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Gefährliches Digitalradio?

Lange bevor uns die Umstellung des analogen terrestrischen Fernsehens auf DVB-T ereilte, wurde in Deutschland versucht, den Hörfunk zu digitalisieren – beide Male ohne nennenswerten Erfolg. Zum ersten Mal wurde dieser Versuch um etwa 1990 unternommen mit dem „Digitalen Satellitenradio“ – einer recht high-endigen Lösung zu stationären Empfang, die sich nicht durchsetzen konnte (allein der Erwerb des geeigneten Tuners belastete das Budget vierstellig!) und einige Jahre später wieder eingestellt wurde. Und dann kam DAB und damit terrestrisch empfangbares Digitalradio. DAB gibt es bis heute, DAB konnte keine nennenswerten Erfolge erzielen.

Ich habe selbst einen DAB-Tuner, den ich kaum nutze und ich habe so einige Gedanken, warum DAB kein Erfolg ist:

  • Anschaffungskosten: In den vergangenen Jahren war ein DAB-Radio eine sehr teure Sache. Ein Tuner für die Stereoanlage in halbwegs ansprechender Qualität war eigentlich nicht unter 500,– Euro zu haben, ein einfaches tragbares Radio („Henkelware“) kaum unter 150,– Euro. Da überlegt man sich die Anschaffung ganz genau – oder anders gesagt: So was ist schon allein des Preises wegen etwas für Radioenthusiasten. Zwar sind gerade in den letzten beiden Jahren die Preise für DAB-Radios deutlich gefallen, im Schnitt sind sie aber immer noch teurer als UKW-Radios (das gilt besonders für Autoradios und Taschenradios).
  • Fehlender Mehrwert gegenüber dem analogen UKW-Radio: Ein DAB-Radio, so wie wir es heute kaufen können, kann technisch gesehen nicht wesentlich mehr als ein ganz normales UKW-Radio – im Zweifelsfall sogar weniger! Beispielshalber stelle ich die Situation in Nürnberg dar: Mindestens 18 Sender (ein besseres Radio holt auch SWR2 in akzeptabler Qualität heran) sind via UKW problemlos zu empfangen, 17 davon in stereo. Bei DAB sind es zum einen weniger Sender, zum anderen ist der Empfang im Zimmer trotz geeigneter Antenne nicht unproblematisch, der Deutschlandfunk (dort überträgt man gerne live und in voller Länge klassische Konzerte) kommt in 64kBit/s mono und etliche der Regionalsender sind via DAB auch nicht zu bekommen. Selbst Bayern 3 und BR-Klassik sind über DAB nicht verfügbar (und das ist schon frech – denn diese Sender kommen vom Bayerischen Rundfunk und dafür zahlt man ja Gebühren). Weiterhin sind die mitgesendeten Informationen im Radiotext bei DAB oft erschreckend dünn – meist ist dort nicht mehr zu lesen, als im RDS des UKW-Rundfunks. Wer also das technisch erreichbare terrestrische Maximum an verfügbaren Sendern empfangen will, der braucht UKW und DAB. Mit UKW ist der Schnitt aber besser.
  • Tonqualität: Für DAB wird mit einer besonders guten Tonqualität geworben. Der digitale Rundfunk soll annähernd so gut wie eine CD klingen. Mit der alten Datenkompression von DAB (MPEG 1, Layer 2, das ist technisch unterhalb des MP3-Codecs, der inzwischen auch nicht mehr als Maß der Dinge angesehen werden kann) ist das theoretisch schon sehr schwierig, praktisch wird diese gute Tonqualität auch nur selten erreicht. Das liegt besonders daran, dass die Sender auf eine hohe Übertragungsrate aus Kostengründen gerne verzichten. Beim Indoorempfang ist hier, selbst in der Innenstadt, mit starken Signaleinbrüchen zu kämpfen, besonders im L-Band ist immer wieder das typische „Blubbern“ von DAB zu verzeichnen. Hier spielt UKW seine technischen Stärken klar aus: Wenn ein UKW-Sendesignal schwach ist und im Stereobetrieb stark rauscht, kann man auf mono umschalten und den Sender immer noch akzeptabel hören. Bei DAB ist ein schwaches Signal nicht mehr zu empfangen – Ganz oder gar nicht! Einige High-End-Freaks behaupten indes, dass die Klangqualität von UKW sogar deutlich besser sei…
  • Fehlender Anreiz zur Umstellung bzw. Anschaffung: Bei DVB-T erlebten wir eine Art Zwangsumstellung: 2006/07 gab es kein analoges Antennenfernsehen mehr. Wer sich keine DVB-T-Box gekauft hatte, sah kein Fernsehen. Das ist bei UKW und DAB anders. Wenn DAB schon keinen Mehrwert bietet und die Radios funktionieren, warum dann ein neues kaufen (und Radios sind recht robust: In den letzten Jahren ist mir keines der Geräte, die ich benutze, kaputt gegangen. Und bei meinem Papa hat im letzten Jahr der alte Grundig nach 35 Jahren (sic!) seinen Dienst quittiert)?

