige Helen Asher, die das Klischee der Fifties-Tussi ganz passabel erfüllt, bei Diamonds Abenteuern brav daheim sitzt, ab und an etwas mault und bei Diamonds Spiel auf dem verstimmten Klavier regelmäßig dahinzuschmelzen pflegt.

Im ersten Fall „Die schwarze Puppe“ jagt Diamond einer, wie könnte es anders sein, schwarzen Puppe hinterher, die man auf einer Kirmes schießen kann und die etwas wertvolles enthält. Und im zweiten Fall gerät Diamond unfreiwillig in den Besitz eines braunen Umschlags, der den „Schlüssel“ zu sechshunderttausend Dollar enthält. Der Umschlag wird im wieder abgejagt und dann sammelt ihn Diamond mit Hilfe seiner Kumpel von der Polizei (nebst den Ganoven) wieder ein.

Zwei Hörspiele finden sich auf der CD. Kurz, knackig und etwas langweilig. Die Sprecher sind super, die Umsetzung professionell, es macht wirklich Spaß, zuzuhören – aber der Plot ist platt.

Nichts desto trotz: Diese CD bietet – bei allen Mankos – gute Unterhaltung.

Hörbuch: Olaf Baale – Die Verwaltungsarmee

Treffender könnte der Untertitel des vorliegenden Hörbuchs nicht sein: „Wie Beamte den Staat ruinieren“.

Baale beschreibt ruhig und sachlich, wie Beamte den Staat ruinieren. Diese angeblichen Diener des Staats sind, und das kann Baale belegen, die Hauptursache der Überschuldung und fehlenden Flexibilität. Ein glühendes Plädoyer gegen den Beamtenstaat legt Baale hier vor – und das Erschreckende wie Erhellende ist die Erkenntnis, dass er damit in weitesten Teilen recht hat.

Die Struktur des Hörbuchs holt auch den unwissenden Hörer ab: Nach einer kurzen Einführung geht Baale auf die Entstehungsgeschichte des Berufsbeamtentums ein und legt damit den Grundstein für ein tieferes Verständnis der Situation in der BRD. Dann arbeitet Baale die Versorgungskosten für die Beamten und deren Angehörigen heraus und zeigt hier die sich anbahnende ökonomische Katastrophe und ihre Verursacher klar auf. Auch versteht er, sauber zu argumentieren, warum das Beamtentum in seinem Kern ein echtes Hindernis für die Demokratie ist. Werden hier nun aber Beamte gedisst? Nein, gar nicht – ganz im Gegenteil. Baale bringt über die Maßen Verständnis für die Beamten und ihre Situation auf. Hier geht es nicht darum, Beamte rund zu machen, vielmehr wird hier ein fairer Diskurs über das Beamtentum geführt – der den Schluss beinhaltet, dass es höchst abschaffenswürdig ist. Es geht nicht um Schuld – denn den einzelnen Beamten trifft keine Schuld. Es geht um ein System, das im Prinzip ni funktionierte und natürlich immer noch nicht funktioniert.

Die Analyse ist logisch und stringent. Und vernünftig dargelegt, verständlich formuliert und nicht ganz ohne Humor.

Olaf Baale – Die Verwaltungsarmee, Audio CDs und MP3-CD, ca. 6,5 h Laufzeit, 14,90 Euro (Straßenpreis weit darunter)

Hörbuch: Beate Baum – Dresdner Geschäfte

Kirsten, Journalistin und Protagonistin, wohnhaft in Dresden, trennt sich von ihrem langjährigen Freund Dale, der Privatdetektiv ist und zieht zu ihrer großen Liebe Andreas. Soweit so schnulzig. Das war es dann auch mit der Schnulze, denn jetzt kommt die Wendung: Kirsten will ihre Sachen aus Dales Haus holen und entdeckt ihn – nach einem Suizid mit Barbituraten.

Nun plagen sie Selbstzweifel. Hat sich ihr Ex wirklich umgebracht? Oder wurde er gar ermordet? Und nun geht es richtig rund: Dale ist nicht tot – er liegt im Koma. Ohne es wirklich zu wollen, stolpern Kirsten und Andreas in zwei Fälle – der eine dreht sich um Billigläden im Osten und der andere um eine suspekte Seniorenresidenz. Und sie scheinen irgendwie nicht zusammen zu gehören, wenn da nicht ein verknüpfender Punkt wäre: Dale.

Mehr will ich nicht verraten. Aber soviel sei gesagt: Die Spannung wird gehalten, viel Dresdner Lokalkolorit floss in den Krimi ein (wovon ich wenig habe – dazu kenne ich Dresden zu schlecht) und das Hörbuch ist gut gelesen.