Es sieht also, das zeigt auch die Verbreitung der DAB-Empfänger, nicht gut aus für digitalen Hörfunk – und aus oben genannten Gründen dürfte sich auch mit der Einführung von DAB+ nichts daran ändern, es sei denn, man würde die Verbreitung über UKW irgendwann komplett abschalten. Das tut insbesondere all jenen weh, die sich sehr für DAB im Speziellen und den digitalen Hörfunk im Allgemeinen eingesetzt haben. Und das sind nicht nur die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sondern auch die Landesmedienzentralen nebst den großen privaten Programmanbietern. Das Scheitern von DAB erhöht den Druck auf all jene, die in der Vergangenheit DAB das Wort geredet und Unsummen in dieses Projekt investiert haben.

Was wird passieren? Während man 2006 und 2007 noch davon sprach, etwa 2012 UKW abzuschalten, ist davon nicht mehr die Rede. Der Aufschrei währe wohl zu groß, müssten doch Millionen und Abermillionen Radiogeräte getauscht werden. Das ist auch gar nicht möglich; da DAB seine „Nische“ nie verließ, existiert auch kein adäquater Gerätemarkt.

Nun scheint sich langsam aber sicher die Erkenntnis durchzusetzen, dass der Misserfolg von DAB mit der über diesen Weg empfangbaren Programm(un)vielfalt zusammenhängen mag. Laut einer gestrigen Meldung von teltarif.de scheinen die Thüringer Landesmedienanstalt (TLM) und die Bayerische Landeszentrale für Neue Medien (BLM) gegensteuern zu wollen: Es werden bundesweite Digitalradiokapazitäten ausgeschrieben. Bei der BLM läuft die Ausschreibung bis 12. März.

Die Überschrift verrät es bereits: Ich halte die Ausschreibung einer bundesweiten „Frequenz“ für Privatanbieter für besonders gefährlich und lehne dies auch ab. Insbesondere sehe ich folgende Gefahren:

  • Nicht selten ändern sich bei privaten Rundfunkanbietern die Besitz/Mehrheitsverhältnisse. Das birgt zweierlei Gefahren: Zum einen können sich große Medienkonzerne im Nachhinein dort einkaufen und sukzessive Macht in Vorständen und Aufsichtsräten erhalten. Ein bundesweites privates Radioprogramm wird diese Bestrebungen beflügeln – wir haben die Machtkonzentration bei privaten Anbietern im Fernsehbereich in den letzten Jahren erlebt. Diesen Fehler sollte man beim Radio nicht begehen (über Kabel und Satellit sowieso haben wir das bereits, auch senden die „Überregionalen“ in manchem Ballungsraum mit schwachen UKW-Sendern – aber ein bundesweites Programm in der Fläche zu verbreiten erreicht eine neue Qualität!)
  • Ebenso könnte sich die Politik mehr oder weniger direkt in diese Sender einkaufen. Das ist m.E. noch gefährlicher.
  • Bundesweiter Privathörfunk ist ein Angriff auf die Vielfalt im Radio. Hier wird nicht nur Regionalität verhindert sondern auch der Wettbewerb zu Lasten regionaler Anbieter verzerrt. Zum einen im Bereich höherer Werbeeinnahmen, die durch überregional/bundesweit/international auftretende Werbetreibende erzielt werden können und zum anderen durch teure und aufwändige Programminhalte, die die „Kleinen“ weder finanziell noch personell stemmen können.
  • Frequenzen (oder im Fall von DAB „Kanäle“ in einem Multiplex) sind ein knappes Gut: Je mehr dieser Frequenzen/Kanäle von bundesweiten Anbietern belegt werden, desto weniger stehen sie dem regionalen Hörfunk (und damit auch Bürgersendern, offenen Kanälen, Veranstaltungs/Projektradios, Freien Radios etc) zur Verfügung (Anm.: DAB ist hier sowieso die falsche Technik, denn kleine Anbieter, die wenig Geld für die technische Verbreitung zur Verfügung haben, weichen gerne auf günstige Sender mit geringerer Reichweite aus oder betreiben teilweise selbst welche auf dem Studiodach. Das geht mit DAB nicht mehr, wohl aber mit DRM+).