Dresdner Geschichten“ macht Lust auf Regionalkrimis, auch, wenn diese nicht aus der eigenen Region kommen. Hier ist ein kleines Meisterstück gelungen, denn der Hörer kann sich hervorragend in die zum Teil verzweifelte Lage von Kirsten hineindenken und bekommt zudem einen spannenden Krimi mit mindestens zwei glänzend erzählten Handlungssträngen.

Beate Baum: Dresdner Geschäfte, Radioropa Hörbuch, 5 CDs + MP3-CD, ca. 5,5 Stunden Laufzeit, 9,90 Euro (Straßenpreis günstiger)

Hörbuch: Carl von Lieser – Vorsicht Rotlicht

So einen abgehalfterten Scheißdreck habe ich schon lang nicht mehr gehört. „Vorsicht Rotlicht“, das zweifelhafte Machwerk des „Autors“ Carl von Lieser soll ein Krimi sein – ich bin der Meinung, es ist Mist. Großer Mist sogar.

Dabei hätte der Plot durchaus das Zeug zum Krimi gehabt. Hätte – wenn von Lieser es nicht stümperhaft und komplett versaut hätte:

Hauptperson ist der geschiedene Matz, er ist um die Vierzig, Gymnasiallehrer und „Journalist“ einer alternativen Trierer Stadtzeitung, kurz: Der klassische Low-Performer eben. Daraus hätte man was machen können, aber nein: Von Lieser stilisiert den Low-Performer zum Helden hoch. Da beißt sich was – der „Held“ ist unglaubwürdig. Unser Held ist verliebt – in die farbige, fünfundzwanzigjährige Studentin Naomi (aua! Klischee mit dem Holzhammer verplättet worden! Das tut weh!). Nun wird eine Prostituierte umgebracht – der Trierer Rotlichtskandal wird in kleinen Happen serviert und zwischendrin (Nein! Nicht zwischendrin – ziemlich oft – leider!) beschreibt von Lieser, wie der Low-Performer seine Studentin fickt. Wer jetzt knisternde Erotik erwartet, der ist auf dem Holzweg – von Lieser offeriert hier platte Pornolalie.

Es ist einfach nur ein Schund – dabei langweilig gelesen. Niedrige Reize werden angesprochen, um über die mangelnde Qualität des Textes hinwegzutäuschen. Das ist gründlich misslungen: Hier offenbart sich die miese Schreibe des Autors gnadenlos.

Vorsicht Rotlicht? Vorsicht Scheißdreck!

Carl von Lieser – Vorsicht Rotlicht, TechniSat, 4 CDs und MP3-CD, 4 h 15 min. verschwendete Lebenszeit, 7,95 Euro (Straßenpreis günstiger)

Hörbuch: Olaf Baale – Abbau Ost

Es ist lange her, dass ich ein so ausgezeichnetes Hörbuch im CD-Schacht hatte: Olaf Baales „Abbau Ost“ ist eine gelunge Bestandsaufnahme der deutschen Einheit – im Jahr 2008. Baale analysiert trennscharf, ehrlich und umfassend, warum Ostdeutschland wirtschaftlich in weiten Teile n darniederliegt. Und daran hat sich bis heute im Wesentlichen nichts geändert. Das Schöne und Wahre an Baales Betrachtung ist, soviel sei vorweg gesagt, dass dieses Hörbuch keine Abrechnung mit den Ostdeutschen ist – denn die können nichts dafür. Und Baale erklärt auf ganz wunderbare Weise, warum das so ist.

Foto: TechniSat

Bevor ich aber tiefer einsteige, möchte ich ein Zitat voranschicken, das sich auf der Seite „unsere-deutsche-einheit.de“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung findet:

Das Wissen um die künftige Entwicklung des Beitrittsgebiets belastet mich. Ostdeutschland hat sich von der konjunkturellen Entwicklung in Europa abgekoppelt. Ich lebe in einer Region, in der es Zeit meines Lebens – und bei optimistischer Prognose feiere ich zur Mitte des Jahrhunderts meinen 90. Geburtstag – stetig nach unten geht, in der sich die wirtschaftliche Situation und das gesellschaftliche Umfeld jedes Jahr ein wenig mehr verschlechtern. Die Situation in Ostdeutschland erinnert mich an einen dieser Kriegsfilme aus Hollywood, wo der Soldat tödlich getroffen am Boden liegt und sich sein Kamerad über ihn beugt. Der Soldat erkennt den Freund und sagt: Ich spüre meine Beine nicht mehr, und sein Kamerad antwortet, Tränen in den Augen: Halt durch! Du wirst bald wieder auf den Beinen sein. Und dann gehen wir zusammen am Strand spazieren, so wie du es dir immer gewünscht hast…. (Olaf Baale, am 4. Februar 2009)

Baale nimmt uns mit auf eine Reise in die DDR und die Wendejahre, er hilft zuerst, das Wirtschaftssystem der DDR zu verstehen, nicht nur mit seinen Schwächen und seinen Stärken. Er zeichnet ein präzises Bild der bundesdeutschen Wirtschaft vor dem Beitritt der DDR. Und er lässt beides im Kontext des Vereinigungsprozesses zusammenfließen – verständlich und strukturiert. Und dann fallen einem die Fehler des Einigungsvertrages deutlich auf. Hier endet die Betrachtung aber keineswegs: Welchen Einfluss hat das Parteiensystem auf die wirtschaftliche Entwicklung des Ostens? Was ist da eigentlich mit der Privatisierungswelle durch die Treuhandanstalt passiert? Welche Auswege antizipieren sich und wie schmerzhaft wird das für Gesamtdeutschland sein? Diese Fragen – man mag es kaum glauben! – versteht Baale zu beantworten. Und die Antworten liefert dieses Hörbuch.

Wer sich öfter Hörbücher von TechniSat zu Gemüte führt , der weiß, dass die Leistung der Sprecher – na sagen wir mal: Nicht immer so optimal ist. Diese CDs bilden eine vornehme Ausnahme, denn Olaf Baale liest sein Buch selbst. Und er kann nicht nur schreiben, er trägt sein Werk auch wunderbar vor.

Eine Hörprobe gibt es auf den Seiten von Techisat.

Dieses Hörbuch empfehle ich allen, die sich für die Geschichte der DDR und für Tagespolitik interessieren. Erkenntnisgewinn ist garantiert – und dabei ist der „Stoff“ noch nicht mal trocken. Hier kann man mit Spaß viel Neues erfahren und gute Argumente finden. Ich bin versucht, „Abbau Ost“ zu meinem persönlichen „Hörbuch des Jahres 2009“ zu küren.

Olaf Baale – Abbau Ost. Radioropa-Hörbuch 2008, 8CDs mit Bonus-mp3-CD, Laufzeit: gute 10 Stunden, EUR 16,90.

Ein Blick zurück, ein Schritt nach vorn (Hörbuch)

Man kann Gegor Gysi mögen oder auch nicht – eines sei ihm neidlos zugestanden: Seine rhetorischen Fähigkeiten suchen ihresgleichen. Und weiterhin sei ihm zugestanden: In Debatten wird er gerne und oft angegriffen, was er nahezu ausnahmslos mit brillanter Schlagkräftigkeit zu parieren weiß. Dass Gysis Bücher auch und besonders von diesen Fähigkeiten des linken Urgesteins leben, ist kein Geheimnis.

Seit einiger Zeit gibt es sein Buch „Ein Blick zurück, ein Schritt nach vorn“ als Hörbuch – das ist inzwischen sogar richtig billig geworden (es kostet mitunter nur um dir fünf Euro) und so habe ich mir den Spaß gemacht, mir das zu kaufen.

Das Buch „Ein Blick zurück, ein Schritt nach vorn“ ist im Jahr 2001 erschienen. Kalter Kaffee? Nein, denn das Buch ist ein Bilanz – die der PDS von 1989 bis 2001 und eine Zwischenbilanz Gysis. Und es liefert einige gute Erklärungen zum Krieg in Jugoslawien und der deutschen Beteiligung an diesem Krieg, der Zerrissenheit Deutschlands trotz der Einheit und den wichtigen Entscheidungen nach ´89.

Und Gysi versäumt es auch nicht, mit alten Feinden ein wenig abzurechnen. Kohl gehört dazu und Schröder sowieso. Weitere spannende historische Einblicke gewährt Gysi, indem er über seine Reisen berichtet. Als besonders erhellend empfand ich seine Schilderungen über die Situation in Nordkorea.

Das Hörbuch war für mich zuerst einmal eine kleine Enttäuschung: Gysi liest nicht selbst – und das hätte dem Stoff sicherlich gutgetan. Wenn man sich aber an eine andere Stimme (guter Sprecher) zu den Worten Gysis gewöhnt hat, dann ist dieses Hörbuch ein Genuss!

Gregor Gysi: Ein Blick zurück, ein Schritt nach vorn, Technisat-Hörbuch, 12 CDs + MP3-CDs, ca. 12,5 h

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