Ich spreche mich daher gegen bundesweiten Hörfunk in privater Hand aus. Das Fernsehen hat uns die Fehler dieses Ansatzes in den letzten Jahren deutlich vor Augen geführt. Die von der TLM und BLM angestoßene Initiative halte ich für gefährlich. Selbst wenn sie ausschließlich zur Attraktivitätssteigerung des schwächelnden DAB gedacht ist, markiert sie doch einen Dammbruch im Hörfunkbereich – einen Dammbruch, den wir in Zeiten zunehmender Einflussnahme auf und Kommerzialisierung in die bzw. den Medien echt nicht gebrauchen können. Principiis obsta!

4 Kommentare

  • Michael

    man sollte da halt schaffen ne anständige mischung hin zu bekommen.
    Lokale Radios und ein paar Radiosender die wirklich gesamtdeutsch durchgängig zu empfangen wären und nicht einen Inhalt wie der DLF haben.
    der übrigens stellenweise ja auch nur miserabel zu empfangen ist..
    Ich find es schon sehr störend wenn man hier losfährt und egal ob in nördliche oder westliche richtung nach spätestens 150 km muss man sich nen neuen sender suchen. Grad im Auto will ich eigentlich mich bedudeln lassen und nich von einem verrauschten sender zum nächsten wechseln.
    und das hab ich mir von dab schon erhofft, dass es mal so sein würde. aber so lang wie sich das zieht und was die geräte noch kosten glaub ich da echt net an nen baldigen ersatz des ukw

  • John

    Wenn ich mir die UK anschaue wo es bereits vor DAB landesweite Sender via Mittelwelle gab, wie z.B. Virgin Radio 1215AM heutzutage Absolute Radio, und dort hab ich auch die Transition ein bisschen mitbekommen, da hat Virgin Radio damals stündlich über mehrere Wochen ein DAB Radio verlost, natürlich nur die günstigen Standgeräte oder kleine portable, aber das hat doch einiges zur Akzeptanz beigetragen, und natürlich der kleine Vorteil von landesweitem Stereoempfang zu Mono via AM vorher 😉
    Aber der breite Markterfolg in UK zeigt auch interessante Preisverschiebungen bei DAB Empfänger, bspws. gibts bei amazon.co.uk mittlerweile einen iPod DAB Adapter schon für 25£ und die kleinen PURE Geäte gibts auch schon ab ca. 30£. Wenn sie jetzt bloss noch DAB+ hätten könnte man sich glatt mal eine Bestellung in UK überlegen 😉
    Unterm Strich würde ich mich über eine weite DAB Verbreitung freuen, aber die meisten Deutschen hören Radio im Auto und da ist DAB doch leider sehr selten serienmäßig anzutreffen, wenn sich das ändern würde hätte man schonmal tausende potentielle Empfänger…

  • admin

    @John
    Lies Dir mal den ersten Teil dessen durch, was ich zu DAB und UK geschrieben hab: https://blog.fohrn.com/?p=1438
    DAB UK ungleich DAB DE wegen der fehlenden L-Band-Unterstützung.
    Wenn Du davon überzeugt bist, dass DAB+ die Zukunft ist (und manches spricht dafür) und Du schon jetzt ein Gerät willst, kannst Du Dir mal das zu Gemüte führen:
    http://www.amazon.de/Muvid-IR-815-UKW-Tuner-LC-Display/dp/B002ORHNRA/ref=cm_cr_pr_product_top
    Netter Feature-Mix, nur war bei muvid die Haptik und Bedienung immer etwas scheiße.
    Aber solche Radios werden wire in Zukunft öfter bekommen, viele der derzeit angebotenen PURE-Geräte können auch schon DAB+. Warum? Im Prinzip ist es wie bei DRM.
    Da gibts nur eine Handvoll gängiger Chips auf dem Markt, die von allen Herstellern verbastelt werden und da scheint sich das +Feature mittlerweile durchzusetzen …
    Btw. Amazon.uk in DE ist stressfrei. Eine Freundin hat sich aus UK immer DVDs kommen lassen. Teures shipping aber sonst kein Problem. Der Stecker ist auch fix getauscht…

  • Heri

    Ich habe im großen und ganzen nichts gegen DAB. Ich nutze selbst ein Digitalesradio und bin eigentlich vollkommen zufrieden damit. was mich allerdings stört ist das man bei langen Autofahrten stämdige den Sender wechseln muss. Es wäre cool wenn man in dem Punkt was verbessern könnte.

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